Entscheidungsdatum
13.09.2019Norm
BVergG 2018 §12 Abs1Spruch
W273 2223161-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Isabel Funk-Leisch über den Antrag von XXXX , vertreten durch Huber Berchtold Rechtsanwälte OG, Getreidemarkt 14, 1010 Wien auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Vorbereitende Maßnahmen VMIS 2.0 im Bereich der VMZ Wien", Referenznummer 2019/PROVIA ID-Nr. 34952 der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, vertreten durch die ASFINAG Bau Management GmbH, Modecenterstraße 16, 1030 Wien:
A)
Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit der im Vergabeverfahren "Vorbereitende Maßnahmen VMIS 2.0 im Bereich der VMZ Wien", Referenznummer 2019/PROVIA ID-Nr. 34952, die Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, wird stattgegeben.
Der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft wird für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens über die Ausscheidens- und die Zuschlagsentscheidung untersagt, im Vergabeverfahren "Vorbereitende Maßnahmen VMIS 2.0 im Bereich der VMZ Wien", Referenznummer 2019/PROVIA ID-Nr. 34952, den Zuschlag zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien
1. Mit Schriftsatz vom 06.09.2019 beantragte die XXXX (im Folgenden "Antragstellerin") die Ausscheidensentscheidung vom 26.08.2019 und die Zuschlagsentscheidung vom 02.09.2019 wegen Rechtswidrigkeit für nichtig zu erklären, Akteneinsicht in den Vergabeakt zu gewähren, das Angebot der Antragstellerin und alle Teile des Vergabeakts, die sich auf ihr Angebot beziehen, von der Akteneinsicht durch allfällige weitere Parteien des Nachprüfungsverfahrens auszunehmen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die Auftraggeberin dazu zu verpflichten, der Antragstellerin die Pauschalgebühren binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die Antragstellerin verband ihre Anträge mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch ersichtlich. Gegenstand der Anträge ist das Vergabeverfahren "Vorbereitende Maßnahmen VMIS 2.0 im Bereich der VMZ Wien", Referenznummer 2019/PROVIA ID-Nr. 34952 (im Folgenden "das Vergabeverfahren") der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (im Folgenden "Auftraggeberin"), vertreten durch die ASFINAG Bau Management GmbH, Modecenterstraße 16, 1030 Wien als vergebende Stelle.
2. Begründend führte die Antragstellerin aus, dass sie in ihrem Recht auf rechtskonforme Durchführung des Vergabeverfahrens, auf Unterlassung eines willkürlichen Ausscheidens, auf Durchführung einer rechtskonformen Angebotebewertung und auf Zuschlagerteilung verletzt sei.
2.1. Am 26.08.2019 sei die Entscheidung über das Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin wegen (1) angeblich fehlender Eignung (Personalausstattung) und (2) angeblich unzulässiger Weitergabe kritischer Leistungen an Subunternehmen erfolgt. Am 02.09.2019 sei die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der XXXX ( XXXX ) erfolgt.
2.2. Das Ausscheiden wegen fehlender Personalausstattung sei rechtswidrig gewesen, weil die Antragstellerin nachgewiesen habe, dass sie zu den letzten drei Stichtagen über mehr als 10 Mitarbeiter verfügt habe. Gemäß den bestandsfesten Ausschreibungsbestimmungen habe die Bieter den "Nachweis des jährlichen Mittels der Mitarbeiter zum Stichtag 01.01. in den letzten 3 Jahren [...] zu erbringen." Die Angebotsfrist habe am 29.07.2019 geendet, weshalb die Personalausstattung zu den Stichtagen 01.01.2017, 2018 und 2019 nachzuweisen war, was die Antragstellerin nachgewiesen habe. Die Auftraggeberin habe daraufhin erklärt, dass "eigentlich" die Kalenderjahre 2016, 2017 und 2018 gemeint gewesen wären. Die Antragstellerin habe im Zuge der Aufklärung dieses Punktes nachgewiesen, dass sie im Zeitraum 2016 bis 2018 einen gemittelten Personalstand von 11,16 Mitarbeitern gehabt habe. Die Auftraggeberin habe die Ausschreibungsbestimmungen dann so ausgelegt, dass das jährliche Mittel und der Hinweis auf den "oben genannten Zeitraum" nicht so zu verstehen sei, dass ein Mittelwert über den gesamten "oben genannten Zeitraum" errechnet werden dürfte. Zusammengefasst sei gemäß den Ausschreibungsbestimmungen eine Mindestpersonalausstattung "zum Stichtag 01.01. in den letzten 3 Jahren" nachzuweisen gewesen, womit die von der Antragstellerin nachgewiesenen Personalausstattungen zu den Stichtagen 01.01. 2017, 2018 und 2019 gemeint gewesen seien.
2.3. Das Ausscheiden wegen der Weitergabe kritischer Leistungen an Subunternehmen sei rechtswidrig, weil die Antragstellerin mit Aufklärung vom 06.08.2019 ausdrücklich erklärt habe, dass die von der Antragstellerin bekannt gegebene Subunternehmerin nicht für kritische Leistungen herangezogen werde bzw. dass für derartige Leistungen gar kein Subunternehmer herangezogen werde. Die Auftraggeberin würde ihre Ausscheidensentscheidung auf eine subjektive und damit willkürliche Vermutung stützen, wonach produktspezifische Anpassungen durch eine Subunternehmerin erforderlich wären und daher eine unzulässige Weitergabe von kritischen Leistungen vorliegen würde.
2.4. Die Zuschlagsentscheidung vom 02.09.2019 zu Gunsten der Mitbewerberin beruhe auf der rechtswidrigen Ausscheidensentscheidung. Für den Fall der Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sei das Angebot der Antragstellerin in die Bestbieterermittlung einzubeziehen. Der Antragstellerin sei als Bestbieterin der Zuschlag zu erteilen.
3. Die Antragstellerin führte des Weiteren aus, dass sie ihr Interesse am Vertragsabschluss durch die Ausarbeitung und die Übersendung der Angebotsunterlagen dargelegt habe. Aufgrund der bisherigen Beteiligung am Vergabeverfahren seien der Antragstellerin Kosten in Höhe von zumindest EUR XXXX (ekl. USt) entstanden. Der Antragstellerin drohe durch die rechtswidrige Zuschlagserteilung die Gefahr, einen Referenzauftrag für zukünftige Vergabeverfahren zu verlieren.
4. Die Antragstellerin erhob ihr Vorbringen betreffend die Anträge auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 27.08.2019 und der Zuschlagsentscheidung vom 02.09.2019 zum Inhalt ihres Vorbringens zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die beantragte Untersagung sei zwingend erforderlich, weil die Auftraggeberin mit der Erteilung des Zuschlags unumkehrbare Tatsachen schaffen könnte, die von der Antragstellerin mit den Mitteln des BVergG nicht mehr beseitigt werden könnten. Der Antragstellerin drohe im Fall der Rechtskraft der Zuschlagsentscheidung der Entgang eines Auftrags. Dies gehe mit einem Gewinnentgang sowie der Frustration der eigenen Aufwendungen und der Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung im vorliegenden Verfahren einher. Die Höhe dieser Kosten habe die Antragstellerin bescheinigt. Es seien keine besonderen Interessen der Auftraggeberin ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen würden. Besondere öffentliche Interessen, die für eine Fortführung des Vergabeverfahrens vor der rechtskräftigen Sachentscheidung durch das BVwG sprechen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Derartige zwingende öffentliche Gründe könnten nur geltend gemacht werden, wenn diese von der Auftraggeberin nicht vorhergesehen hätten werden können und diese es nicht zulassen würden, Fristen gemäß dem BVergG einzuhalten. Verzögerungen, die durch die Rechtsschutzmöglichkeiten entstehen können, wären für die Auftraggeberin jedenfalls vorhersehbar gewesen.
5. Am 10.09.2019 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und übermittelten die Unterlagen des Vergabeverfahrens. Die Auftraggeberin erstattete zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung kein Vorbringen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-AG (ASFINAG) schrieb unter der Bezeichnung "vorbereitende Maßnahmen für VMIS 2.0 im Bereich der VMZ Wien" IT-Dienstleistungen aus. Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens erfolgte am 16.07.2019 zu GZ: 2019/S 116-284911 in der elektronischen Version des Supplements zum Amtsblatt der europäischen Union. Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR XXXX Die Auftraggeberin führt ein offenes Verfahren zum Abschluss eines Dienstleistungsauftrags im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip durch (Auskünfte der Auftraggeberin).
1.2. Das Leistungsverzeichnis der Antragstellerin sieht unter Position 00D112A folgendes vor:
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
1.3. Bezüglich der Personalausstattung sieht das Leistungsverzeichnis unter Punkt 00.D113A folgendes vor:
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
(Angaben der Antragstellerin, Ausschreibung laut vorgelegtem Vergabeakt).
1.4. Die öffentliche Angebotsöffnung erfolgte am 29.07.2019 um 11.00 Uhr. Die Namen und Angebotssummen (ohne USt) der vier billigsten Bieter lauteten:
Tabelle kann nicht abgebildet werden
1.5. Mit Schreiben vom 26.08.2019, an die Antragstellerin versendet am 27.08.2019, teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot auszuscheiden gewesen war. Begründend führte die Auftraggeberin aus, dass das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden war, weil die zur konkreten Leistungserbringung erforderliche technische Leitungsfähigkeit im Hinblick auf die Personalausstattung nicht gegeben sei und dem Angebot zu entnehmen sei, dass kritische Leistungen von Subunternehmen durchgeführt werden sollten (Ausscheidensentscheidung = Beilage ./B zum Nachprüfungsantrag, Beilage./1 zu den Auskünften der Auftraggeberin).
1.6. Am 02.09.2019 gab die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung bekannt. Die Auftraggeberin gab bekannt, dass sie beabsichtige, den Zuschlag an die XXXX zu erteilen (Zuschlagsentscheidung = Beilage ./C. zum Nachprüfungsantrag, Beilagen ./2 bis ./5 zu den Auskünften der Auftraggeberin).
1.7. Der Antragstellerin entstanden aufgrund der bis zum Zeitpunkt der Einbringung des Nachprüfungsantrages erfolgten Beteiligung am Vergabeverfahren Kosten in Höhe von Euro XXXX (exkl. USt.). Dies umfasst die Kosten für die Erstellung des Angebots und sonstige mit der Verfahrensteilnahme verbundene Kosten.
1.8. Mit Schriftsatz vom 06.09.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, brachte die Antragstellerin einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung (vom 26.08.2019) sowie der Zuschlagsentscheidung vom 02.09.2019 ein. Die Antragstellerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren für die Dauer des Vergabekontrollverfahrens.
1.9. Die Antragstellerin entrichtete eine Pauschalgebühr in der Höhe von EUR 3.240,-- (EUR 2.160,-- für den Antrag auf Nachprüfung und EUR 1.080,-- für den Antrag auf Erlassung einer einzelnen Verfügung) (Zahlungsbestätigung, Beilage ./D zum Nachprüfungsantrag).
1.10. Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren nicht widerrufen und den Zuschlag noch nicht erteilt (Auskünfte der Auftraggeberin).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf den in Klammer angegebenen Unterlagen (Angaben der Antragstellerin, Angaben der Auftraggeberin und dem vorgelegten Vergabeakt). Die Angaben der Auftraggeberin zum Inhalt der Ausschreibung und zu dem Stand des gegenständigen Vergabeverfahrens stimmen mit den diesbezüglichen Angaben der Antragstellerin überein. Es traten keine Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen auf. Die Höhe der von der Antragstellerin bisher aufgewendeten Kosten für die Teilnahme im Vergabeverfahren wurde von der Antragstellerin substantiiert vorgebracht und von der Auftraggeberin nicht bestritten. Es traten keine Widersprüche auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages
3.1.1. Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 328 Abs 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Auftraggeberinnen im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die ASFINAG. Sie ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 7 BVergG 2018 um einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Ausscheidensentscheidung und die Zuschlagsentscheidung sind im offenen Verfahren gesondert anfechtbare Entscheidungen des Auftraggebers gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa BVergG 2018. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Abschluss des Vertrages mit der Auftraggeberin durch Abgabe eines bindenden Angebots nachgewiesen. Der Antragstellerin sind bislang für die Teilnahme am Vergabeverfahren Kosten in Höhe von zumindest EUR XXXX entstanden, die im Fall des rechtswidrigen Ausscheidens ihres Angebotes frustriert wären.
Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs 1 Z 1, 3 und 4 BVergG iVm §§ 1 und 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018).
3.2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.1. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergeben sich aus § 351 BVergG 2018, der lautet:
"Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar."
3.2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Erteilung des Zuschlags beabsichtigt ist.
Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Rechtswidrigkeiten in Bezug auf die Ausscheidensentscheidung und die Zuschlagsentscheidung zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Hinzu kommt, dass in diesem Fall die von der Antragstellerin für die Teilnahme am Vergabeverfahren bislang aufgewendeten Kosten frustriert wären.
Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher - bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 - Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).
Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens der frustrierten Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren und im Erhalt des Auftrags.
Die Auftraggeberin erstattete zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung kein Vorbringen.
Bei der Interessenabwägung ist auch auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208- 1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich, dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).
3.3. Stellt man im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass vom Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen.
Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Richtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor.
Das Vorliegen der von der Auftraggeberin herangezogenen Ausscheidensgründe ist jedenfalls inhaltlich zu prüfen, weil die Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung den Hauptgegenstand des Nachprüfungsverfahrens darstellt. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung ist zudem im eine Vorfrage für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung, die ebenfalls Hauptgegenstand des Nachprüfungsantrages ist. Diese Fragen können angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103- BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).
Die Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die Interessen der Antragstellerin an der Beseitigung der geltend gemachten Rechtswidrigkeiten, der Abwendung des drohenden Schadens und der Beteiligung an einem rechtskonform geführten Vergabeverfahren gegenüber den Interessen der Auftraggeberin an der raschen Erteilung des Zuschlags überwiegen. Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.
3.4. Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E).
Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).
3.5. Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens.
§ 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt im Gegensatz zu den Vorgängerbestimmungen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).
Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
Zu B) Nichtzulassung der Revision
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;
30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;
29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ausscheidensentscheidung, Ausscheidensgründe, Dauer der Maßnahme,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W273.2223161.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.04.2020