TE Vwgh Beschluss 1998/5/15 95/19/0599

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Veröffentlicht am 15.05.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §73 Abs2;
FrG 1997 §113 Abs6;
FrG 1997 §113 Abs7;
FrG 1997 §115 Abs1;
FrG 1997 §115 Abs2;
VwGG §33 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, in der Beschwerdesache des 1977 geborenen MV in Wien, vertreten durch Dr. M und Dr. C, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Juni 1995, Zl. 301.703/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Parteien haben die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen.

Begründung

§ 113 Abs. 6 und 7 und § 115 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. Nr. 75/1997, lauten:

"(6) Rechtskräftige Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt wurde oder mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der Betroffene sie beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof angefochten und dieser die Entscheidung noch nicht getroffen hat. In diesen Fällen ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen. Mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Bescheide tritt auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft.

(7) Als Bescheide nach Abs. 6, die unter den dort festgelegten Voraussetzungen außer Kraft treten, gelten auch rechtskräftige Bescheide, mit denen auf Dauer niedergelassenen Fremden die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung versagt wurde, die deshalb beantragt wurde, weil die Fremden entweder die Frist für den Antrag auf Verlängerung versäumt hatten oder trotz rechtmäßiger Niederlassung zuvor keiner Aufenthaltsbewilligung bedurften.

§ 115. (1) § 113 Abs. 6 und § 114 Abs. 4 und 5 gelten für Beschwerden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängig und nicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG oder § 19 Abs. 3 Z. 2 lit. a, b, d oder e VfGG zurückzuweisen sind. Die Parteien eines solchen höchstgerichtlichen Verfahrens haben die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen.

(2) Der Verwaltungsgerichtshof kann die Beschlüsse über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerden in Fällen, die

1.

seit dem Jahr 1995 anhängig sind, erst nach dem 1. April 1998,

2.

seit dem 1. Halbjahr 1996 anhängig sind, erst nach dem 1. Juli 1998,

3.

seit dem 2. Halbjahr 1996 anhängig sind, erst nach dem 1. Jänner 1999,

4.

seit dem 1. Halbjahr 1997 anhängig sind, erst nach dem 1. Juli 1999

fassen; dies gilt jedoch nicht, wenn die Behörde erster Instanz dem Verwaltungsgerichtshof mitteilt, daß gewichtige öffentliche Interessen an einer unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung der betroffenen Fremden bestehen oder daß den Fremden nunmehr ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Die Frist des § 73 AVG beginnt in diesen Fällen mit dem Einlangen des Beschlusses bei der Behörde zu laufen."

Der Beschwerdeführer verfügte über eine vom 22. Mai 1994 bis zum 1. Februar 1995 gültige Aufenthaltsbewilligung. Ein am 23. Dezember 1994 gestellter Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 1. März 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres ebenfalls gemäß diesen Gesetzesstellen abgewiesen.

Die vorliegende Beschwerde war am 1. Jänner 1998 anhängig; ein Zurückweisungsgrund nach § 34 Abs. 1 VwGG liegt nicht vor. Gemäß § 113 Abs. 7 FrG ist der angefochtene Bescheid am 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten, weil es sich dabei um einen solchen Bescheid handelt, mit dem einem auf Dauer niedergelassenen Fremden die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung versagt wurde, weil dieser die Frist für den Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung versäumt hatte.

Mit Schriftsatz vom 7. April 1998 teilte der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof mit, seine Beschwerde zurückzuziehen.

Ungeachtet der Zurückziehung der Beschwerde ist im vorliegenden Fall jedoch aus folgenden Gründen nicht gemäß § 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen sowie ein Kostenspruch nach § 51 VwGG zu treffen:

§ 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG erfaßt auch solche Beschwerden, bei denen der zugrundeliegende, angefochtene Bescheid nicht gemäß § 113 Abs. 6 FrG außer Kraft getreten ist. Umgekehrt erfaßt seinem Wortlaut nach § 113 Abs. 6 FrG in Verbindung mit § 115 Abs. 2 FrG auch solche Beschwerden, bei denen keine Zurückziehung erfolgt ist. Daraus ist jedenfalls zu folgern, daß § 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG gegenüber § 113 Abs. 6 FrG nicht im Verhältnis der lex specialis zur lex generalis steht. Schon aus diesem Grund ist der Normenkonflikt zwischen § 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG und § 113 Abs. 6 FrG derart zu lösen, daß in Fällen, in denen - wie im vorliegenden Fall - beide Vorschriften Geltung beanspruchen, der später erlassenen Vorschrift, somit § 113 Abs. 6 FrG, nach dem Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" der Vorrang zukommt. Eine andere Auslegung würde die Intention des Gesetzgebers übergehen, der durch die §§ 113 Abs. 6 und 115 FrG

-

insbesondere durch die in der letztgenannten Bestimmung

vorgesehene zeitlich gestaffelte Abfolge der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Einstellungen - Regelungen schaffen wollte, welche die Steuerung des mit der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes verbundenen

-

neuerlichen - Anfalls von Bewilligungsanträgen bei den Verwaltungsbehörden bezwecken. Dabei ist es im Sinne eines "Gesamtkonzepts" beabsichtigt, diese Akten, der in § 115 Abs. 2 FrG vorgesehenen Abfolge entsprechend, nach dem Außerkrafttreten des erstinstanzlichen Bescheides der Behörde erster Instanz zur neuerlichen Prüfung zuzuweisen. Diesem Lenkungseffekt des Gesamtkonzepts widerspräche aber eine Auslegung, die es dem Beschwerdeführer ermöglichte, durch Zurückziehung seiner Beschwerde nach dem Außerkrafttreten des angefochtenen Bescheides am 1. Jänner 1998 eine Entscheidungspflicht der Behörde zweiter Instanz, und zwar vor den im § 115 Abs. 2 FrG genannten Zeitpunkten, auszulösen.

Die Beschwerde war somit nach Eintritt des nach § 115 Abs. 2 FrG maßgeblichen Zeitpunktes gemäß § 113 Abs. 6 FrG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen.

Der Kostenspruch stützt sich auf § 115 Abs. 1 FrG.

Schlagworte

Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995190599.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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