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82/02 Gesundheitsrecht allgemein;Norm
KFG 1967 §66 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des D in L, vertreten durch Dr. Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, Dr. Koss-Straße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. November 1996, Zl. VerkR-392.433/1-1996/Ai, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B wegen Verkehrsunzuverlässigkeit gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 für 18 Monate (gerechnet ab der am 5. September 1996 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides vom 2. September 1996) vorübergehend entzogen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Entziehungsmaßnahme liegt zugrunde, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit zwei anderen Personen zum Zweck des Erwerbes von Suchtgift mit seinem Pkw nach Amsterdam gefahren ist und dort am 6. April 1995 511,2 g Haschisch, 16,5 g Kokain und 25 LSD-Trips erworben hat. Im Zuge der noch am selben Tag angetretenen Rückfahrt wurde er in Deutschland festgenommen und unmittelbar danach vom Amtsgericht Nürnberg wegen des gemeinschaftlichen unerlaubten Erwerbes und der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, wobei die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die belangte Behörde erblickte darin eine dem Tatbestand des § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu unterstellende strafbare Handlung, die eine die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers indizierende bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 darstelle. Wegen deren hohen Verwerflichkeit sei trotz der seit der Tat vergangenen Zeit davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer seine Verkehrszuverlässigkeit erst nach Ablauf von 18 Monaten ab Beginn der Entziehungsmaßnahme wiedererlangen werde. Bei der Bemessung dieser Zeit berücksichtigte die belangte Behörde auch eine im Jahr 1993 erfolgte vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers wegen eines Alkoholdelikts in Verbindung mit dem Verschulden eines Verkehrsunfalles.
Der Beschwerdeführer stellt mit Recht nicht das Vorliegen einer seine Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 indizierenden bestimmten Tatsache (jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Tatbegehung) in Abrede. Er wirft der belangten Behörde vor, im Hinblick auf die Länge der Zeit zwischen der Tat und dem Beginn der Entziehungsmaßnahme und sein Wohlverhalten während dieser Zeit zu Unrecht vom Weitervorliegen seiner Verkehrsunzuverlässigkeit ausgegangen zu sein.
Dieses auf den Vorwurf einer unrichtigen Wertung der Tat gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 hinauslaufende Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg. Nach der genannten Bestimmung sind für die Wertung strafbarer Handlungen ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Die belangte Behörde hat zu Recht die große Verwerflichkeit eines Transportes größerer Suchtgiftmengen mittels eines Kraftfahrzeuges betont. Sie hat dabei aber außer acht gelassen, daß nach den von ihr nicht in Frage gestellten Feststellungen des Strafgerichts die Suchtgifte vom Beschwerdeführer (und den beiden Mittätern) ausschließlich für den Eigengebrauch erworben wurden. Dieser Umstand spricht unter dem hier maßgebenden Aspekt des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 zugunsten des Beschwerdeführers. Wie sich aus § 12 Abs. 2 zweiter Satz SGG ergibt, ist die Begehung einer Tat im Sinne des § 12 Abs. 1 SGG ausschließlich deshalb, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtgift zu verschaffen, im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut der Volksgesundheit als weniger gefährlich und damit auch als weniger verwerflich im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 anzusehen als die Begehung einer solchen Tat ohne die besagte Beschränkung auf den eigenen Gebrauch. Für den Beschwerdeführer spricht weiters die Länge der seit der Tat bis zum Beginn der Entziehungsmaßnahme verstrichenen Zeit (17 Monate) und sein Wohlverhalten während dieser Zeit, während der er nach der Aktenlage auch im Besitze der Lenkerberechtigung war. Wie die belangte Behörde in diesem Zusammenhang zwar zutreffend ausführt, ist ein Wohlverhalten während eines anhängigen Straf- oder Entziehungsverfahrens grundsätzlich nur von untergeordneter Bedeutung. Einem längeren Wohlverhalten im Besitz der Lenkerberechtigung kommt allerdings nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die Erkenntnisse vom 18. November 1997, Zl. 97/11/0209 mwN, und vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/11/0288) sehr wohl eine ins Gewicht fallende Bedeutung zu. Zu beachten ist schließlich, daß es sich bei der Tat vom 6. April 1995 nach der Aktenlage um die erste Tat des Beschwerdeführers im Sinne des § 12 SGG handelt. Das im Jahr 1993 begangene Alkoholdelikt des Beschwerdeführers fällt im gegebenen Zusammenhang nicht entscheidend ins Gewicht. Bei einer dem Gesetz entsprechenden Wertung der Tat vom 6. April 1995 hätte die belangte Behörde nicht davon ausgehen dürfen, der Beschwerdeführer sei auch noch bei Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides vom 2. September 1996 und darüber hinaus mindestens weitere drei Monate (§ 73 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967) verkehrsunzuverlässig gewesen. Die Entziehung der Lenkerberechtigung entspricht daher nicht dem Gesetz.
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996110372.X00Im RIS seit
19.03.2001