Entscheidungsdatum
15.11.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G306 2196601-1/18E
G306 2196596-1/14E
G306 2196598-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, 2.) des XXXX, geb. XXXX, und 3.) der XXXX, geb. XXXX, allesamt StA. Irak, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAUT, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2018, Zlen.XXXX,XXXX und XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.04.2019, zu Recht erkannt:
A)
I. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und XXXX, geb. XXXX, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, sowie XXXX, geb. XXXX, und XXXX, geb. XXXX, gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 jeweils der Status des/der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt XXXX, XXXXund XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu.
III. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX, XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die jeweiligen Spruchpunkte
II. bis V. der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.
V. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes VIII. des angefochtenen Bescheides des Erstbeschwerdeführers, Zl. 15-XXXX, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) stellte am 22.08.2015, der Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden BF2) sowie die Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF3), diese gesetzlich vertreten durch den BF1, stellten am 29.10.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).
2. Am 23.08.2015 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung des BF1 und am 29.10.2015 jene der ehemaligen Frau des BF und Mutter des BF2 und der BF3, XXXX, geb. XXXX, StA: Irak (im Folgenden: EX-Frau), statt.
3. Am 06.03.2018 wurde der BF1, die EX-Frau des BF1 sowie der BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Asylverfahren einvernommen.
4. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheiden des BFA, den Beschwerdeführern (im Folgenden: BF) zugestellt am 04.05.2018, wurden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), sowie gemäß § 55 Abs. 1a 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgelegt. (Spruchpunkt VII.). Hinsichtlich des BF1 wurde zudem mit einem Spruchpunkt VIII. gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG festgestellt, dass dieser sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab demXXXX2018 verloren hat.
5. Mit per E-Mail am 24.05.2018 beim BFA eingebrachtem gemeinsamen Schriftsatz erhoben die BF durch ihren Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen die im Spruch genannten Bescheide an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).
Darin wurden die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Zuerkennung von internationalem Schutz beantragt.
6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt, und langten am 29.05.2018 ein.
7. Mit Beschlüssen des BVwG, G306 2196601-1/2Z, G306 2196596-1/2Z und G306 2196598-1/2Z, vom 29.05.2018, wurde den Beschwerden der BF die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
8. Am 05.12.2018 reiste die EX-Frau des BF1, gemeinsam mit dem BF2, der BF3 und zwei weiteren gemeinsamen Kindern, XXXX, geb. XXXX (Im Folgenden Sohn A.) und XXXX, geb. XXXX, (im Folgenden: Sohn I.) aus dem Bundesgebiet aus, woraufhin mit Beschlüssen des erkennenden Gerichtes, GZen. G306 2196606-1/7E, -2196596-1/7E, -2196598-1/6E, -2196594-1/6E und -2196603-1/6E, vom 25.01.2019, die jeweils anhängigen Verfahren der besagten Personen eingestellt wurden.
9. Mit Beschlüssen des BVwG, Gzen. G306 2196596-1/11Z und 2196598-1/10Z, vom 16.05.2019, wurden die Beschwerdeverfahren des BF2 und der BF3 fortgesetzt.
10. Am 02.04.2019 fand in der Grazer Außenstelle des BVwG eine mündliche Verhandlung statt, an jener der BF1, der BF2 und die BF3 sowie deren RV persönlich teilnahmen.
Die belangte Behörde wurde geladen, verzichtete jedoch auf eine Teilnahme an der Verhandlung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF führen die im Spruch angeführten Identitäten (Namen und Geburtsdatum) und sind Staatsangehörige der Republik Irak. Sie sind Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennen sich zur moslimisch-sunitischen Glaubensrichtung. Die Muttersprache der BF ist arabisch.
Der BF1 verließ am 14.08.2015 seinen Herkunftsstaat Irak und reiste in weiterer Folge am 22.08.2015 ins Bundesgebiet ein, wo er am selbigen Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der BF2 und die BF3 verlließen gemeinsam mit ihrer Mutter und den Söhnen A. und I am 14.10.2015 den Irak und reisten am 29.10.2019 in Österreich ein, wo sie am selbigen Tag die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.
Der BF1 ist der leibliche Vater des BF2 und der BF3 und mit Beschluss des BG XXXX, Zl.XXXX, vom XXXX2019, mit der alleinigen Obosorge diesen gegenüber betraut worden.
Der BF1 ist seit XXXX2017 von seiner EX-Frau geschieden.
Die EX-Frau des BF1 reiste am 05.12.2018, gemeinsam mit dem BF2, der BF3 sowie den Söhnen A. und I. aus dem Bundesgebiet Richtung Schweden aus. Mit Beschlüssen des BVwG, GZen. G306 2196606-1/7E, -2196596-1/7E, -2196598-1/6E, -2196594-1/6E und -2196603-1/6E, vom 25.01.2019, wurden die Beschwerdeverfahren der EX-Frau des BF, des BF2, der BF3 der Söhne A. und I. eingestellt.
Mit Beschlüssen des BVwG, GZen. G306 2196596-1/11Z und 2196598-1/10Z, vom 16.05.2019, wurde das Beschwerdeverfahren des BF2 und der BF3 nach deren Rückkehr zum BF1 ins Bundesgebiet fortgesetzt.
Die EX-Frau des BF1 kehrte letztlich mit den Söhnen A. und I. am XXXX2019 in den Irak zurück, wo sie aktuell in Bagdad leben.
Die BF lebten bis zuletzt in Bagdad, wo der BF1 über Liegenschaftsbesitz, in Form eines Anteils an seinem Elternhaus, verfügt.
Der BF1 besuchte meherjährig die Schule im Herkunftsstaat, absolvierte von 1996 bis 2000 den Militärdienst und war zuletzt von 2000 bis 2015 als Kosmetikhändler in Bagdad erwerbstätig. Der BF1 war in der Lage durch Erwerbstätigkeiten seinen Unterhalt, und jenen seiner Familie zu sichern.
Der BF2 sowie die BF3 besuchten im Herkunftsstaat die Schule.
Die BF sind gesund und ist der BF1 zudem arbeitsfähig.
Im Herkunftsstaat leben weiterhin Halbgeschwister des BF1, zu jenen er keinen Kontakt mehr pflegt. Zu seiner EX-Frau sowie zu seinen Söhnen A. und I. hält der BF nach wie vor Kontakt.
Der BF1 geht keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebeit nach, sondern leben die BF überwiegend von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Der BF2 und die BF3 besuchen im Bundesgebiet die Schule.
Der BF1 ist der Deutschen Sprache auf dem Niveaus A2 mächtig, beschute einen Werte- und Orientierungskurs in Österreich und ging ehrenamtlichen und gemeinnützigen Tätigkeiten nach.
Die BF verfügen über keine familiären aber soziale Anknüpfungspunkte in Österreich.
In strafrechtlicher Hinsicht erweisen sich die BF als unbescholten. Jedoch wurde gegen den BF1 wegen des Verdachtes der Begehung einer Körperverletzung gemäß § 83 StGB und gefährlichen Drohung gemäß § 107 StGB von der StA XXXX am XXXX.2018 Anklage erhoben. Eine Verurteilung erfolgte bis dato nicht.
Der BF1 war von 2010 bis 2015 neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Händler als Informant für den Geheimdienst, konkret das Amt für Geheimdienst und Sicherheit, tätig.
Der BF1 hat im Jahre 2015 als Mitarbeiter eines irakischen Geheimdienstes Informationen über einen Anschlag auf die XXXX Mosche in Bagdad erhalten und diese an seinen Vorgesetzten weitergegeben. Der Anschlag ist von einer schitischen Miliz an Sunniten, welche der Mitgliedschaft beim IS verdächtigt wurden, geplant worden und konnte aufgrund der Inforamtionen des BF1 vereitelt und konnten die Täter am XXXX2015 verhaftet werden. Nach einer Aussage des BF1 vor einem Militärgericht zwei Wochen danach, wurde ihm von seinem Informanten mitgeteilt, dass seine Geheimdientstätigkeit bekannt geworden sei und er von der schiitischen Miliz Saraya Al-Salam nunmehr verfolgt werde, woraufhin sich der BF bei seinem Geschäftspartner in Bagdad bis zu seiner Ausreise versteckt hielt. Am XXXX2015 drangen maskierte Mitglieder der besagten Miliz in sein Haus ein und töteten in Anwesenheit der Familie des BF1 im besagten Elternhaus seinen Bruder. Dabei äußerten die Täter gegenüber der BF3 eine Drohung gegen den BF1, wonach dieser ebenfalls getötet werden soll. Der BF1 war bei dem besagten Vorfall nicht zu Hause, da er sich bereits versteckt hielt, und wurde er von seiner EX-Frau über diesen in Kenntnis gesetzt. Konkrete Übergriffe auf den BF2 und die BF3 haben nicht stattgefunden.
Der BF1 reiste letztlich ohne seine Vorgesetzten zu informieren aus dem Irak aus und sind Mitglieder der Tätergruppe nach wie vor auf der Suche des BF1 und haben seine EX-Frau nach ihrer Rückkehr in den Irak bereits zweimal nach dem Verbleib des BF1 befragt.
Mit Beschlüssen des BVwG, GZen: G306 2196660-1/2Z, -2196596-1/2Z und -2196598-1/2Z, vom 29.05.2018, wurde den gegenständlichen Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit dem BF1 am 10.04.2018 zugestellter Verfahrensanordnung des BFA. Zl.XXXX, vom XXXX2018, wurde dem BF1 mitgeteilt, dass er sein Aufenthaltsrecht in Österreich gemäß § 13 Abs. 2 AsylG verloren hat.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
1.1. Proteste und Ausgangssperre in Bagdad und Südirak
Am Dienstag den 1.10.2019 kam es in zehn irakischen Gouvernements, Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala und Najaf, zu teils gewalttätigen
Demonstrationen. Diese haben sich am Mittwoch den 2.10. auch auf die Gouvernements Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din ausgeweitet. In vielen Gebieten eskalierten die Proteste (Joel Wing 3.10.2019), die Sicherheitskräfte verloren mancherorts die Kontrolle und Demonstranten besetzten Regierungsgebäude (FAZ 3.10.2019). Die Regierungssitze in Dhi Qar, Babil, Diwaniya und Maysan wurden in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019).
Am Mittwochabend verhängte Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi eine Ausgangssperre in
Bagdad und mehreren Städten im Südirak (FAZ 3.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019). Am Donnerstag wurde auch über eine flächendeckende Blockade des Internets berichtet. Etwa drei Viertel des Landes, inklusive der Hauptstadt, seien "offline" (FAZ 3.10.2019). Tausende Demonstranten widersetzten sich der Ausgangssperre und versammelten sich auf dem Tahrir-Platz (Platz der Befreiung). Sicherheitskräfte setzten Tränengas und scharfe Munition gegen Demonstranten ein (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; FAZ 3.10.2019).
Polizei- und Krankenhausquellen zufolge gab es Todesfälle in Bagdad und den Städten Amara, Diwaniya, Hilla und Nassiriya (BBC 4.10.2019). Die Zahl der Toten wird am 4.10. mit 44 beziffert, 42 Demonstranten und zwei Polizisten. Über 1.000 Personen wurden verletzt (Standard 4.10.2019).
Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe (Jugend-)Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019).
Mahdi nannte die Proteste in einer Fernsehansprache in der Nacht auf Freitag berechtigt (Standard 4.10.2019), verurteilte jedoch den Vandalismus (FAZ 3.10.2019). Zusätzlich zu den Protesten gibt es Meldungen über Explosionen in der Grünen Zone in Bagdad, bei denen es sich offenbar um Raketeneinschläge handelte (FAZ 3.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019).
Quellen:
-
Al Mada ( :( 2.10.2019 , https://almadapaper.net/view.php?
cat=221822, Zugriff 4.10.2019
-
BBC News (4.10.2019): Iraq protests: 'No magic solution' to problems, PM says, https://
www.bbc.com/news/world-middle-east-49929280, Zugriff 4.10.2019
-
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (3.10.2019): Die Wut der Iraker auf die Regierung,
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/tote-bei-protesten-die-wut-der-iraker-auf-dieregierung-16415369.html, Zugriff 4.10.2019
-
Joel Wing, Musings on Iraq (3.10.2019): Iraq's October Protests Escalate And Grow,
https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/iraqs-october-protests-escalate-andgrow.
html, Zugriff 4.10.2019
-
Standard, Der (4.10.2019): Irakischer Premier sieht Demonstranten im Recht,
https://www.derstandard.at/story/2000109475503/mehr-als-30-tote-bei-protesten-im-irak,
Zugriff 4.10.2019
1.2. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 9.4.2019, Parlamentswahlen vom 30.12.2018 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)
Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).
Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. (IBC 3.2019).
Bild kann nicht dargestellt werden
Quelle: Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www. iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019
Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019).
Tabelle kann nicht abgebildet werden
Quelle: IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards,
https://www.iraqbodvcount.org/database/,Zugriff 1.4.2019
Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h., aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).
BAGDAD
Aufständische haben mittlerweile die meisten ihrer Ressourcen aus Bagdad abgezogen, einst das Hauptziel des Terrorismus (Joel Wing 4.3.2019). Im Dezember 2018 wurden 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit zehn Toten (Joel Wing 2.1.2019) verzeichnet, bzw. 17 Tote und drei Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten erfasst (Joel Wing 4.2.2019), im Februar dagegen nur noch sieben Vorfälle mit sieben Toten (Joel Wing 4.3.2019) und im März vier Vorfälle mit fünf Toten und fünf verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Dabei handelte es sich meist um Schießereien/Schussattentate in den Vorstädten und Dörfern des Gouvernements (Joel Wing 4.3.2019).
Der IS behielt jedoch eine latente Präsenz nördlich von Bagdad und begann damit seine Unterstützungszone weiter auszubauen (ISW 7.3.2019). Er verfügt in Bagdad und den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen (EASO 3.2019). Der nördliche "Bagdad-Belt" dient dabei als Transferroute von Kämpfern zwischen den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Diyala, während das sogenannte "Dreieck des Todes" im südlichen Bagdad-Belt IS-Gruppen in den Gouvernements Anbar, Bagdad und Babil verbindet. Irakische Sicherheitskräfte (ISF) haben seit Dezember 2018 mehrere IS-Kämpfer an Kontrollpunkten entlang der Autobahnen, die das Gouvernement Babil mit Bagdad verbindet, festgenommen und im Februar 2019 180 Personen mit Verbindungen zum IS verhaftet (ISW 7.3.2019).
AUTONOME REGION KURDISTAN (KRG)
In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).
Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).
NORD- UND ZENTRALIRAK
In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 1.2.2019 heißt es, dass verbliebene IS-Kämpfer nach wie vor eine Bedrohung im Nord- und Zentralirak (Gouvernements Kirkuk, Ninewa und Salahaddin, sowie Anbar, Bagdad und Diyala) darstellen (UNSC 1.2.2019). Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin sind dabei das Herzstück der Umgruppierungsbemühungen des IS. Dort werden monatlich auch die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet. Der IS ist beinahe im gesamten ruralen Gebiet dieser Gouvernements aktiv, kann sich Berichten zufolge in einigen Städten nachts völlig frei bewegen und hebt Steuern ein (Joel Wing 3.4.2019). Die Lage in diesen umstrittenen Gebieten hat sich nach dem Abzug der kurdischen Peschmerga 2017 verschärft (Landinfo 8.1.2019). Die Konkurrenz zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung, erzeugt in diesen Gebieten zusätzliche Instabilität, die wiederum vom IS ausgenutzt werden kann (ISW 7.3.2019). Sowohl kurdische Streitkräfte als auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (PMF) üben weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle und Einfluss aus, was die Zentralregierung in eine prekäre Lage versetzt, da sie sowohl mit zivilen Unruhen, als auch mit Versuchen einer Reorganisation des IS umgehen und gleichzeitig ihre Verbündeten unter Kontrolle halten muss (ACLED 2019).
Insbesondere ländliche Gebiete, das Hamrin-Gebirge, sowie das Diyala-Flussdelta dienen dem IS als Rückzugsorte, von wo bereits im Jahr 2018 ein Großteil der IS-Operationen im Irak ausgegangen sind (Landinfo 8.1.2019). Das Hamrin-Gebirge ermöglicht dabei den Nord-Süd Übergang zwischen den Gouvernements Ninewa und Diyala und bietet dem IS dauerhaften Schutz vor Luftangriffen und Bodenoffensiven (ISW 7.3.2019). Es gelang den irakischen Sicherheitskräften (ISF) bisher trotz umfangreicher Säuberungsaktionen nicht, den IS aus Hawija zu vertreiben (ISW 7.3.2019; vgl. Landinfo 8.1.2019). Zwischen 25. und 27. März wurde eine neuerliche koordinierte Luft- und Bodenoperation durch die Luftwaffe der Koalition und die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gegen den IS im nordwestlichen Irak geführt (OIR 29.3.2019).
Der IS führt seine Operationen hauptsächlich südlich und westlich von Ninewas Hauptstadt Mossul durch (Joel Wing 4.2.2019). Er soll auch in der Stadt über Schläferzellen verfügen, und hat dort zuletzt im Februar 2019 eine Autobombe eingesetzt (ISW 7.3.2019). Seit einigen Wochen fordern IS-Angriffe insbesondere in Ninewa regelmäßig viele Opfer (Joel Wing 1.4.2019). So wurden in der Provinz im Dezember 2018 22 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 36 Toten und 37 Verwundeten registriert, wobei hier elf ältere Leichen eingerechnet wurden, die aus Trümmern der Altstadt von Mossul geborgen wurden. Mit den verbliebenen 25 im Dezember getöteten Personen und 37 Verwundeten verzeichnete die Provinz die meisten Gewaltopfer im Irak im Dezember (Joel Wing 2.1.2019). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak nennt für denselben Zeitraum hingegen sieben Tote und 19 Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden neun Vorfälle mit 75 Toten und einer verwundeten Person, sowie zwei Massengräberfunde (ältere Gräber aus der Zeit der IS-Herrschaft) mit den Überresten von insgesamt 66 Leichen verzeichnet (Joel Wing 4.2.2019). Im Februar kam es erneut zu einem Anstieg der IS-Aktivitäten, mit 20 Vorfällen mit 147 Toten und 31 Verletzten, wobei wiederum die meisten der Toten auf Funde von Massengräbern älteren Datums zurückgehen (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurden elf Vorfälle mit 109 Toten und 53 Verletzten registriert (Joel Wing 3.4.2019).
In Diyala kam es im Dezember 2018 zu 28 sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit insgesamt 15 Toten und 16 Verwundeten, darunter drei Angriffe auf Kontrollpunkte (Joel Wing 2.1.2019), sowie Mörserbeschuss der Stadt Saraya (Joel Wing 10.12.2018). Im Jänner 2019 wurden 32 Vorfälle mit zehn Toten und 21 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 26 Vorfälle mit acht Toten und 16 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 17 Vorfälle mit acht Toten und 18 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).
In Kirkuk wurden im Dezember 17 Vorfälle mit 204 Toten und 16 Verwundeten registriert, wobei 200 Leichenfunde aus einem Massengrab im Distrikt Hawija im Süden Kirkuks miteingerechnet wurden (Joel Wing 2.1.2019). Im Jänner 2019 wurden 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten und 31 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 17 Vorfälle mit 17 Toten und 7 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 15 Vorfälle mit sieben Toten und sechs Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Die Stämme von Diyala kündigten um Jänner 2019 eine Mobilmachung gegen den IS an, um die Sicherheitskräfte in ihrem Kampf zu unterstützen (Diyaruna 21.1.2019).
In Salahaddin wurden im Dezember acht Vorfälle mit drei Toten und zwei, bzw. drei Verletzten registriert (Joel Wing 2.1.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019), im Jänner 2019 14 Vorfälle mit 17 Toten und 36 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 18 Vorfälle mit 25 Toten und 48 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März acht Vorfälle mit acht Toten und 14 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).
In Anbar, ist es dem IS wieder gelungen eine Unterstützungszone in der Nähe von Amariyat al- Fallujah einzurichten, von der aus seit August 2018 Angriffe in Fallujah erfolgen (ISW 7.3.2019). Im Dezember 2018 wurden in Anbar acht Vorfälle mit acht Toten und 13 Verwundeten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 16 Vorfälle mit elf Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 28 Vorfälle mit 46 Toten und 26 Verletzten und im März fünf Vorfälle mit acht Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Der starke Anstieg im Februar wird auf das Einsickern fliehender IS-Kämpfer aus dem benachbarten Syrien zurückgeführt (Joel Wing 4.3.2019).
Quellen:
-
ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2019),
Behind Frenemy Lines: Uneasy Alliances against IS in Iraq, https://www.acleddata.com/2019/03/01/behind-frenemy-lines-uneasy-alliances-against-is-in-iraq/, Zugriff 12.3.2019
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, per E-Mail
BBC News (29.1.2019): Kurdish protesters storm Turkish military camp in Iraq, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47015699, Zugriff 13.3.2019
Diyaruna (21.1.2019): Diyala tribes mobilise to rout ISIS remnants, http://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/01/28/feature-02, Zugriff 14.3.2019
EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq security situation.pdf, 13.3.2019
IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 12.3.2019
ISW - Institute for the Study of War (7.3.2019): ISIS Re-Establishes Historical Sanctuary in Iraq,
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2. Politische Lage
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).
Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).
Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).
Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).
Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018).
Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).
In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogenannte "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).
Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).
Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).
Quellen:
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WZ - Wiener Zeitung (12.5.2018): Erste Wahl im Irak nach Sieg gegen IS stößt auf wenig Interesse, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/964399_Erste-Wahl-im-Irak-nach-Sieg-gegen-IS-stoesst-auf-wenig-Interesse.html, Zugriff 23.10.2018
2.1. Parteienlandschaft
Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).
Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017), obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018).
Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018).
Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).
Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).
Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).
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Quelle: LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf, Zugriff 2.11.2018
Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).
Quellen:
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