TE Vwgh Beschluss 2020/2/26 Ra 2018/13/0103

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

21/01 Handelsrecht
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §188
BAO §191 Abs2
BAO §191 Abs5
UGB §185 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Waldviertel in 3500 Krems, Rechte Kremszeile 58, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 8. August 2018, Zl. RV/7102135/2011, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2004 bis 2007 sowie Nichtfeststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2004 bis 2008 (mitbeteiligte Parteien: 1. N GesmbH in K, vertreten durch die ECA Schreiner und Schreiner Steuerberatung GmbH in 3500 Krems, Wiener Straße 74, und 2. A W in W, vertreten durch Mag. Erich L. Schreiner PhD., Steuerberater in 3500 Krems, Wiener Straße 74), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat den beiden mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Bei der erstmitbeteiligten Partei (im Folgenden: X GmbH), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der sich die zweitmitbeteiligte Partei (im Folgenden: AW) als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt hat, wurde eine abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt. Der Prüfer stellte fest, dass AW im Prüfungszeitraum am Stammkapital der X GmbH beteiligt gewesen sei, und vertrat den Standpunkt, dass die Vereinbarungen, die der atypisch stillen Beteiligung von AW an der X GmbH zugrunde lägen, nicht den Anforderungen genügten, die an Verträge unter nahen Angehörigen gestellt würden. Die atypisch stille Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) sei steuerlich nicht anzuerkennen, ein Feststellungsverfahren nicht durchzuführen.

2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ eine als Bescheid intendierte Erledigung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2004 bis 2007 sowie die Nichtfeststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2004 bis 2008. Die Erledigung vom 5. April 2011 war an die "(X GmbH) & (AW)" adressiert und wurde dem zustellbevollmächtigten steuerlichen Vertreter der X GmbH sowie AW zugestellt.

3 Die mitbeteiligten Parteien erhoben dagegen mit Schriftsatz vom 17. Mai 2011 Berufung.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Berufung (nunmehr Beschwerde) als unzulässig zurück und führte u.a. aus, über das Vermögen der X GmbH sei mit Gerichtsbeschluss vom 31. August 2005 der Konkurs eröffnet worden. Am 24. Mai 2006 sei der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben und am 15. Juli 2010 sei die Gesellschaft von Amts wegen aus dem Firmenbuch gelöscht worden. Die angefochtenen "Bescheide" seien an die X GmbH und AW adressiert worden, obwohl die X GmbH "konkursbedingt aufgelöst" gewesen sei. Den angefochtenen "Bescheiden" sei auch nicht zu entnehmen, dass AW "nicht als natürliche Person sondern als atypisch stiller Gesellschafter Mitunternehmer" sei.

5 Die X GmbH sei eine juristische Person. Werde eine juristische Person aufgelöst, "hört sie auf, rechtlich zu existieren". Die angefochtenen "Bescheide" seien an die rechtlich nicht mehr existente X GmbH gerichtet worden und somit nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wirkungslos (Hinweis auf VwGH 30.5.1984, 84/13/0104; 13.12.1988, 88/14/0192; 30.4.1996, 95/14/0127). Sie seien "rechtswirkungslose - und damit absolut nichtige - Verwaltungsakte".

6 Der Mitunternehmer AW werde nicht als atypisch stiller Gesellschafter bezeichnet, obwohl mit den angefochtenen "Bescheiden" über seine atypisch stille Beteiligung entschieden werde. Die angefochtenen "Bescheide" seien daher auch deshalb "rechtswirkungslos", weil sie nicht an AW als atypisch stillen Gesellschafter adressiert worden seien.

7 Als absolut nichtige Verwaltungsakte seien die angefochtenen "Bescheide" als nicht ergangene Bescheide anzusehen. Die dagegen gerichtete Beschwerde sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

8 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil es die "ständige Rechtsprechung in VwGH 30.05.1984, 84/13/0104; 13.12.1988, 88/14/0192; 30.04.1996, 95/14/0127 und 21.07.1993, 91/13/0162 angewendet" habe.

9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die

außerordentliche Revision des Finanzamtes, zu der die mitbeteiligten Parteien nach Einleitung des Vorverfahrens Revisionsbeantwortungen erstattet haben.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Das Finanzamt vertritt im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision den Standpunkt, die vor dem Bundesfinanzgericht angefochtenen Bescheide seien - aus näher dargestellten Gründen - rechtswirksam ergangen.

14 Gemäß § 188 Abs. 1 BAO werden u.a. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind. Der Feststellungsbescheid ergeht gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid gemäß § 191 Abs. 2 BAO an diejenigen zu ergehen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

15 Gemäß § 190 Abs. 1 BAO finden die für Feststellungen gemäß § 188 BAO geltenden Vorschriften sinngemäß für Bescheide Anwendung, mit denen ausgesprochen wird, dass Feststellungen zu unterbleiben haben.

16 Gemäß § 185 Abs. 2 UGB wird die stille Gesellschaft durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst.

17 Laut angefochtenem Beschluss wurde über das Vermögen der X GmbH, an der sich AW als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt hat, am 31. August 2005 der Konkurs eröffnet. Wird über den Unternehmensinhaber (hier X GmbH) oder über den stillen Gesellschafter (hier AW) der Konkurs eröffnet, so hat dies nach § 185 Abs. 2 UGB zwingend die Auflösung der (auch atypisch) stillen Gesellschaft zur Folge (vgl. Hochedlinger in Jabornegg/Artmann, UGB2, §§ 184, 185 Rz 13).

18 Bei Vorliegen eines Auflösungsgrundes endet die stille Gesellschaft ohne Abwicklung (vgl. z.B. VwGH 26.2.2013, 2010/15/0017; 22.11.2012, 2010/15/0026, mwN). Die Vollbeendigung der stillen Gesellschaft tritt damit bereits mit dem Wirksamwerden der Auflösung ein. Bezogen auf den Revisionsfall bedeutet dies, dass allfällige die atypisch stille Gesellschaft betreffende Bescheide ab 31. August 2005 (Eröffnung des Konkurses über die X GmbH) gemäß § 191 Abs. 2 BAO an die X GmbH und AW als ehemalige Gesellschafter der X GmbH und Mitgesellschafter hätten ergehen müssen (vgl. idS VwGH 22.11.2012, 2010/15/0026).Wird ein Feststellungsbescheid an eine nicht mehr bestehende Gemeinschaft gerichtet, so entfaltet er keine Rechtswirkungen (vgl. Ritz, BAO6, § 188 Tz 22, mwN). Daran hat sich auch durch die Einführung des in der Revision - im Zusammenhang mit der vom Bundesfinanzgericht ins Treffen geführten Löschung der X GmbH - erwähnten § 191 Abs. 5 BAO nichts geändert (vgl. dazu VwGH 24.9.2008, 2008/15/0204). Das Finanzamt hat die als Bescheid intendierte und mit 5. April 2011 datierte Erledigung jedoch an die "(X GmbH) & (AW)" und somit an die stille Gesellschaft adressiert und geht selbst in der Revision erkennbar von einer nach wie vor nicht beendeten atypisch stillen Gesellschaft aus.

19 Da dies aus den dargestellten Gründen, die keine im Zulässigkeitsvorbringen relevierten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, nicht zutrifft, ist das Bundesfinanzgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der vor ihm angefochtenen Erledigung keine Bescheidqualität zukommt. Die Revision war daher schon deswegen zurückzuweisen.

20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018130103.L00

Im RIS seit

04.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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