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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M S in Wien, vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, gegen das am 11. September 2019 mündlich verkündete und am 1. Oktober 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts,
G301 2218125-1/11E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein kolumbianischer Staatsangehöriger, stellte im Jahr 2003 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 31. Juli 2003 des damaligen Bundesasylamts zur Gänze abgewiesen wurde. Das Verfahren über die Berufung gegen diesen Bescheid wurde eingestellt, nachdem sich der Revisionswerber diesem entzog.
2 In der Folge hielt sich der Revisionswerber weiterhin in Europa auf, bis er im Jahr 2013 freiwillig nach Kolumbien zurückkehrte, wo er im selben Jahr eine Änderung seines Namens vornahm. Im Jahr 2016 reiste der Revisionswerber erneut in das Bundesgebiet ein. Am 22. April 2017 wurde er im Zuge einer behördlichen Kontrolle bei der Ausübung einer Beschäftigung ohne Bewilligung betreten und in das Polizeianhaltezentrum St. Pölten gebracht, wo er daraufhin am selben Tag einen erneuten Antrag auf internationalen Schutz stellte.
3 Als Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, er sei aufgrund seiner linkspolitischen Orientierung und Arbeit für eine NGO von Paramilitärs verfolgt worden. Diese hätten den Revisionswerber und seine Kollegen, die für die gleiche NGO tätig gewesen seien, entführt, gefoltert, vergewaltigt und alle bis auf den Revisionswerber schlussendlich getötet. Letzterer sei daraufhin in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden, weshalb er auch seinen Namen gewechselt habe. Im Rahmen des Schutzprogramms sei der Revisionswerber mehrere Male reloziert worden, jedoch hätten die Paramilitärs seine neuen Aufenthaltsorte immer ausfindig machen können und jedes Mal sämtliche Mitglieder seines neuen (Arbeits-)Umfelds ermordet. Als schließlich auch sein Elternhaus von Paramilitärs mit Granaten beworfen worden sei, habe er beschlossen, das Land zu verlassen.
4 Mit Bescheid vom 9. April 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kolumbien zulässig sei und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.
5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 11. September 2019, schriftlich ausgefertigt am 1. Oktober 2019, als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
6 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, dass der Revisionswerber nach eigenen Angaben nicht von staatlicher Seite verfolgt werde. Auch habe er nicht darlegen können, weshalb er für Paramilitärs von einer derartig großen Bedeutung sei, dass er nach den vielen Jahren seit seiner Ausreise im Falle einer Rückkehr nach Kolumbien durch diese verfolgt werden sollte. Dass ihm eine Verfolgung nur aufgrund seiner linkspolitischen Orientierung und der Zugehörigkeit seiner Familienmitglieder zu einer mittlerweile nicht mehr existenten Partei drohe, sei jedenfalls unplausibel. Weiters spreche es gegen die Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers, dass er seinen Antrag auf internationalen Schutz nicht unmittelbar nach seiner Einreise, sondern erst einige Monate später, nach Aufgriff durch die Polizei, gestellt habe. Im Fall einer Rückkehr des Revisionswerbers nach Kolumbien drohe ihm zudem keine reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte. Zur Rückkehrentscheidung hielt das BVwG fest, dass die öffentlichen Interessen jene des Revisionswerbers überwögen. 7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das BVwG habe entgegen § 25a Abs. 1 VwGG nicht begründet, warum es eine Revision nicht zulässt, sodass die Revision bereits aus diesem Grund zulässig sei. Weiters sei die Beweiswürdigung des BVwG nicht nachvollziehbar, weil die Aussagen des Revisionswerbers konsistent gewesen seien. Darüber hinaus weise das Erkenntnis des BVwG vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Begründungsmängel auf. So habe das BVwG nicht gewürdigt, dass der Revisionswerber seinen Namen gewechselt habe, keine Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat getroffen und aktenwidrig festgehalten, der Revisionswerber habe keine staatliche Verfolgung vorgebracht. 8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Zunächst ist festzuhalten, dass BVwG im vorliegenden Fall - anders als die Revision dies behauptet - seinen Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG sehr wohl begründete. Davon abgesehen führt auch das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären. Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den nach § 25a Abs. 1 VwGG getätigten Ausspruch des Verwaltungsgerichts nämlich nicht gebunden, sondern überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision anhand der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dazu gesondert vorgebrachten Gründe. An der gesonderten Darlegung dieser Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, war der Revisionswerber nicht gehindert (vgl. etwa VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0253, mwN).
13 Insoweit die Revision die Beweiswürdigung des BVwG angreift, ist auf die ständige hg. Rechtsprechung hinzuweisen, dass in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dann - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 1.3.2019, Ra 2018/18/0446, mwN). 14 Dass fallgegenständlich die Beweiswürdigung des BVwG an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leide, vermag die Revision jedoch mit dem bloßen Hinweis auf ein im Verfahren konsistentes Vorbringen des Revisionswerbers nicht dazulegen.
15 Auch mit den vorgebrachten Begründungsmängeln zeigt die Revision keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf:
16 So ist betreffend die Namensänderung des Revisionswerbers bereits auszuführen, dass sich das BVwG mit dieser - entgegen dem Revisionsvorbringen - durchaus auseinandergesetzt hat. Dabei stellte das BVwG fest, dass eine solche erfolgt sei, führte jedoch weiters aus, dass der Revisionswerber nicht belegen habe können, dass ein Zeugenschutzprogramm für sie ursächlich gewesen sei. 17 Überdies setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. zB VwGH 9.10.2014, Ra 2014/18/0036 bis 0039). Auch eine Relevanzdarlegung lässt die Revision hinsichtlich der behaupteten mangelhaften Auseinandersetzung mit der Namensänderung des Revisionswerbers vermissen.
18 Eine Relevanzdarlegung in diesem Sinn lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen in der Revision auch im Hinblick auf das gerügte Fehlen von eigenen Länderfeststellungen durch das BVwG nicht entnehmen. Zwar rügt die Revision damit zutreffend einen Verfahrensmangel (VwGH 19.4.2018, Ra 2017/20/0491; 15.3.2018, Ra 2016/20/0291), sie legt jedoch nicht dar, welche Länderfeststellungen konkret vermisst werden und inwiefern diese - insbesondere vor dem Hintergrund der insgesamt als schlüssig zu erachtende Beweiswürdigung des BVwG - geeignet wären, zu einem günstigeren Verfahrensausgang für den Revisionswerber zu führen, zumal sich aus dem aktuellen und vom BFA herangezogenen Berichtsmaterial weder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK noch eine systematische Verfolgung linksgerichteter Parteimitglieder ergibt. 19 Sofern der Revisionswerber schließlich eine Aktenwidrigkeit moniert, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine solche nur dann vorliegt, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat (vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0019, mwN). 20 Derartiges legt die Revision jedoch nicht dar. Ihrem Vorbringen, wonach das BVwG aktenwidrig festgehalten habe, dass der Revisionswerber eine staatliche Verfolgung verneint habe, ist zu entgegnen, dass das BVwG diese Ausführung auf die Einvernahme des Revisionswerbers vor dem BFA am 19. März 2019 gestützt hat, in welcher er gefragt wurde, ob er von staatlicher Seite aus asylrelevanten Gründen verfolgt werde und er dies explizit verneinte. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt demnach nicht vor. 21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019180447.L00Im RIS seit
16.04.2020Zuletzt aktualisiert am
16.04.2020