TE Vwgh Beschluss 2020/2/26 Ra 2019/20/0526

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §19 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/20/0527

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des K R K und 2. der N K, beide in B, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 22. Oktober 2019, 1. L506 1436956-2/29E, 2. L506 1436957-2/27E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Sie sind Staatsangehörige des Iran, der Volksgruppe der Kurden zugehörig und stellten am 18. Juni 2012 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. 2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge (im zweiten Rechtsgang) mit den Bescheiden je vom 10. Juli 2017 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen von den revisionswerbenden Parteien (sowie deren drei minderjährigen Kindern, deren Anträge ebenfalls erfolglos blieben und die keine Revisionen eingebracht haben) erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit den Erkenntnissen je vom 22. Oktober 2019 als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision jeweils nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Die revisionswerbenden Parteien und ihre Kinder brachten beim Verwaltungsgerichtshof Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein, die von diesem mit Beschluss vom 18. November 2019 wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen wurden.

5 Die revisionswerbenden Parteien erhoben Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 4062-4063/2019-6, ablehnte und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. 6 In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen erhoben. Für die Kinder der revisionswerbenden Parteien wurden neuerlich Verfahrenshilfeanträge gestellt, die vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Februar 2020 (wegen entschiedener Sache) zurückgewiesen wurden.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die revisionswerbenden Parteien machen zur Zulässigkeit der Revisionen eingangs geltend, die Beweiswürdigung sei gesetzwidrig erfolgt, weil das Bundesverwaltungsgericht nicht auf § 19 Abs. 2 AsylG 2005 (gemeint: § 19 Abs. 1 AsylG 2005) Bedacht genommen und bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit in unzulässiger Weise auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der späteren Vernehmung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgestellt habe.

11 Der Verwaltungsgerichthof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 10.1.2020, Ra 2019/20/0579, mwN).

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429, mwN).

13 Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben einzubeziehen; es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. VwGH 12.8.2019, Ra 2019/20/0366, mwN). 14 Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Anforderungen entsprochen und im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, weshalb es davon ausging, dass die Widersprüche zwischen den Angaben bei den Erstbefragungen und den späteren Angaben allein mit der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der revisionswerbenden Parteien erklärbar seien. Zudem stützte sich das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner beweiswürdigenden Überlegungen nicht bloß auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme der revisionswerbenden Parteien, sondern darüber hinaus auf zusätzliche, für sich tragende Erwägungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Verhandlung durchgeführt und ist anhand näher dargelegter, nicht als unschlüssig anzusehender Überlegungen (etwa betreffend vager und substanzloser Schilderungen, ausweichenden Aussageverhaltens der revisionswerbenden Parteien, diverser Widersprüche und Unstimmigkeiten in den Angaben) zum Ergebnis gelangt, dass die revisionswerbenden Parteien eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht hätten.

15 Es gelingt den revisionswerbenden Parteien mit ihrem Vorbringen nicht, darzulegen, dass die Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet. Diese versuchen letztlich lediglich aufzuzeigen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre, was aber nach dem oben Gesagten im Revisionsverfahren nicht weiter beachtlich ist.

16 Soweit sich die revisionswerbenden Parteien gegen die Erlassung von Rückkehrentscheidungen wenden, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 8.3.2019, Ra 2018/20/0394, mwN). In den Revisionen wird nicht aufgezeigt, dass die vom Verwaltungsgericht in den konkreten Einzelfällen jeweils vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar wäre. Das Bundesverwaltungsgericht hat sämtliche bei der Interessenabwägung - im Besonderen auch die unter dem Aspekt des Kindeswohls - zu berücksichtigenden Umstände einbezogen. Mit dem Revisionsvorbringen wird nicht dargetan, dass das Verwaltungsgericht bei der in den konkreten Einzelfällen vorgenommenen Gewichtung dieser Umstände die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte. 17 In den Revisionen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 26. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200526.L00

Im RIS seit

17.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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