Entscheidungsdatum
03.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I419 2182442-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, StA. ALGERIEN, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 13.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,
dass der erste Satz des Spruchpunktes III wie folgt lautet:
"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.09.2016 als angeblich 14-Jähriger einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Furcht vor Blutrache einer anderen Familie begründete. Sein Bruder habe einen Sohn dieser Familie getötet, weshalb seine Familie entschieden habe, er solle das Land verlassen.
2. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA nach vier vorherigen Verfahrenseinstellungen den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Algerien (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurden dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß §§ 57 und 55 AsylG" erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III), sowie einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).
3. In der Beschwerde wird geltend gemacht, der minderjährige Beschwerdeführer sei aus wohlbegründeter Furcht vor einem Rachemord aus Algerien geflüchtet, das BFA habe es hingegen verabsäumt, genauer nachzufragen und seiner Ermittlungspflicht nachzukommen, sonst hätte der Beschwerdeführer "seine fluchtrelevanten Ereignisse genauer schildern können". Die feindliche Familie verfüge über großen Einfluss und sei in der Lage, ihn in Algerien wieder aufzuspüren. Die über den Bruder wegen des Mordes verhängte Strafe reiche ihr nicht aus, weshalb der Beschwerdeführer ebenfalls ermordet werden solle.
Algerien sei möglicherweise schutzfähig, jedenfalls aber nicht willens, dem Beschwerdeführer Schutz vor einem Rachemord zu bieten.
Gehe man davon aus, dass er über keine Familienangehörigen verfüge, die ihn nach Rückkehr unterstützen, dann sei nicht auszuschließen, dass er ohne familiären Rückhalt jedenfalls in eine ausweglose Lage im Sinn des Art. 3 EMRK geraten würde. Es stünden in Algerien auch keine "speziellen Schutzeinrichtungen bzw. sonstige Einrichtungen für Minderjährige zur Verfügung", "welche dem Kindeswohl Rechnung tragen würden".
In Algerien würden dem Beschwerdeführer außerdem mehrere einzeln aufgezählte Rechte aus der Kinderrechtekonvention nicht gewährt werden.
Unter anderem wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer algerischer Staatsangehörigkeit ist ledig, Moslem und Araber mit arabischer Muttersprache. Er ist gesund und arbeitsfähig. Im Herkunftsstaat hat er mehrere Jahre die Schule besucht. Dort leben seine Großmutter, seine Eltern, etwa 57 und 53, sowie sieben bis neun Geschwister im Alter von ca. 5 bis Anfang 30. Von diesen sind fünf seine Voll- und die anderen seine Halbgeschwister Es kann nicht festgestellt werden, ob die Eltern geschieden sind und welche der Geschwister gemeinsam wohnen oder gewohnt haben.
Er wohnte in einem Vorort etwa 30 km südwestlich der Hauptstadt, hat Ende 2015 den Herkunftsstaat verlassen, anschließend die Türkei, Griechenland und die Balkanstaaten durchreist, wo er sich jeweils bis zu vier Monate aufhielt, und befindet sich nach einem Italienaufenthalt unbekannter Dauer, einer Zurückschiebung dorthin aus Tirol und nach neuerlicher illegaler Einreise seit der Antragstellung in Österreich. Seine Identität steht nicht fest.
Zum Handröntgen zur Altersfeststellung erschien er nach der dritten Ladung. Nach diesem verließ er im Jänner 2017 die Unterkunft in Niederösterreich, weil er nicht nach Graz überstellt werden wollte, und hat seither keinen gemeldeten Wohnsitz mehr außer in Haft oder Anhaltung. Das Altersgutachten ergab das im Spruch genannte spätestmögliche Geburtsdatum und damit, dass der Beschwerdeführer nun volljährig ist. Der ansonsten unauffindbare Beschwerdeführer wurde im April, Juni und November 2017 in XXXX aufgegriffen.
Das LGXXXX hat den Beschwerdeführer am 26.06.2019 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels durch Überlassen in Bezug eine das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften jeweils durch Erwerb und Besitzen zu 21 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, 14 davon bedingt nachgesehen, weil er in näher bezeichneten Zeiträumen von Februar 2017 bis März 2019 einem genannten sowie unbekannten Abnehmern insgesamt 11,8 kg Marihuana überlassen, selbst am 01.03.2019 mit dem Vorsatz, es in Verkehr zu setzen, 489 g davon erwarb und besaß, und schließlich von Februar 2017 bis Februar 2019 zum eigenen Gebrauch Marihuana und Kokain erworben und besessen hatte.
Mildernd berücksichtigte das Strafgericht den zuvor ordentlichen Lebenswandel, das umfassende, reumütige Geständnis und den Beitrag zur Wahrheitsfindung, erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen sowie den langen Tatzeitraum.
Aus diesem Grund war er von seiner Festnahme am 01.03.2019 bis 23.07.2019 in (angerechneter) Strafhaft. Am 13.08.2019 wurde er wieder in XXXX aufgegriffen und wegen des Verdachts des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften angezeigt.
In Schubhaft befand sich der Beschwerdeführer von 27.03.2018 bis zu seiner mittels Hungerstreik bewirkten Entlassung am 03.04.2018, von 03. bis 06.07.2018 sowie von 14. bis 21.08.2019. Derzeit ist er wieder unbekannten Aufenthalts.
Er ging keiner Arbeit nach, lebte von der Grundversorgung sowie nach eigenen Angaben von der Unterstützung einer iranischen Familie, wo er auch unangemeldet gewohnt zu haben angab. Seine Deutschkenntnisse sind gering und nicht zertifiziert.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von einer Person im Inland finanziell oder anders abhängig wäre, und auch nicht umgekehrt, dass jemand hier von ihm abhängig wäre. In Italien hat er Cousins, in XXXX slowakische und serbische Freunde. Er verbrachte seine Zeit unter anderem mit Fußballspielen und dem Besuch von Diskotheken. Seine Deutschkenntnisse sind gering und durch keine Prüfung qualifiziert.
Er hat kein Vermögen, weist über die hier angeführten hinaus keine Integrationsmerkmale in beruflicher, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht auf und verfügt über keine weiteren privaten oder familiären Beziehungen in Österreich.
Der Beschwerdeführer war in Österreich 2016/17 für drei Monate in der zugewiesenen Unterkunft gemeldet, seit er untergetaucht ist war er nur noch während der Zeiten seiner Anhaltung angemeldet, 2018 für zusammen zwei Wochen und 2019 für rund 5 Monate.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Algerien ist nach § 1 Z. 10 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Dem Beschwerdeführer droht dort im Falle seiner Rückkehr keine Gefährdung.
Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Sicherheitsbehörden
Die staatlichen Sicherheitskräfte lassen sich unterteilen in nationale Polizei, Gendarmerie, Armee und Zoll (GIZ 12.2016a).
Die dem Innenministerium unterstehende nationale Polizei DGSN wurde in den 90er Jahren von ihrem damaligen Präsidenten, Ali Tounsi, stark ausgebaut und personell erweitert, und zwar von 100.000 auf 200.000 Personen, darunter zahlreiche Frauen. Ihre Aufgaben liegen in der Gewährleistung der örtlichen Sicherheit. Sie ist in den blauen Uniformen sehr präsent und in den Städten überall wahrnehmbar (GIZ 12.2016a, vgl. USDOS 13.4.2016). Der Gendarmerie nationale gehören ca. 180.000 [Anm. GIZ: 180.000; USDOS: 130.000] Personen an, die die Sicherheit auf überregionaler (außerstädtischer) Ebene gewährleisten sollen (GIZ 12.2016a, vgl. USDOS 13.4.2016). Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und verfügt über zahlreiche spezielle Kompetenzen und Ressourcen, wie Hubschrauber, Spezialisten gegen Cyberkriminalität, Sprengstoffspezialisten usw. Mit ihren schwarzen Uniformen sind sie besonders außerhalb der Städte präsent, z. B. bei den häufigen Straßensperren auf den Autobahnen um Algier (GIZ 12.2016a).
Die Gendarmerie locale wurde in den 90er Jahre als eine Art Bürgerwehr eingerichtet, um den Kampf gegen den Terrorismus in den ländlichen Gebieten lokal zielgerichteter führen zu können. Sie umfasst etwa 60.000 Personen (GIZ 12.2016a). Die Armee ANP (Armée nationale populaire) hat seit der Unabhängigkeit eine dominante Stellung inne und besetzt in Staat und Gesellschaft Schlüsselpositionen. Sie zählt allein an Bodentruppen ca. 120.000 Personen und wurde und wird im Kampf gegen den Terrorismus eingesetzt. Die Armee verfügt über besondere Ressourcen, wie hochqualifizierte Militärkrankenhäuser und soziale Einrichtungen (GIZ 12.2016a). Die Zollbehörden nehmen in einem außenhandelsorientierten Land wie Algerien eine wichtige Funktion wahr. Da in Algerien gewaltige Import- und Exportvolumina umgesetzt werden, ist die Anfälligkeit für Korruption hoch (GIZ 12.2016a).
Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.4.2016). Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden werden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB 3.2015). Das Strafgesetz enthält Bestimmungen zur Untersuchung von Missbrauch und Korruption, aber die Regierung veröffentlicht keine Informationen bzgl. disziplinärer oder rechtlicher Maßnahmen gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte (USDOS 13.4.2016).
1.2.2 Rückkehr
Die illegale Ausreise, d. h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 3.2015; vgl. SGG o. D., AA 23.2.2017). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA vor (SGG o. D.). Laut deutscher Botschaft wird das Gesetz auch angewendet; die algerischen Behörden erklären jedoch, das Gesetz sollte nur abschreckende Wirkung entfalten (ÖB 3.2015).
Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge ("harraga") sieht das Gesetz Haftstrafen von drei bis zu fünf Jahren und zusätzliche Geldstrafen vor (AA 23.2.2017).
Eine behördliche Rückkehrhilfe ist ho. nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die Unterstützung leisten. Bekannt ist, dass Familien zurückkehrende Familienmitglieder wiederaufnehmen und unterstützen. Viel bekannter hingegen sind Fälle, in denen Familien Mitglieder mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützen. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Wer nicht von seiner Familie aufgenommen wird und ohne Einkommen ist, wird insbesondere in Algier Schwierigkeiten haben, die hohen Mieten zu zahlen. In Algier wird vermehrt gegen informelle Siedlungen vorgegangen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (EUR 1.000-2.000) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Der algerische Außenminister erklärte gegenüber dem politischen Direktor des BMEIA im Jänner 2013, dass man jederzeit bereit sei, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsangehörige handle. Nachfragen bei EU-Botschaften und Pressemeldungen bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 3.2015).
1.3 Zum Fluchtvorbringen
Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen über eine ihm drohende Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr. Auch sonst ergaben sich im Verfahren keine diesbezüglichen Hinweise.
Es kann nicht festgestellt werden, dass er in Algerien aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde, insbesondere nicht, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zur Familie seines Bruders, der einen Sohn aus einer anderen Familie getötet hätte, einer privaten Verfolgung durch Letztere ausgesetzt gewesen wäre, gegen die der Staat ihn nicht hätte schützen wollen oder nicht hätte schützen können.
Der Beschwerdeführer wäre im Rückkehrfall nicht einer Blutrache aus dem genannten Grund ausgesetzt, gegen die er keinen staatlichen Schutz in Anspruch nehmen könnte.
Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
Dem Beschwerdeführer drohen nach seiner Rückkehr keine Verletzung der EMRK, keine ausweglose Lage und keine willkürliche oder strukturelle Gewalt. Eine nach Algerien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
Das BFA hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.
Das Verwaltungsgericht hat auch die Akten der beiden Schubhaftbeschwerden des Beschwerdeführers eingesehen (W154 2191231-1 und W272 2191231-2) und den Protokollsvermerk des Strafgerichts sowie die Meldung der LPD XXXX vom 14.08.2019 betreffend die Anzeige nach dem SMG berücksichtigt.
Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen bedarf es einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0161), einschließlich der Berücksichtigung der vergangenen Zeit (VwGH 30.05.2018, Ra 2018/18/0085).
Mit Blick darauf entstehen aber keine Bedenken an der Beweiswürdigung, weil der Kern der Fluchtgeschichte gleichbleibend seit der Antragstellung beschrieben wird, auch nach Beiziehung einer Rechtsberaterin und in deren Beisein, wobei der Beschwerdeführer zudem schon mindestens 17 war, aber auch, weil der nunmehr jedenfalls seit etwa einem Jahr Volljährige in den jüngsten Verfahren beim BFA kein anderes Vorbringen erstattete und auch das Beschwerdevorbringen inzwischen weder ergänzte noch änderte.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit sowie seiner Glaubenszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und die Feststellungen des Bescheids, ebenso jene zur Familie und zur Ausbildung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat. Seine Identität steht mangels Vorlage geeigneter Urkunden nicht fest.
Genauere Feststellungen zum Familienleben dort waren wegen der unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht möglich, der 2016 neun Geschwister namentlich aufgezählt hatte (AS 3), 2017 dann angab, er habe neun Geschwister, aber die Namen der Halbgeschwister vergessen (AS 343), sowie schließlich am 28.03.2018, sein Vater sei zweimal verheiratet gewesen und wie die Mutter bereits verstorben. Er habe sieben Geschwister und Halbgeschwister, und davon nur zu einem Bruder Kontakt, der in der Hauptstadt lebe. Am 14.08.2018 gab er auf die Frage nach dem Aufenthalt seiner Familienangehörigen nur mehr an: "In Algerien".
Die Feststellung, dass die Eltern des Beschwerdeführers noch im Herkunftsstaat leben, folgt dagegen dessen erster Aussage samt Altersangaben und der Lebenserfahrung, zumal er Ende 2017 auch die Großmutter als noch im Herkunftsstaat lebend anführt (AS 317).
Damals nannte er drei Brüder und zwei Schwestern als Vollgeschwister mit Namen. Das Alter seines Bruders H. gab er zugleich mit "23-25 Jahre" an. Dieser habe mit ihm bei der Großmutter gewohnt. (AS 319 ff) Erstbefragt hatte er 13 Monate zuvor als dessen Alter 18 angegeben. Die Feststellung im Sinn des Vorgebrachten, dass nicht alle Geschwister des Beschwerdeführers dieselbe Mutter haben, konnte auch anhand dessen Angaben über deren und seiner Eltern Alter sowie notorischem Wissen über den Zeitraum möglicher Fortpflanzung erfolgen.
Die Feststellung des unbekannten Aufenthalts ergab sich aus den Registerabfragen. Wenn der Beschwerdeführer mehrfach angab (z. B. AS 617), bei einer iranischen Familie zu wohnen, zu der er am 28.03.2018 Straße und Hausnummer einer evangelischen Volksschule nannte, wo er "ein normales Leben geführt" habe, wobei diese ihm ihren Namen nicht verraten hätten, reicht das nicht hin, zumal an der Adresse seit 2009 keine Person mehr gemeldet ist.
Die Deutschkenntnisse wurden auf Basis der Angaben des Beschwerdeführers vom 28.03.2018 und der protokollierten Tatsache festgestellt, dass dieser bisher nie, auch nicht im Strafverfahren 2019, ohne Dolmetsch vernommen wurde.
2.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat im Kern behauptet, er sei der Verfolgung durch eine fremde Familie ausgesetzt, die ihn aus Rache über die Tötung (in der Beschwerde: Ermordung) ihres Sohnes durch seinen Bruder umbringen wolle, obwohl dieser Bruder dafür zu 19 Jahren verurteilt worden sei.
Wie bereits das BFA ausführte, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, dieses Vorbringen glaubhaft zu machen, wobei die Zweifel am Wahrheitsgehalt sich aus mehreren Gründen ergeben.
Dem gesteigerten Vorbringen ist mit Vorsicht zu begegnen, weil grundsätzlich davon auszugehen ist, dass kein Asylwerber eine Gelegenheit ungenützt ließe, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten.
Ursprünglich (AS 3 ff, 9) hat der Beschwerdeführer angegeben, er sei am 26.11.2015 per Flugzeug aus dem Herkunftsstaat ausgereist und habe den Entschluss etwa 1,5 Jahre zuvor gefasst. Seine Familie habe nach dem Vorfall entschieden, dass er das Land verlassen solle. Demnach wäre er damals laut Altersfeststellung 13,5 und bei Ausreise 15 gewesen. Die Reise habe er selbst organisiert, den Reisepass im Meer verloren.
Am 27.11.2017 gab er an, der Vorfall habe sich vor "ca. 4 oder 5 Jahren" zugetragen (also etwa 2012/13). Daraus ergäbe sich allerdings, dass der Beschwerdeführer noch deutlich jünger gewesen wäre, als der Fluchtgrund entstand, nach eigenen Angaben sogar erst 11 oder 12. Wie das BFA (AS 362 f) hält auch das Gericht eine Verfolgung in diesem Alter für unglaubwürdig, zumal gegebenen Falls statt der Ausreise die Möglichkeit einer Einschaltung der Behörden ebenso bestanden hätte wie die eines innerstaatlichen Ortswechsels, z. B. in die Hauptstadt, und der Beschwerdeführer dafür auch zwei bis drei Jahre Zeit gehabt hätte, bevor er den Staat verließ.
Das dazu erstattete Vorbringen vermag die Überlegungen des BFA nicht zu entkräften: "Wenn ich Anzeige erstattet hätte, hätte ich eine Bestätigung vorlegen müssen, dass ich bedroht werde." "Auch wenn ich mich verstecke, [...] es wird zu einem Zusammenstoß kommen[,] und sie werden mich töten." (AS 323) Damit wird weder erklärt, wie der Beschwerdeführer die Zeit bis zur Ausreise unbehelligt geblieben sein will, noch sein Verzicht auf die Hilfe der Behörden (denen ja der vorangegangene Sachverhalt bekannt wäre).
Das Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer nicht - wie bisher dargetan - zwei Monate in der Türkei verbracht habe, sondern zwei Jahre, und somit "zeitnahe" vor der Verfolgung geflohen sei, widerspricht mehrfach dem im Verwaltungsverfahren Erklärten. Bereits in der Erstbefragung hat der Beschwerdeführer nicht nur seine Aufenthaltsdauern auf der Reise angegeben (darunter die zwei Monate in der Türkei), sondern auch, dass er den Entschluss zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat vor 1,5 Jahren gefasst habe. Schließlich im Beisein der Rechtsberaterin dazu vernommen, hatte der damals immerhin mindestens 17-jährige Beschwerdeführer nichts korrigiert (AS 323).
Auch das gesteigerte Beschwerdevorbringen, es handle sich bei den Verfolgern um eine um eine Familie, die "über großen Einfluss verfügt und in der Lage wäre, ihn (...) wieder aufzuspüren", wäre bereits in der Vernehmung auf die Rückfrage "Bei 42 Millionen Einwohnern?" (AS 323) statt des dort vermerkten Grinsens zu erwarten gewesen.
Damit vermochte die Beschwerde also keine Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung des BFA zu wecken. Wie das BFA bereits folgerte, ist das Vorbringen damit nicht glaubhaft, könnte sich der Beschwerdeführer ansonsten erfolgreich an die Behörden des Herkunftsstaats wenden und droht ihm dort auch nicht, überall gefunden zu werden.
Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde nicht substantiiert entgegen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung des BFA zu zweifeln, und es sich dieser vollinhaltlich anschließt.
Das Gericht kommt daher - wie auch schon das BFA - zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, im Rückkehrfall drohende und gegen seine Person gerichtete Verfolgung oder Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.
2.3 Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Sie stimmen inhaltlich mit denen im bekämpften Bescheid überein, zu denen der Beschwerdeführer lediglich ausführte, keine innerstaatliche Fluchtalternative zu haben, weil die Algerier alle im Norden lebten, während im Süden Wüste sei. Eine weitere Stellungnahme unterließ er.
Der Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, und auf jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Im Beschwerdeverfahren brachte der Beschwerdeführer vor, der Herkunftsstaat sei möglicherweise fähig, aber jedenfalls nicht willens, ihm Schutz zu bieten. Eine nähere Begründung erfolgte dabei nicht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):
3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass die behauptete private Verfolgung wegen der Möglichkeit, dagegen im Herkunftsstaat Schutz zu erlangen, nicht einmal dann asylrelevante Intensität erreichen könnte, wäre sie feststellbar.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):
3.2.1 Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.
3.2.2 Das Beschwerdevorbringen beinhaltet die Behauptung, es sei "nicht auszuschließen", dass der Beschwerdeführer ohne familiären Rückhalt im Fall der Rückkehr "in eine aussichtslose Lage geraten würde". Angesichts der Feststellungen zur Gesundheit, zum Alter und auch zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gehen diese Bedenken ins Leere.
Es mag sein, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seiner Familie hat, wenngleich er zwischenzeitlich wieder angab, einen solchen zu einem Bruder in der Hauptstadt zu pflegen, jedoch folgt daraus nicht, dass es dem Beschwerdeführer deshalb, wie die Beschwerde andeutet, unmöglich wäre, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
3.2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.
Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch die Angehörigen des Beschwerdeführers unterbleibt, weil er arbeitsfähig ist und nur für sich selbst zu sorgen hat, die dortige Sprache spricht und auch dort aufgewachsen und in die Schule gegangen ist. Inzwischen hat er nach den Feststellungen Auslandsjahre aufzuweisen und hielt sich in mehreren Industriestaaten unterschiedlicher Sprachen auf, was seine Qualifikation erhöht hat.
Er wird angesichts all dessen am heimatlichen Arbeitsmarkt Beschäftigung finden, wenn auch vielleicht nicht qualifizierte Arbeit, so doch jedenfalls Tätigkeiten, die sein Auskommen ermöglichen.
Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.
3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach §§ 55 und 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III):
3.3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels
Eine amtswegige Prüfung, ob ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen wäre, ist nach § 58 Abs. 2 AsylG 2005 nur für den Fall vorgesehen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (VwGH 26.03.2019, Ra 2019/19/0018 mwN). Das ist hier nicht der Fall, weshalb das BFA darüber auch nicht zu entscheiden hatte. Der Spruchpunkt III war demgemäß ohne die Zitierung des § 55 AsylG 2005 zu verfassen.
Im ersten Satz des Spruchpunkts sprach das BFA ferner aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 "AsylG" nicht erteilt werde. Damit war nach der Bescheidbegründung (S. 35, AS 367) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
3.3.2 Rückkehrentscheidung
Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch dessen des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.
Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
Auch eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.
Der Beschwerdeführer ist kurz nach seiner illegalen Einreise untergetaucht, ging nach den Feststellungen keiner erlaubten Arbeit nach, wurde nach dem SMG verurteilt, verfügt nur über geringe Deutschkenntnisse, verkehrt im Kreis anderer Fremder und hat ansonsten weder familiäre noch private Anknüpfungen an das Inland, die über die alltäglichen Verrichtungen sowie die Behördenverfahren und die Kontakte zu Mithäftlingen hinausgingen.
Inzwischen ist der Beschwerdeführer neuerlich untergetaucht, weshalb auch kein sonstiger Integrationsschritt feststellbar war. Es fehlen Hinweise auf die Existenz weiterer unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter Bindungen. Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und jedenfalls auch soziale Anknüpfungspunkte aus Schule und Wohngemeinde und kann auch neue Kontakte schließen und pflegen.
Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch die faktische Einreise sowie den unbegründeten Asylantrag erzwungen hat. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
Im konkreten Fall kommt dazu, dass der Beschwerdeführer nach seinem rund 3-jährigen Aufenthalt im Verhältnis zu dessen Dauer nur wenig Integrationsmerkmale aufweist, und diesen nur mittels eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz nach faktischer Einreise verwirklichen konnte. Er zeigte zudem immer wieder ein den Behörden gegenüber unkooperatives Verhalten (Hungerstreik, Untertauchen) und kaum Respekt vor den geschützten Rechtsgütern, sei es was die Gesundheit anderer anbelangt (Drogendelikte), sei es das Melderecht. Das zeugt von einer geringen Wertschätzung staatlicher Regeln und Einrichtungen.
Das BFA ist daher zu Recht vom Überwiegen der öffentlichen Interessen ausgegangen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.
3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.
Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Algerien einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.
Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, in seinem Leben bedroht, in seiner Unversehrtheit beeinträchtigt oder gar getötet zu werden.
Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Selbst die Beschwerde belässt es beim Vorbringen, ohne dazu konkret den Feststellungen des bekämpften Bescheids mit abweichenden Tatsachenbehauptungen entgegenzutreten.
Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Algerien zumindest notdürftig leben zu können.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich - auch ohne Drogendelikte - wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem besteht in Algerien keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.
Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dort das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht festgestellt worden.
Eine der Abschiebung nach Algerien entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR besteht nicht.
Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.
Die Beschwerde war daher - von den Korrekturen im ersten Satz abgesehen - auch betreffend den Spruchpunkt III abzuweisen.
3.4 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV):
Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das BFA die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (§ 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG). Das ist der Fall.
Die Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt schon wegen dessen kurzen Aufenthalts und der Suchtgiftdelinquenz einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheids, sodass das BFA der Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte, zumal auch kein Grund vorlag, im Rahmen der Ermessensübung davon abzusehen.
Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, sodass sie auch zum Spruchpunkt IV abzuweisen war.
Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Ein Antragsrecht, das auf diese Entscheidung gerichtet wäre, ist nicht vorgesehen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erweist sich damit als unzulässig, weshalb er mit Beschluss zurückzuweisen wäre, würde er nicht mit der Erlassung der vorliegenden inhaltlichen Entscheidung ohnehin gegenstandslos (vgl. VwGH 30.01.2015, Ra 2014/02/0174, mwH).
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Asylgründen, zur Behandlung gesteigerten Vorbringens und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens und der Aufenthaltsdauer bei Rückkehrentscheidungen.
Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen kamen nicht hervor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt wurde durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass die zwischenzeitliche strafgerichtliche Verurteilung ihn nicht entscheidend änderte - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.
Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).
Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.
Schlagworte
Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besondererEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I419.2182442.1.01Zuletzt aktualisiert am
07.04.2020