TE Vwgh Beschluss 2020/2/27 Ra 2020/18/0027

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Veröffentlicht am 27.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der Z S, vertreten durch Mag. Taner Önal, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7b/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2019, W271 2175245-1/18E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine afghanische Staatsangehörige aus Kabul, reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann, mit dem sie nach traditionellem Ritus verheiratet ist, und ihren minderjährigen Kindern in das Bundesgebiet ein und stellte am 22. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab die Revisionswerberin in ihrer Einvernahme zunächst zusammengefasst an, dass ihr Ehemann von den Taliban mit dem Tode bedroht worden sei.

2 Mit Bescheid vom 7. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin ergänzend vor, ihr drohe Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der "westlich orientierten" Frauen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. August 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diese Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

5 Begründend führte das BVwG - zusammengefasst und soweit entscheidungserheblich - aus, die Revisionswerberin habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Ihr Ehemann und sie hätten keine Probleme mit den Taliban gehabt. Die Revisionswerberin sei in Afghanistan Hausfrau gewesen, habe jedoch bereits insofern frei gelebt, als sie weder von ihrer Familie, welche als "liberal" anzusehen sei, noch von ihrem Mann Vorschriften erhalten habe. In Österreich habe die Revisionswerberin mehr Selbständigkeit erlangt, erledige tägliche Wege alleine und habe soziale Kontakte, jedoch sei ihr Bewegungsradius bei all diesen Aktivitäten eher gering, unter anderem, weil sie vier Kinder betreue. Die Revisionswerberin wolle - nachdem ihr jüngstes Kind in einigen Jahren den Kindergarten besuche - als Friseurin oder Kellnerin arbeiten. Sie habe in Afghanistan ein Kopftuch getragen, in Österreich trage sie keines und schminke sich. In diesem Zusammenhang traf das BVwG umfassende Länderfeststellungen zur Situation von Frauen in Afghanistan, die sich unter anderem mit Bildungs- und Berufsmöglichkeiten sowie Kleidervorschriften und Bewegungsfreiheit von Frauen beschäftigen. Schließlich erwog das BVwG, dass es sich bei der Revisionswerberin um keine derart westlich orientierte Frau handeln würde, die alleine aufgrund ihrer Gesinnung bzw. Fortsetzung ihres hier gelebten Lebensstils in ihrer Herkunftsstadt einer integritätsbedrohenden Gefahr ausgesetzt wäre.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Erkenntnis vom 28. November 2019, E 3478-3483/2019-10, der Beschwerde in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten stattgab und diesen Spruchpunkt sowie die darauf aufbauenden Spruchpunkte aufhob, die Behandlung der Beschwerde im Übrigen ablehnte und diese insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 Gegen das dargestellte Erkenntnis des BVwG zur Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl richtet sich die nunmehr vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG sei von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur westlichen Orientierung abgewichen. Es habe verkannt, dass bei der Revisionswerberin davon auszugehen gewesen wäre, dass sie bereits einen westlichen Lebensstil als Frau pflege.

8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Sofern sich die Revisionswerberin gegen die Beurteilung des BVwG betreffend ihre Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen mit westlicher Orientierung wendet, wird zunächst auf die hg. Rechtsprechung verwiesen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/18/0447, mwN).

13 Im gegenständlichen Fall setzte sich das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, im Zuge derer die Revisionswerberin umfassend befragt wurde, mit dem Fluchtvorbringen der Revisionswerberin auseinander und beschäftigte sich sowohl mit ihrer derzeitigen Lebenssituation als auch ihrem aktuellen Tagesablauf. Zudem bezog es Länderfeststellungen zur Situation von Frauen in Afghanistan in seine Erwägungen mit ein und behandelte auch das familiäre Umfeld der Revisionswerberin. Schließlich kam das BVwG in einer nicht unvertretbaren Weise zum Ergebnis, dass die Revisionswerberin keine Lebensweise angenommen oder Werthaltung verinnerlicht habe, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung von Grundrechten in einer Weise zum Ausdruck komme, wie sie in der Herkunftsstadt der Revisionswerberin nicht möglich wäre. Der Revision gelingt es in diesem Zusammenhang nicht darzulegen, inwiefern die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG in einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wären (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350, mwN).

14 Sofern die Revision dem erkennenden Gericht vorwirft, es habe lediglich geprüft, ob die Revisionswerberin in ihrem privaten Lebensbereich in Afghanistan ihren westlichen Lebensstil genießen könne, ist festzuhalten, dass sich das BVwG umfassend mit der zu erwartenden Situation der Revisionswerberin im Falle ihrer Rückkehr nach Kabul in Bezug auf Kleidung, Bildung und Berufsmöglichkeiten auseinandersetzte. Entgegen dem Revisionsvorbringen stützte sich das BVwG in seiner Beurteilung auch nicht tragend darauf, dass die Revisionswerberin nur "rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache" aufweise. 15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180027.L00

Im RIS seit

17.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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