TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/6 W141 2222692-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2019
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Entscheidungsdatum

06.11.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W141 2222692-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie die fachkundige Laienrichterin

Mag. Bettina PINTER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,

geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den KBOV - Der Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 16.07.2019,

OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit Wirksamkeit 12.10.2017 wurde der Beschwerdeführerin vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) ein befristeter Behindertenpass bis 01.05.2019 ausgestellt und ein Grad der Behinderung von 50 % eingetragen.

1.2. Am 27.03.2019 hat die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 14.06.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 40 vH bewertet wurde.

2.2. Mit Schreiben vom 17.06.2019 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt dazu, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens, eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

2.3. Mit bei der belangten Behörde am 02.07.2019 einlangtem Schreiben brachte die Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ein.

Ohne Vorlage von Unterlagen wurde von der Beschwerdeführerin ausführlich zu den im Sachverständigengutachten festgestellten Leiden Stellung genommen. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die im Rahmen der medizinischen Untersuchung festgestellten Leiden nicht den Tatsachen entsprechen würden und sie sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einverstanden erkläre.

2.4. Zur Überprüfung der schriftlichen Stellungnahme wurde von der belangten Behörde eine Stellungnahme desselben Facharztes für Orthopädie, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung weiterhin mit 40 vH bewertet wurde.

2.5. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 40 vH vorliegen würde. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

3. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

Unter Vorlage eines Schreibens der PVA vom 23.07.2019 wurde im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass keine Besserung des Leidens vorliegend sei. Sie leide nach wie vor an radiologischen Veränderungen und sei die Beschwerdeführerin nach wie vor maßgeblich im Alltag eingeschränkt. Der Grad der Behinderung von 50 vH liege ihrer Ansicht nach immer noch vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand: gut

Ernährungszustand: sehr gut

Größe: 165,00 cm Gewicht: 90,00 kg

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput unauffällig, Collum o.B., WS im Lot, HWS in R 40-0-40, F 10-0-10, KJA 2 cm, Reklination 14 cm. BWS-drehung 35-0-35, normale Lendenlordose, FKBA 45 cm, Seitneigung bis 20 cm ober Patella. Geringer Beckenschiefstand. Thorax symmetrisch, Abdomen unauffällig.

Beide Schultern in S 40-0-170, F 170-0-50, R bei F90 70-0-70, Ellbögen 0-0-130, Handgelenke 50-0-60, Faustschluß beidseits frei. Nacken-und Kreuzgriff möglich. Hüftgelenke in S 0-0-100, F 35-0-30, R 25-0-10, Kniegelenke beidseits 0-0-125, Sprunggelenke rechts 0-15-30 zu links 10-0-40.

Gesamtmobilität - Gangbild: Gang in orthopädischen Schuhen mit und ohne Gehbehelf (mitgebrachter Rollator) durchführbar. Zehenspitzenstand und Fersenstand rechts erschwert.

Status Psychicus: Normale Vigilanz, regulärer Ductus. Ausgeglichene Stimmungslage.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

1

Zustand nach Laminektomie TH12 und Teillaminektomie L1 am 15.09.2017 Oberer Rahmensatz, da Restperonäusschwäche rechts

02.01.02

40 vH

2

Krampfadern Eine Stufe über dem unterem Rahmensatz bei Krampfadern und Ödemen aber keine wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit

05.08.01

20 vH

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH. Das Leiden 1 wird durch das Leiden 2 nicht erhöht, da keine negative wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 20.12.2017 ist es zu einer Änderung des Gesamtgrades der Behinderung aufgrund der Besserung des Leidens 1 durch Gewöhnung und Besserung der Gehfähigkeit in orthopädischen Schuhen gekommen.

1.3. Der gegenständliche Antrag ist am 27.03.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten - basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin -, sowie der eingeholten medizinischen Stellungnahme - basierend auf der Aktenlage -, auf den vorgelegten medizinischen Beweismitteln sowie der Aktenlage.

Das durch die belangte Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten und die medizinische Stellungnahme sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Der befasste Sachverständige fasst die vorgelegten Beweismittel nachvollziehbar wie folgt zusammen:

Vorgutachten 12/2017; Pflegegeldgutachten 4/2018: Obere Extremitäten: grobe Kraft beidseits gleich, Faustschluss beidseits normal, Pinzettengriff beidseits ausreichend sicher, Nackengriff und Schürzengriff beidseits vollständig, Gelenke beidseits endlagig etwas bewegungseingeschränkt. Untere Extremitäten: Peroneusschwäche rechts, Fuß heben nicht möglich, grobe Kraft rechts schwächer, der Fingerbodenabstand beträgt circa 30 Zentimeter im Sitzen, Gelenke beidseits endlagig etwas bewegungseingeschränkt, beidseits Varizen, keine Knöchelödeme, Lasegue beidseits negativ. Vegetativum: keine Stuhlinkontinenz, keine Harninkontinenz. Zustand nach Wirbelsäulenoperation mit bleibender Peroneusschwäche rechts bei Bandscheibenvorfall. Pflegestufe 1. Nachuntersuchung in einem Jahr, weil Besserung wahrscheinlich.

Die vorgelegten medizinischen Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und der befasste Sachverständige hat sich im Rahmen der Gutachtenserstellung und der Stellungnahme damit auseinandergesetzt. Die angeführten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Der Sachverständige schätzte das führende Leiden unter der Nummer 1, Zustand nach Laminektomie TH12 und Teillaminektomie L1 am 15.09.2017, schlüssig und nachvollziehbar unter der Richtsatzposition 02.01.02 mit dem oberen Rahmensatz, mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH ein. Der Sachverständige wählte den oberen Rahmensatz, da eine Restperonäusschwäche rechts vorliegt. Es ist eine Besserung des Leidens durch die Gewöhnung und Besserung der Gehfähigkeit in orthopädischen Schuhen eingetreten.

Im Unterschied zum Vorgutachten, war es nunmehr möglich die Beweglichkeit der Hüft- und Kniegelenke zu überprüfen, diese zeigte sich aber noch eingeschränkt. Der Zehenspitzenstand und der Fersenstand zeigten sich nunmehr durchführbar, wenn auch rechts erschwert. Die Beschwerdeführerin konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchung ohne Gehbehelfe in den orthopädischen Schuhen gehen. Insgesamt geht aus der persönlichen Untersuchung im Vergleich zum klinischen Bild im Rahmen des Vorgutachtens 2017 nunmehr eine Besserung der Beweglichkeit hervor, sodass die Herabsetzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist.

Der Sachverständige nimmt sehr ausführlich zu den Einsprüchen der Beschwerdeführerin Stellung. Es wird erläutert, dass ein sicheres Gehen bei der Beschwerdeführerin durch die orthopädischen Schuhe nunmehr möglich ist und keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bestehen.

Unter die Positionsnummer 02.01.02 fallen rezidivierende Episoden über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika. Mit einem Grad von 40 vH werden dabei auch Dauerschmerzen mit eventuell episodischen Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen und maßgebliche Einschränkungen im Alltag eingestuft.

Die Beschwerdeführerin hat keine aktuellen Befunde vorgelegt, welche einen schlechteren Gesundheitszustand als gutachterlich beurteilt belegen würden. Die Weitergewährung des Pflegegeldes der Stufe 1 vermag die Beibehaltung des Grades der Behinderung von 50 vH, im Hinblick auf das Vorliegen eines aktuellen Sachverständigengutachtens, nicht zu rechtfertigen.

Aufgrund der festgestellten Verbesserung des Zustandes der Beschwerdeführerin im Rahmen der persönlichen Untersuchung und den Ausführungen in der Einschätzungsverordnung ist dem Sachverständigen und der nunmehr neuerlichen Einschätzung des Grades der Behinderung der unter laufender Nummer 1 angeführten Funktionseinschränkung mit 40 vH nichts entgegenzuhalten.

Das Leiden Krampfadern unter der laufenden Nummer 2 wird unter der Position 05.08.01 unverändert mit einem Grad der Behinderung von 20 vH erfasst. Wie bereits in der Voruntersuchung wurde unverändert eine Stufe über dem unteren Rahmensatz gewählt, da keine wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit vorliegt.

Der befasste Sachverständige hält nachvollziehbar fest, dass der Gesamtgrad der Behinderung mit 40 vH zu bewerten ist und führt diesbezüglich weiter aus, dass das führende Leiden 1, Zustand nach Laminektomie TH12 und Teillaminektomie L1, durch das Leiden 2 nicht weiter erhöht wird, da keine negative wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden somit in den eingeholten Sachverständigengutachten dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Das Beschwerdevorbringen war somit nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliegt, zu entkräften.

Die Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Das Sachverständigengutachten und die medizinische Stellungnahme werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Zu 1.3.) Der Antrag der Beschwerdeführerin weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 27.03.2019 auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 1 sowie § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft.

Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 27.03.2019 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Da ein Grad der Behinderung von 40 vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher im erstinstanzlichen Verfahren ein ärztliches Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, sowie eine weitere medizinische Stellungnahme, basierend auf der Aktenlage, eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass das eingeholte Sachverständigengutachten und die medizinische Stellungnahme schlüssig und frei von Widersprüchen sind, angeschlossen. Die erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen hervorzurufen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W141.2222692.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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