TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/6 W279 2220299-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2019
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Entscheidungsdatum

06.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §16 Abs2
BFA-VG §17 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W279 2221026-1/4E

W279 2220299-1/5E

W279 2220301-1/5E

W279 2220302-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX .1973,

2.) XXXX , geb. XXXX .1979, 3.) XXXX , geb. XXXX .2006, vertreten durch die Kindesmutter XXXX 4.) XXXX , geb. XXXX .2003, vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Ukraine gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom XXXX .2019, Zl. XXXX (ad 1.), Zl. XXXX (ad 2.), XXXX (ad 3.), Zl. XXXX (ad 4.), zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ein Ehepaar und (in weiterer Folge: 1.BF bzw. 2.BF) gelangten gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, den Dritt- und Viertbeschwerdeführern (in weiterer Folge: 3.-4.BF), nach Österreich und stellte am XXXX .2016 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag brachte der Erstbeschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt vor, dass er Probleme mit dem Militärkommissariat bekommen habe, da seine Teilnahme am Krieg urgiert worden sei und ihm bei Aushändigung einer Ladung der Unterarm worden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte zum Fluchtgrund befragt vor, dass ihr Mann mit dem Militärkommissariat Probleme gehabt habe. Während seiner beruflichen Abwesenheit seien Vertreter des Militärkommissariats zum Haus gekommen und hätten dessen Teilnahme am Krieg gefordert. Am XXXX 2016 seien drei Männer in die Wohnung eingedrungen, dem Ehemann der 2.BF sei der Unterarm durch einen Fußtritt gebrochen worden und in weiterer Folge sei ihm auch eine Ladung vom Militärkommissariat ausgehändigt worden. Der

1. BF habe den Angreifern anschließend gedroht, die Polizei zu verständigen, da er verletzt worden sei. Nach Alarmierung der Rettung habe die 2.BF zudem auch die Polizei über den Vorfall informiert. In den nächsten Tagen sei die gesamte Familie telefonisch bedroht worden, weswegen Anfang November 2016 der Entschluss zur Ausreise getroffen worden sei. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte die 2.BF eine Befragung durch Vertreter des Militärkommissariates, die sie unter Druck setzen würden. Zu ihren persönlichen Daten befragt, brachte die 2.BF vor, dass sie im Herkunftsstaat als Köchin tätig gewesen sei. In Österreich würden sich ihr mitgereister Ehegatte und ihre beiden Kinder befinden.

Am XXXX .2017 wurde der 1.BF niederschriftlich einvernommen und gab im Zuge dessen an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Der BF wolle aufgrund der schwierigen Situation seiner Kinder die Unterkunft wechseln. Neben seiner mitgereisten Kernfamilie habe er in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Befragt, wo er Visa für Polen besorgt habe, erklärte der 1.BF, dass er dies legal in Kiew geregelt habe.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden zwei Geburtsurkunden, ein Militärbuch, zwei Vorladungen zum Militär sowie zwei Röntgenbilder und eine Heiratsurkunde in ukrainischer Sprache zur Vorlage gebracht.

Am XXXX .2018 wurde der 1.BF vor dem Bundesamt erneut einvernommen und gab dabei zu Protokoll, dass er in Polen gearbeitet habe und deshalb dreimal ein Visum erhalten habe. Bei Einreise in Österreich sei sein Visum jedoch bereits abgelaufen gewesen. Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, erklärte der 1.BF, dass er in Österreich keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte habe und Deutsch über das Internet lerne, bisher jedoch noch keine Prüfung absolviert habe. Er arbeite stundenweise für die Gemeinde, beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und seine Kinder würden die Schule besuchen. Zu den Lebensumständen in der Ukraine befragt, gab der 1.BF an, dass er die Berufsschule besucht habe und zwei Jahre beim Bundesheer gedient habe. Nach Kriegsbeginn habe er in Polen gearbeitet. Im Heimatland habe er mit seiner Familie in einer Eigentumswohnung gelebt, die jedoch zwei Wochen vor Ausreise über einen Makler verkauft worden sei. Zur Frage, welche Familienangehörigen noch in der Ukraine wohnhaft seien, brachte der

1. BF vor, dass er dort noch eine Tante habe, zu dieser jedoch keinen Kontakt habe. Zur Reiseroute befragt, führte der 1.BF aus, dass die Ausreise mit dem insgesamt 4.000,- Euro gekostet habe und er zudem noch 200,- Euro an einen Taxifahrer für die Vermittlung gezahlt habe. Zum Fluchtgrund befragt, gab der 1.BF zu Protokoll, dass er im Herkunftsstaat häufig Einberufungsbefehle erhalten habe und ihm eines Tages von drei Männern des Militärs der Arm gebrochen worden sei. Befragt, was nunmehr gegen eine Rückkehr in die Ukraine spreche, entgegnete der 1.BF, dass es sich bei Donbass nach wie vor um ein Kriegsgebiet handle. Die Fragen, ob er jemals Schwierigkeiten mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt habe, bereits eine Straftat verübt habe oder in seiner Heimat politisch aktiv gewesen sei, wurden vom 1.BF verneint.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom 1.BF zwei Hochzeitsfotos sowie Bestätigungen über gemeinnützige Hilfstätigkeiten für eine Gemeinde und Röntgenfotos in Vorlage gebracht.

Anschließend wurde die 2.BF vor dem Bundesamt einvernommen, wobei sie anfangs angab, dass es ihr gesundheitlich gut gehe. Sie nehme weder Medikamente noch befinde sie sich in ärztlicher Behandlung oder in Therapie und habe im bisherigen Verfahren die Wahrheit angegeben. Ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe vorzubringen und würden unter Sigmatismus sowie Herzproblemen leiden. Sie hätten ein spanisches Visum beantragt, um im November 2016 in Spanien Urlaub zu machen. Auf Vorhalt, dass sie nur einen Monat vor ihrem Antrag auf internationalen Schutz ein Visum beantragen hätten wollen, erwiderte die 2.BF, dass die Probleme im Dezember 2016 am schlimmsten gewesen seien und sie sich nicht vorgestellt hätten, dass sie noch gravierender werden könnten. Zum weiteren Vorhalt, dass ihr Ehemann im Verfahren bereits Röntgenbilder vorgelegt und erklärt habe, dass es erst im Dezember 2016 Probleme gegeben habe, entgegnete die 2.BF, dass das zwar stimme, sie jedoch Anrufe erhalten habe und man unter Androhung von Gewalt nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes gefragt habe. Befragt, ob sie tatsächlich nach dem Vorfall am XXXX .2016, im Zuge dessen ihrem Ehegatten der Arm gebrochen worden sei, Urlaub machen habe wollen, entgegnete die 2.BF, dass es schon nicht so schlimm sein werde.

Zu ihren Lebensumständen in Österreich befragt, brachte die 2.BF vor, dass sie in Österreich einen mitgereisten Ehegatten und zwei Kinder habe. Sie lerne Deutsch über das Internet, habe jedoch bislang keine Deutschprüfung absolviert. Befragt, ob sie in Österreich arbeite, gab die 2.BF zu Protokoll, dass sie stundenweise für die Gemeinde tätig sei, jedoch Leistungen aus der Grundversorgung beziehe.

Zu ihren Lebensumständen in der Ukraine befragt, führte die 2.BF aus, dass sie im Heimatland in Donezk die Schule abgeschlossen habe und Veranstaltungen organisiert habe. Nach ihrem Umzug und ihrer Heirat habe sie in XXXX als Köchin gearbeitet, die letzten drei Jahre vor ihrer Ausreise habe sie mit einem Partner einen Fast-Food Laden gehabt. Zur Frage, wo sie vor Ausreise in der Ukraine gelebt habe, gab die 2.BF an, dass sie in einer Eigentumswohnung gelebt habe, diese vor Ausreise jedoch verkauft habe. Im Herkunftsstaat würden nach wie vor ihre Mutter und zwei Brüder leben, mit denen sie nach wie vor in Kontakt stehe. Zudem habe sie noch Kontakt zu Freunden.

Zur Reiseroute befragt, erklärte die 2.BF, dass ihr Ehegatte die gesamte Reise organisiert habe, die 4000,- Euro bzw. 200,- Euro für die Vermittlung gekostet habe. Befragt, wann er das geplant habe, entgegnete die 2.BF, dass es zwei bis drei Wochen vor Ausreise gewesen sein müsse. Auf Vorhalt, dass sie in der Erstbefragung angegeben habe, dass sie Anfang November 2016 den Entschluss zur Ausreise getroffen habe, erwiderte die 2.BF, dass sie sich nicht genau erinnern könne. Die Frage, ob sie zuvor bereits in Österreich gewesen sei, wurde von der 2.BF verneint.

Zum Fluchtgrund befragt, gab die 2.BF zu Protokoll, dass ihr Mann dem Militär zur Kriegsführung anschließen hätte sollen und auch misshandelt worden sei. Sie wolle nicht, dass ihr Mann in den Krieg ziehe und sei jedoch auch selbst bedroht worden, da sie in Donezk studiert habe. Zum Vorhalt, ob sie versucht habe, in anderen ukrainischen Provinzen zu leben, entgegnete die 2.BF, dass es in anderen Regionen ihres Heimatlandes keine Unterstützung oder Arbeit gebe. Die Fragen, ob er jemals Schwierigkeiten mit den Behörden ihres Heimatlandes gehabt habe, eine Straftat verübt habe oder jemals politisch aktiv gewesen sei, wurden allesamt von der 2.BF verneint.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden von der 2.BF Bestätigungen einer Gemeinde über die Absolvierung von gemeinnützigen Hilfstätigkeiten in Vorlage gebracht.

Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom XXXX .2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom XXXX 2016 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde gegen den 1.BF und die 2.BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII bzw. VIII.) und einer Beschwerde des 1.BF und der 2.BF gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die auschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII. bzw. Spruchpunkt VIII). Weiters wurde gegen die 2.BF ausgesprochen, dass sie ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX .2019 verloren habe (Spruchpunkt IX).

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass die Angaben der BF zum Fluchtgrund nicht glaubhaft gewesen seien. Durch die vorgelegten Röntgenbilder sei nicht zu beweisen, dass diese Verletzungen von dem angeblichen Übergriff stammen würden und zu den vom 1.BF vorgelegten Einberufungsbefehlen bleibe anzumerken, dass es sich um zwei unterschiedliche Ladungen handle, deren Echtheit nicht habe verifiziert werden können. Hätten die ukrainischen Behörden tatsächlich ein derartig großes Interesse daran gehabt, den 1.BF zu rekrutieren und an eine Kriegsfront zu schicken, so hätte man bereits alles darangesetzt, den 1.BF schon an den Arbeitsreisen nach Polen zu hindern. Die Behörde gehe davon aus, dass die Angaben zu ihrer Fluchtroute nicht der Wahrheit entsprechen würden, da die 2.BF im Besitz eines gültigen spanischen Visums für den gesamten Schengenbereich gewesen sei und daher davon auszugehen sei, dass die BF nicht illegal mit einem Fluchtauto, sondern auf legalem Wege nach Österreich gekommen seien. Die 2.BF sei im Zuge der Einvernahme am XXXX .2018 zu besagtem Visum befragt und habe sinngemäß zu Protokoll gegeben, dass sie mit ihren Kindern über die Weihnachts-und Silvestertage nach Spanien reisen habe wollen. Auf die Diskrepanz hingewiesen, dass dies in den Zeitraum der angeblichen Verfolgung gefallen sei, habe die 1.BF angegeben, dass sie damals nicht gedacht habe, dass es so gravierend sein würde, was jedoch in eindeutigem Widerspruch zu ihren vorherigen Aussagen und auch den Aussagen ihres Mannes, wonach man ihm am XXXX .2016 in einem Gewaltakt sogar den Arm gebrochen habe, stehe. Nachgefragt habe sie erneut angegeben, dass sie nicht gedacht habe, dass es so schlimm sein würde und habe auch nach weiterer Nachfrage keinerlei Angaben zu den oben angeführten Ungereimtheiten gemacht. Die 2.BF habe angegeben, dass sie aufgrund ihres Studiums in Donezk als Separatistin bezeichnet und bedroht worden sei. Auch dies sei nicht glaubhaft, da ihr Studium weit in der Vergangenheit liege und sie keine detaillierten Angaben zu den Bedrohungen machen habe können. Hinzu komme, dass sämtliche Familienangehörige weiterhin in der Ukraine leben würden und die 2.BF angegeben habe, mit ihrer Mutter Kontakt zu haben. Es gebe keine Hinweise dafür, dass die BF bei der Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage bei der Rückkehr in ihr Heimatland kommen könnten, da die Mutter und die Brüder der 2.BF nach wie vor in der Ukraine leben würden, weshalb sie jedenfalls über ein familiäres Netz verfügen und durch dieses familiäre Netz Unterstützung finden würden. Die BF seien in der Ukraine aufgewachsen und hätten fast den gesamten Teil ihres bisherigen Lebens verbracht. Da die 2.BF offensichtlich nicht bereit sei, die österreichische Rechtsordnung zu achten und zu beachten, könne die Behörde nur zum Schluss kommen, dass das Aufenthalt der 2.BF in Österreich jedenfalls eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und die Sicherheit darstelle. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte der 2.BF habe daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidungen ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die von der 2.BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot sei daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Gegen diese Bescheide erhoben die 2-4.BF im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht am XXXX .2019 gegen die Spruchpunkte II bis V Beschwerde wegen mangelhafter Sachverhaltsfeststellung sowie mangelhafter Beweiswürdigung und es wurde ausgeführt, dass im Bescheid mitgeteilt werde, dass gegen die

2. BF aufgrund einer vorsätzlich begangenen Straftat Anklage erhoben worden sei, sei jedoch nicht zur Staatsanwaltschaft geladen worden und es würden im Bescheid auch keine diesbezüglichen Informationen vorliegen. Des Weiteren sei festzuhalten, dass sich die BF seit zweieinhalb Jahren in Österreich aufhalte und sich stets bemühe, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Die 3.-und

4. BF würden kein Wort Ukrainisch sprechen und es wäre kein Schulbesuch für Kinder möglich, welche die ukrainische Sprache nicht beherrschen würden. Beantragt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Der Beschwerde wurden Schulbesuchsbestätigungen der Neuen Mittelschule vom XXXX .2018, der Polytechnischen Schule XXXX bezüglich der 3.-und 4.BF, eine Teilnahmebestätigung vom XXXX .2018, wonach die 2.BF an einem Deutschkurs auf dem Niveau A1 absolviert habe, eine Teilnahmebestätigung vom XXXX .2019, wonach die 2.BF an einem Deutschkurs auf dem Niveau A1.2 absolviert habe, ein Empfehlungsschreiben vom 06.05.2019 über eine Tätigkeit der 2.BF als freiwillige Mitarbeiterin für eine Straßenzeitung sowie ein Bericht über die Menschenrechtslage in der Ukraine von 16. November 2018 bis zum 15.Februar.2019 angeschlossen.

Am XXXX .2019 wurde vom 1.BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine gesonderte Beschwerde eingebracht und ausgeführt, dass sich seine Familie seit zweieinhalb Jahren in Österreich befinde und sich bemühe, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Sie hätten bereits viele Freunde gefunden und würden mit dem Kontakt zu Einheimischen die Sprachfertigkeiten verbessern. Der 3.-und 4.BF würden nicht die ukrainische Sprache sprechen, weshalb eine Rückkehr in die Ukraine massiv gegen das Kindeswohl verstoße.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Ukraine und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie führen die im Spruch genannten Namen. Der 1.BF und die 2.BF sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen 3.- und 4.BF. Vor ihrer Ausreise und Einreise nach Österreich lebten die Beschwerdeführer in der Ukraine. Am XXXX .2016 stellten die Beschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz, nachdem sie zuvor in das österreichische Bundesgebiet eingereist waren. Die 2.BF war im Zeitpunkt der Einreise im Besitz eines gültigen spanischen Schengenvisums. Für alle vier Beschwerdeführer liegt ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG vor.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen oder sonstigen schwerwiegenden psychischen oder physischen Krankheit leiden.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in die Ukraine in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Der 1.BF hat nach der Grundschule in der Ukraine die Berufsschule absolviert und ist anschließend beim Bundesheer tätig gewesen. Nach Kriegsbeginn war er in Polen beschäftigt. Die 2.BF ist in der Ukraine geboren und aufgewachsen, die Matura absolviert und die höhere Lehranstalt in Donezk besucht. Anschließend war sie im Herkunftsstaat als Konditorin tätig und vor ihrer Ausreise als Selbstständige einen Fast-Food Laden betrieben. Die 1.BF ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt von ihrem Ehemann getrennt. Sie spricht Ukrainisch und Russisch. Der 1.BF hat in der Ukraine eine Tante. Die 2-4. BF verfügen im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihrer Mutter bzw. Großmutter und ihrer Brüder bzw. Onkeln, mit denen die 2.BF in Kontakt steht. Zudem pflegt sie nach wie vor Kontakt zu in der Ukraine lebenden Freunden. Die 3.-und 4.BF sind in der Ukraine geboren und aufgewachsen.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Die 1-2.BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten, gegen die

2.

BF wurde wegen versuchten Diebstahles Anklage erhoben. Die 3- bis

4.

BF sind ebenfalls strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführer leben seit Antragstellung am 18.12.2016 auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht ist nicht ersichtlich. Der 1.BF ist stundenweise für eine Gemeinde beschäftigt und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Die 2.BF hat Deutschkurse auf dem Niveau A1 besucht und ist als freiwillige Mitarbeiterin für eine Straßenzeitung tätig. Sie ist nicht erwerbstätig und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der 3.BF besuchte 2017/18 als außerordentlicher Schüler die Neue Mittelschule und der 4.BF ging im Schuljahr 2017/18 in die Polytechnische Schule. Die Beschwerdeführer verfügen über keine verwandtschaftlichen Bezugspunkte im Bundesgebiet. Es können keine nennenswerten Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur zu Österreich festgestellt werden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 24.04.2019, Präsidentschaftswahlen (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann laut vorläufigem Endergebnis am 21. April die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit 73,2% zu 24,5% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%) (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019; ZDF 23.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür der designierte Präsident Selenskyj steht, bzw. was man politisch von ihm erwarten darf. Bekannt geworden ist Selenskyj durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

-

CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

-

DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine,

https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

-

KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair,

https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-and-fair.html, Zugriff 24.4.2019

-

Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine-ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

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UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

-

ZDF - Zweites Deutsches Fernsehen (23.4.2019): Ukraine:

Vorläufiges Ergebnis. Selenskyj gewinnt Wahl mit 73 Prozent, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/nach-der-wahl-in-der-ukraine-vorlaeufiges-ergebnis-steht-fest-100.html, Zugriff 24.4.2019

-

ZO - Zeit Online (21.4.2019): Komiker Wolodymyr Selenskyj gewinnt Präsidentschaftswahl,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/ukraine-wahl-komiker-wolodymyr-selenskyj-liegt-laut-prognosen-vorne, Zugriff 24.4.2019

KI vom 09.01.2019, Kriegsrecht beendet (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat wie angekündigt, das für Teile der Ukraine verhängte 30-tägige Kriegsrecht, nicht verlängert. Es lief damit wie geplant am 26.12.2018 um 13 Uhr (MEZ) aus. Der Präsident betonte, das Kriegsrecht habe in keiner Weise den Alltag der Zivilbevölkerung beeinflusst (ZO 26.12.2018; vgl. DW 26.12.2018).

Quellen:

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DW - Deutsche Welle (26.12.2018): Poroschenko beendet das Kriegsrecht,

https://www.dw.com/de/poroschenko-beendet-das-kriegsrecht/a-46868008, Zugriff 9.1.2019

-

ZO - Zeit Online (26.12.2018): Kriegsrecht in der Ukraine ist beendet,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-12/petro-poroschenko-ukraine-kriegsrecht-beendet, Zugriff 9.1.2019

KI vom 28.11.2018, 30 Tage Kriegsrecht für bestimmte Oblaste verhängt (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Das ukrainische Parlament hat am 26. November dem Antrag von Präsident Poroschenko zugestimmt, in Teilen des Landes für 30 Tage das Kriegsrecht zu verhängen. Betroffen sind die "gegenüber russischer Aggression verwundbarsten Regionen" des Landes (siehe Karte)

Das Kriegsrecht ermöglicht in den genannten Oblasten eine teilweise Mobilisierung, eine Stärkung der Luftverteidigung sowie eine nicht näher spezifizierte Stärkung des Konterspionage-, Konterterrorismus- und Kontersabotage-Regimes und der Informationssicherheit. Von den 450 Abgeordneten der Obersten Rada (ukrainisches Parlament) stimmten nach hitziger Debatte 276 für und 30 gegen den Antrag. Zuerst hatte Poroschenko die Maßnahme noch für 60 Tage gefordert, das aber später reduziert (RFE/RL 26.11.2018).

Anlass für diesen in der ukrainischen Geschichte beispiellosen Schritt, war ein Vorfall in der Meerenge von Kertsch (der einzigen Zufahrt zum Asowschen Meer) vom vergangenen Wochenende, bei dem die russische Küstenwache Patrouillenboote der ukrainischen Marine erst beschoss, einen Schlepper rammte und die Boote danach festsetzte und insgesamt 23 ukrainische Seeleute inhaftierte. Russland behauptet, die ukrainischen Seefahrzeuge hätten illegal russische Gewässer befahren. Seit die ukrainische Krimhalbinsel von Russland annektiert worden ist, gibt es gehäuft Probleme beim freien Zugang zum Asowschen Meer und damit zum für die ukrainische Wirtschaft so wichtigen Hafen Mariupol. Mittlerweile hat Russland auch eine Brücke über die Meerenge von Kertsch gebaut (RFE/RL 26.11.2018).

Präsident Poroschenko sagte vor der Debatte im Parlament, die Verhängung des Kriegsrechts sei nötig, damit die Ukraine unverzüglich die Verteidigung stärken kann, um im Falle einer Invasion schnell reagieren zu können. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Ukraine offensive Operationen unternehmen wolle; es gehe ausschließlich um den Schutz des Territoriums und die Sicherheit der Bürger. Das Kriegsrecht sieht Dutzende Handlungsoptionen vor, die ergriffen werden können - aber nicht müssen. Diese müssen vor Inkrafttreten von der Regierung festgelegt werden. So gehen die Polizeiaufgaben in Kampfgebieten an die Armee über. Das Militär erhält erweiterte Rechte und ist beispielsweise berechtigt, Ausgangssperren zu verhängen sowie Wohnungsdurchsuchungen und Verkehrs- und Personenkontrollen vorzunehmen. Männer im wehrpflichtigen Alter unterliegen Meldeauflagen. Auch ist es während des Kriegsrechts verboten, Verfassungsänderungen, Parlaments- oder Präsidentenwahlen durchzuführen. Das Kriegsrecht lässt aber keine Folter zu. Bei Rechtsverstößen können nur reguläre Gerichte urteilen. Zusätzlich können weitere Maßnahmen getroffen werden wie Einschränkung der Pressefreiheit, Kontrollen oder Einschränkungen der Kommunikationsmittel usw. Im Gesetz ist festgehalten, dass das Kriegsrecht nach dem festgelegten Zeitraum enden muss. Eine Verlängerung würde dementsprechend einen erneuten Antrag des Präsidenten erfordern. Allerdings kann das Kriegsrecht auch frühzeitig beendet werden. Das derzeit geltende Kriegsrecht gilt für 30 Tage. Es trat am 28. November 2018, 9 Uhr morgens in Kraft und endet am 27. Dezember 2018 (SO 27.11.2018).

Präsidentschaftswahlen in der Ukraine sind für den 21. März 2019 angesetzt und sollen wie geplant stattfinden (RFE/RL 26.11.2018).

Quellen:

-

RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (26.11.2018): Ukraine Backs Martial Law After Gunfire At Sea, https://www.rferl.org/a/ukrainian-lawmakers-to-consider-martial-law-proposal-after-russia-opens-fire-on-ships-in-black-sea/29620128.html?ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018

-

RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (27.11.2018): Ukraine's Martial Law,

https://www.rferl.org/a/ukraines-martial-law/29623833.html?ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018

-

SO - Spiegel Online (27.11.2018): So weitreichend ist das ukrainische Kriegsrecht,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-was-bedeutet-das-kriegsrecht-a-1240658.html, Zugriff 28.11.2018

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

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DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

-

DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

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UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

1. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

2. Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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