TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/23 I421 1438360-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2019
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Entscheidungsdatum

23.09.2019

Norm

AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 1438360-4/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX (alias XXXX, alias XXXX), StA. Nigeria, vertreten durch den Verein LegalFocus, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2019, Zl. 13-521733606/190281877, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 23.04.2010 stellte der Beschwerdeführer seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Am 23.04.2010 erfolgte durch die Exekutive der Polizeiinspektion T. Erstaufnahmestelle Ost, eine Erstbefragung und begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz damit, dass seine Mutter gestorben wäre, als er drei Jahre alt gewesen sei, sein Vater wäre letztes Jahr verstorben. Er habe niemanden mehr in Nigeria und hätte sehr gelitten. Aus diesem Grund sei er aus Nigeria geflüchtet.

Aufgrund der Angaben zum Reiseweg und zum Aufenthalt in Griechenland ergab sich die Zuständigkeit von Griechenland.

Da Zweifel an der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers aufgetreten sind, wurde ein gerichtsmedizinisches Gutachten erstellt und schließlich das Geburtsdatum auf XXXX korrigiert.

Vom 04.06.2010 bis 25.06.2010 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft. Vom 02.07.2010 - 02.08.2010 verbüßte er eine Haftstrafe.

2. Sein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes am 17.07.2010 gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde er gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 nach Griechenland ausgewiesen, der Bescheid erwuchs in Rechtskraft

Am 12.07.2010 erfolgte im fremdenpolizeilichen Verfahren von der Bundespolizeidirektion Wien zum Zwecke der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Rückkehrverbotes und der Verhängung der Schubhaft nach der Haftentlassung des Beschwerdeführers eine niederschriftliche Befragung.

Vom Landesgericht XXXX wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, er habe Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Durchführung einer Identitätsfeststellung, zu hindern versucht.

Vom 07.09.2010 - 06.05.2011 verbüßte der Beschwerdeführer eine Haftstrafe.

Am 16.09.2010 erfolgte im fremdenpolizeilichen Verfahren vor der Bundespolizeidirektion W. eine niederschriftliche Befragung zum Zwecke der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Rückkehrverbotes und der Verhängung der Schubhaft.

Am 09.10.2010 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot auf die Dauer von 10 Jahren befristet erlassen.

Am 27.01.2011 langte bei der Erstaufnahmestelle Ost im Zuge entsprechender Dublin-Konsultationen mit Griechenland die Zustimmung für die Dublinüberstellung nach Griechenland, längstens bis zum 01.01.2012, ein

Nach Entlassung aus der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion L., Fremdenpolizei, vom 05.05.2011 in Schubhaft genommen und in das Polizeianhaltezentrum L. eingeliefert

Am 10.05.2011 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen.

Vom Landesgericht XXXX wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, dass er in Wien vorschriftswidrig Suchtgift gewerbsmäßig anderen überlassen habe, indem er zwei Kugeln Kokain verkauft habe.

Vom 17.06.2011 - 18.06.2012 verbüßte er eine Haftstrafe.

Am 30.06.2011 erfolgte im fremdenpolizeilichen Verfahren von der Bundespolizeidirektion W. zum Zwecke der Erlassung eines neuerlichen Aufenthaltsverbotes/Rückkehrverbotes und der Verhängung der Schubhaft nach seiner Haftentlassung eine niederschriftliche Befragung.

Am 16.03.2012 erfolgte im fremdenpolizeilichen Verfahren von der Bezirkshauptmannschaft R., zum Zwecke der Identitäts- und Sachverhaltsfeststellung sowie der Verhängung der Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft und der Abschiebung nach seiner Haftentlassung eine niederschriftliche Befragung.

Der Beschwerdeführer wurde am 01.06.2012 im Stand der Strafhaft einer Identitätsprüfung durch die nigerianische Botschaftsdelegation unterzogen.

Nach Entlassung aus der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

Am 29.05.2012 wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zwecks Ausstellung eines Heimreisezertifikates in die nigerianische Botschaft in W. gebracht. Die

geplante begleitete Abschiebung am 09.07.2012 vereitelte der Beschwerdeführer durch Widerstandshandlungen.

3. Am 14.07.2012 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalem Schutz. Bei der am 16.07.2012 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab er zu den Fluchtgründen befragt an, dass er gezwungen worden sei, Mitglied der Gruppierung "Blood Movement of Africa" zu werden. Diese Gruppierung würde Leute ermorden, die gegen die Regierung seien. Sie hätten auch einen Mann, einen "Chairman" töten wollen. Der Beschwerdeführer habe diesen Mann gekannt und habe ihm mitgeteilt, was diese Leute vorhätten. Wegen dieser Aussage seien vier Personen der Gruppierung von der Polizei festgenommen worden. Sie hätten herausgefunden, dass es der Beschwerdeführer gewesen sei und seien zu ihm nach Hause gekommen und hätten seinen Vater erschossen. Seitdem sei er auf der Flucht.

Am 27.07.2012 wurde der Beschwerdeführer aufgrund der Zulassung seines Antrags auf internationalen Schutz aus der Schubhaft entlassen und am 27.07.2012 niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen.

4. Mit Bescheid vom 07.08.2012 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.07.2010 von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1991 behoben.

Am 29.10.2012 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

Vom 15.12.2012 bis zum 13.06 2014 verbüßte der Beschwerdeführer erneut eine Haftstrafe

Am 16.06.2013 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme durch Übermittlung der Länderfeststellungen Nigerias und Recherche des Vertrauensanwaltes in Abuja informiert und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Am 08.03.2013 langte eine diesbezügliche Stellungnahme ein.

5. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 24.09.2013 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte den Status der Asylberechtigten nicht zu. Weiters wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht zuerkannt und wurde dieser gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 11.10.2013 das Rechtmittel der Beschwerde.

6. Mit Beschluss vom 24.11.2014, GZ W161 1438360-1/9E, wurde der Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 (2. Satz) VwGVG idG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Am 21.10.2015 wurden der Beschwerdeführer erneut von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen einvernommen.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.04.2010 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.) Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und 55 AsylG erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgesprochen, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (§ 55 Abs. 1a FPG), der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkte IV. und V.). Mit Spruchpunkt VI. erlies die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot.

Der Bescheid wurde dem vertretenen Beschwerdeführer am 07.12.2015 zugestellt.

8. Gegen diesen Bescheid wurde mit bei der belangten Behörde am 06.01.2016 einlangendem Schreiben vom 04.01.2016 Beschwerde erhoben und diese mit inhaltlich falscher Entscheidung und mangelnder Verfahrensführung begründet. Zudem wurde ausgeführt, die Rechtsmittelbelehrung sei verfassungswidrig.

9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.01.2016 wies die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG als verspätet zurück.

Dagegen wurde am 22.01.2016 ein (ebenfalls als Beschwerde bezeichneter) Vorlageantrag eingebracht und von der belangten Behörde mit Schreiben des gleichen Tages dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

10. Mit Erkennntis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.02.2019, Zl. I412 1438360-2/16E wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. - V. als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wurde insofern stattgegen, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und Z 2 FPG auf 7 Jahre herabgesetzt wurde.

Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2015 erwuchs folglich am 19.02.2019 in Rechtskraft. Trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung kam der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

11. Mit Formularvordruck "Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK - Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" vom 12.03.2019 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß "§ 55 Abs. 1 AsylG". Beigelegt waren dem Antrag ein Arbeitsrechtlicher Vorvertrag vom 22.01.2019, ein ÖSD Deutschzertifikat A2, Kopie der e-card, der Aufenthaltsberechtigungskarte und der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers, ZMR-Auszug vom 07.09.2017 und fünf Empfehlungsschreiben.

Mit angefochtenem Bescheid vom 01.04.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK vom 19.03.2019 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass seit dem Vorverfahren, welches am 19.02.2019 abgeschlossen wurde und dem Zeitpunkt der Antragstellung am 19.03.2019 keine Veränderung des Sachverhaltes festgestellt werden konnte.

Mit Schriftsatz vom 17.04.2019 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wegen unzulässiger Verweigerung einer inhaltlichen Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung. Im Wesentlichen wurde angeführt, dass es in Anbetracht des Familienlebens und der Integration des Beschwerdeführers keine zwingenden Gründe im Sinne von Erteilungshindernissen geben dürfe. Die belangte Behörde habe auf das Kindeswohl nicht Bedacht genommen und sich mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht beschäftigt und eine willkürliche Zurückweisungsentscheidung getroffen. Zu Unrecht sei eine Sachentscheidung verweigert worden.

12. Mit Schreiben vom 22.05.2019 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Es wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund des lediglich sechswöchigen Zeitraumes zwischen der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und der Entscheidung der belangten Behörde von keinem geänderten Sachverhalt betreffend das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers ausgegangen werden könne. Außerdem sei auch das Verfahren der Kinder und seiner Lebensgefährtin rechtskräftig negativ entschieden worden und bestehe gegen diese eine Rückkehrentscheidung.

13. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass geplant sei seine Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden und ihm die Möglichkeit gewährt binnen 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

Am 28.06.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers betreffend die Länderberichte beim Bundesverwaltungsgericht ein. Es wurde angeführt, dass im Rahmen eines Abschiebungsversuches des Beschwerdeführers in einem Schreiben der österreichischen Behörde an die nigerianische Botschaft angeführt worden sei, dass der Beschwerdeführer eine Vorstrafe habe. Aufgrund dieses Bekanntwerdens seiner gerichtlichen Verurteilung in Österreich habe der Beschwerdeführer mit einer Doppelbestrafung in Nigeria zu rechnen. Es werde diesbezüglich auf die unmenschlichen und lebensbedrohlichen Haftbedingungen verwiesen. In Österreich führe der Beschwerdeführer ein Familienleben und lebe mit seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern zusammen. Eine Fortsetzung des Familienlebens in Nigeria sei aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der Notwendigkeit einer Gelbfieberimpfung der Kinder, welche nicht empfohlen sei, nicht zumutbar.

14. Seit 06.08.2019 befindet sich der Beschwerdeführer wegen Verbrechen/Vergehen nach §§ 28a SMG in Untersuchungshaft.

15. Am 02.09.2019 stellte der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft einen Antrag auf unterstütze freiwillige Rückkehr.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist volljähriger Staatsbürger von Nigeria. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 23.04.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der bereits rechtskräftig negativ entschieden wurde.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Lebensgefährtin und seiner zwei Kinder. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.2014, Zl. W105 1436092-1/6E wurde der Antrag auf internationalen Schutz betreffend die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers abgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2019, Zl. I412 2121565-1/14E und I412 2173881-1/10E wurden die Anträge auf internationalen Schutz betreffend die in Österreich geborenen Kinder des Beschwerdeführers abgewiesen. Zudem wurde mit Erkenntnissen vom 19.02.2019 die von der belangten Behörde getroffene Rückkehrentscheidung für seine Lebensgefährtin und seine Kinder bestätigt.

Eine Verankerung am Arbeitsmarkt liegt nicht vor, eine maßgebliche soziale Verfestigung ebenfalls nicht. Der Beschwerdeführer finanzierte sich seinen Unterhalt in Österreich aus Leistungen der Grundversorgung. Er hat zwar eine Deutschprüfung Niveau A2 bestanden sowie Freundschaften geschlossen und verfügt über einen Arbeitsvorvertrag, doch kann alleine deswegen noch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden. Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich mehrfach vorbestraft und verbüßte diverse Haftstrafen:

1) LG XXXX vom 22.07.2010. RK 22.07.2010 §§ 27 Abs. 1 /1 (8. FALL) 27/3 SMG, Datum der (letzten) Tat 02.07.2010 Freiheitsstrafe 7 Monate, davon 6 Monate bedingt. Probezeit 3 Jahre Junge(r)Erwachsene(r) Vollzugsdatum 13.06.2014

Der Beschwerdeführer wurde schuldig gesprochen, in Wien gewerbsmäßig vorschriftswidrig Suchtgift anderen durch Verkauf überlassen zu haben und zwar zwei Kugeln Kokain und zwei Kugeln Heroin.

2) zu LG XXXX vom 04.11.2010, RK 04.11.2010 §§ 15 269/1 (1. FALL) §§ 83/1 84 Abs 2/4 StGB Freiheitsstrafe 10 Monate junger Erwachsener Vollzugsdatum 18.06.2012

Der Beschwerdeführer wurde schuldig gesprochen, dass er Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Durchführung einer Identitätsfeststellung zu hindern versuchte, indem er Polizeibeamte zur Seite stieß und vorsätzlich am Körper verletzte. Mildernd wurde bewertet der teilweise Versuch beim Widerstand und das Alter unter 21, als erschwerend wurde bewertet, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und die einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall.

03) LG XXXX vom 20.07.2011, RK 20.07.2011 §§ 27 Abs 1/1 (8. FALL) 27/3 SMG, Freiheitsstrafe 10 Monate junge(r) Erwachsene(r) VoIlzugsdatum 17.04.2012

Der Beschwerdeführer wurden schuldig gesprochen, dass er in Wien vorschriftswidrig Suchtgift gewerbsmäßig anderen überlassen hat, indem er zwei Kugeln Kokain verkaufte.

04) LG XXXX vom 10.01.2013 RK 12.03.2013 § 27 Abs. 1 Z 12. Fall (2) SMG § 27 Z 1 8. Fall SMG Datum der (letzten) Tat 15.12.2012 Freiheitsstrafe 12 Monate Vollzugsdatum 15.12.2013.

Er wurde schuldig gesprochen, dass er in Wien vorschriftswidrig Suchtgift 1.) gewerbsmäßig anderen überlassen, indem er eine Kugel Kokain und eine Kugel Heroin verkauft und 2.) besessen hat und zwar Marihuana für den Eigenkonsum.

Aktuell befindet sich der Beschwerdeführer wegen Verbrechen und Vergehen nach §§ 28a SMG in Untersuchungshaft.

Der Beschwerdeführer ist trotz der aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung (Bescheid der belangten Behörde vom 30.11.2015, rechtskräftig am 19.02.2019) seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachgekommen, sondern hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG 2005 vom 19.03.2019 geht im Vergleich zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 19.02.2019 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage einer von der nigerianischen Botschaft Wien authentifizierten Geburtsurkunde samt Lichtbild fest.

Die Angaben zu seinem vorangegangenen Asylverfahren ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde.

Die Feststellungen zum Familienleben des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Vorverfahren, welches am 19.02.2019 abgeschlossen wurde und aus seinem gegenständlich Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK.

Dass auch gegen die Lebensgefährtin und die zwei Kinder des Beschwerdeführers eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.02.2019, Zl. I412 2121565-1/14E, I412 2173881-1/10E und I412 2100659-1/18E.

Dass der Beschwerdeführer nicht am Arbeitsmarkt integriert ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass er laut Versicherungsdatenauszug niemals einer Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen war. Dass der Beschwerdeführer von Leistungen der Grundversorgung lebte, ergibt sich aus einem Speicherauszug des Betreuungsinformationssystems, abgefragt am 16.09.2019. Die Deutschprüfung Niveau A2 hat der Beschwerdeführer bereits vor Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bestanden und auch sein Arbeitsvorvertrag ist vor der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung datiert und kann dies daher keine Änderung des Sachverhaltes belegen. Die Absolvierung der A2-Prüfung kann zudem nicht als maßgebliche soziale oder integrative Verfestigung gesehen werden; ebenso wenig die Vorlage von zahlreichen Empfehlungsschreiben sowie einer Einstellungszusage.

Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 16.09.2019.

Die Feststellung zur Untersuchungshaft des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Ergebnisbericht zum nationalen AFIS-Abgleich vom 05.08.2019, der Vollzugsinformation vom 07.08.2019 und einer Abfrage des zentralen Melderegisters vom 16.09.2019.

Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des derzeitigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruht darauf, dass dem Beschwerdeführer im Bundesgebiet nie ein Aufenthaltsrecht zugekommen war.

Dass gegen den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides eine aufrechte Rückkehrentscheidung bestand, ergibt sich aus der Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 30.11.2015 und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.02.2019, dieser Umstand blieb auch vom Beschwerdeführer unbestritten.

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, dass ihm eine Sachentscheidung verweigert und nicht bedacht auf das Kindeswohl genommen worden sei.

Wenn in der Beschwerde angeführt wird, dass die belangte Behörde nicht auf das Kindeswohl Bedacht genommen hätte, wird darauf verwiesen, dass das Asylverfahren betreffend die Lebensgefährtin und die gemeinsamen Kinder bereits rechtskräftig negativ entschieden worden ist und gegen diese aufrechte Rückkehrentscheidungen bestehen.

Betreffend eine verweigerte Sachentscheidung wird darauf verwiesen, dass sich an den Feststellungen zum Privat- und Familienleben auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 01.04.2019 nichts geändert hat. Zwischen der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und der gegenständlichen Zurückweisung liegt lediglich ein Monat, weswegen von keinen maßgeblichen Änderungen auszugehen ist. Zudem ist noch zu berücksichtigen, dass dieser Zeitraum vom Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet verbracht wurde. Alleine aufgrund der nunmehr etwas verlängerten Aufenthaltsdauer kann noch nicht auf einen veränderten Sachverhalt geschlossen werden, da sonst einer Anwendung des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 praktisch die Grundlage entzogen wäre.

Wie bereits weiter oben ausgeführt hat der Beschwerdeführer zwar kleinere Schritte zur Integration gesetzt, etwa durch den Erwerb des A2-Zeugnisses, doch ergibt sich dadurch, ebenso wenig wie durch das Schließen von Freundschaften, die sich in den Empfehlungsschreiben widerspiegeln, aber noch keine nachhaltige Verfestigung im Bundesgebiet. Auch der arbeitsrechtliche Vorvertrag vermag keine besonders gefestigte Integration im Bundesgebiet zu belegen.

Weder der Antragsbegründung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG noch den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann daher ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt beigemessen werden, der eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde.

Der Vollständigkeit halber wird betreffend das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 28.06.2019, er habe in Nigeria mit einer Doppelbestrafung zu rechnen, darauf hingewiesen, dass dies nicht Gegenstand des diesbezüglichen Verfahrens ist und im Verfahren betreffend internationalen Schutz vorgebracht werden hätte müssen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Anwendbare Rechtsnormen:

3.1.1. § 58 AsylG bestimmt (auszugsweise):

"Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) [...]

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. [...]

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) [...].

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. ...

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG Folgendes dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

3.1.2. § 10 Abs. 3 AsylG lautet:

"(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

3.1.3. § 52 Abs. 3 FPG lautet:

"(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird."

3.2. Rechtliche Beurteilung:

3.2.1. Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).

3.2.2. Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

3.2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, ausführlich auf den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung einerseits und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG andererseits hingewiesen (vgl. auch VwGH 28.01.2016, Ra 2016/21/0006; 30.06.2016, Ra 2016/21/0103).

3.3. Anwendung im Beschwerdefall:

3.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153;

23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083;

12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 leg. cit. kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen daher der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. § 16 Abs. 5 BFA-VG macht die Bestimmung des § 58 Abs. 13 AsylG 2005 auch für das Beschwerdeverfahren anwendbar und erklärt zudem: Eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag begründet kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Es ist daher gesetzlich normiert, dass eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegensteht.

3.3.2. Eine Sachverhaltsänderung ist dann als wesentlich anzusehen, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass eine andere Beurteilung als in der bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides müsste als zumindest möglich sein. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liegt demnach dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Artikel 8 EMRK erforderlich machen. In der Beschwerde wird es allerdings unterlassen aufzuzeigen, inwieweit in den nun vorgebrachten Umständen eine wesentliche Sachverhaltsänderung erkannt werden könnte.

3.3.3. Wie bereits in der Beweiswürdigung aufgezeigt wurde, kann die Verlängerung des Inlandsaufenthaltes seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung nicht als wesentliche Änderung angesehen werden, da damit weder die nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung relevante "Zehn-Jahres-Grenze" erreicht wird noch dieser Aufenthalt rechtmäßig war. Außerdem liegt zwischen der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und dem gegenständlichen Bescheid lediglich ein Monat, was zudem gegen eine wesentliche Sachverhaltsänderung spricht.

Soweit im Vorbringen des Beschwerdeführers ein Element geltend gemacht wird, das als "Änderung" in Betracht kommt (Arbeitsvorvertrag für den Fall des Erhalts einer Arbeitsberechtigung, Empfehlungsschreiben, Familienleben), ist festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf die seit der Rückkehrentscheidung vergangene Zeit, den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und unter Würdigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände nicht gesehen werden kann, dass damit Sachverhaltsänderungen vorlägen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre - auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; vgl. dazu auch, dass ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses keine umfassende Neubeurteilung iSd Art 8 EMRK nach sich ziehen [VwGH, 10.12.2013, 2013/22/0362; VwGH 29. 05.2013, 2011/22/0013]). Eine bestandene Deutschprüfung Niveau A2 und die Einstellungszusage erfolgten im Übrigen auch schon vor Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung im Februar 2019. Auch das Familienleben des Beschwerdeführers bestand bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung. Außerdem bestehen auch betreffend seiner Lebensgefährtin und seiner zwei Kinder aufrechte Rückkehrentscheidungen und befindet sich der Beschwerdeführer aktuell auch nicht bei seiner Familie, sondern in Untersuchungshaft.

Im Beschwerdefall ist auch in Betracht zu ziehen, dass die vorgebrachten Integrationsbemühungen letztlich nur darin bestehen, dass der Beschwerdeführer seine bereits in der rechtskräftigen Entscheidung berücksichtigten Schritte zur Integration in Österreich einfach fortgesetzt hat (Einstellungszusage, Deutschprüfung, Freundschaften, Familienleben), dies obwohl für ihn eine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung besteht; diese Schritte erfolgten insofern daher weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus. Bei dieser Sachlage wirkt auch das in der getroffenen Entscheidung festgestellte öffentliche Interesse mit zumindest gleichem Gewicht unverändert fort und steht dem fortgesetzten Ausleben der im Wesentlichen bereits bisher berücksichtigten Interessenslage des Beschwerdeführers auch weiterhin entsprechend entgegen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurückweist, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung derart wesentlich geändert hätte, dass eine erneute Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich wäre.

3.3.4. Die Zurückweisung des gemäß § 55 AsylG vom Beschwerdeführer gestellten Antrags erfolgte daher zu Recht.

3.3.5. Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden, rechtens war. Zwar sieht der Gesetzeswortlaut eine Verbindung sowohl einer Ab- als auch einer Zurückweisung des Antrags nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor (und zwar gemäß § 52 Abs. 3 FPG unterschiedslos, nach § 10 Abs. 3 AsylG jedoch - im Widerspruch zu § 52 Abs. 3 FPG - "nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt."). Das Gericht geht davon aus, dass der Gesetzgeber bei diesen Regelungen den Fall der Zurückweisung wegen bereits durch ergangene Rückkehrentscheidung entschiedener Sache nicht bedacht hat und dass der Regelungsgehalt des § 52 Abs. 3 FPG und des § 10 Abs. 3 AsylG vor dem Hintergrund des Normzwecks (keine neuerliche Entscheidung bei bereits entschiedener Sache, gerade angesichts dessen, dass über alle Aspekte, die bei einem Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG relevant sind, bei Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bereits entschieden wurde - vgl. oben Pkt. 3.2.3.) für Fälle der Zurückweisung nach § 58 Abs. 8 AsylG nicht zum Tragen kommt. Die bisher dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - soweit ersichtlich - für diesen Fall nicht einschlägig, sondern betraf andere Arten der Zurückweisung, z.B. wegen Nichtmitwirkung im Verfahren gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG; vgl. VwGH, 14.04.2016, Ra 2016/21/0077 [=VwSlg. 19.347 A/2016]; 17.11.2016, Ra 2016/21/0200 [=VwSlg. 19.482 A/2016]; 17.05.2017, Ra 2017/22/0059; 21.09.2017, Ra 2017/22/0128).

Zudem würde eine allfällige Säumnis mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 8 EMRK führen. Dieser hängt nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab (VwGH, 12.12.2018, Ra 2017/19/0553).

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, das Bundesverwaltungsgericht konnte sich aber auf vom Beschwerdeführer unbestrittene Annahmen stützen. Die Beschwerde läuft letztlich darauf hinaus, dass die -unstrittige - Sachlage vom Verwaltungsgericht rechtlich anders gewürdigt werden soll als von der belangten Behörde. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG

("Die Verhandlung kann entfallen, wenn ... der das vorangegangene

Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei ... zurückzuweisen ist") kann das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).

Daran vermag auch das Faktum nichts zu ändern, dass sich die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführer nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung durch den (illegalen) Verbleib im Bundesgebiet um etwas mehr als ein halbes Jahr verlängert hat, während ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden nicht festzustellen war. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt wurde vom Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht substantiiert behauptet. Daran vermag die vorgelegte Bestätigung der A2-Prüfung nichts zu ändern (vgl. VwGH, 13.10.2011, 2011/22/0065; vgl. dazu auch, dass ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses keine umfassende Neubeurteilung iSd Art. 8 EMRK nach sich ziehen [VwGH, 10.12.2013, 2013/22/0362; VwGH 29. 05.2013, 2011/22/0013]).

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war und die Beschwerde war demnach spruchgemäß vom Bundesverwaltungsgericht abzuweisen.

Zu B) (Un)zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, geänderte
Verhältnisse, Privat- und Familienleben, Rechtskraftwirkung, res
iudicata, strafrechtliche Verurteilung, Suchtmitteldelikt,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I421.1438360.4.00

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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