Entscheidungsdatum
27.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I414 2173547-1/23.3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX, alias XXXX), StA. KAMERUN, vertreten durch:
RA Dr. Gerhard MORY, Wolf-Dietrich-Straße 19, 5020 XXXX, gegen den Bescheid des BFA RD XXXX Außenstelle XXXX vom 14.09.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.06.2019 und am 09.08.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 05.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Verfolgung durch Boko Haram begründete. Sein Onkel sei Polizeikommandant und habe den Auftrag gehabt, die Terroristengruppe festzunehmen. Aufgrund dessen werde nun seine Familie und auch er von der Terrorgruppe Boko Haram verfolgt. Einmal sei er entführt und in ein Gefängnis gebracht worden. Mit einem weiteren Opfer sei ihm die Flucht gelungen und er habe sein Heimatland verlassen.
Den Fluchtgrund wiederholte der Beschwerdeführer auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 02.06.2016. Aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben sein Geburtsdatum betreffend, wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Bestimmung des Alters in Auftrag gegeben. Aufgrund des Ergebnisses der medizinischen Untersuchung wurde mittels Verfahrensanordnung vom 16.09.2016 festgestellt, dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX geboren wurde und dieses Datum als Teil der Verfahrensidentität bestimmt.
Das Asylverfahren wurde am 12.04.2017 vorübergehend eingestellt, weil der Beschwerdeführer über keine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet verfügte und zugleich wurde ein Festnahmeauftrag erlassen.
Am 07.06.2017 fand eine neuerliche niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde statt. Der Beschwerdeführer legte seinen Fluchtgrund gleichlautend dar. Außerdem gab er an, Probleme als englischsprachiger Staatsangehöriger Kameruns zu haben. Er habe ein Studium nicht begonnen, weil ein Klassenkamerad von der französischsprachigen Polizei getötet worden sei. Erörtert wurde ebenso, wie es zu den unterschiedlichen Angaben des Geburtsdatums kommen konnte und welche Kontakte er zu Familienangehörigen in Kamerun pflegt. Bezüglich seines Geburtsdatums berief er sich auf die vorgelegte Geburtsurkunde und gab an, dass die Behörden schreiben würden, was sie wollen und nicht was er gesagt habe. Der Beschwerdeführer gab an, dass er Kontakt zu seiner Großmutter und zu seinem Bruder habe, im Laufe der Einvernahme habe der Beschwerdeführer seinen Bruder via Mobiltelefon angerufen. Dieser antwortete mit einem Rückruf. Zuvor hatte der Beschwerdeführer nur seine Mutter und den Bruder als Angehörige in Kamerun angegeben und dass er nicht wisse, wo sie sich aufhalten.
Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer einen Arztbrief, ein Urteil des Amtsgerichtes XXXX, einen Lehrvertrag, einen Arbeitsvertrag, ein Zertifikat über die bestandene Prüfung A2, zwei Teilnahmebestätigungen über Projekte im Bereich Gastronomie und Fotos, welche ihn bei der Arbeit als Koch zeigen, vor.
Mit dem Bescheid vom 14.09.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Kamerun (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2018, Zl. I414 2173547-1/2E als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die außerordentliche Revision erhoben.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.02.2018, Zl. Ra 2018/20/0039-7 wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes 25.02.2019, Zl. Ra 2018/10/0039-10 wurde das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im Wesentlichen begründete der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung dahingehend, dass dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes nicht zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Gericht den Inhalt der - offenbar als echt angesehenen - Geburtsurkunde für unwahr hält und weiters ist nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb dem medizinischen Sachverständigengutachten mehr Glauben zu schenken sei. Der Verfahrensfehler ist relevant, weil dieser - wie in der Revision aufzeigt - im Falle des Zutreffens der behaupteten Minderjährigkeit des Revisionswerbers Auswirkungen auf die Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung des vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheides hätte.
Mit Beschwerdeergänzung vom 26.06.2019 brachte der Beschwerdeführer vor, dass der leibliche Bruder, welcher zuletzt in Bamenda wohnhaft und ein Aktivist der anglophonen Separatisten (Southern Cameroons National Council kurz SCNC) gewesen sei. Wegen dieser politischen Aktivität sei der Bruder von der kamerunischen Staatsgewalt verfolgt worden. Zudem sei gegen den Bruder ein Haftbefehl erlassen worden.
Dem Beschwerdeführer drohe deshalb im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftssaat Verfolgung durch die Sicherheitskräfte von Kamerun, dies wegen seiner Namensgleichheit mit seinem Bruder und wegen seiner Zugehörigkeit zur gleichen Familie, wobei in Kamerun durchaus das Prinzip der Sippenhaftung gelten würde. Die Sicherheitskräfte würden mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen den Beschwerdeführer als stellvertretendes Opfer vorgehen, weil der Bruder des Beschwerdeführers wegen seiner Auslandsflucht für sie nicht greifbar sei.
Hinsichtlich des Privat- und Familienlebens wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein Verhältnis mit einer französischen Staatsangehörigen gehabt habe. Aus dieser Liebesbeziehung gingen Zwillingskinder hervor. Bei der Geburt verstarb eines der Kinder. Der Beschwerdeführer kümmere sich sehr um sein Kind, so besuche er zweimal wöchentlich mit Zustimmung der Kindesmutter seinen Sohn. Der Beschwerdeführer zahle monatlich einen Unterhaltsbeitrag von EUR 50,-. Es sei insbesondere für das Kindeswohl sehr wichtig, wenn der Beschwerdeführer in Österreich bleiben könnte und der Kontakt aufrechterhalten und vertieft werden könnte. Aufgrund der besonderen Vulnerabilität des Kindes komme der Bewahrung und Förderung des Vater-Sohn- Verhältnisses ein besonders hohes Gewicht zu.
Der Beschwerdeführer habe am 08.02.2019 die Integrationsprüfung Niveau B1 erfolgreich abgelegt. Er habe einen Kurs im Bereich Handel und Gastronomie beim Berufsförderungsinstitut (kurz BFI) absolviert. Ferner habe er an einem Erste-Hilfe- Grundkurs erfolgreich teilgenommen und einen Kurs "Deutsch-Vielfalt als Chance" besucht. Er habe eine Kochlehre begonnen, da er mit seinen Kollegen nicht zurechtgekommen sei, habe er diese jedoch abgebrochen. In der Folge arbeitete er als Abwäscher in einem Gastronomiebetrieb. Zudem könne der Beschwerdeführer beginnend ab dem 02.09.2019 als Schädlingsbekämpfer tätig werden.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.06.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die englische Sprache, des Beschwerdeführers und seines Rechtsanwaltes, eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Zur Verhandlung war der allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierte medizinische Sachverständige, welcher das Gutachten hinsichtlich der Altersbeurteilung des Beschwerdeführers erstellte, geladen. Der Sachverständige blieb krankheitsbedingt der Verhandlung entschuldigt fern. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer über die Gründe für seine Ausreise aus den Herkunftsstaat und über seine privaten persönlichen Verhältnisse einvernommen. Im Rahmen der Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer die Beurkundung der Vaterschaft, die Geburtsurkunden, Bestätigung der Kindesmutter, diverse Rechnungen, Integrationszeugnisse, Kursbestätigungen, Bestätigungsschreiben und ein Arbeitsvorvertrag vorgelegt.
Ferner wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt zu Kamerun mit der Möglichkeit binnen offener Frist eine Stellungnahme abzugeben überreicht.
Mit Schreiben vom 02.07.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Ferner wurden eine Besuchskontaktbestätigung und eine Bestätigung der Kindesmutter vorgelegt. Ferner beantragte der Beschwerdeführer, dass eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers dauerhaft unzulässig sei und ihm ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung Plus" von Amts wegen zu erteilen sei.
Am 09.08.2019 fand neuerlich eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Dabei wurde der medizinische Sachverständige und die Kindesmutter des Beschwerdeführers niederschriftlich einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer ist ledig, Staatsangehöriger von Kamerun und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer ist spätestmöglich am XXXX geboren. Zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung war der Beschwerdeführer volljährig.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer spricht Englisch, Französisch und Deutsch.
Der Beschwerdeführer besuchte 12 Jahre lang eine Schule. Gewohnt hat er zuletzt bei seinem Onkel. Aufgrund seiner guten Schulbildung hat er eine Chance, in Kamerun eine Arbeitsstelle zu finden und seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Der Beschwerdeführer reiste illegal und ohne gültige Reisedokumente nach Österreich. Er stellte am 05.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Zuvor stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag in Italien.
Das Asylverfahren wurde am 12.04.2017 vorübergehend eingestellt, weil der Beschwerdeführer über keine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet verfügte.
Mit Urteil des Amtgerichtes Laufen, Zl. 8 XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt schuldig gesprochen. Es wurde gegen den Beschwerdeführer ein 4-wöchiger Dauerarrest verhängt.
Er absolvierte von 01.12.2016 bis 14.02.2017 eine Lehre als Koch, brach diese jedoch ab. In der Folge arbeitete er als Küchengehilfe in einem Hotel. Der Beschwerdeführer verfügt derzeit über einen aufrechten Wohnsitz in Österreich. Er hat einen Deutschkurs Niveau A2 und B1 erfolgreich absolviert. Er hat einen Erst-Hilfe-Kurs, einen Kurs im Bereich Handel und Gastronomie sowie an einen Kurs "Deutsch-Vielfalt als Chance" erfolgreich absolviert.
Derzeit geht der Beschwerdeführer keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer verfügt über einen Arbeitsvorvertrag.
Der Beschwerdeführer hatte ein Verhältnis mit einer französischen Staatsangehörigen. Aus dieser Beziehung gingen Zwillingskinder hervor. Die Zwillinge wurden am 12.06.2018 geboren. Bei der Geburt verstarb eines der Kinder.
Die Kindesmutter lebt derzeit in einer Mutter - Kind Einrichtung. Der Beschwerdeführer besucht seinen Sohn mit Zustimmung der Kindesmutter mindestens zweimal wöchentlich.
Der Beschwerdeführer überweist der Kindesmutter monatlich Monat für die Pflege des Kindes einen zweistelligen Eurobetrag.
Außer seinem Sohn und der Kindesmutter leben keine Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich. Des Weiteren pflegt er normale soziale Kontakte zu Österreichern.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer wird in seinem Herkunftsstaat weder aus Gründen seiner politischen und religiösen Einstellung, noch wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse oder sozialen Gruppe verfolgt.
Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Tätigkeit seines Onkels von Terroristen der Gruppierung "Boko Haram" verfolgt wird.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Kamerun einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein wird.
Aus den Länderinformationen ergibt sich nichts, was eine Rückkehr eines Fremden in der Lage des Beschwerdeführers automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt. Eine nach Kamerun zurückkehrende Person, bei der keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Kamerun:
Politische Lage
Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten - seit 1982 ist dies Paul Biya - eine überragende Stellung (GIZ 4.2019a; vgl. USDOS 13.3.2019). Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild. Der in der Verfassung vorgesehene Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) wurde im Januar 2018 eingerichtet. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren. Dezentralisierungsbemühungen wurden von der Regierung Kameruns bislang nur halbherzig durchgeführt (AA 15.1.2019).
Das Land wird seit 1966 von der Partei "Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais" (RDPC, bis 1985 "Union Nationale Camerounaise") regiert. Staatspräsident Paul Biya regiert seit 1982. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär (AA 15.1.2019).
Biya wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 erneut für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt (AA 15.1.2019; AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a). Dabei war die Wahlbeteiligung insgesamt gering (ca. 54 %), die Bevölkerung der anglophonen Provinzen machte von ihrem Wahlrecht kaum Gebrauch (5 bzw. 17 %). Einige Gegenkandidaten legten wegen Wahlmanipulation Beschwerde ein (GIZ 4.2019a). Die Anhänger des, laut offiziellem Ergebnis mit 14 % der Stimmen, zweitplatzierten Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a), Maurice Kamto, protestieren seit der Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses im In- und Ausland. Es kam zu Verhaftungen (BAMF 4.2.2019).
Zum Premierminister und Regierungschef wurde, im Rahmen einer Kabinettsumbildung nach den Präsidentschaftswahlen vom Oktober 2018 am 7.1.2019, Joseph Dion Ngute ernannt (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 3.2019a).
Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus (GIZ 4.2019a).
Parlaments- und Kommunalwahlen werden zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen abgehalten und wurden von der Regierungspartei RDPC gewonnen. Nach wiederholter Wahlterminverlegung (die Opposition hatte immer wieder Reformen des Wahlverfahrens angemahnt) fanden am 30.9.2013 die bislang letzten Parlaments- und Kommunalwahlen statt - mit wenig überraschendem Ergebnis: Die RDPC/CPDM behauptete sich mit Abstand (GIZ 4.2019a). Ihr gehören 148 (zuvor 152) der 180 Abgeordneten an. Als größte Oppositionspartei stellt die SDF (Mitglied der Sozialistischen Internationale) 18 Abgeordnete, während 5 kleinere Parteien insgesamt 14 Sitze erhielten. Die Kommunalwahlen entschied die RDPC ebenfalls klar für sich: Sie kann in 305 Kommunen allein regieren, die Oppositionsparteien lediglich in 24. Sowohl die Parlaments- als auch die Kommunalwahlen, die beide Turnus gemäß im Jahr 2018 hätten stattfinden sollten, wurden auf Herbst 2019 verschoben (AA 15.1.2019).
Die Verfassungsänderung von 1996 sah die Schaffung einer zweiten parlamentarischen Kammer, des Senats, vor. Die indirekten Wahlen zum Senat fanden erstmals im April 2013 statt (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a). Am 25.3.2018 wurden wieder Senatswahlen durchgeführt, die von der Regierungspartei RDPC mit überwältigender Mehrheit gewonnen wurde (AA 15.1.2019). Der Verfassungsrat wurde am 7.2.2018 offiziell eingerichtet. Nach den Wahlen und der Ernennung der übrigen 30 Senatoren durch den Staatspräsidenten, stellt die Regierungspartei 87 Senatoren, während 7 der oppositionellen SDF und 6 Senatoren kleinen Parteien angehören (AA 21.3.2019a; vgl. AA 15.1.2019).
Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nordwest, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (77 Jahre) stammt (AA 15.1.2019).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 25.3.2019
-AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019a): Kamerun - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/innenpolitik/208914, Zugriff 3.4.2019
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (4.2.2019): Briefing Notes, Kamerun, Hauptoppositionsführer verhaftet,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2003641/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_04.02.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 17.4.2019
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 25.3.2019
Sicherheitslage
Es gibt keine Bürgerkriegsgebiete. Allerdings gibt es seit Ende 2017 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen in den beiden anglophonen Regionen North West und South West (AA 15.1.2019). Die Konflikte zwischen Staatssicherheitskräften und Separatisten haben sich 2018 in den anglophonen Regionen verschärft (FH 4.2.2019). Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten, allerdings wird zu verstärkter Wachsamkeit aufgerufen (FD 6.5.2019). Die Sicherheitslage bleibt in der gesamten Sahelzone kritisch (EDA 6.5.2019). Abgeraten wird von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord (FD 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; AA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Reisen in die Provinzen Nord und Adamaoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind; hier ist das Terrorismusrisiko geringer als in der Provinz Extrême-Nord (FD 6.5.2019; vgl. AA 6.5.2019).
Vor Reisen in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt (AA 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Immer wieder kommt es zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda (EDA 6.5.2019). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen mit Toten und Verletzten dauern in beiden Regionen an (AA 6.5.2019; vgl. EDA 6.5.2019). Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 6.5.2019).
Die prekäre Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik wirkt sich auch auf das Grenzgebiet zu Kamerun aus. Es besteht ein hohes Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie die Gefahr von Entführungen zwecks Lösegelderpressung. Von Reisen in das Grenzgebiet zur Zentralafrikanischen Republik wird abgeraten (EDA 6.5.2019).
Zudem muss aufgrund der allgemein sehr schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung mit Straßenprotesten gerechnet werden. Ausschreitungen und gewalttätige Zusammenstöße kommen vor. Zum Beispiel sind Ende Januar 2019 bei politischen Protesten in Douala mehrere Personen durch Schüsse verletzt worden (EDA 6.5.2019).
Obwohl die internationale Krisenwahrnehmung sich momentan eher auf die anglophone Region Kameruns fokussiert, wird der Krieg im Norden weitergeführt. Trotz inzwischen veränderter Strategien der Kriegsbeteiligten führten und führen die Aktivitäten von Boko Haram zu einer zunehmenden Destabilisierung der Nordregionen Kameruns (GIZ 4.2019a). Die Kämpfer der terroristischen Gruppierung Boko Haram, sind weiterhin im Grenzgebiet zu Nigeria aktiv. Im ganzen Land besteht das Risiko von Anschlägen (EDA 6.5.2019). Übergriffe auf nordkamerunische Dörfer mit Toten und Entführten sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Die kamerunischen Streitkräfte im Norden wurden verstärkt und es kommt immer wieder zu größeren Gefechten (GIZ 4.2019a).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 6.5.2019
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 25.3.2019
-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.5.2019): Reiseinformation Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 6.5.2019
-EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.5.2019): Kamerun - Reisehinweise, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/kamerun/reisehinweise-kamerun.html, Zugriff 6.5.2019
-FD - France Diplomatie (6.5.2019): Cameroun - Conseils aux voyageurs -
Sécurité,https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/cameroun/#securite, Zugriff 6.5.2019
-FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Rechtssystem Kameruns ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2006 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d¿appel) (GIZ 4.2019a). Militärgerichte können auch die Zuständigkeit für Zivilpersonen wegen Straftaten ausüben (USDOS 13.3.2019).
Die Verfassung und das Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor. Die Justiz wird jedoch oft vom Präsidenten, seinem Stellvertreter und/oder von der regierenden Partei kontrolliert (USDOS 13.3.2019). Die Justiz ist dem Justizministerium unterstellt und politischer Einfluss und Korruption schwächen die Gerichte (FH 4.2.2019). Die Verfassung und das Gesetz sehen das Recht auf eine faire und öffentliche Verhandlung vor. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber die Behörden respektieren dies nicht immer. Angeklagte haben das Recht einen Anwalt ihrer Wahl zu konsultieren, aber dieses Recht wird in den meisten Fällen nicht respektiert; insbesondere in Fällen von Komplizenschaft mit Boko Haram oder anglophonen Separatisten (USDOS 13.3.2019).
Die Einmischung der Exekutive kann das Gerichtsverfahren beeinflussen: Staatsanwälte wurden unter Druck gesetzt, die Verfolgung von Korruptionsfällen gegen einige hochkarätige Beamte einzustellen, während Kritiker behaupten, dass mit Korruptionsvorwürfen Beamte bestraft wurden, die beim Regime in Ungnade gefallen sind (FH 4.2.2019). Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern (AA 15.1.2019; vgl. GIZ 3.2019a; USDOS 13.3.2019), die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung der Gerichte in Douala und Yaoundé aufgrund von Richtermangel (GIZ 4.2019a). Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat ist in Kamerun schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen (AA 15.1.2019).
Trotz der partiellen Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive und der Legislative ist der Präsident zur Ernennung zahlreicher Posten in der Justiz berechtigt - einschließlich des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs und er kann dort Personal nach Belieben entlassen. Das Gerichtssystem ist dem Justizministerium unterstellt, das wiederum dem Präsidenten untersteht. Die Verfassung bestimmt den Präsidenten als "Ersten Richter", also als "Oberster Richter" der Justiz, und macht ihn zum gesetzlichen Schiedsrichter für alle Sanktionen gegen die Justiz. Die Verfassung legt weiters fest, dass der Präsident für die Unabhängigkeit der Rechtsordnung garantiert. Er ernennt alle Richter auf Anraten des Obersten Justizrats (USDOS 13.3.2019).
Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung begründet. Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert und/oder bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Allerdings hat sich der Justizminister in den vergangenen Jahren mit Informationskampagnen und Fortbildungsseminaren um die Weiterbildung der Richter bemüht. In der Praxis wird das neue Strafprozessrecht jedoch von den Behörden zumeist nur angewendet, wenn die Betroffenen dies einfordern. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand der Gesetzeslage voraus, den jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung aufweist (AA 15.1.2019).
Die vor allem in den ländlichen Gegenden praktizierte Justiz traditioneller Autoritäten ist weder verfassungsrechtlich legitimiert, noch unterliegen die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen einer staatlichen Kontrolle. Dieses traditionelle Rechtssystem benachteiligt vor allem Frauen und Kinder. Häufig gibt es Machtmissbrauch der traditionellen Autoritäten (Clanchefs usw.). Im Norden des Landes unterhalten einige "Könige" ("Lamido") Privatgefängnisse, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden. Diese "Könige" sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 15.1.2019).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 25.3.2019
-FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 25.3.2019
Sicherheitsbehörden
Die Gendarmerie Nationale hat militärischen Charakter und ist Teil der Streitkräfte. Sie interveniert im nichtstädtischen Bereich. Dagegen untersteht die Police Nationale dem Innenministerium (GIZ 4.2019a). Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsgeheimdienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie von der Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations) (AA 15.1.2019). Letztere ist eine Eliteeinheit der Polizei. Es gibt auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Straßenräubern, wie die im März 1998 gegründete Brigade Anti-Gang (auch: Groupement Mobile d'Intervention GMI, unités antigangs), das 2000 gegründete Commandement Opérationnel (CO, auch: special oder operational command) oder die seit 2006 im Einsatz befindliche Brigade d'Intervention Rapide (BIR) (GIZ 3.2019a). Auch die Militärpolizei darf Verhaftungen durchführen, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsgeheimdienst DGRE, der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor (AA 15.1.2019).
Probleme der Polizeikräfte sind zunehmende Gewalt und Banditentum auf der einen, Korruption, willkürliche Verhaftungen und Folter auf der anderen Seite (GIZ 4.2019a). Die Sicherheitskräfte sind zum Teil schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet (AA 15.1.2019). Zudem haben zivile Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte, einschließlich der Polizei und der Gendarmerie (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 2.4.2019
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019
-HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002163.html, Zugriff 2.4.2019
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 2.4.2019
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz vom 10.1.1997 hat den Straftatbestand Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt (Art. 132 ff). Unmenschliche und erniedrigende Strafen sind weder im Strafgesetzbuch vorgesehen, noch werden sie verhängt bzw. vollstreckt (AA 15.1.2019).
In der Praxis kommen Misshandlungen (AA 15.1.2019) und Folter (USDOS 13.3.2019) vor. Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste und der Gendarmerie (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In schwer verifizierbaren Einzelfällen soll es zu Misshandlungen zwecks Erpressung von Geständnissen gekommen sein. Über ein derartiges systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden oder des Gefängnispersonals liegen keine Erkenntnisse vor (AA 15.1.2019). Nach anderen Angaben sind die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen berüchtigt, Folter und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte sind üblich. In einem Bericht der kamerunischen Menschenrechtsorganisation ACAT (Action des Chrétiens pour l'abolition de la Torture) wird Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam als "Routine" bezeichnet (GIZ 4.2019a).
Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Übergriffe der Sicherheitskräfte werden in der Regel nicht angemessen verfolgt. Systematische Gewaltanwendung gegen bestimmte Gruppen ist allerdings nicht feststellbar (AA 9.12.2016). Auch wenn die Regierung einige Schritte ergriffen hat, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen, so agieren diese auch weiterhin meist ungestraft (USDOS 13.3.2019).
Die soziopolitische Krise, die Ende 2016 in den Regionen Nordwest und Südwest begann, entwickelte sich zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Regierungstruppen und separatistischen Gruppen. Der Konflikt führte zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen durch Regierungstruppen und anglophone Separatisten (USDOS 13.3.2019). Sicherheitskräfte der Regierung haben außergerichtliche Hinrichtungen begangen, Eigentum verbrannt, willkürliche Festnahmen durchgeführt und Gefangene gefoltert. Eine Reihe von Misshandlungen auf beiden Seiten in den anglophonen Regionen, darunter Brandanschläge auf Häuser und Schulen, sind dokumentiert. Nach Angaben der International Crisis Group haben Regierungstruppen und bewaffnete Separatisten seit der Eskalation 2017 über 420 Zivilisten in den Regionen getötet. Ein im Juli 2018 in der Region Far North entstandenes Video zeigt, wie Männer in Uniform zwei Frauen und zwei Kinder hinrichten. Erst nach einer von Amnesty International durchgeführten Untersuchung, teilte die Regierung mit, dass die Soldaten verhaftet wurden (HRW 17.1.2019).
Auch im Rahmen des Kampfes gegen Boko Haram werden den kamerunischen Sicherheitskräften massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (AA 15.1.2019; vgl. FH 4.2.2019). Der sichtbare Mangel an Rechenschaftspflicht scheint jedoch zu Missbrauch wie Brandstiftung und Folter beigetragen zu haben, anstatt diese zu beenden (HRW 17.1.2019).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 2.4.2019
-FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019
-HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002163.html, Zugriff 2.4.2019
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 2.4.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
2018 wurde Kamerun mit Gewalt und schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Das Bewusstsein für Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen ist in der Gesellschaft nur eingeschränkt ausgeprägt, obwohl sich zahlreiche Menschenrechtsorganisationen für eine Sensibilisierung von Bevölkerung und Regierung in diesem Bereich engagieren. Der Justizapparat ist schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft. Dies gilt auch bei Ermittlungen bezüglich Menschenrechtsverletzungen und beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern (AA 15.1.2019).
Dabei garantiert die Verfassung von 1996 die Grundrechte im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), der Charta der Vereinten Nationen (1945) und der Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981). Außerdem ist Kamerun an folgende Menschenrechtsabkommen gebunden:
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Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1966, ratifiziert 1971);
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Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966, ratifiziert 1984);
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Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966, ratifiziert 1984);
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Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979, ratifiziert 1994); und Fakultativprotokoll (ratifiziert 2005);
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Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989, ratifiziert 1993);
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Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (1984, ratifiziert 1986); (AA 15.1.2019).
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Andere bedeutende Menschenrechtsmissachtungen sind willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019
Meinungs- und Pressefreiheit
Obwohl das Gesetz Meinungs- und Pressefreiheit vorsieht, schränkt die Regierung diese Freiheiten ein. Regierungsbeamte schikanieren Einzelpersonen oder Organisationen, die Kritik ausüben oder Ansichten äußerten, die im Widerspruch zur Regierungspolitik stehen. Personen, die die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, sehen sich häufig mit Vergeltungsmaßnahmen konfrontiert. Die Regierung versucht, Kritik zu verhindern, indem sie politische Treffen überwacht (USDOS 13.3.2019).
Im kamerunischen Strafrecht findet sich bei bestimmten Straftatbeständen ein für Journalisten verschärftes Strafmaß, das aber selten zur Anwendung kommt. Ein systematisches Vorgehen des Staates gegen die Pressefreiheit ist nicht festzustellen (AA 15.1.2019). Journalisten werden teilweise in ihrer Arbeit behindert. Einschüchterungsversuche sind schwer einer Person oder Institution zuzuordnen, werden aber von den Betroffenen häufig im Umfeld der Regierungspartei RDPC oder im Präsidialamt verortet. Bei der Berichterstattung über bestimmte Themen, etwa Spekulationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten oder seine sexuelle Orientierung, laufen Journalisten Gefahr, wegen Diffamierung vor Gericht gebracht zu werden (AA 15.1.2019; vgl. FH 4.2.2019). Journalisten berichten von Selbstzensur, die Behörden haben Medienschaffenden ein Klima der Angst und Selbstzensur aufgezwungen (USDOS 13.3.2019).
Trotzdem ist die kamerunische Medienlandschaft vielfältig. Regierungskritische und oppositionelle Meinungen werden veröffentlicht. Der staatliche Rundfunk und die über 70 lokalen privaten Radiosender sind von vorherrschender Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. In den großen Städten laufen die drei privaten Fernsehsender dem staatlichen Fernsehsender CRTV den Rang ab. Sie befassen sich zunehmend mit sensiblen Themen wie Korruption und Arbeitslosigkeit, bei denen Versäumnisse der Regierung deutlich werden. Zeitungen haben in Kamerun einen geringeren Einfluss auf die öffentliche Meinung, erreichen jedoch Multiplikatoren wie Journalisten, Funktionsträger und Intellektuelle (AA 15.1.2019).
Es gibt keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung die private Online-Kommunikation ohne rechtliche Befugnisse überwacht. Die Regierung hat jedoch wiederholt den Zugang zum Internet unterbrochen (USDOS 13.3.2019). Die Behörden haben auch regelmäßig den Zugang zu sozialen Netzwerken blockiert oder verlangsamt, um Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und die Mobilisierung von Oppositionskräften zu verhindern. Im Oktober 2018, als die Regierung bereit war, die Wahlergebnisse bekannt zu geben, wurde der Zugang zu Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter und WhatsApp durch Internet Service Provider verlangsamt (FH 4.2.2019).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019
-FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 10.4.2019
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Die durch die Verfassung geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird in der Praxis immer wieder eingeschränkt (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 15.1.2019; FH 4.2.2019). Die Regierung nutzt ein Gesetz, welches Genehmigungen für Demonstrationen vorschreibt. Viele Organisationen der Zivilgesellschaft und der Politik berichteten von erhöhten Schwierigkeiten bei der Einholung der Genehmigung öffentlicher Versammlungen (USDOS 13.3.2019). Es kommt mitunter zu Verboten oppositionsnaher Veranstaltungen mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten (AA 15.1.2019).
Versammlungen werden zum Teil nicht genehmigt bzw. gewaltsam aufgelöst. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu vorübergehenden Festnahmen. Im Rahmen der anglophonen Krise ist es zu massiven Einschränkungen in diesem Bereich gekommen (AA 15.1.2019). Die Behörden unterdrückten auch 2018 die Proteste in den anglophonen Regionen weiter (FH 4.2.2019).
Vor dem "Unabhängigkeitstag" der anglophonen Separatisten (1.10.) wurde in deren Regionen eine 48-stündige Ausgangssperre verhängt und Versammlungen von mehr als vier Personen waren verboten. Im November 2018 verhafteten die Behörden 20 Demonstranten in Yaoundé (FH 4.2.2019).
Organisatoren von öffentlichen Versammlungen, Demonstrationen oder Prozessionen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Behördenvertreter vorab darüber zu informieren. Gesetzlich ist eine vorherige Zustimmung der Regierung jedoch nicht vorgesehen. Amtsträger behaupten dennoch regelmäßig, dass das Gesetz implizit eine behördliche Bewilligung von öffentlichen Veranstaltungen erfordert. Folglich verweigert die Regierung häufig die Bewilligung von Veranstaltungen bzw. wendet Gewalt an, um nicht genehmigte Veranstaltungen zu unterbinden (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019
-FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 10.4.2019 - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019
Opposition / Anglophone
Trotz Mehrparteiensystems - Kamerun weist einen außerordentlichen Parteienreichtum auf - und mehr oder minder ordentlichen Wahlen, wird die kamerunische Politik durch den Präsidenten und 'seine' Partei, die RDPC/CPDM, die ehemalige Einheitspartei, dominiert. Politische Auseinandersetzungen finden kaum im parlamentarischen Rahmen statt, da die Assemblée Nationale/National Assembly inzwischen weitgehend von der RDPC/CPDM beherrscht wird (GIZ 4.2019a). Systematische politische Verfolgung findet aber nicht statt, jedoch können sich Oppositionsparteien nur schwer entfalten. Angesichts der Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 wurden Veranstaltungen regierungskritischer Organisatoren und politischer Parteien (Podiumsdiskussionen, Pressekonferenzen) in der Regel wegen des Vorwurfs der Gefährdung der öffentlichen Ordnung verboten und vereinzelt gewaltsam aufgelöst. Demonstrationen der Oppositonspartei MRC gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen wurden untersagt, Teilnehmer an diesen verbotenen Demonstrationen festgenommen (AA 15.1.2019). Einige Anhänger des zweit platzierten Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a), wurden Ende Januar 2019 gemeinsam mit Maurice Kamto verhaftet (GIZ 4.2019a). Etwa 50 von ihnen wurden am 27.1.19 wieder freigelassen (BAMF 4.2.2019).
Kamerun hat seit Ende der deutschen Kolonialzeit einen anglophonen und einen frankophonen Teil. Die Frankophonen machen 80 % der Bevölkerung aus und dominieren die Regierung. 1994 wurde der separatistische Southern Cameroons National Council (SCNC) gegründet. Der SCNC setzt sich aus mehreren Splitterfraktionen zusammen, die das Ziel eint, den anglophonen Teil Kameruns vom frankophonen Teil abzuspalten. Gemeinsam mit der Cameroon Anglophone Civil Society (CACS) wurde er am 17.1.2017 für illegal erklärt (AA 15.1.2019).
Seit Oktober 2016 kommt es in der anglophonen Region zu verschiedensten Protestaktionen. Was mit Streiks von Rechtsanwälten und Lehrern begann, wuchs sich zu einer allgemeinen Bewegung von anglophonen Bürgerprotesten aus. Präsident Biya erklärte die anglophone Sezessionsbewegung kurzerhand zur "Terrorbande" und lieferte damit den Vorwand für ein noch härteres Vorgehen beider Seiten. Der Staat schickte Militär und Polizei, sperrte die Internetleitungen in den anglophonen Provinzen und verhängte Ausgangssperren (GIZ 4.2019a). Seit Oktober 2016 kommt es in den beiden anglophonen Regionen Südwest und Nordwest immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen, die zu hunderten von Todesopfern und Verletzten geführt haben. Seit Beginn der anglophonen Krise wird mit strafrechtlicher Verfolgung gegen Teilnehmer an den gewaltsamen Protesten und Mitglieder der verbotenen CACS und de SCNC vorgegangen. In einigen Fällen ist es vereinzelt und vorübergehend zu Festnahmen oder Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle, in der Regel im Zusammenhang mit der Planung bzw. Durchführung von nicht genehmigten Demonstrationen gegen die Regierung, gekommen (AA 15.1.2019).
Im französischsprachigen Teil Kameruns leben rund 500.000 Anglophone. In der Hauptstadt gibt es u.a. eine (anglophone) presbyterianische Kirchengemeinde (VOA 10.12.2018). Im April 2019 kam es in Yaoundé zu einer (Friedens-)Demonstration von u.a. anglophonen Frauen (VOA 19.4.2019).
Im Verlauf dieses Konfliktes ist es nach Zahlen der UN zu ca. 437.000 Binnenflüchtlinge gekommen (AA 15.1.2019); darüber hinaus sind ca. 27.000 Menschen in das benachbarte Nigeria geflohen (AA 15.1.2019; vgl. GIZ 4.2019a).
Es gibt außerparlamentarische Winkelzüge von staatlicher Seite gegen Versammlungen oder Aktionen der englischsprachigen Separatistenbewegung SCNC und deren Sympathisanten.
Der kamerunische Staat widmet den Aktivitäten der Exilorganisationen wenig Aufmerksamkeit. Im Gefolge der anglophonen Krise interessiert sich der kamerunische Staat jedoch zunehmend für exilpolitische Aktivitäten der anglophonen Opposition. Eine staatliche Verfolgung kamerunischer Staatsangehöriger wegen oppositioneller Tätigkeit im Ausland ist aus den letzten Jahren nicht bekannt (AA 15.1.2019).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019
-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (4.2.2019): Briefing Notes, Kamerun, Hauptoppositionsführer verhaftet,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2003641/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_04.02.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 17.4.2019
-FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 10.4.2019
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 6.5.2019
-VOA - Voice of America (19.4.2019): Cameroonian Women Call on Government to Stop Anglophone Separatist Fighting, https://www.voanews.com/a/cameroonian-women-call-on-government-to-stop-anglophone-separatist-fighting/4883165.html, Zugriff 30.4.2019
-VOA - Voice of America (10.12.2018): Situation difficile des déplacés internes anglophones à Yaoundé, https://www.voaafrique.com/a/situation-difficile-des-d%C3%A9plac%C3%A9s-internes-anglophones-%C3%A0-yaound%C3%A9/4694234.html, Zugriff 30.4.2019
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen in kamerunischen Gefängnissen sind sehr schlecht (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019) und lebensbedrohlich (USDOS 13.3.2019) bzw. unhaltbar (GIZ 4.2019a), unterscheiden sich aber nach Einkommen bzw. Vermögen der Inhaftierten (AA 15.1.2019). Sie sind durch Mangel an sauberem Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Hygiene und medizinischer Versorgung geprägt (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019), wodurch es auch zu Tod