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E000 EU- Recht allgemeinNorm
ABGB §7Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 31. Oktober 2018, VGW-151/086/4237/2018-23, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: F D in W, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte, eine iranische Staatsangehörige, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierende" gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit einer Gültigkeit bis zum 24. Jänner 2018. Am 21. August 2017 stellte sie den verfahrensgegenständlichen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 1 NAG zur Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich rechtmäßig aufhältigen Ehemann.
2 Mit Bescheid vom 20. Februar 2018 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde, Revisionswerber) den Zweckänderungsantrag der Mitbeteiligten gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG ab. Auch die Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG in Verbindung mit Art. 8 EMRK führe nicht zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Beschwerde der Mitbeteiligten statt und erteilte ihr den beantragten Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 1 NAG mit einer Gültigkeit bis einschließlich 23. März 2020. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - soweit hier maßgeblich - folgenden Sachverhalt zugrunde: Der Mitbeteiligten sei erstmals am 19. Jänner 2012 eine Aufenthaltsbewilligung "Studierende" gemäß § 64 NAG erteilt worden, die wiederholt - zuletzt bis zum 24. Jänner 2018 - verlängert worden sei. Unter Berufung auf die am 2. August 2017 geschlossene Ehe mit ihrem über einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" verfügenden Ehemann habe die Mitbeteiligte den verfahrensgegenständlichen Zweckänderungsantrag gestellt.
In der rechtlichen Beurteilung bejahte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 und 2 NAG. Nach Darlegung der Bestimmungen des § 20 Abs. 1 und 1a NAG zur Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln sowie des § 81 Abs. 36 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Mitbeteiligten der beantragte Aufenthaltstitel für die Dauer von drei Jahren zu erteilen wäre. Da der Reisepass der Mitbeteiligten jedoch nur bis zum 23. März 2020 gültig sei, sei auch die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels entsprechend zu beschränken.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. 5 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision. Zur Dauer des Aufenthaltstitels brachte sie im Wesentlichen vor, die Regelung des § 45 Abs. 2 NAG, wonach die Zeiten des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung zur Hälfte anzurechnen seien, sei im vorliegenden Fall sinngemäß (analog) anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 In der Revision wird zur Zulässigkeit unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (unter anderem) vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe die Rechtslage verkannt, indem es offenbar die Zeiten mit Aufenthaltsbewilligung "Studierende" als Niederlassung im Sinn des § 20 Abs. 1a Z 2 NAG gewertet habe. Aus § 2 Abs. 3 NAG ergebe sich jedoch eindeutig, dass die Zeiten einer Aufenthaltsbewilligung nicht als Niederlassung gälten, sodass diese in einem Zweckänderungsverfahren von einer Aufenthaltsbewilligung "Studierende" auf einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nicht als anrechenbare "Vorzeiten" im Rahmen des § 20 Abs. 1a Z 2 NAG berücksichtigt werden dürften. Eine vergleichbare Regelung wie in § 45 Abs. 2 NAG gebe es in diesem Zusammenhang nicht. Die Beurteilung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels richte sich daher im konkreten Fall nach § 20 Abs. 1 und 2 NAG, weshalb der Aufenthaltstitel nur für die Dauer von zwölf Monaten zu erteilen gewesen wäre.
Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und begründet.
7 Die maßgeblichen Vorschriften des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§ 2. ...
(2) Niederlassung ist der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck
1. der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht;
2. der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen oder
3. der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit.
(3) Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) gilt nicht als Niederlassung im Sinne des Abs. 2.
...
Arten und Form der Aufenthaltstitel
§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:
...
2. Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus', der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt
...
12. 'Aufenthaltsbewilligung' für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69).
...
Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln
§ 20. (1) Befristete Aufenthaltstitel sind für die Dauer von zwölf Monaten oder für die in diesem Bundesgesetz bestimmte längere Dauer auszustellen, es sei denn, es wurde jeweils eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.
(1a) Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 sind für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde
1. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt hat und
2. in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war,
es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die
entsprechende Gültigkeitsdauer auf.
(2) Die Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels beginnt mit dem Ausstellungsdatum, die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels mit dem auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag, wenn seither nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels ist gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen.
...
Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EU' § 45. (1) Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf
Jahren ununterbrochen tatsächlich niedergelassen waren, kann ein Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EU' erteilt werden, ...
(2) Zur Niederlassung berechtigten Drittstaatsangehörigen ist die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) oder eines Aufenthaltstitels 'Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' (§ 57 AsylG 2005) zur Hälfte auf die Fünfjahresfrist gemäß Abs. 1 anzurechnen. ...
...
Bestimmungen über die Familienzusammenführung § 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist
ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte' gemäß § 41, einen Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a, eine Niederlassungsbewilligung
gemäß § 43 Abs. 1, eine 'Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit', sofern dieser Niederlassungsbewilligung eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. f und i AuslBG zu Grunde liegt, oder eine 'Niederlassungsbewilligung - Forscher' gemäß § 43c innehat,
..."
8 Nach § 20 Abs. 1a NAG sind Aufenthaltstitel gemäß (u.a.) § 8 Abs. 1 Z 2 NAG - somit (wie vorliegend) ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" - für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt hat (Z 1) und in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war (Z 2), es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf (letzter Halbsatz). Der Behörde - und damit auch dem Verwaltungsgericht - wird diesbezüglich kein
Ermessen eingeräumt ("sind ... auszustellen"). Wie den
Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, soll dadurch zum einen für die Drittstaatsangehörigen ein Anreiz zur rechtzeitigen Erfüllung der Integrationsvereinbarung geschaffen werden, zum anderen soll die Regelung aber auch zu einer Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Behörden führen (vgl. RV 1078 BlgNR 24. GP 1, 13; sowie VwGH 22.2.2018, Ra 2017/22/0156, Rn. 14).
9 Gemäß dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung müssen die genannten Voraussetzungen des § 20 Abs. 1a NAG kumulativ vorliegen, damit der beantragte Aufenthaltstitel für die Dauer von drei Jahren (bzw. kürzer in den Fällen des § 20 Abs. 1a letzter Halbsatz NAG) ausgestellt werden kann.
10 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die (in der Revision auch nicht bestrittene) Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung (§ 20 Abs. 1a Z 1 NAG) aufgrund des im Verfahren vorgelegten Nachweises bejaht.
11 Dass die Mitbeteiligte in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war (§ 20 Abs. 1a Z 2 NAG), ergibt sich hingegen weder aus den Feststellungen noch aus der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Dem angefochtenen Erkenntnis lässt sich keine Begründung dafür entnehmen, aus welchem Grund das Verwaltungsgericht die Voraussetzung des § 20 Abs. 1a Z 2 NAG als erfüllt erachtet hat. Fehlt es aber an einer der in § 20 Abs. 1a NAG genannten Voraussetzungen, kommt die Festsetzung der Gültigkeitsdauer nach § 20 Abs. 1a NAG nicht in Betracht. 12 Sollte das Verwaltungsgericht - wie in der Revision zugrunde gelegt wird - aufgrund der Zeiten des rechtmäßigen Aufenthaltes mit einer Aufenthaltsbewilligung "Studierende" von der Erfüllung der Voraussetzung des § 20 Abs. 1a Z 2 NAG ausgegangen sein, ist dem Folgendes zu entgegnen:
13 Nach der Definition des § 2 Abs. 2 NAG ist die Niederlassung der tatsächlich oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht (Z 1), der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen (Z 2) oder der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit (Z 3). Die Gesetzesmaterialien bezeichnen die Niederlassung als eine qualifizierte Form des rechtmäßigen Aufenthalts, wobei wesentlich beim Aufenthaltszweck die Dauerperspektive des Aufenthalts des Betreffenden ist (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP 116; sowie VwGH 7.12.2016, Ra 2016/22/0013).
14 Gemäß der - die Definition des Begriffs "Niederlassung" nach § 2 Abs. 2 NAG einschränkenden - Regelung des § 2 Abs. 3 NAG gilt ein rechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12 NAG) nicht als Niederlassung (vgl. VwGH 19.4.2016, Ro 2015/22/0010, Rn. 17). Das NAG unterscheidet zwischen Aufenthaltstiteln zur Niederlassung und Aufenthaltsbewilligungen zum bloß vorübergehenden Aufenthalt ohne Niederlassungsabsicht. Die Niederlassungsabsicht dient somit der Abgrenzung von zur Niederlassung berechtigenden Aufenthaltstiteln wie der hier beantragten "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" und Aufenthaltsbewilligungen (vgl. erneut VwGH Ra 2016/22/0013, mwN). 15 Nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 3 NAG gilt der rechtmäßige Aufenthalt der Mitbeteiligten aufgrund der bisher erteilten Aufenthaltsbewilligungen "Studierende" daher nicht als Niederlassung im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG, zumal einer solchen Aufenthaltsbewilligung wesensimmanent ist, dass sie an die Dauer des Studiums gebunden ist und (mit Ausnahme des § 64 Abs. 4 NAG) nicht über dessen Ende hinaus verlängert werden kann (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/22/0153, Rn. 7, mwN). Die Zeiten des Aufenthaltes aufgrund der Aufenthaltsbewilligung dürfen somit - wie in der Revision zutreffend aufzeigt wird - in einem Zweckänderungsverfahren wie dem vorliegenden nicht im Rahmen des § 20 Abs. 1a Z 2 NAG berücksichtigt werden, weshalb die Voraussetzung der zweijährigen durchgehenden Niederlassung gegenständlich nicht erfüllt ist.
16 Entgegen der in der Revisionsbeantwortung geäußerten Ansicht bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine sinngemäße Anwendung der Regelung des § 45 Abs. 2 NAG in einer Konstellation wie der vorliegenden.
17 Die Zulässigkeit der Schließung einer Regelungslücke im Wege einer Analogie setzt das Bestehen einer echten bzw. planwidrigen Rechtslücke voraus. Eine solche ist dort anzunehmen, wo das Gesetz - gemessen an der eigenen Absicht und immanenten Teleologie - unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, und wo die Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende echte Lücke ist nur dann gegeben, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist oder wenn es in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf den - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - dieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. zu allem VwGH 10.10.2018, Ra 2018/08/0189, Rn. 19, mwN).
18 Mit der Bestimmung des § 45 Abs. 2 NAG, wonach die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung zur Hälfte auf die Fünfjahresfrist gemäß § 45 Abs. 1 NAG anzurechnen ist, wurde Art. 4 Abs. 2 zweiter Unterabsatz der Richtlinie 2003/109/EG umgesetzt. Eine entsprechende sekundärrechtliche Grundlage für die hier maßgebliche Regelung des § 20 Abs. 1a NAG besteht nicht. 19 Anhaltspunkte dafür, dass das Fehlen einer vergleichbaren Anrechnungsbestimmung in § 20 Abs. 1a NAG gemessen an der Zielsetzung der Regelung als planwidrig anzusehen ist oder eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung nach sich ziehen würde, sind für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Es ist somit nicht erkennbar, dass die Bestimmung des § 20 Abs. 1a NAG unvollständig bzw. ergänzungsbedürftig wäre. Die analoge Anwendung der Sonderregelung des § 45 Abs. 2 NAG auf einen Fall wie den gegenständlichen würde sich vielmehr über das ausdrücklich erfolgte Abstellen auf eine Niederlassung hinwegsetzen.
20 Indem das Verwaltungsgericht die Prüfung der Voraussetzung der rechtmäßigen Niederlassung nach § 20 Abs. 1a Z 2 NAG nicht erkennbar vorgenommen bzw. die Zeiten des Aufenthaltes aufgrund der Aufenthaltsbewilligung "Studierende" berücksichtigt hat, erweist sich die auf § 20 Abs. 1a NAG gestützte Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels als rechtswidrig (vgl. zur fehlenden Trennbarkeit der Dauer, für die ein Aufenthaltstitel erteilt wird, vom Umstand der Titelerteilung an sich VwGH 19.11.2014, Ra 2014/22/0010 bis 0014).
21 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 22 Bei diesem Ergebnis kommt ein Kostenzuspruch an die Mitbeteiligte nicht in Betracht.
Wien, am 27. Februar 2020
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220024.L00Im RIS seit
24.04.2020Zuletzt aktualisiert am
24.04.2020