Entscheidungsdatum
20.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W136 2186977-1/15E
W136 2187003-1/14E
W136 2187008-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , und 3. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 16.01.2018, 1.) Zl. 1098677005-151972415, 2.) Zl. 1098676901-151972402, und 3.) Zl. 1145041100-170298745, nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Die nunmehrige Erstbeschwerdeführerin reiste mit ihrem Ehemann, dem Zweitbeschwerdeführer, beide afghanische Staatsangehörige, in die Republik Österreich ein, und stellten am 17.11.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Am XXXX wurde ihr gemeinsamer Sohn, der Drittbeschwerdeführer, im Bundesgebiet geboren. Am XXXX wurde ein weiterer Sohn geboren, dessen Verfahren mangels Erhebung einer Beschwerde mit 02.01.2019 rechtskräftig abgeschlossen wurde.
2. Bei der Erstbefragung am 11.12.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass ihre Eltern sie mit einem entfernten Verwandten namens XXXX zwangsverheiraten hätten wollen. Da sie in ihren jetzigen Mann verliebt gewesen sei, habe sie diese Ehe aber nicht schließen wollen. Dieser Mann habe sie in der Folge mit dem Tod bedroht. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst vor XXXX und der Rache ihrer Familie.
Der Zweitbeschwerdeführer gab im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass die Familie seiner Ehefrau gegen ihre Heirat gewesen sei und seine Frau gegen ihren Willen mit einem Verwandten verheiraten habe wollen. Dieser habe sie mit dem Tod bedroht. Da ihr Leben in Gefahr gewesen sei, hätten sie den Entschluss zur Flucht gefasst. Bei einer Rückkehr in seine Heimat würde er die Rache seiner Schwiegerfamilie fürchten und Angst vor dem Mann haben, der seine Frau ohne deren Einverständnis heiraten habe wollen.
3. Am 08.01.2018 wurden die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen.
Die Erstbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass ihre Eltern gewollt hätten, dass sie jemand namens XXXX heiratet, sie habe jedoch ihren Cousin heiraten wollen. Die Eltern hätten die Brautwerbung ihrer Tante aber nicht akzeptiert. XXXX habe sie öfters mit dem Tod bedroht und ihr gesagt, wenn sie jemand anderen heiraten sollte, würde er sie beide töten. Deswegen habe sie das Land verlassen. XXXX sei ein entfernter Verwandter ihres Vaters gewesen. Er habe bei ihrem Vater um ihre Hand angehalten, der ihr dann rund zwei bis drei Monate vor ihrer Ausreise mitgeteilt habe, dass sie XXXX heiraten müsse. Sie habe das nicht gewollt. Ihre Tante und deren Ehemann seien drei- bis viermal bei ihrem Vater gewesen, um für ihren jetzigen Mann um ihre Hand anzuhalten. Ihr Vater habe aber jedes Mal abgelehnt. Ihrer Erinnerung nach sei zuerst die Tante bei ihrem Vater gewesen, der immer abgelehnt habe. Bei XXXX habe er dann aber zugesagt. Zwischen der ersten und letzten Brautwerbung seien rund zwei bis drei Monate vergangen. XXXX sei aus der Familie ihres Vaters gewesen, der gewollt habe, dass sie jemand aus seiner Familie heiratet. XXXX habe sie drei- bis viermal mit dem Tod bedroht. Dazu sei es bei ihnen zu Hause gekommen, als ihr Vater oder ihre Mutter (gerade) nicht im Raum gewesen seien. Sie habe XXXX zwei bis drei Jahre vor ihrer Ausreise (erstmals) bemerkt, als er ihren Vater besucht habe. Sie habe drei bis vier Tage (vor ihrer Ausreise) durch ihre Tante erfahren, dass sie und ihr jetziger Mann heiraten sollen. Sie sei dann zu ihrer Tante gekommen und nachdem der Großvater (ihres Mannes) alles organisiert gehabt habe, seien sie losgefahren. Eine Woche vor der Ausreise habe der Vater ihr mitgeteilt, dass sie XXXX in dieser Woche heiraten müsste. Als ihre Tante davon erfahren habe, habe der Großvater ihres Mannes alles organisiert. Danach sei sie aufgefordert worden, am Dienstag zu kommen. Dann hätten sie geheiratet. Befragt, wie sie konkret davon erfahren hat, berichtete sie, dass ihre Tante sie abgeholt und zu sich nach Hause gebracht habe, wenn ihr Vater nicht zu Hause gewesen sei. Beim letzten Mal hätten ihr die Tante und XXXX vom Hochzeitsplan erzählt. Nachdem sie kurz die Situation und das Verlassen ihres Elternhauses am Hochzeitstag schilderte, gab sie an, dass sie ihren Eltern von den Drohungen erzählt habe, diese aber nichts gemacht und gesagt hätten, dass sie XXXX heiraten müsse. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst, wegen der Familienehre getötet zu werden. Ob sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden hätte, würde sie nicht wissen. Vielleicht sei es zu einer Anzeige ihrer Eltern gekommen. In eine andere Stadt oder einen anderen Landesteil seien sie nicht gegangen, weil sie XXXX auch dort gefunden hätte.
Der Zweitbeschwerdeführer brachte zu seinen Fluchtgründen zusammenfassend im Wesentlichen vor, dass er seine Cousine heiraten habe wollen und dass seine Familie sich bemüht habe, das Ganze in die Wege zu leiten. Die Familie seiner Frau habe das jedoch nicht gewollt, sie sei jemand anderem versprochen gewesen. Seine Frau habe das aber nicht gewollt. Dieser Mann habe ihr auch gesagt, dass er sie töten würde, wenn sie jemand anderen heiratet. Aus diesem Grund habe die Familie dann beschlossen, dass sie Afghanistan verlassen. Auf Nachfrage teilte er mit, dass er nie bedroht worden sei und es keine Übergriffe auf ihn gegeben habe. Es habe nur die Bedrohungen gegenüber seiner Frau gegeben. Außerdem habe er Angst vor seinem Schwiegervater und dessen Familienangehörigen. Früher sei der Kontakt zur Familie seiner Frau sehr gut, ein normaler familiärer Kontakt gewesen. Sie hätten sich gegenseitig besucht. Er habe nie Kontakt zu dem Mann gehabt, der seine Frau heiraten habe sollen. Er habe sich nicht an die Behörden gewandt, seine Frau habe ihren Eltern aber davon erzählt, die jedoch nicht reagiert und gemeint hätten, dass sie lügt. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen teilte er mit, dass er Angst vor seinem Schwiegervater hätte, der ihn wegen der Familienehre töten würde. Außerdem würde er den Mann fürchten, der erklärt hätte, seine Frau zu töten, wenn sie einen anderen heiratet. Sie seien nicht in eine andere Stadt oder einen anderen Landesteil von Afghanistan gezogen, weil sie Angst gehabt hätten, dass sie trotzdem gefunden würden.
4. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, dass der Zweitbeschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, den näher angeführten Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes zu entsprechen. Die von ihm präsentierte Fluchtgeschichte sei nämlich als zu blass, wenig detailreich und zu oberflächlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren. Insbesondere sei es bei der Gegenüberstellung seiner und der Angaben seiner Ehefrau zu näher angeführten Diskrepanzen gekommen, welche die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens erheblich erschüttern würden. Zusammenfassend sei die Geschichte wohl asylzweckbezogen angelegt, in dieser Form aber weder nachvollziehbar noch glaubwürdig gewesen, und die von ihm geltend gemachte Bedrohungssituation würde offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechen. Bezüglich der Erstbeschwerdeführerin wurde auf die Beweiswürdigung im Bescheid des Zweitbeschwerdeführers verwiesen, aus welcher sich ergeben würde, dass dem gemeinsamen Fluchtvorbringen die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen sei. Dies würde sich insbesondere aus den widersprüchlichen Angaben im Zuge einer Gegenüberstellung beider Niederschriften ergeben. Die Schilderung des Fluchtgrundes ihres Ehemannes sei ein blasses und vages Konstrukt gewesen, das nach Ansicht der erkennenden Behörde nicht erlebnisfundiert gewesen sei.
Hinsichtlich der Nichtzuerkennung von subsidiären Schutz wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden habe können, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen (gewesen) wäre oder dass sie bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt würden. Die Familie der Erstbeschwerdeführerin würde nämlich in Herat leben, sodass eine Unterstützung - ihre Probleme mit der Familie würden als nicht glaubwürdig angesehen werden - anzunehmen sei. Darüber hinaus sei ihr Ehemann im erwerbsfähigen Alter sowie arbeitswillig und könnte für ihren und den Lebensunterhalt ihres Sohnes aufkommen. Und dem Zweitbeschwerdeführer könnte zugemutet werden, dass er im Falle der Rückkehr ins Heimatland selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommt, weil er jung, gesund sowie arbeitswillig sei und zudem seine Familie in Afghanistan leben würde.
5. Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein.
Nach einer auszugsweisen Wiederholung des bisherigen Fluchtvorbringens wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin ihre Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung von Seiten privater Akteure aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (der mit Zwangsverheiratung bedrohten Frauen) und mangels der Fähigkeit ihres Heimatstaates, sie vor dieser Verfolgung zu schützen, verlassen habe. Die afghanischen Sicherheitsbehörden seien nämlich nicht in der Lage, der Erstbeschwerdeführerin adäquaten und tatsächlichen Schutz dagegen zu gewähren, weshalb sie ein Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Mit einem adäquaten staatlichen Schutz seitens der afghanischen Polizei könnte die Erstbeschwerdeführerin in ihrer patriarchalischen und streng konservativen Heimat nämlich nicht rechnen, was den getroffenen Länderfeststellungen im gegenständlichen Bescheid bezüglich der Lage der Frauen in Afghanistan zu entnehmen sei. Sollte dem Vorbringen der Beschwerdeführer dennoch keine Asylrelevanz zugebilligt werden, seien aus dieser Perspektive zumindest die Voraussetzungen der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gegeben, was die heutige Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer eindeutig bestätigen würde. Das würde insbesondere für die Erstbeschwerdeführerin das Bestehen eines erhöhten Risikos überall in Afghanistan bedeuten, Eingriffen in ihre physische Integrität und Sicherheit ausgesetzt zu sein. Zudem sei zu beachten, dass die Erstbeschwerdeführerin hierzulande während ihres Aufenthalts die breite Palette an Freiheiten, Rechten und den respektvollen Umgang der Menschen mit Frauen kennengelernt habe. In Österreich könnte sie sich endlich weiterbilden, ohne Beschränkungen bewegen und einkaufen, kleiden und im Allgemeinen als mit anderen Menschen gleichberechtigtes Rechtsobjekt fühlen, was ihr in ihrer Heimat nicht erlaubt bzw. massiv eingeschränkt worden sei. Erst in Österreich könnte sie eine normale Ehe führen und mit ihrem Ehemann gemeinsam Kinder großziehen, ohne dass sie von ihrer Familie dafür bestraft oder verfolgt würde. Aus dieser Perspektive wäre die Erstbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nicht nur als Frau einer generellen Gefahr ausgesetzt, Opfer der Gewalt zu sein, sondern höchstwahrscheinlich Opfer einer spezifischen Gefährdung aufgrund des in Österreich angeeigneten und in Afghanistan nonkonformen Verhaltens zu werden.
6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 21.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Mit Schreiben vom 22.10.2019 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.11.2019 geladen.
Am 18.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari mit der beschwerdeführenden Partei und deren Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und sind Schiiten. Die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer sind miteinander verheiratet und Eltern des mj. Drittbeschwerdeführers und eines weiteren Sohnes. Das Verfahren ihres am XXXX geborenen Sohnes XXXX ist jedoch mangels Erhebung einer Beschwerde mit 02.01.2019 rechtskräftig abgeschlossen worden.
1.2. Zur Person der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers, zu ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und zu ihrer Ausreise aus Afghanistan:
Die Erstbeschwerdeführerin ist in der Stadt Herat geboren sowie aufgewachsen und hat dort drei Jahre Unterricht in der Moschee bekommen.
Der Zweitbeschwerdeführer ist ebenfalls in der Stadt Herat geboren und aufgewachsen, hat keine Schule besucht und als Maler und Anstreicher gearbeitet.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben am Tag ihrer Flucht in Herat geheiratet. Der Drittbeschwerdeführer kam am XXXX und ein weiterer Sohn der beiden Beschwerdeführer am XXXX im Bundesgebiet zur Welt.
Die Eltern und Geschwister der Erstbeschwerdeführerin leben in der Stadt Herat. Die Eltern und Geschwister des Zweitbeschwerdeführers leben seit einem Jahr und acht Monaten im Iran.
Die Beschwerdeführer sind gesund.
1.3. Zum Leben der Beschwerdeführer in Österreich:
Die Beschwerdeführer befinden sich seit ihrer Antragstellung im November 2015 bzw. der Drittbeschwerdeführer seit seiner Geburt im November 14 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Die Beschwerdeführer beziehen seither regelmäßig Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.
Die Erstbeschwerdeführerin hat österreichische und Freundinnen mit Migrationshintergrund. Sie kümmert sich um den Haushalt und ihre beiden Kleinkinder (ein und drei Jahre alt). Die Erstbeschwerdeführerin spricht nur gebrochen Deutsch. Der Zweitbeschwerdeführer kann sich auf Deutsch gut verständigen.
Die Beschwerdeführer waren bisher nicht erwerbstätig.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.4. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Den Beschwerdeführern droht bei einer Rückkehr keine Verfolgung aufgrund ehrverletzenden Verhaltens in Form ihrer Verehelichung (insbesondere durch den Vater der Erstbeschwerdeführerin, aber auch dessen Familie). Den Beschwerdeführern droht auch keine Verfolgung durch einen namentlich bekannten, weitschichtigen Verwandten der Erstbeschwerdeführerin, den sie heiraten hätte sollen.
Der Erstbeschwerdeführerin droht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine geschlechtsspezifische Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe "westlich-orientierter Frauen". Weiters ist weder die Erstbeschwerdeführerin auf Grund der Tatsache, dass sie sich mehrere Jahre in Europa aufgehalten und hier eine "westliche Wertehaltung" kennengelernt hat, noch ist jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan allein aus diesem Grund zwangsläufig physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Die Beschwerdeführer konnten nicht glaubhaft machen, dass ihnen im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat aufgrund ihrer individuellen Situation im Zusammenhang mit der Lage in ihrer Herkunftsregion ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK) droht.
1.5. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:
Eine Rückkehr der Beschwerdeführer in ihre Herkunftsstadt Herat ist möglich und zumutbar.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind in Herat aufgewachsen, haben dort ihre Sozialisation erfahren und der Zweitbeschwerdeführer hat dort als Maler und Anstreicher gearbeitet. Die Erstbeschwerdeführerin hat noch familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, ihre gesamte Familie lebt in Herat. Die finanzielle Situation des Zweitbeschwerdeführers als Familienerhalter war ausreichend (vgl. Verhandlung vom 18.11.2019: "Ich habe als Maler und Anstreicher gearbeitet. Uns ging es nicht sehr schlecht, aber es reichte nicht aus, damit ich in die Schule gehen kann.").
Die Beschwerdeführer sind jung, gesund und der Zweitbeschwerdeführer hat langjährige Erfahrungen als Maler und Anstreicher, es ist kein Grund ersichtlich, warum eine Wiederansiedlung in ihrer Herkunftsstadt nicht möglich sein sollte. Auch ihre beiden Kinder, die jetzt drei, bzw. ein Jahr alt sind, sind gesund, es ist kein Grund ersichtlich, warum sie nicht gemeinsam mit ihren Eltern in Herat leben könnten, auch wenn der Drittbeschwerdeführer und sein jüngerer Bruder in Österreich geboren wurden.
Insbesondere wurden auch keine Faktoren glaubhaft gemacht und haben sich solche auch sonst im Verfahren nicht ergeben, die eine Gefahrenverdichtung in den Personen des Drittbeschwerdeführers und seines jüngeren Bruders aufgrund ihrer Minderjährigkeit darstellen. Es besteht für sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit insbesondere keine erhöhte Gefahr, zivile Opfer von Angriffen Aufständischer oder sonstiger Auseinandersetzungen zu werden. Es ergaben sich im Hinblick auf die familiäre Situation auch keine Hinweise, dass die zwei minderjährigen Kinder der beiden Beschwerdeführer Gefahr laufen würden, Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Kinderarbeit zu werden.
Der Zweitbeschwerdeführer konnten auch bisher durch seine berufliche Tätigkeit in Afghanistan seinen Lebensunterhalt bestreiten und ist kein Grund ersichtlich, weshalb er nicht auch für seine Frau und seine beiden Kinder zumindest vorübergehend sorgen könnte. Immerhin möchte auch die Zweitbeschwerdeführerin eine berufliche Tätigkeit ausüben. Ihnen wäre daher der (Wieder)Aufbau einer Existenzgrundlage in Herat möglich, zumal sie dort familiären Anschluss haben. Die Beschwerdeführer hätten zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Ebenso ist kein Grund ersichtlich, wieso die Angehörigen des Zweitbeschwerdeführers ihn und seine Familie nicht auch aus dem Iran unterstützen könnten.
1.6. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung wurden den Parteien aktuelle Länderfeststellungen zur Lage in AFGHANISTAN zur Kenntnis gebracht und im Folgenden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt.
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis 26.03.2019:
Allgemeines:
Zur Herkunftsprovinz der Beschwerdeführer:
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat- Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran- Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Internationaler Flughafen Herat
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).
Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Herat
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;
vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;
vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban- Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).
Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).
ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).
Frauen
Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft (BFA Staatendokumentation 4.2018). Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 23.3.2016). Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Trotzdem gilt Afghanistan weiterhin als eines der gefährlichsten Länder für Frauen weltweit (AF 13.12.2017). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was großteils aus der Talibanzeit stammenden unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AF 13.12.2017). Viel hat sich dennoch seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5.2018).
Bildung
Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017). Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).
In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).
Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).
Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit
16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon 77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).
Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).
Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).
Berufstätigkeit
Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5.2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o. D.).
Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. LobeLog 15.11.2017). Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MENA FN 19.12.2017).
Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent (BFA Staatendokumentation 4.2018) und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht (BFA Staatendokumentation; vgl. IWPR 18.4.2017). Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WB 28.8.2017).
Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).
Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sindkeine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind (BFA Staatendokumentation 4.2018). In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. YM 11.12.2017). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden (BFA Staatendokumentation; vgl. USAID 26.9.2017). In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019 (BFA Staatendokumentation; vgl. AKDN 26.7.2017). In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist und in deren Filiale sogar ein eigener Spielbereich für Kinder eingerichtet wurde (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. GABV 26.7.2017).
Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017). Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017).
Politische Partizipation und Öffentlichkeit
Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5.2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).
Zusammenfassung einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation:
"Afghanistan - Frauen in urbanen Zentren" vom 18.09.2017 sowie European Asylum Support Office, Individuals targeted under social and legal norms, Pkt. 3.2.:
Kleidungsvorschriften
Generell umfasst Frauenkleidung in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung - diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel, mit verschieden Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten. Es herrschen weiterhin Debatten über die angemessenste Art der Bekleidung von Frauen, vor allem auch darüber was letztendlich eine richtige "islamische" Körper- oder Kopfbedeckung darstellt. Die Vorstellungen, wie Frauen sich in der Öffentlichkeit zeigen sollen bzw. dürfen unterscheiden sich oft erheblich, je nach der Herkunft, Geschlecht und Bildungsstand der Befragten.
Der jährliche Bericht zu Afghanistan der Asia Foundation - einer internationalen Entwicklungs-NGO mit Sitz in San Francisco - beinhaltet auch eine Umfrage zum Thema Verschleierung und angemessener Kleidung von Frauen in der Öffentlichkeit. Im Jahr 2016 wurden 12,658 Afghaninnen und Afghanen zu verschieden Möglichkeiten der Kopf- und Körperbedeckung befragt. Nur 1.1% der Befragten fanden, dass es für eine Frau angemessen sei sich völlig unverschleiert in der Öffentlichkeit zu zeigen. Dagegen fanden 38% der befragten Männer und 30% der befragten Frauen, dass die Burka die angemessenste Form der Körperbedeckung für Frauen in der Öffentlichkeit sei. In den Antworten war jedoch ein starkes Gefälle in der Präferenz der Burka bei Befragten aus ländlichen und städtischen Gebieten zu verorten. Während 38,5% der Befragten aus ländlichen Gegenden die Burka bevorzugten, taten dies nur 20,3% der Befragten aus Städten. Ethnische Zugehörigkeit, sowie Bildung spielten ebenfalls eine erhebliche Rolle in der Bevorzugung und Akzeptanz der jeweiligen Kopf- bzw. Körperbedeckung. So bevorzugen Paschtunen die Burka, während Hazara zu weniger strengen Formen der Kopfbedeckung tendierten.
Auch Frauen in Kabul kleiden sich traditionell oder bescheiden (engl. "modestly") zur Vermeidung von Belästigungen.
Bewegungsfreiheit
Während Frauen in Afghanistan grundsätzlich einen männlichen Begleiter, Kollegen oder Bewacher benötigen, welcher sie außerhalb des Hauses begleitet, gilt dies nicht für die Großstädte Herat, Mazar und Kabul.
Beschäftigungsmöglichkeiten und Freizeitmöglichkeiten
Afghanische Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif in einer Vielzahl beruflicher Felder aktiv. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Es bestehen mannigfaltigen Schwierigkeiten, mit denen Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Berufswelt zu kämpfen haben. Diese reichen von Diskriminierung in der Rekrutierung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung. Während es Frauen der afghanischen Elite seit dem Ende der Taliban-Herrschaft zuweilen möglich war eine Reihe erfolgreicher Unternehmen aufzubauen, mussten viele dieser Neugründungen seit dem Einsturz der afghanischen Wirtschaft 2014 wieder schließen. Frauen der Mittel- und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten. Die letzten Jahre sahen einen steigenden Druck auf Frauen in der Arbeitswelt und eine zunehmende Abneigung gegenüber Frauen im Beruf, vor allem in konservativen Kreisen. Trotzdem finden sich viele Beispiele erfolgreicher junger Frauen in den verschiedensten Berufen.
Was die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Frauen in afghanischen Städten betrifft, so gibt es auch hier, eine Vielzahl von Beispielen: So existiert etwa "Familienkino", das in Kabul zu bestimmten Tageszeiten Vorstellungen ausschließlich für Frauen anbietet. Es gibt auch einen sogenannten "Frauen-Garten" in Kabul - ein öffentlicher Park für Frauen mit verschiedenen Unterhaltungs-, Bildungs- und Sportmöglichkeiten. Der Garten, der sich über 13 Hektar Land streckt und vom Frauenministerium verwaltet wird, erlebt täglich einen großen Ansturm, vor allem am Wochenende. Er wurde nach der Taliban-Herrschaft durch finanzielle Unterstützung des US Entwicklungsministeriums und mit Hilfe von mehr als 600 afghanischen Arbeiterinnen und Arbeitern (großteils Frauen aus armen Verhältnissen) wiederaufgebaut. Neben den Gartenanlagen zählt auch ein Fitnesscenter, Buchgeschäft und Internetlokal zu den Einrichtungen des Gartens. Frauen können dort Computer benutzen und kostenfrei Sprachkurse belegen. Außerdem wird der Garten 24 Stunden/Tag von einem Sicherheitsteam bewacht.
Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 zur Lage in Herat-Stadt und in Mazar-e Sharif auf Grund anhaltender Dürre (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
"1. Wie wirkt sich diese Dürre auf die Versorgungslage der Bevölkerung im Hinblick auf die Wasserversorgung sowie auf die Versorgung mit Lebensmitteln in den Städten Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) und Herat (Hauptstadt der Provinz Herat) aus?
[...]
Zusammenfassung:
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass es im Umland von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung kommt. Über die Situation in Mazar-e-Sharif selbst wird nicht berichtet. Zur Wasserversorgung in der Provinz Herat konnte ein Bericht gefunden werden, demzufolge Zahlungen an die Wasserversorgungsanstalt in der Höhe von 208 Mio. Afghanis ausstehen. Aufgrund der ausstehenden Zahlungen musste die Wasseranstalt Infrastrukturprojekte verschieben. Über die konkrete Versorgungslage in Herat-Stadt wurde nicht berichtet.
Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte in Afghanistan dieses Jahr deutlich geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren. Gemäß einer Quelle lagen die Getreidepreise auf den Märkten in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund guter Ernten im Iran und Pakistan im Mai 2018 dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.
Wie den nachfolgend zitierten Quellen weiters zu entnehmen ist, verfügen momentan 45 Prozent der afghanischen Bevölkerung über keinen gesicherten Zugang zu Lebensmitteln.
Einzelquellen:
Gemäß einem Bericht der afghanischen Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News klagen Einwohnerinnen und Regierungsvertreter aus den Bezirken Balkh, Nahar Shahi, Marmal, Khelm und Khas Balkh im Umkreis von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, über Wasserknappheit und unzureichende Wasserversorgung. Landwirte aus dem Bezirk Marmal haben aufgrund der Dürre keine Nutzpflanzen angebaut.
[...]
Pajhwok Afghan News berichtet, dass Bewohnerinnen und Bewohner der Provinz Herat der afghanischen Wasserversorgungsanstalt 208 Mio. Afghanis schulden. Ein Vertreter der Wasserversorgungsanstalt gab bekannt, dass aufgrund der offenen Rechnungen Projekte zur Entwicklung der Infrastruktur nicht umgesetzt werden konnten. Neben den unbezahlten Rechnungen nannte der Vertreter veraltete Kanalsysteme und einen Mangel an Spezialwerkzeugen zum Auffinden und Reparieren von undichten Stellen als ein Hauptproblem der Wasserversorgungsanstalt.
[...]
Gemäß einem Bericht des Famine Early Warning Systems Network (FEWS-NET) wird Afghanistan dieses Jahr rund zwei bis 2,5 Mio. Tonnen an Getreide importieren müssen, um seinen Bedarf zu decken. Das sind rund zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Da die Getreideernte im Iran und Pakistan voraussichtlich gut sein wird, sollte dieses Defizit durch konventionelle marktwirtschaftliche Kanäle ausgeglichen werden können. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Märkten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt, als auch Mazar-e-Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2017.
[...]
Gemäß dem Nachrichtenportal TOLO-News berichtet die afghanische Statistikorganisation, dass es rund 45 Prozent der afghanischen Bevölkerung an einem gesicherten Zugang zu Lebensmitteln mangelt. Das World Food Program warnt, dass sich die Versorgungslage aufgrund der anhaltenden Dürre weiter verschlechtern wird.
[...]
2. Gibt es bedingt durch diese Dürre in den Provinzen Balkh und Herat eine Landflucht in die Provinzhauptstädte?
[...]
Zusammenfassung:
Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen kann davon ausgegangen werden, dass von Mai bis Mitte August rund 12.000 Familien, unter anderem aufgrund der Dürre, aus den Provinzen Badghis und Ghor nach Herat-Stadt geflohen sind. Zur Lage in Mazar-e-Sharif wurde nichts berichtet.
Einzelquellen:
Gemäß dem Protokoll einer Sitzung des Humanitarian Regional Teams (HRT) von OCHA am 14.8.2018 leben rund 12.000 Familien in behelfsmäßigen Zelten im Westen von Herat-Stadt und sind damit den Elementen ausgesetzt. Sie sind aufgrund der Dürre, den Konflikten und anderen Gründen aus ihren Heimatorten geflohen.
[...]
OCHA berichtet, dass die Auswirkungen der Dürre am Rand von Herat-Stadt momentan am sichtbarsten sind. Erste Familien kamen im Mai aus den Nachbarprovinzen Badghis und Ghor an und errichteten behelfsmäßige Zelte entlang der Straße nach Qala-e-Naw, Badghis. Ihre Anzahl ist inzwischen auf 7.400 gestiegen, oder mehr als 50.000 Personen.
[...]
3. Falls ja,
a. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Möglichkeit der Wohnraumbeschaffung für Neuansiedler in diesen Städten aus?
[...]
Zusammenfassung:
Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen handelt es sich bei den Personen, welche vor der Dürre nach Herat-Stadt geflohen sind, um Personen, die ihren gesamten Besitz verloren haben. Sie leben in behelfsmäßigen Zelten in den armen Gegenden am westlichen Stadtrand von Herat. Über den Wohnungsmarkt oder auch Versuche dieser Personen, erschwinglichen Wohnraum in Herat-Stadt zu finden, konnten keine Berichte gefunden werden.
Einzelquellen:
Gemäß einem Bericht des Afghanistan Analysts Network (AAN) haben
1.760 Familien Zelte erhalten, andere leben in behelfsmäßigen Unterständen. Die Betroffenen berichten, dass sie von Brot und Wasser leben, da ihnen die Mittel für Reis oder Fleisch fehlen. AAN berichtet weiters, dass Familien, welche in den Behelfsunterkünften leben, nicht in ihre Herkunftsorte zurückkehren wollen. Sie haben ihre informellen Siedlungen in den ärmsten Gebieten von Herat-Stadt errichtet.
[...]
TOLO-News berichtet, dass die Mehrheit der von der Dürre betroffenen Bewohner der informellen Siedlungen Landwirte sind, welche ihren gesamten Besitz verloren haben.
[...]
b. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler in diesen Städten aus?
[...]
Zusammenfassung:
Der nachfolgend zitierten Quelle kann entnommen werden, dass die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 rund 17 Prozent unter dem Fünfjahresdurchschnitt lagen. Damit steht die Lohnentwicklung in Herat-Stadt im Kontrast zu Entwicklungen in anderen urbanen Zentren Afghanistans. In Mazar-e-Sharif lagen die Löhne für Gelegenheitsarbeit im Mai 2018 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.
Einzelquellen:
Gemäß einem Bericht von FEWS-NET sind die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 gegenüber dem Vorjahr und im Fünfjahresdurchschnitt um rund 17 Prozent gesunken. In Mazar-e-Sharif lagen sie dagegen 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.
[...]
4. Gibt es staatliche oder internationale Hilfsmaßnahmen für die in den Dürregebieten lebenden Personen?
[...]
Zusammenfassung:
Gemäß mehreren Berichten gibt es insbesondere von internationaler Seite Hilfe für die von der Dürre betroffenen Personen. Das Humanitarian Country Team (HCT) der UN hat den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Dementsprechend benötigt Afghanistan in diesem Jahr rund 547 Mio. Dollar an Hilfsgeldern, wobei Ende Juli rund ein Drittel dieses Plans finanziert war. Bislang hat OCHA an die von der Dürre betroffene Bevölkerung unter anderem Trinkwasser und Nahrungsmittel verteilt. Weiters erhielten Betroffene auch Geld, über welches sie selbst verfügen können. In jenen Zentren, in denen sich von der Dürre Geflohene ansiedelten (Herat-Stadt, Qala-e-Naw und Chaghcharan) wurden unter anderem auch Zelte verteilt.
Das World Food Programme (WFP) gab Ende Juli an, über 400.000 Personen in den von der
Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmittelsoforthilfe unterstützen zu wollen. Australien sagte eine Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zu. Auf Betreiben der WHO sind in Herat mobile Gesundheitsteams im Einsatz.
Die afghanisc