Gbk 2020/1/28 GBK I/804/18

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung durch Dritte

Text

Bundeskanzleramt

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 28. Jänner 2020 über den am 18. Jänner 2018 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft Regionalbüro Tirol, Salzburg, Vorarlberg (R-GAW) für A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/804/18, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch B diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von der Arbeiterkammer Salzburg an die Regionalanwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt verwiesen worden, da der Verdacht vorgelegen habe, dass sie im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt worden sei.

Die Antragstellerin sei zu diesem Zeitpunkt noch bei der X GmbH in Y als Service Point Agent beschäftigt gewesen, das Arbeitsverhältnis sei inzwischen im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs einvernehmlich beendet worden.

Der Antragsgegner sei als Subunternehmer für diese Firma tätig und beschäftige mehrere Fahrer, die für ihn im Auftrag von X unterwegs seien.

Der Antragsgegner habe sich während der Arbeitszeit der Antragstellerin ständig, auch ohne berufliche Veranlassung, in ihrem Büro aufgehalten und ihre Nähe gesucht. Auch wenn die Antragstellerin am Firmengelände zu tun gehabt habe, sei er ihr gefolgt. Sein Interesse an der Antragstellerin habe er auch verbal durch Äußerungen wie, sie wäre sein „zweites Baby" oder er hätte auch gern eine ältere und erfahrenere Frau, weil seine Frau bedeutend jünger als er sei, bekundet.

Mitte Dezember 2016 sei er wieder im Büro der Antragstellerin anwesend gewesen, habe sich ihr von hinten genähert und versucht den BH der Antragstellerin zu öffnen. Sie habe sich schnell umgedreht und mit ihrer rechten Hand seine Hand abgewehrt. Dieser Vorfall sei auch von einem Zeugen beobachtet worden.

Die Antragstellerin habe sich daraufhin mit der Bitte um Unterstützung an ihren Vorgesetzten, C, gewandt und ihm von diesem Vorfall berichtet, sowie dem übrigen aufdringlichen Verhalten des Antragsgegners. Dieser habe versucht, die Sache herunter zu spielen und ihr gegenüber gemeint, „sie dürfe das nicht so eng sehen, weil die (XY) sind so..." und „er [Anm.: der Antragsgegner] habe das sicher nicht so gemeint".

Die Antragstellerin habe sich von C in keiner Weise ernstgenommen und unterstützt gefühlt.

Nachdem sie sich gegen seinen sexuellen Übergriff gewehrt gehabt hätte und sich deswegen beschwert hätte, habe der Antragsgegner die Antragstellerin auch schlecht gegenüber anderen Mitarbeitern gemacht. Als sie zum Beispiel einem Fahrer den Lageplan einer Adresse ausdrucken habe müssen, sei dieser zu ihr ins Büro gekommen. Als er wieder hinausgegangen sei, habe ihn der Antragsgegner gefragt, was er denn bei der Antragstellerin im Büro zu suchen habe und meinte, er sollte dort nicht mehr hineingehen, wenn sie drinnen wäre, da sonst auch er Probleme bekäme.

Die Antragstellerin sei in Y als einzige Frau beschäftigt gewesen und sei auch oft spät am Abend allein an ihrem Arbeitsplatz gewesen, wenn sie noch auf Fahrer warten habe müssen. Aufgrund der Nachstellungen durch den Antragsgegner und seine Reaktion auf ihre Beschwerde habe sie sich dort zu fürchten begonnen.

Durch den Stress, den der Übergriff ausgelöst hätte, sowie die ständige Angst vor weiteren Angriffen, sei die Antragstellerin psychisch schließlich so belastet gewesen, dass sie bereits Anzeichen von psychosomatischen Beschwerden gezeigt habe und deshalb in den Krankenstand habe gehen müssen und therapeutische Unterstützung in Anspruch genommen habe.

Eine Rückkehr an ihren Arbeitsplatz sei für die Antragstellerin dennoch nicht mehr in Frage gekommen.

Nach Intervention durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft sei es daher im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung mit der X GmbH zu einer Schadenersatzzahlung und zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gekommen.

Das oben geschilderte Verhalten des Antragsgegners sei der sexuellen bzw. geschlechtsbezogenen Sphäre zuzuordnen und sei für die Antragstellerin unerwünscht und unangebracht gewesen. Es habe eine so feindselige und entwürdigende Arbeitsatmosphäre geschaffen, dass für sie eine Zusammenarbeit mit dem Antragsgegner nicht mehr auszuhalten gewesen sei. In der Folge sei sie aufgrund der psychischen Belastung krank geworden und habe ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen.

Auf einen ersten Vergleichsversuch sei die Gegenseite nicht eingegangen, obwohl der Vorfall mit dem versuchten Öffnen des BH nicht abgestritten worden sei, sondern verharmlost dargestellt worden sei. Die Antragstellerin sei im Antwortschreiben als sehr freizügig dargestellt worden, sodass einige der darin angeführten Behauptungen fast geeignet wären, eine neuerliche sexuelle Belästigung darzustellen.

In einem zweiten Interventionsschreiben sei daher darauf hingewiesen worden, dass Haftung nach dem Gleichbehandlungsgesetz auch eintritt, wenn kein Verschulden vorliegt, da für die Verwirklichung des Tatbestandes einer Diskriminierung die Absicht, jemanden zu diskriminieren nicht erforderlich sei und sei auf den herabwürdigenden Charakter der Darstellung der Antragstellerin hingewiesen worden. Dennoch sei die Gegenseite zu keinem Vergleich bereit gewesen.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 29. Juni 2018 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Richtig sei, dass der Antragsgegner als Subunternehmer in Y Lieferdienste für die X GmbH erbracht habe und die Antragstellerin bei diesem Unternehmen im Büro tätig gewesen sei.

Ausdrücklich als unrichtig bestritten werde allerdings, dass sich der Antragsgegner während der Arbeitszeit der Antragstellerin ständig und ohne berufliche Veranlassung in ihrem Büro aufgehalten habe, ihre Nähe gesucht und sie sogar am Firmengelände verfolgt habe. Der Antragsgegner habe sich ausschließlich aus beruflichen Gründen in das Büro der Antragstellerin begeben.

Die Antragstellerin habe sich vor der mit Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft vom 3. April 2017 dem Antragsgegner zur Kenntnis gebrachten Beschwerde weder beim Antragsgegner noch bei Verantwortlichen der X GmbH über sein Verhalten negativ geäußert.

Sie habe während ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der X GmbH sowohl zum Antragsgegner als auch vielen anderen Fahrern ein äußerst freundschaftliches Verhältnis gepflegt. Aus diesem Grund hätten mehrere Fahrer der Antragstellerin Kosenamen wie „Schatz" oder „Baby" gegeben. Die Antragstellerin habe sich auch niemals darüber beschwert, weder bei den Fahrern noch ihrem Arbeitgeber.

Die in der Beschwerde genannten Äußerungen, sie sei sein „zweites Baby" oder er hätte auch gerne eine ältere und erfahrenere Frau, habe der Antragsgegner niemals getätigt.

In Y habe die Antragstellerin den Fahrern gegenüber generell sehr offen über Sexualität gesprochen und unter anderem geäußert, bereits mit sehr vielen Männern geschlafen zu haben. Bei einem Gespräch habe sie auch von einem Dreh eines Pornos mit ihrem Lebensgefährten erzählt.

Wie der Antragsgegner bereits in seinem Schreiben vom 24. April 2017 von sich aus dargelegt habe, habe er im Dezember 2016 zwar aus einer gewissen Entfernung eine Bewegung angedeutet und zur Antragstellerin gesagt, er könnte ihr den BH schnell öffnen. Allerdings habe er die Antragstellerin weder an diesem Tag, noch zu einem anderen Zeitpunkt berührt und dadurch sexuell belästigt. Auch habe die Betroffene ihm nicht die Hand weggeschlagen, sondern auf die Äußerung des Antragsgegners überhaupt nicht reagiert. Vielmehr habe sie das durchaus freundschaftlich geführte Gespräch normal fortgesetzt und mit dem Antragsgegner weiter gescherzt.

Richtig dürfte weiters sein, dass sich die Betroffene am Folgetag an ihren Vorgesetzten, C, mit einer Beschwerde gewandt habe. Dieser habe den Vorfall allerdings nicht, wie erstmals im Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft behauptet, heruntergespielt, sondern umgehend den Antragsgegner zur Rede gestellt.

Nachdem der Antragsgegner dadurch erstmals erfahren habe, dass der Antragstellerin offenbar sein am Vortag gesetztes Verhalten unangenehm gewesen sei, habe er sich sowohl bei der …leitung als auch der Antragstellerin persönlich entschuldigt. Die Antragstellerin habe seine Entschuldigung ausdrücklich angenommen.

Weder dieser noch frühere Vorfälle hätten zu einer Beeinträchtigung des äußerst freundschaftlichen Arbeitsverhältnisses in Y geführt. Vielmehr habe die Antragstellerin weiterhin in Y gearbeitet und nach diesem Vorfall dem Antragsgegner sogar angeboten, im Zuge einer Bestellung auch für ihn Sexspielzeuge kaufen zu können. Das Arbeits- und Gesprächsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner sei somit nicht im Geringsten beeinträchtigt gewesen.

Hätte die Antragstellerin durch eine sexuelle Diskriminierung tatsächlich gesundheitliche Beschwerden erlitten, wäre dies aller Wahrscheinlichkeit nach sogleich und nicht erst nach mehreren Wochen eingetreten.

Nachdem die Antragstellerin selbst wiederholt sexuelle Anspielungen geäußert habe, auf die der Antragsgegner und andere Fahrer reagiert hätten, sei durch das Verhalten der Fahrer keine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die Antragstellerin geschaffen worden und dies auch zu keinem Zeitpunkt bezweckt gewesen.

Der Antragsgegner habe auch zu keinem Zeitpunkt schlecht über die Antragstellerin gesprochen. Richtig sei allerdings, dass er mit seinen Fahrerkollegen über die Anschuldigungen der Betroffenen gesprochen habe und diese davor gewarnt habe, ähnliche Handlungen zu setzen, da sie sonst, wie auch er, Probleme bekommen könnten. Damit hätte die Antragstellerin vor weiteren Übergriffen geschützt werden sollen.

Wie oben ausgeführt und bereits mit Schreiben vom 24. April 2017 dargelegt, habe der Antragsgegner seine andeutende Bewegung und Äußerung gegenüber der Antragstellerin, er könnte ihren BH schnell öffnen, eingestanden. Er habe sich umgehend, nachdem er darüber informiert worden sei, dass dies die Antragstellerin als unerwünscht, unangebracht und anstößig empfunden hätte, sowohl bei ihr als auch bei der …leitung förmlich entschuldigt. Zudem habe er jedes weitere, diskriminierende Verhalten eingestellt und sogar versucht, andere anzuhalten, die Antragstellerin nicht zu belästigen.

Lediglich die Zahlung eines Schadenersatzes sei bislang abgelehnt worden, da die dafür erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere der Nachweis einer persönlichen Beeinträchtigung oder eines Vermögensschadens (einzig) durch sein Verhalten nicht nachgewiesen worden wären. Ein solcher sei bislang auch nicht angeboten worden.

Tatsächlich sei aufgrund des von der Antragstellerin während des aufrechten Arbeitsverhältnisses gezeigten Verhaltens und ihrer Äußerungen den Mitarbeitern gegenüber auszuschließen, dass die Antragstellerin (nur) durch das Verhalten des Antragsgegners gesundheitliche Beschwerden erlitten habe.

Da allerdings der ehemalige Arbeitgeber der Antragstellerin ohnehin bereits einen Schadenersatz geleistet habe, stünden der Betroffenen somit keine weiteren Zahlungen zu.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 10. Dezember 2019 und des Antragsgegners vom 28. Jänner 2020. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Amazon-Bestellung vom 1. Oktober 2016.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

㤠6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person

[…]

3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder […]

(2) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und

1.   eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt [...]“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 6 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die Antragstellerin sei vom Antragsgegner sexuell belästigt worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin und der Antragsgegner waren bei der X GmbH beschäftigt.

Dort war die Antragstellerin im Schichtbetrieb tätig, ihr Vorgesetzter war C. Die Aufgabe der Antragstellerin bestand darin, in ihrem Büro die Paket-Scanner der FahrerInnen (fast ausschließlich männliche Fahrer) entgegenzunehmen, zu überprüfen welche Pakete zugstellt wurden und welche nicht bzw. Adressen zu kontrollieren. Das Büro der Antragstellerin hatte ein Schiebefenster und konnte über eine Tür betreten werden, wobei die FahrerInnen der Antragstellerin die Scanner im Regelfall über das Schiebefenster übergaben.

Auch mit dem Antragsgegner musste die Antragstellerin immer wieder zusammenarbeiten. Kurze Zeit nach Beginn der Zusammenarbeit begann der Antragsgegner damit, die Antragstellerin Schatzi bzw. Baby zu nennen und suchte immer wieder ihre Nähe, auch wenn es nichts Arbeitsrelevantes zu besprechen gab.

Im Dezember 2016 betrat der Antragsgegner das Büro der Antragstellerin und versuchte von außerhalb ihrer Kleidung deren BH zu öffnen – die Antragstellerin wehrte diesen Versuch aber ab, indem sie die Hand des Antragsgegners wegstieß.

Am darauffolgenden Tag wandte sich die Antragstellerin an ihren Vorgesetzten C, um ihm von diesem Vorfall zu erzählen. Daraufhin verwarnte C den Antragsgegner.

Der Antragsgegner gab anderen Mitarbeitern im Anschluss an den Vorfall den Rat, in Bezug auf die Antragstellerin vorsichtig zu sein und ihr nicht zu nahe zu kommen.

In der Zeit nach dem Vorfall fühlte sich die Antragstellerin nicht mehr wohl bei der Arbeit – diese war für sie auch mit einer ständigen Angst verbunden. Aufgrund der für die Antragstellerin sehr bedrückenden Situation suchte die Antragstellerin einen Arzt auf, der sie krankschrieb.

Das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin mit der X GmbH wurde in weiterer Folge einvernehmlich beendet. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war die Antragstellerin wegen des sexuellen Übergriffes des Antragsgegners in psychologischer Behandlung.

Vor dem Vorfall mit dem Antragsgegner hatte die Antragstellerin bei der X GmbH auch ihren damaligen Lebensgefährten kennengelernt, mit dem sie zwei Jahre lang eine Beziehung führte. Er war ebenfalls ein Mitarbeiter der X GmbH und mit der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Vorfalls im Dezember 2016 liiert.

Am 1. Oktober 2016, somit vor dem Vorfall im Dezember 2016, hatte die Antragstellerin für sich und den Antragsgegner über den Online-Versandhändler Amazon Sexspielzeug (2 Penisringe Anello Vibrante Stimolante Play Little Devil) unter der Bestellnummer 304-1856535-6421924 bestellt.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.

Als Dritte iSd § 6 kommen vom/von der Arbeitgeber/in (AG) und der belästigten Person verschiedene Personen in Betracht. Im Fall des § 6 Abs 1 Z 3 sind das zB Arbeitskolleg/inn/en der belästigten Person, Vorgesetzte, Geschäftspartner/innen oder Kund/inn/en des/der AG.4

Unter dem Begriff des der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise aufgedrängte Küsse, erzwungene Umarmungen und „Begrapschen“.5

Um von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 sprechen zu können, muss durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten des Weiteren die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden.6 Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor. Nach den Gesetzesmaterialien zum ArbBG sollen Beispiele wie das Nachpfeifen oder die unerwünschte Einladung zum Kaffee oder zum Essen „grundsätzlich“ nicht genügen, um bereits die Voraussetzung der Verletzung der Würde und damit den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu erfüllen. Anders zu sehen ist dies aber uU dann, wenn zwar die einzelnen Belästigungshandlungen nicht das gebotene Mindestmaß an Intensität erreichen, dafür aber immer wieder erfolgen.7

Das belästigende Verhalten muss für die betroffene Person weiters unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein (§ 6 Abs 2). Ein Verhalten ist dann unerwünscht, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Einzelne Menschen sollen selbst bestimmen, welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist und welches Verhalten sie bereits als beleidigend empfinden. Durch die Unerwünschtheit wird eine sexuelle Belästigung von freundschaftlichem Verhalten, das willkommen und gegenseitig ist, unterschieden. 8

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 6 Abs 2 Z 1 ist, dass ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Meistens wird die „Arbeitsumwelt“ erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Doch wie schon oben erwähnt, kann bereits eine einzelne Belästigungshandlung derartig schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.9 Durch körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Person (sog. „Begrapschen“) wird im Allgemeinen die Toleranzgrenze überschritten.10

Sexuelle Belästigung liegt somit vor, wenn ein objektiv der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, und dieses Verhalten objektiv eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt.

Der Antragsgegner ist Dritter iSd § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG, da er ebenso wie die Antragstellerin bei der X GmbH beschäftigt war. Er hat auch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt, das die Würde der Antragstellerin beeinträchtigte, indem er versuchte, den BH der Antragstellerin zu öffnen. Dieser Handlung war auch vorausgegangen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin immer wieder Kosenamen gab. Die geforderte Intensität ist hier jedenfalls gegeben, da es ohne die Abwehr der Antragstellerin, zu einem körperlichen Kontakt gekommen wäre, der selbstverständlich auch nicht ein einziges Mal toleriert werden muss. Hinzu kommen hier schließlich auch noch die bereits erwähnten vom Antragsgegner verwendeten Kosenamen für die Antragstellerin.

Das Verhalten des Antragsgegners war auch unerwünscht für die Antragstellerin, da sie sofort den Versuch des Antragsgegners, ihren BH zu öffnen, abwehrte und ihren Vorgesetzten von dem Vorfall in Kenntnis setzte.

Weiters ist die Voraussetzung, dass eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitswelt für die betroffene Person geschaffen werden muss/bezweckt wird, erfüllt. Denn die Antragstellerin fühlte sich, wie festgestellt, nach dem übergriffigen Verhalten des Antragsgegners nicht mehr wohl in der Arbeit und suchte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sogar psychologische Unterstützung auf. Auch dass der Antragsgegner die Mitarbeiter warnte, dass sie der Antragstellerin fernbleiben sollen, trug im negativen Sinne zur Veränderung des Arbeitsklimas bei.

Der Antragstellerin gelang es, im vorliegenden Fall den glaubhaften Anschein einer sexuellen Belästigung darzulegen. Denn ihre Schilderung – der Antragsgegner habe immer wieder ihre Nähe aufgesucht, ihr unerwünschte Kosenamen gegeben und auch versucht, ihren BH zu öffnen, obwohl sie das nicht wollte – ließ darauf schließen, dass sie vom Antragsgegner im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt wurde.

Daher verlagerte sich die Beweislast auf den Antragsgegner. Dieser gab zwar zu, dass der Vorfall mit dem BH stattgefunden habe, betonte aber sowohl in der schriftlichen Stellungnahme als auch bei der mündlichen Befragung, dass Kosenamen wie Schatzi oder Baby zum normalen Umgangston zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner gehörten. Weiters habe er sich nach dem Vorfall, bei dem er versucht habe, den BH der Antragstellerin zu öffnen, bei der Antragstellerin entschuldigt und am Arbeitsklima habe sich nichts verändert, außer, dass der Antragsgegner nicht mehr allein zur Antragstellerin ins Büro gegangen sei. Die Antragstellerin sei eine offene Frau, zu der der Antragsgegner eine freundschaftliche Beziehung gehabt habe. Ein weiteres Indiz, dass die Antragstellerin gut mit dem Vorfall habe umgehen können, sei, dass sie danach für sich und den Antragsgegner Sexspielzeug im Internet bestellt habe.

Dass das Verhalten des Antragsgegners für die Antragstellerin sehr wohl unerwünscht war und sie sich insbesondere nach dem Vorfall, bei dem der Antragsgegner versuchte, den BH der Antragstellerin zu öffnen, nicht mehr wohl in der Arbeit fühlte, konnte diese bei ihrer mündlichen Befragung durch den Senat glaubwürdig und nachvollziehbar darlegen. Bei dieser Befragung kam auch die besondere persönliche Betroffenheit der Antragstellerin zum Ausdruck. So erklärte sie, dass es ihr nicht einmal möglich war, die Stellungnahme des Antragsgegners zu lesen, ohne wieder von den negativen Gefühlen bezüglich des Vorfalls eingeholt zu werden. Indem die Antragstellerin den Antragsgegner beim Versuch, ihren BH zu öffnen, wegstieß und auch ihren Vorgesetzten von dem Vorfall in Kenntnis setzte, signalisierte sie dem Antragsgegner klar, dass sie das nicht will. Auch das Argument des Antragsgegners, dass das Sexspielzeug im Nachhinein gekauft worden sei, konnte von der Antragstellerin widerlegt werden, da sie die Rechnung von Oktober 2016 vorlegte und der Antragsgegner sogar zustimmte, dass die auf der Rechnung enthaltenen Artikel jene seien, die gemeinsam bestellt worden seien.

Zusammengefasst geht der Senat somit davon aus, dass der Antragsgegner insbesondere durch den Versuch, den BH der Antragstellerin zu öffnen, objektiv ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt hat, das aufgrund der Intensität geeignet war, die Würde der Antragstellerin zu beeinträchtigen, für die Antragstellerin persönlich unerwünscht war und zudem objektiv geeignet war, eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt zu schaffen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass der Antragsgegner nicht beweisen konnte, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

VORSCHLAG

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 28. Jänner 2020

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 9 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 20 (Stand 1.1.2009, rdb.at)

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 21 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 24 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 25 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

9  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 28 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

10  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 29 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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