TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/24 W114 2173389-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2019
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Entscheidungsdatum

24.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W114 2173389-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2017, Zl. 1098093202-151940128/BMI-BFA_STM _RD, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. XXXX , geb. XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), stellte am 06.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

I.2. Im Rahmen der ebenfalls am 06.12.2015 vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EASt erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, am XXXX in Kabul in Afghanistan geboren zu sein. Er sei ledig und habe keine Kinder. Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab er an, dass sein Vater vor etwa 12 Jahren von Unbekannten in Kabul getötet worden sei, weil er Mitglied der "Islamischen Partei Afghanistan" gewesen sei. Seitdem wären der BF und seine Familie mehrmals von den Taliban bedroht worden. Die Familie habe sich aus diesem Grund verstecken müssen und habe deshalb teilweise in Kabul und Mazar-e Sharif gelebt. Aus Angst um sein Leben bzw. dass die Taliban ihm etwas antun würden, habe der BF beschlossen, Afghanistan zu verlassen.

I.3. Aufgrund bestehender Zweifel am angegebenen Alter des Beschwerdeführers holte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Sachverständigengutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung ein. Aus dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.02.2016 ergibt sich ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt (28.01.2016) von 17,6 Jahren und somit das spätestmögliche "fiktive" Geburtsdatum am XXXX . Das vom Beschwerdeführer behauptete Lebensalter bzw. Geburtsdatum sei mit dem festgestellten Mindestalter bzw. "fiktiven" Geburtsdatum nicht vereinbar.

I.4. Am 04.05.2016 langte beim BFA eine Bestätigung der Erzdiözese XXXX vom 26.03.2016 ein, wonach der BF regelmäßig am Glaubensunterricht in der persisch-afghanischen katholischen Gemeinde teilnehme. Nachdem vom BF geäußerten Wunsch, sich katholisch taufen zu lassen, erfolgte am 20.03.2016 die feierliche Aufnahme des BF in das Katechumenat.

I.5. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 15.09.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, sein Vater habe als Kommandant einer islamischen Partei sowohl gegen die Taliban als auch die Regierung gekämpft. Nach dessen Tod habe die Partei vom BF und seinem Bruder verlangt, als Mitglieder der Partei für sie zu kämpfen. Dies habe der BF und seine Familie jedoch nicht gewollt. Daher wären der BF und seine Familie nicht nur von den Taliban und der Regierung, sondern auch von der islamischen Partei bedroht worden.

Befragt zu seiner Religionszugehörigkeit, gab der BF an, dass er aus dem islamischen Glauben ausgetreten sei und derzeit keiner Religionsgemeinschaft angehöre. Seitdem ihm ein Paar in Traiskirchen vom Christentum erzählt habe, interessiere er sich jedoch für diese Religion. Er habe bereits christliche Kurse in der Kirche besucht und beabsichtige zudem einen Taufvorbereitungskurs zu absolvieren. An den Islam glaube er nicht mehr. Er wolle auch nichts mehr mit dieser Religion zu tun haben. Die im Islam vertretene Ansicht, dass man Angehörige einer anderen Religionsgemeinschaft töten sollte, entspreche nicht seiner Sicht- und Denkweise.

Zu seinen Befürchtungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan befragt, erklärte der BF, dass sein Leben und das seiner Familie in Gefahr sein würde, da er aus dem Islam ausgetreten sei, sich im Ausland aufgehalten habe und die deutsche Sprache gelernt habe.

I.6. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark, vom 25.09.2017, Zl. 1098093202-151940128/BMI-BFA_STM _RD, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Zusammenfassend führte das BFA in dieser Entscheidung aus, dass eine asylrelevante Verfolgungsgefahr für den BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit gegeben sei. Dem BF könne auch eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere in die Städte Kabul und Mazar-e Sharif, zugemutet werden.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 03.10.2017 zugestellt.

I.7. Mit Schriftsatz vom 09.10.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, Beschwerde und beantragte, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, allenfalls den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückzuverweisen, allenfalls dem BF subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, und einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen, allenfalls eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

In der Beschwerde führte der BF hinsichtlich seiner Hinwendung zum Christentum aus, dass er in Traiskirchen zum ersten Mal in Berührung mit dem Christentum gekommen sei und sich seitdem für diese Religion interessiere. Er habe daraufhin Messen in XXXX besucht und am Glaubensunterricht in der persisch-afghanischen katholischen Gemeinde der Erzdiözese teilgenommen. Seit seiner Verlegung nach XXXX besuche der BF regelmäßig die katholische Messe und nehme an der Katechese in XXXX teil, da er sich zu Ostern 2018 taufen lassen möchte.

I.8. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 13.10.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

I.9. Am 27.11.2018 legte der BF mehrere Unterlagen, darunter insbesondere eine Bescheinigung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft der BH XXXX sowie einen Taufschein der Diözese XXXX vom XXXX vor. In einem ebenfalls vorgelegten Empfehlungsschreiben des Abtes des Benediktinerstifts XXXX , Abt XXXX , führte dieser aus, dass er den BF nach gründlicher Vorbereitung am XXXX in der Pfarre XXXX getauft habe. Dem BF sei ein gelebtes Christ-sein sehr wichtig. Der Abt sei der Überzeugung, dass der BF wirklich und aus freien Stücken konvertiert und Christ sei, weshalb er ihm auch ausnahmsweise ein Gästezimmer auf Dauer im Stift XXXX gegeben habe. Der BF sei eine sehr hilfsbereite und verlässliche Person und habe sich in der Gemeinde hervorragend integriert.

I.10. Diese Unterlagen wurden dem BFA mit Schreiben des BVwG vom 02.08.2019, GZ W114 2173389-1/9Z, mit dem Hinweis ins Parteigehör geschickt, dass das BVwG seine Entscheidung auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse erlasse, sollte eine allfällige Stellungnahme des BFA nicht anderes erfordern.

Vom BFA wurde hierzu innerhalb der zugestandenen Frist jedoch keine Stellungnahme abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger. Am 06.12.2015 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Beschwerdeführer entstammt einer muslimischen Familie, hat sich jedoch vom Islam abgewandt und ist in Österreich zum Christentum konvertiert.

Der Beschwerdeführer befindet sich zumindest seit 06.12.2015 in Österreich, besuchte regelmäßig den Taufunterricht der persisch-afghanischen katholischen Gemeinde der Erzdiözese XXXX sowie den Gottesdienst, beteiligte sich aktiv in dieser Gemeinde, wechselte nach XXXX und beteiligte bzw. beteiligt sich aktiv in dieser Gemeinde und wurde schließlich am XXXX dort getauft. Der BF fand Unterkunft in einem Zimmer im Benediktinerstift XXXX . Dieses wurde ihm vom Abt des Stifts, welcher von der ernsthaften Hinwendung des BF zum Christentum überzeugt ist, angeboten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Wegen seines Abfalls vom muslimischen Glauben und des Scharia-widrigen Verhaltens drohen dem BF in Afghanistan grundlegende Beeinträchtigungen seiner Menschenrechte, wenn nicht sogar die Ermordung durch radikalislamische Personen, wobei der afghanische Staat nicht willens, zumindest aber nicht fähig ist, den BF insoweit vor den drohenden Repressionen zu schützen. Allenfalls würde der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch vom afghanischen Staat selbst wegen seiner Abkehr vom islamischen Glauben und Hinwendung zum Christentum verfolgt werden.

1.2. Religionsfreiheit in Afghanistan:

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Bahai und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.01.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 09.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.01.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.08.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 08.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.05.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express 16.05.2012).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.08.2016).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9.2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.08.2016).

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.01.2016).

Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 08.11.2016).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.08.2016).

1.3. Konversionen zum Christentum in Afghanistan:

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 9.2016). Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich in der Regel nicht öffentlich bekennen (AA 02.03.2015; vgl. auch: USDOS.10.08.2016).

Nichtmuslim/innen, z.B. Sikhs, Hindus und Christen, sind Belästigungen ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt. Nachdem Religion und Ethnie stark miteinander verbunden sind, ist es schwierig die vielen Vorfälle nur als Vorfälle wegen religiöser Identität zu kategorisieren (USDOS 10.08.2016).

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen (AA 9.2016). Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte (AA 9.2016; vgl. USDOS 10.08.2016) - sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 10.08.2016). Niemand wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (AA 9.2016).

Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen (CRS 08.11.2016). Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u.a. in verschiedenen Botschaften sowie auf dem Gelände der internationalen Truppen statt (AA 9.2016). Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 05.04.2012).

Einige Konversionsfälle von Christen haben zu harten Strafen geführt und dadurch internationale Aufmerksamkeit erlangt (CRS 08.11.2016). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.02.2015; vgl. BBC 15.10.2014).

Auszug ACCORD-Anfragebeantwortung zu christlichen Konvertiten vom 01.06.2017:

Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) bemerkte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016), dass Christen als religiöse Gruppe in der afghanischen Verfassung "(wohl bewusst) nicht genannt" würden, während Sikhs und Hindus in der Verfassung genannt würden und die gleichen Rechte hinsichtlich der Religionsausübung zuerkannt bekämen wie Muslime schiitischer Konfession. Da es jedoch niemanden gebe, der in der Lage sei, die Verfassung umzusetzen, könne "die Verfassung einen Christen wohl auch dann nicht schützen, wenn die Verfassung die Religionsausübung von Christen garantieren würde und sich ein Christ auf die Verfassung berufen könnte". (ACCORD, Juni 2016, S. 10).

Ruttig geht im Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) wie folgt auf die Lage von christlichen Konvertiten ein:

"Die Gleichberechtigung gilt nicht für die zunehmende Zahl von Christen, bei denen es sich ausschließlich um Konvertiten (oft durch evangelikale Gruppen; aber auch bewusste Abwendungen vom Islam unter Gebildeten) und nicht um autochthone Gruppen handelt. Als ehemalige Muslime gelten sie als Abtrünnige, worauf nach der Scharia (siehe Rechtssysteme) die Todesstrafe stehen kann. Ihre Zahl ist nicht bekannt. Es gibt heute eine ganze Reihe von Afghanen, die zum Christentum übergetreten sind. Sie tun alle sehr wohl daran, ihren Glaubensübertritt nicht (weitestgehend nicht einmal gegenüber der eigenen Familie) bekanntzugeben. Es handelt sich zum Teil um Angehörige stark unterprivilegierter Gruppen (Straßenkinder, sehr arme Familien), die über humanitäre Ausreichungen konvertiert worden sind und ich habe auch Leute von denen getroffen, die oft nur geringe Kenntnisse über das Christentum haben. Aber es gibt auch sehr bewusste Entscheidungen unter gebildeten Afghanen, die sich bewusst vom Islam abwenden und Christen werden. Mir sind persönlich Fälle von drei oder vier Leuten bekannt (aber es gibt natürlich viel mehr!), deren Konversion bekannt geworden ist, die dann aus Afghanistan gerettet und ausgeflogen werden mussten. Konversion ist einfach nicht vorgesehen, deswegen stehen diese Christen unter starkem Verfolgungsdruck." (ACCORD, Juni 2016, S. 8-9):

"Afghanen, die einer Konversion beschuldigt werden, stehen völlig im Regen. Es gibt niemanden, der ihnen helfen kann. Falls die Sache vor ein staatliches Gericht kommt (was unwahrscheinlich ist), dann sehen sich die Richter ideologisch derart gezwungen, nach der Scharia zu urteilen, dass der Fall nur schlecht für den Betroffenen ausgehen kann." (ACCORD, Juni 2016, S. 10)."

UNHCR schreibt Folgendes über gesellschaftliche Haltungen gegenüber Christen sowie über das Vorgehen der Taliban gegen (vermeintlich) christliche ausländische Hilfsorganisationen:

"Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist Berichten zufolge weiterhin offen feindlich. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. In Afghanistan existieren keine öffentlichen Kirchen mehr und Christen beten allein oder in kleinen Versammlungen in Privathäusern. Im Jahr 2013 riefen vier Parlamentsmitglieder Berichten zufolge zur Hinrichtung von Personen auf, die zum Christentum konvertiert sind. Die Taliban haben Berichten zufolge ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien." (UNHCR, 19.04.2016, S. 58-59)."

Die staatliche United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt im April 2017, dass nichtmuslimische religiöse Gemeinschaften weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung, Schikanierung und mitunter auch Gewalt betroffen seien. Es würden unter anderem Berichte über Schikanen gegen vom Islam konvertierte Personen vorliegen. Mitglieder nichtmuslimischer Gemeinschaften hätten berichtet, dass allgemein vorherrschende Unsicherheit und Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten sie dazu bewegt hätten, das Land zu verlassen (USCIRF, 26. April 2017).

Das USDOS bemerkt, dass Christen aus Angst vor staatlichen Repressalien weiterhin Situationen aus dem Weg gehen würden, die geeignet wären, bei der Regierung den Eindruck zu erwecken, sie würden versuchen, ihre Religion zu verbreiten. Weiters hätten Christen angegeben, dass die öffentliche Meinung gegenüber christlichen Konvertiten und der Idee der christlichen Missionierung feindselig sei. Mitglieder der kleinen christlichen Gemeinde, von denen viele im Ausland zum Christentum konvertiert seien, würden aus Angst vor Diskriminierung oder Verfolgung weiterhin alleine oder in kleinen Gruppen in Privathäusern Gottesdienst halten. Es gebe weiterhin keine öffentlichen christlichen Kirchen in Afghanistan. Für nichtafghanische Staatsangehörige unterschiedlicher Glaubensrichtungen gebe es Gebetsstätten innerhalb von Militäreinrichtungen der Koalitionstruppen sowie in Botschaften in Kabul (USDOS, 10.08.2016, Section 2).

Der Deutschlandfunk, ein öffentlich-rechtlicher Radiosender mit Sitz in Köln, zitiert im Februar 2017 den deutschen reformierten Theologen und Religionswissenschaftler Thomas Schirrmacher mit folgender Aussage, die sich auf Übertritte afghanischer Asylwerber zum Christentum bezieht:

"Für viele Muslime ist die Sache hoch gefährlich, weil im Islam eine Strafe auf Apostasie und Blasphemie steht. Und sie können dann so oder so nicht mehr in ihre Länder zurück. Im Regelfall wird aber auch die Familie sie verstoßen. In Afghanistan gibt es - ja man kann schon sagen - ein Kampf auf Leben und Tod zwischen dem offiziellen Islam und allen abweichenden Formen und der zweitgrößten Religion im Land, dem Christentum." (Deutschlandfunk, 13.02.2017).

Die Evangelische Allianz in Deutschland (EAD) beschreibt die Lage von Christen wie folgt:

"Gemeinden leben fast ausschließlich als Untergrundkirche, und es gab nur eine leichte Verbesserung seit dem Sturz der Taliban. Gläubige aus dem Ausland, die stark zugenommen haben, können nur sehr vorsichtig ihren Glauben bezeugen. Die Zahl der afghanischen Gläubigen wächst, ebenso die Mittel, die zur Verfügung stehen, um ihnen zu helfen. [ ] Werden spirituellen Aktivitäten unter den Gläubigen entdeckt, wird auf dem muslimischem Hintergrund in den Medien intensiv darüber berichtet und versichert, hart durchzugreifen bis hin zur Todesstrafe." (EAD, 09.06.2015).

1.4. Zum Glaubensabfall und zu den daraus sich ergebenden Konsequenzen bei einer Rückkehr nach Afghanistan:

Im afghanischen Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.08.2016).

Der Ausdruck Apostasie bezeichnet in der Theologie die Abwendung von einer Religionszugehörigkeit (beispielsweise Kirchenaustritt oder Übertritt zu einem anderen Bekenntnis, Konversion).

Apostasie, im Islam Ridda oder Irtidad genannt, bezeichnet den "Abfall vom Islam". Der Abtrünnige selbst wird Murtadd genannt. Auf Grundlage von Hadithen und Idschma' ist die Apostasie islamrechtlich mit der Todesstrafe zu ahnden, obwohl der Koran selbst keine Strafe im Diesseits vorsieht (William Heffening: Murtadd. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 7, S. 635). In Ländern, deren staatliche Rechtsordnung sich an der Scharia orientiert, die aber keine islamischen Gerichtshöfe mehr haben, kann der bekundete "Abfall vom islamischen Glauben" zivilrechtliche (Erbrecht, Eherecht) und strafrechtliche Konsequenzen haben.

In der Hadithliteratur ist der Befehl zur Tötung desjenigen, der seine Religion wechselt, in mehreren Überlieferungen verzeichnet (Frank Griffel: Apostasie und Toleranz Im Islam. Brill, 2000. S. 51-66). Nach der allgemein gültigen islamischen Rechtsauffassung wird der Abfall vom Islam mit dem Tode bestraft. Die älteste Rechtsquelle, die die Todesstrafe bei Apostasie legitimiert, ist, wie oben dargestellt, nicht im Koran, sondern in der zweitwichtigsten Quelle der Jurisprudenz, im Hadith und in dem damit verbundenen Konsens der Rechtsgelehrten nachweisbar. Der Prophetenspruch: "wer seine Religion wechselt, dem schlagt den Kopf ab" erscheint in der kodifizierten Rechtsliteratur erstmals im Muwatta' des medinensischen Gelehrten Malik ibn Anas mit einem zunächst unvollständigem Isnad als Rechtsdirektive Mohammeds (al-Muwatta', Kitab al-Aqdiya, Kapitel 18. Band 2, S. 736 (Hrsg.

Muhammad Fu'ad 'Abd al-Baqi. Kairo, o. J.; Ignaz Goldziher:

Muhammedanische Studien, Band 2, S. 215-217).

Bei der Umsetzung der im islamischen Recht vorgeschriebenen Todesstrafe bei Religionswechsel eines Muslims hatte auch ein weiterer und in der Rechtslehre nicht unumstrittener Aspekt Bedeutung: die Frage der Reue und Umkehr des Apostaten, die schon im Koran, wie oben erwähnt, als Rettung vor Gottes Strafe im Jenseits betont wird. Beim Tatbestand der Apostasie gebietet die Rechtslehre zunächst die "Aufforderung zur Reue" (istitaba), die in der überlieferten Rechtspraxis allerdings unterschiedlich angewandt wurde. In der Entwicklung der innermuslimischen Jurisdiktion hat sich die Aufforderung des Apostaten zur Reue in allen Rechtsschulen in den Rechtskategorien zwischen pflichtmäßig und wünschenswert etabliert.

Jene Länder, deren Rechtsordnung dem islamischen Recht folgend die Todesstrafe für Apostasie vorsehen, sind der folgenden Ablichtung zu entnehmen. Darunter befindet sich auch Afghanistan:

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Selbst in Fällen, in denen der Abfall vom Islam keine strafrechtlichen Konsequenzen hat, drohen in einigen islamischen Ländern zivilrechtliche Folgen, die dort mit dem klassischen islamischen Recht begründet werden. Strafen können sein:

* die Ehe zwischen dem Apostaten und dem muslimischen Ehepartner wird aufgelöst

* die gemeinsamen Kinder bleiben Muslime und sind vom muslimischen Elternteil zu erziehen,

* erbrechtliche Ansprüche eines Apostaten/einer Apostatin sind islamrechtlich erloschen,

* das Vermögen des Apostaten wird vom Staat eingezogen.

Im Sudan, Jemen und Iran sowie in Saudi-Arabien, Katar, Pakistan, Afghanistan, Somalia und in Mauretanien kann Abfall vom Islam noch heute mit dem Tode bestraft werden, und es werden vereinzelt auch Hinrichtungen durchgeführt.

In Afghanistan drohte im Jahre 2006 Abdul Rahman wegen Konversion zum Christentum die Todesstrafe, nachdem sein Vater sein Bekenntnis zum Christentum der Polizei gemeldet hatte und eine Bibel bei ihm entdeckt worden war. Das Verfahren wurde nach internationaler Intervention - laut offiziellen Angaben wegen Verfahrensmängeln - vor der Prozesseröffnung eingestellt. Abdul Rahman wurde für geisteskrank erklärt und bekam in Italien Asyl.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen sowie den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF vor dem BFA und in der Beschwerde.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellung, dass sich der BF vom Islam abgewandt hat und zum Christentum konvertiert ist, ergibt sich in einer Gesamtschau der diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF vor dem BFA sowie den Beschwerdeausführungen, die durch vom BF beigebrachte Unterlagen, insbesondere aus einem Empfehlungsschreiben des Abts des Benediktinerstifts XXXX , welcher den Beschwerdeführer während der Taufvorbereitung betreut und schließlich auch getauft hat. Er bestätigt, dass der BF es mit dem Christ-sein ernst nehme und er ihm aus diesem Grund auch ein Gästezimmer im Benediktinerstift XXXX gegeben habe.

Aus alledem lässt sich ableiten, dass sich der BF während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung, faktisch und für Dritte wahrnehmbar zum christlichen Glauben hingewendet hat und die Konversion nicht bloß zum Schein erfolgt ist, und dass der Beschwerdeführer ein fortgesetztes Interesse und einen Willen zur Ausübung des christlichen Glaubens hat.

Somit ist aus den dargelegten plausiblen Gründen in gesamthafter Betrachtung davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben hingewendet hat und dass der Beschwerdeführer auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan beabsichtigen würde, die von ihm gewählte Religion auszuüben.

Da dem Beschwerdeführer bereits aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben Asyl zuzuerkennen war (siehe rechtliche Beurteilung), konnte eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit etwaigen weiteren asylrelevanten Aspekten im Vorbringen des Beschwerdeführers unterbleiben.

2.2. Zu den Länderfeststellungen betreffend die Religionsfreiheit und Konversionen zum Christentum in Afghanistan sowie den Glaubensabfall und zu den daraus sich ergebenden Konsequenzen bei einer Rückkehr nach Afghanistan:

Die Länderfeststellungen gründen sich auf das vom BFA eingebrachte Länderinformationsblatt Afghanistan, Stand 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019), und die jeweils angeführten Länderberichte angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des BF (insbesondere Abkehr vom Islam und Konversion) nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines erörtert - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur Genfer Flüchtlingskonvention judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341, mwN).

Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Ein in der Praxis häufiges Beispiel für sogenannte subjektive Nachfluchtgründe ist die im Zufluchtsstaat erfolgende Konversion zum Christentum insbesondere bei Asylwerbern aus islamischen Staaten. Auch wenn in einem solchen Fall der Nachweis einer (religiösen) Überzeugung, die bereits im Heimatstaat bestanden hat, nicht erbracht werden kann, drohen dem Antragsteller bei seiner Rückkehr in den Heimatstaat gegebenenfalls Sanktionen, die von ihrer Intensität und ihrem Grund her an sich asylrelevant sind. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt in diesen Fällen nicht darauf ab, ob die entsprechende Überzeugung bereits im Heimatland bestanden hat (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675). Vielmehr ist maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. dazu VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544, mwN). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675; 14.11.2007, 2004/20/0485, sowie VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde/des Gerichtes (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, drohende Verfolgung glaubhaft zu machen:

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Konvertit Verfolgung durch afghanische Behörden, aber auch durch Privatpersonen fürchten muss, zumal sein Abfall vom Islam und seine Hinwendung zum Christentum durch sein öffentliches Handeln im Rahmen des XXXX auch nach außen hin deutlich erkannt werden kann und jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass er dabei von anderen Personen, die Kontakt nach Afghanistan haben, beobachtet wurde. Seine Hinwendung zum Christentum ist auch nach außen hin deutlich erkennbar, zumal ihm der Abt des XXXX auch die Möglichkeit eingeräumt hat, auf Dauer im Kloster zu wohnen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass dieser Umstand bereits in Afghanistan bekannt ist, zumal der Beschwerdeführer sehr aktiv am religiösen Leben in einer österreichischen, christlichen Gemeinde teilnimmt. Gemäß den Länderfeststellungen haben Konvertiten in Afghanistan mit sozialer Ausgrenzung und Gewalt (insbesondere) durch Familien- und Gemeinschaftsangehörige und durch die Taliban sowie mit strafrechtlicher Verfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen. In der gegenständlichen Angelegenheit ist der Beschwerdeführer daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Verfolgungshandlungen betroffen. Diese Verfolgung, die der Beschwerdeführer zu befürchten hat, wurzelt in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe, nämlich in seiner Religion. Sie ist auch nicht etwa auf einen bestimmten Landesteil beschränkt, da ihm die Entdeckung als Christ überall droht. Eine inländische Fluchtalternative kommt daher für den Beschwerdeführer nicht in Frage.

Nach den Feststellungen zu Afghanistan kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer ausreichender staatlicher Schutz zuteilwerden würde, weil die Verfolgung auch von staatlichen Stellen ausgehen kann und die afghanischen Behörden in verfahrensgegenständlichen Angelegenheit daher jedenfalls nicht als schutzwillig anzusehen sind.

Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb Afghanistans aufhält und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Speziell ist im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 auf die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zu verweisen.

Da keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz am 06.12.2015 und somit nach dem 15.11.2015 gestellt hat, ist die Bestimmung des § 3 Abs. 4 AsylG 2005 (Asyl auf Zeit) gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 anzuwenden. Demnach kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

Aufgrund der Zuerkennung von Asyl (Spruchpunkt I.) sind die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheides gegenstandslos geworden.

Der Beschwerdeanregung, näher bezeichnete Fragen zur Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV an den EuGH heranzutragen, war nicht näher zu treten, weil in der vorliegenden Rechtssache den in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU genannten Vorgaben durch die erfolgte inhaltliche Prüfung entsprochen wurde und die aufgeworfenen Bedenken an der Umsetzung der genannten Richtlinienbestimmung im (nationalen) § 11 AsylG 2005 somit nicht geteilt werden.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde sowie den vorgelegten Unterlagen als für die vorliegende Entscheidung geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN).

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, befristete
Aufenthaltsberechtigung, gesamtes Staatsgebiet, Konversion,
Nachfluchtgründe, Religion, Schutzunwilligkeit, wohlbegründete
Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W114.2173389.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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