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25/01 Strafprozess;Norm
SPG 1991 §65 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des H in Lienz, vertreten durch Dr. Ingrid Türk, Rechtsanwalt in Lienz, Johannesplatz 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. August 1997, Zl. 10.440/46-II/13/97, betreffend Löschung erkennungsdienstlicher Daten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. August 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 8. April 1997 auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten abgewiesen.
Am 5. November 1996 sei die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers im Zuge von Ermittlungen des Gendarmeriepostens Lienz hinsichtlich des Verdachtes gemäß § 293 StGB durchgeführt worden. Die aufgrund dieser Ermittlungen erstattete Anzeige sei von der Staatsanwaltschaft Salzburg (richtig: von der Staatsanwaltschaft Innsbruck) gemäß § 90 StPO aus dem Grund des § 34 Abs. 2 StPO zurückgelegt worden, weil der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit vom Bezirksgericht Lienz am 24. Oktober 1996 (rechtskräftig seit 28. Oktober 1996) wegen des Vergehens gemäß § 223 Abs. 2 StGB verurteilt worden sei. Diese Zurücklegung der Anzeige impliziere nicht, daß der Verdacht gegen den Beschwerdeführer nicht habe bestätigt werden können oder die Tat nicht rechtswidrig gewesen sei. Die Voraussetzung für die Löschung der erkennungsdienstlichen Daten gemäß § 74 SPG sei daher trotz des Umstandes, daß der Beschwerdeführer nicht verurteilt worden sei, nicht gegeben.
Die durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung könne aber auch auf den gefährlichen Angriff, dessentwegen der Beschwerdeführer gemäß § 223 StGB verurteilt worden sei, gestützt werden. Aufgrund der diesbezüglich erfolgten Verurteilung komme eine amtswegige Löschung nach § 73 Abs. 1 Z. 4 SPG nicht in Betracht.
Darüberhinaus sei aufgrund der "Charakteristik der für das gegenständliche Verfahren maßgeblichen Delikte und ihres engen zeitlichen Zusammenhanges" zu befürchten, daß der Beschwerdeführer gefährliche Angriffe im Sinne des § 74 Abs. 2 SPG begehen werden.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Das Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 556/1991, in der geltenden Fassung, enthält im dritten Hauptstück seines vierten Teiles ("Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei") Regelungen über den Erkennungsdienst. Gemäß § 65 Abs. 1 erster Satz SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, Menschen, die im Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln. Ein "gefährlicher Angriff" im Sinn dieser Bestimmung ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer insbesondere nach dem Strafgesetzbuch (StGB) strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird (§ 16 Abs. 2 SPG). Gemäß dem § 64 Abs. 6 SPG bleibt für die Zulässigkeit einer Maßnahme nach diesem Hauptstück der Verdacht der Begehung eines gefährlichen Angriffes auch nach rechtskräftiger Verurteilung wegen der entsprechenden gerichtlich strafbaren Handlung bestehen.
Nach § 73 Abs. 1 Z. 4 SPG sind gemäß § 65 ermittelte erkennungsdienstliche Daten von Amts wegen u.a. zu löschen, wenn gegen den Betroffenen kein Verdacht mehr besteht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, es sei denn, weiteres Verarbeiten wäre deshalb erforderlich, weil aufgrund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen. § 74 Abs. 1 SPG sieht, sofern nicht die Voraussetzungen des § 73 leg. cit. vorliegen, eine Löschung erkennungsdienstlicher Daten, die gemäß § 65 Abs. 1 SPG ermittelt worden sind, auf Antrag des Betroffenen vor, wenn der Verdacht, der für ihre Verarbeitung maßgeblich ist, schließlich nicht bestätigt werden konnte oder wenn die Tat nicht rechtswidrig war. Zufolge Abs. 2 dieser Bestimmung ist dem Antrag nicht stattzugeben, wenn weiteres Verarbeiten deshalb erforderlich ist, weil aufgrund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen.
Ebenso wie die Ermächtigung zur erkennungsdienstlichen Behandlung nicht von der tatsächlichen oder möglichen strafgerichtlichen Verurteilung des Betroffenen, sondern nur vom Verdacht der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes abhängt, entsteht auch mit dem Unterbleiben einer gerichtlichen Verurteilung nicht zwingend die Verpflichtung zur Löschung von erkennungsdienstlichen Daten, sondern kommt es auch insoweit - von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen abgesehen - nur auf den Wegfall der im § 65 Abs. 1 SPG umschriebenen Verdachtslage an. Besteht kein Verdacht mehr, der Betreffende habe objektiv rechtswidrig einen maßgeblichen strafgesetzlichen Tatbestand verwirklicht (§ 73 Abs. 1 Z. 4 leg. cit.) bzw. konnte ein entsprechender Verdacht nicht bestätigt werden oder war die Tat nicht rechtswidrig (§ 74 Abs. 1 leg. cit.), so sind die gemäß § 65 Abs. 1 SPG ermittelten erkennungsdienstlichen Taten von Amts wegen (§ 73 Abs. 1 Z. 4 leg. cit.) bzw. auf Antrag (§ 74 Abs. 1 leg. cit.) zu löschen. Dabei wird vom Gesetz zwischen einer evidenten Entkräftung der Verdachtslage einerseits und einer bloßen Nicht-Erweisbarkeit andererseits unterschieden. Während im ersten Fall die Löschung erkennungsdienstlicher Daten von Amts wegen stattfindet, ist sie in der zweiten Alternative nur auf Antrag vorgesehen. Jedenfalls kommt eine Löschung dann nicht in Frage, wenn feststeht, daß die betreffende Person objektiv rechtswidrig einen maßgeblichen strafgesetzlichen Tatbestand verwirklicht - und damit einen "gefährlichen Angriff" nach § 16 SPG begangen - hat (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0623).
Vorliegend erfolgte die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers im Zuge von sicherheitsbehördlichen Erhebungen wegen des Verdachts, der Beschwerdeführer habe beim Import und bei der Weiterveräußerung von Motorrädern falsche bzw. verfälschte Urkunden verwendet.
Gemäß § 223 Abs. 1 StGB begeht eine Urkundenfälschung wer eine falsche Urkunde mit dem Vorsatz herstellt oder eine echte Urkunde mit dem Vorsatz verfälscht, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder eine Tatsache gebraucht werde. Gemäß dem Abs. 2 dieser Bestimmung ist ebenso zu bestrafen, wer eine falsche oder verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht.
Obwohl das Gendarmeriepostenkommando Lienz die Anzeige wegen des Verdachtes der Fälschung von Beweismitteln gemäß § 293 StGB erstattete, handelt es sich hiebei inhaltlich um eine Anzeige wegen Urkundenfälschung gemäß § 223 StGB. Demgemäß hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck am 14. März 1997 ausgesprochen, daß diese Strafanzeige wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB gemäß § 90 StPO zurückgelegt werde, weil im Hinblick auf das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 24. Oktober 1996 gemäß § 34 Abs. 2 StPO von einer neuerlichen Verfolgung abgesehen werden könne. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bedeutet die Zurücklegung der Anzeige gemäß § 90 StPO keineswegs zwingend, daß der Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung "schließlich nicht bestätigt werden konnte". Im vorliegenden Fall erfolgte die Zurücklegung der Anzeige aus dem Grunde des § 34 Abs. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können die Staatsanwälte, falls dem Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen zur Last liegen, von der Verfolgung einzelner absehen oder unter Vorbehalt späterer Verfolgung zurücktreten,
1.
wenn das voraussichtlich weder auf die Strafen oder sichernden Maßnahmen noch auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen wesentlichen Einfluß hat;
2.
wenn der Beschuldigte wegen der übrigen strafbaren Handlungen an eine ausländische Behörde ausgeliefert wird und die im Inland zu erwartenden Strafen oder sichernden Maßnahmen gegenüber denen, auf die voraussichtlich im Ausland erkannt werden wird, nicht ins Gewicht fallen.
Aus einer Zurücklegung der Anzeige aus dem Grunde des § 34 Abs. 2 StPO kann daher keineswegs der Schluß gezogen werden, daß der Beschwerdeführer die Tat nicht begangen habe oder auch nur, daß der Verdacht nicht bestätigt habe werden können.
Der Beschwerdeführer bringt selbst vor, daß er im Zuge der Einfuhr zweier Motorräder aus den USA und der Weiterveräußerung eines dieser Fahrzeuge für die Verzollung und Anmeldung Urkunden verwendete, die fälschlicherweise auf den Namen einer Person ausgestellt worden sind, die mit diesen Geschäften nichts zu tun hatte, um vor dem Finanzamt zu verheimlichen, daß der Beschwerdeführer Motorräder verkaufe. Da der Beschwerdeführer damit selbst zugesteht, das Vergehen der Urkundenfälschung gemäß § 223 Abs. 2 StGB begangen zu haben, kann von einem Wegfall der in § 65 Abs. 1 SPG umschriebenen Verdachtslage ungeachtet der Zurücklegung der Strafanzeige nicht die Rede sein. Da sich der angefochtene Bescheid somit als frei von Rechtsirrtum erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997010933.X00Im RIS seit
05.04.2001