TE Vwgh Beschluss 2020/2/26 Ra 2020/20/0043

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
FlKonv Art1 AbschnA Z2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/20/0044Ra 2020/20/0045Ra 2020/20/0046Ra 2020/20/0047

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Rechtssachen der Revisionen 1. der F M, 2. des M M, 3. der N M, 4. des H M, und

5. der A M, alle vertreten durch Mag. Julian A. Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 13. Dezember 2019, 1. W204 2191019-1/12E, 2. W204 2191033-1/11E,

3. W204 2191041-1/11E, 4. W204 2191028-1/10E und 5. W204 2190932- 1/10E, jeweils betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Afghanistans. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der Zweit- bis Fünftrevisionswerber. Sie stellten am 31. Oktober 2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Mit Bescheiden je vom 26. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diese Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten ab, erkannte den Revisionswerbern jeweils den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr.

3 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen die gegen die Versagung der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revisionswerber bringen zur Zulässigkeit ihrer Revisionen vor, die vom BVwG festgestellten Verhaltensweisen der Erst- und Drittrevisionswerberinnen stünden im Widerspruch zur Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach keine Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen mit "westlicher Orientierung" bestehe. Das BVwG sei bei seiner Beurteilung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Zudem habe sich das BVwG bei seiner Beweiswürdigung nicht in der erforderlichen Art und Weise mit der "westlichen Orientierung" der Erst- und Drittrevisionswerberinnen auseinandergesetzt. Überdies liege ein Verstoß gegen die Ermittlungspflichten vor, weil das BVwG den "Lebensgefährten" der Erstrevisionswerberin hätte befragen müssen.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur sozialen Gruppe der Frauen mit westlicher Orientierung führt nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthaltes in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte. Die in der Rechtsprechung behandelte Verfolgung von Frauen westlicher Orientierung wird darin gesehen, dass solche Frauen, obwohl ihr westliches Verhalten oder ihre westliche Lebensführung ein solch wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden ist, dieses Verhalten unterdrücken müssten (vgl. VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0177 bis 0179, mwN).

9 Das Verwaltungsgericht führte eine Verhandlung durch, in der es sich einen persönlichen Eindruck von der Erst- und der Drittrevisionswerberin verschaffen konnte. Es setzte sich mit ihren jeweils aktuellen Lebensweisen und den vorgebrachten Alltagsbeschäftigungen auseinander, würdigte das entsprechende Vorbringen und kam in einer nicht unvertretbaren Weise zum Ergebnis, dass die beiden Revisionswerberinnen keine Lebensweise verinnerlicht hätten, aufgrund derer sie einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären.

10 Den Revisionswerbern gelingt es in diesem Zusammenhang nicht darzulegen, dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG in einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wären (vgl. dazu VwGH 14.12.2018, Ra 2018/01/0184 und 0185, mwN). Die Ausführungen beschränken sich in erster Linie darauf, das vom Verwaltungsgericht festgestellte Verhalten und die Lebensführung der Erst- und der Drittrevisionswerberin bzw. das dazu erstattete Vorbringen zu wiederholen und auszuführen, dass daraus eine "westliche Orientierung" abzuleiten sei. Die Revision vermag der zur Intensität der ins Treffen geführten Beziehung der Erstrevisionswerberin zu einem afghanischen Asylwerber vorgenommenen Beweiswürdigung nichts Stichhaltiges entgegen zu setzen. Das Verwaltungsgericht beurteilte insbesondere das Vorbringen der Erstrevisionswerberin, wonach sie mit diesem Mann, der sich um ihre Familie kümmere, eine geschlechtliche Beziehung habe, als unglaubwürdig und stützte sich dabei insbesondere auf näher dargelegte Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Aussageverhalten der Erstrevisionswerberin und auf den Umstand, dass weder der Zweit- noch die Drittrevisionswerberin nähere Angaben zu diesem Mann machen konnten.

11 Vor diesem Hintergrund vermag das Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerber, das BVwG hätte den "Lebensgefährten" der Erstrevisionswerberin auch ohne diesbezüglichen Beweisantrag im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflichten einvernehmen müssen, einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Fehler in der durch das BVwG vorgenommenen Beurteilung nicht aufzuzeigen (vgl. zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Frage, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, etwa VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0557, mwN).

12 Von den Revisionswerbern werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 26. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200043.L00

Im RIS seit

17.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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