TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/14 97/12/0401

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Veröffentlicht am 14.05.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
72/01 Hochschulorganisation;

Norm

AVG §56;
UOG 1975 §15 Abs8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, Rosenauerstraße 2, gegen den Bescheid des

o. Univ.Prof.Dr. Johannes Hengstschläger als Entscheidungsbevollmächtigtem des Akademischen Senates der Universität Linz vom 18. September 1996, Zl. 8-6-1/III/701/96, betreffend Ungültigerklärung eines Prüfungsteiles gemäß § 32 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. März 1996 sprach der Präses der Prüfungskommission für die 2. Diplomprüfung der Rechtswissenschaftlichen Studienrichtung an der Universität Linz (im folgenden werden Organe der Universität ohne diesen Zusatz bezeichnet) aus, daß die am 11. Juli 1994 im Rahmen der Zweiten Rechtswissenschaftlichen Diplomprüfung abgelegte Teilprüfung des Beschwerdeführers aus "Strafrecht, Strafprozeßrecht, Grundzüge der Kriminologie und des Strafvollzugsrechtes" (mit der Gesamtnote "gut") zur Gänze, mithin mit ihrem schriftlichen Prüfungsteil (abgelegt am 26. Mai 1994 mit der Teilnote "befriedigend") und in ihrem mündlichen Prüfungsteil (abgelegt am 11. Juli 1994 mit der Teilnote "gut") für ungültig erklärt werde. Gleichzeitig wurde unter Hinweis auf § 32 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG) in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 508/1995 ausgesprochen, daß die Prüfung in ihren beiden Teilen auf die Zahl der zulässigen Wiederholungen angerechnet werde.

Nachdem der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung erhoben hatte, beschloß der zur Entscheidung über die Berufung zuständige Akademische Senat in seiner Sitzung am 25. Juni 1996 (laut Protokoll einstimmig) gemäß § 15 Abs. 8 des Universitäts-Organisationsgesetzes (UOG 1975) den Rektor zu beauftragen und zu ermächtigen, "die Berufungsentscheidung im Fall E (Ungültigerklärung einer Prüfung gemäß § 32 AHStG) zu erlassen".

Dieser Beschluß wurde im 54. Stück des Mitteilungsblattes der Universität Linz vom 3. Juli 1996 unter Nr. 429 wie folgt kundgemacht:

"429. Verlautbarung der Übertragung der Entscheidungsvollmacht gem. § 15 Abs. 8 UOG an Rektor

o. Univ.-Prof.Dr. Johannes Hengstschläger

Im Berufungsverfahren E hat der Akademische Senat in seiner

193. Sitzung vom 25. Juni 1996 Rektor o.Univ.-Prof.Dr. Johannes Hengstschläger mit Entscheidungsvollmacht gemäß § 15 Abs. 8 UOG ausgestattet.

DER PRÄREKTOR:

Schneider"

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. September 1996 wies der (damalige) Rektor Univ.Prof.Dr. Johannes Hengstschläger die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 32 AHStG in der geltenden Fassung als unbegründet ab. In der Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, daß dem Genannten mit Beschluß des Akademischen Senates vom 25. Juni 1996 die Entscheidungsvollmacht für das gegenständliche Berufungsverfahren gemäß § 15 Abs. 8 UOG 1975 übertragen worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 30. September 1997, B 3494/96, deren Behandlung ablehnte, sie jedoch dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Akademische Senat und o.Univ.Prof.Dr. Johannes Hengstschläger als Entscheidungsbevollmächtigter erstatteten eine (gemeinsame) Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wurde. In der Gegenschrift wurde auch zu den in der Einleitungsverfügung vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Fragen (Zulässigkeit einer Delegation einer Entscheidungsbefugnis im Einzelfall nach § 15 Abs. 8 UOG 1975 und Rechtsnatur des im Mitteilungsblatt 1996/427 kundegemachten Beschlusses des Akademischen Senates) Stellung genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG erwogen:

Gemäß § 32 AHStG, BGBl. Nr. 177/1966, in der im Beschwerdefall angewandten Fassung der Novelle

BGBl. Nr. 508/1995, ist eine Prüfung, zu der die Zulassung oder deren positive Beurteilung, insbesondere durch die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel, auch nur zu einem Teil erschlichen wurde, für ungültig zu erklären. Handelt es sich um eine der in § 26 Abs. 1 und 6 erwähnten Prüfungen (Anmerkung: betrifft Kolloquien, die Feststellung des Erfolges der Teilnahme an Lehrveranstaltungen sowie Abschlußprüfungen an Hochschulkursen und Hochschullehrgängen), so ist hiefür die in Betracht kommende Akademische Behörde, sonst der Präses der Prüfungskommission zuständig. Wurde eine positive Beurteilung für ungültig erklärt, ist die betreffende Prüfung auf die Zahl der zulässigen Wiederholungen anzurechnen. Nach Erwerbung eines akademischen Grades gilt § 37.

Nach § 43 Abs. 3 AHStG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 306/1992 ist unter anderem gegen Bescheide der Präsides von Prüfungskommissionen, mit denen eine Prüfung für ungültig erklärt wird (§ 32), die Berufung an das oberste Kollegialorgan als zweite und letzte Instanz zulässig.

Gemäß § 13 Abs. 1 zweiter Satz UOG 1975 werden die Universitäten mit Fakultätsgliederung - dies ist bei der Universität Linz gemäß § 12 Abs. 7 leg. cit. der Fall - vom Akademischen Senat (§§ 72 und 73) als oberstem Kollegialorgan und vom Rektor (§ 74) geleitet.

§ 15 Abs. 8 UOG 1975, BGBl. Nr. 258 in der Fassung der UOG-Novelle 1978, BGBl. Nr. 443 (Anfügung des zweiten Satzes) lautet:

"(8) Mit Zweidrittelmehrheit können einzelne Mitglieder von Studienkommissionen, Fakultätskollegien, Akademischen Senaten und Universitätskollegien mit Entscheidungsvollmacht für bestimmte Angelegenheiten für höchstens ein Studienjahr ausgestattet werden. Eine solche Entscheidungsvollmacht darf nur einem Universitätslehrer, der in einem der Universität zugeordneten Dienstverhältnis zum Bund steht, dem Universitätsdirektor, dem Bibliotheksdirektor oder einem sonstigen Mitarbeiter im wissenschaftlichen Betrieb gemäß § 23 Abs. 3 lit. a Z. 1 und lit. b Z. 1 übertragen werden."

Bei der in § 15 Abs. 8 UOG 1975 vorgesehenen Möglichkeit der Übertragung der Entscheidungsvollmacht an einzelne Mitglieder bestimmter Kollegialorgane (hier: des Akademischen Senates) handelt es sich um eine Delegation, das heißt das "bevollmächtigte" Mitglied handelt im eigenen Namen und auf eigene Verantwortung (so zutreffend bereits Langeder-Strasser, Abschnitt C IIa, UOG, Anmerkung 77a zu § 15 in:

Ermacora-Langeder-Strasser, Österreichisches Hochschulrecht3). Aus der Wendung "bestimmte Angelegenheiten für höchstens ein Studienjahr" ist abzuleiten, daß die Delegationsermächtigung in zweifacher Weise begrenzt ist:

1. In zeitlicher Hinsicht, weil sie maximal für ein Studienjahr verfügt werden darf, wobei allerdings kein Hindernis besteht, ausgesprochene Delegationen nach Ablauf ihrer befristeten Geltungsdauer erneut auszusprechen und damit gleichsam "zu verlängern";

2. in sachlicher Hinsicht: Einerseits, weil der Gesetzgeber klargestellt hat, daß eine Delegation aller dem Kollegialorgan zukommenden Aufgaben an ein Einzelmitglied nicht zulässig ist. Andererseits ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Gesamtzusammenhang dieser Bestimmung aber auch abzuleiten, daß sachliche (auf einen Teilbereich der Aufgaben) eingeschränkte Delegationen nur generell vorgenommen werden dürfen (also z.B. die Entscheidung betreffend Nostrifizierung ausländischer akademischer Grade oder über Berufungen betreffend die Ungültigkeitserklärung von Prüfungen nach § 32 AHStG), eine Delegation im Einzelfall - beschränkt auf eine bestimmte Sache wie z.B. auf die Berufung eines bestimmten Studenten in einer in die Entscheidungszuständigkeit des Kollegialorganes fallenden Angelegenheit - aber unzulässig ist. In diesem Sinn ist auch die Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 15 Abs. 8 UOG 1975 zu verstehen, die für die Übertragung einer Angelegenheit von einem Kollegialorgan an ein einzelnes Mitglied nach § 15 Abs. 8 nach dieser Bestimmung die Verordnungsform (Art. 18 Abs. 2 B-VG) als geboten angesehen hat (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1987, 87/12/0094, sowie vom 1. Februar 1990, 89/12/0046).

Es ist daher im Beschwerdefall zu prüfen, ob die im Mitteilungsblatt der Universität Linz 1996 unter Nr. 429 erfolgte Kundmachung eine Verordnung ist.

Für die Qualifikation eines Rechtsaktes als Verordnung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG ist weder seine Bezeichnung noch der formelle Adressatenkreis noch die Art seiner Veröffentlichung bestimmend; vielmehr kommt es auf den normativen Gehalt des Verwaltungsaktes an (so z.B. VfSlg. Nr. 8647/1979, 11472/1987 oder 13632/1993). Verordnungen sind hoheitliche, außen wirksame allgemeine Regelungen der Verwaltung (so Adamovich/Funk, Verwaltungsrecht3, 115) oder, anders gewendet, generelle Rechtsvorschriften, die von Verwaltungsbehörden erlassen werden und sich ihrem Inhalt nach an die Rechtsunterworfenen richten (so Mayer, B-VG2, II.1 zu Art. 18, 117 f).

Nach dem normativen Gehalt der vorliegenden Kundmachung kann es aber keinem Zweifel unterliegen, daß damit keine für die Verordnung typische generell-abstrakte Regelung (hier: Delegation) vorgenommen wurde, sondern die Entscheidung in einer individuell-konkret bezeichneten Sache, nämlich hinsichtlich eines bestimmten Berufungsverfahrens des Beschwerdeführers, verfügt wurde. Im übrigen wurde auch das delegierte Einzelmitglied namentlich bezeichnet.

Die in Prüfung gezogene Kundmachung ist daher nach ihrem normativen Gehalt keine Verordnung.

Im Beschwerdefall bleibt aber noch zu prüfen, ob nicht die genannte Kundmachung als sonstiger Verwaltungsakt zu werten ist, der über die Zuständigkeitsbestimmung rechtsverbindlich abgesprochen hat und dieser Abspruch auch den Verwaltungsgerichtshof bindet. Das wäre dann der Fall, wenn der im Mitteilungsblatt der Universität Linz 1996 unter Nr. 429 kundgemachte Beschluß des Akademischen Senates als Bescheid zu qualifizieren wäre, der mit der Kundmachung als an den Beschwerdeführer erlassen anzusehen wäre. Dies scheidet aber im Beschwerdefall schon deshalb aus, weil die Kundmachung im Mitteilungsblatt der Universität Linz mangels einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage nicht als Zustellung an den Beschwerdeführer in Betracht kommt. Unbestritten ist dieser Beschluß des Akademischen Senates dem Beschwerdeführer auch vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht im Sinne des Zustellgesetzes zugestellt worden.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch der bloße Verweis auf diesen Beschluß in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht als Intimation des allenfalls nach seinem Inhalt als Bescheid deutbaren Beschlusses des Akademischen Senates angesehen werden, weil dem Bescheidadressaten bei objektiver Betrachtung nicht erkennbar ist, daß eine solche Vorgangsweise von der belangten Behörde überhaupt intendiert war. Im übrigen hat auch die belangte Behörde derartiges in ihrer Gegenschrift gar nicht vorgebracht. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht auch diesen Rechtsakt, der bei Annahme des Vorliegens eines Intimationsbescheides gleichzeitig mit dem angefochtenen Bescheid zugestellt worden wäre, in seiner Beschwerde bekämpft hat.

Liegt aber bezüglich der Zuständigkeitsübertragung kein den Verwaltungsgerichtshof bindender Rechtsakt (Verordnung, Bescheid) vor, hat er im Beschwerdefall von Amts wegen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde. Dies ist schon deshalb zu bejahen, weil § 15 Abs. 8 UOG 1975 keine Delegation im Einzelfall zuläßt, wie sie der Beschluß des Akademischen Senates vorgenommen hat. Mangels einer gesetzlichen Grundlage konnte er daher nicht eine wirksame Zuständigkeitsübertragung herbeiführen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997120401.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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