Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der betroffenen Person G***** M*****, vertreten durch DDDr. Dieter G. Kindel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Genehmigung des Verkaufs einer Liegenschaft, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Oktober 2019, GZ 44 R 440/19k-112, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 22. 6. 2017 wurde Mag. Christoff Beck zum Sachwalter für den Betroffenen bestellt und mit der Besorgung aller Angelegenheiten betraut.
Der Betroffene ist Eigentümer einer Liegenschaft in B***** samt darauf errichtetem Wohnhaus. Er leidet an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und ist massiv beeinflussbar. Er bezieht eine Invaliditätspension und verfügt über ein Barvermögen von rund 2.000 EUR; von seiner Mutter hat er Schmuck im Wert von rund 9.000 EUR geerbt.
Bis zum Tod seiner Mutter lebte der Betroffene gemeinsam mit dieser auf der in Rede stehenden Liegenschaft. Das Haus war verdreckt und zugemüllt und der Betroffene verwahrlost; er übernachtete in einem Pkw im Garten des Hauses. In der Folge übersiedelte er in seine Mietwohnung, wo er schon seit langem seinen Hauptwohnsitz gemeldet hat; die Miete beträgt monatlich 385,35 EUR.
Die in Rede stehende Liegenschaft weist einen Verkehrswert von 281.000 EUR auf. Für die Herstellung der Bewohnbarkeit des Hauses sind umfassende Sanierungsarbeiten notwendig; der Sanierungsrückstau beträgt rund 20.000 EUR; die Kosten für eine Generalsanierung belaufen sich auf rund 180.000 EUR. Bei einer Rückkehr des Betroffenen in sein Haus wären neben den laufenden Bewirtschaftungskosten auch laufende Erhaltungsarbeiten erforderlich.
Der Erwachsenenvertreter kommt seinen Verpflichtungen ordnungsgemäß nach.
Mit Schriftsatz vom 5. 4. 2019 beantragte der Erwachsenenvertreter die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrags vom 28. 3. 2019 über den Verkauf der in Rede stehenden Liegenschaft des Betroffenen zu einem Kaufpreis von (letztlich) 282.000 EUR.
Der Betroffene sprach sich gegen diesen Antrag aus. Gleichzeitig beantragte er die Umbestellung des Erwachsenenvertreters, weil das Vertrauensverhältnis zu diesem erschüttert sei.
Das Erstgericht erteilte die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zum Verkauf der Liegenschaft und wies den Antrag auf Umbestellung des Erwachsenenvertreters ab. Auch wenn der Betroffene verständlicherweise an seinem Haus hänge, sei der Verkauf insbesondere aufgrund des Sanierungs- und Erhaltungsbedarfs unvermeidlich. Die Voraussetzungen für eine Umbestellung des Erwachsenenvertreters nach § 246 Abs 3 Z 2 ABGB seien nicht gegeben.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Auf die Frage, ob dem Betroffenen eine Rückkehr in sein Haus auch nach der Vornahme nur geringfügiger Sanierungsarbeiten möglich sei, komme es nicht an, weil seine finanziellen Mittel nicht einmal zur Finanzierung des notwendigen Sanierungsrückstaus ausreichten. Unter Berücksichtigung der laufenden Erhaltungskosten sei die Befriedigung der wesentlichen Bedürfnisse des Betroffenen gefährdet. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
Mit dem gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Betroffene keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz iSd § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG kann vor dem Obersten Gerichtshof nicht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0050037; RS0007232). Auch die Bekämpfung der Beweiswürdigung ist in dritter Instanz ausgeschlossen, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz ist (RS0006379 [T1 und T4]). Aus diesen Gründen kann der Betroffene nicht mehr geltend machen, dass der Verkehrswert der Liegenschaft und der Sanierungsbedarf unrichtig ermittelt worden seien und ein Lokalaugenschein mit einem Immobiliensachverständigen und mit dem Betroffen hätte durchgeführt werden müssen.
Auch die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Die Vorinstanzen haben den ermittelten Verkehrswert auch auf das vorliegende Genehmigungsverfahren bezogen und in dieser Hinsicht auf den schlechten Erhaltungszustand des Hauses Bedacht genommen. Der Umstand, ob der Betroffene bereit ist, seine langjährige Mietwohnung aufzugeben, ist für die Entscheidung nicht erheblich.
2. Die Rechtsrüge des Betroffenen betrifft die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrags über den Verkauf seiner Liegenschaft.
2.1 Gemäß § 258 Abs 4 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen des Erwachsenenvertreters in einer Vermögensangelegenheit zu ihrer Rechtswirksamkeit der gerichtlichen Genehmigung, sofern die Vermögensangelegenheit zum außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb iSd § 167 Abs 3 ABGB gehört (4 Ob 46/19x).
Der Kaufvertrag über die Veräußerung der Liegenschaft des Betroffenen ist demnach genehmigungspflichtig.
2.2 Für die Genehmigungsfähigkeit der Verwertung von unbeweglichem Gut gilt (aufgrund des Verweises in § 258 Abs 3 ABGB) die materiell-rechtliche Regelung des § 223 ABGB sinngemäß, wobei die Besonderheiten, die sich aus den Zielsetzungen des 2. ErwSchG ergeben, gewisse Modifikationen mit sich bringen. Dementsprechend darf unbewegliches Gut nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil des Betroffenen veräußert werden. Ein Notfall liegt dann vor, wenn die Veräußerung unvermeidlich ist, etwa wenn ansonsten der Unterhalt der betroffenen Person nicht mehr bestritten werden könnte oder wenn die Erhaltung der unbeweglichen Sache finanziell nicht mehr verkraftbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Erwachsenenvertreter gemäß § 241 Abs 2 ABGB an den Wünschen der betroffenen Person zu orientieren hat, solange durch die Erfüllung dieser Wünsche das Wohl des Betroffenen nicht erheblich gefährdet wird (4 Ob 46/19x).
2.3 Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen ausgegangen.
Nach der ermittelten Tatsachengrundlage kann der Betroffene weder die notwendigen Sanierungsmaßnahmen finanzieren noch ist in Anbetracht seiner Einkommens- und Vermögenslage die Bestreitung der Erhaltungskosten gesichert. Davon ausgehend hält sich die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Bestreitung der notwendigen Sanierungskosten sowie der laufenden Erhaltungs- und Betriebskosten für das Haus zu einer Gefährdung der Existenzgrundlage des Betroffenen führen würde, im Rahmen der Rechtsprechung.
3. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen zurückzuweisen.
Textnummer
E127690European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00232.19Z.0128.000Im RIS seit
08.04.2020Zuletzt aktualisiert am
08.04.2020