Entscheidungsdatum
27.01.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2226065-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle NÖ, vom 08.22.2019, OB:
37163759700032, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 01.07.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Dem Antrag angeschlossen waren diverse radiologische Befunde.
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 50% und gestaltete sich wie folgt:
"Anamnese:
Anamnestisch: vor ca. 9 Jahren Schädelbasisbruch und Hirnblutung, konservativ behandelt, vor ca. 30 Jahren Bandscheiben-OP L4/5, seither Fußheberschwäche rechts, außerdem Mehrfach Stenting rechte Beinarterie, zuletzt vor ca. 3 Jahren, es bestehen degenerative Veränderungen in der Wirbelsäule
Derzeitige Beschwerden:
Schwindel, wenig belastbar, kraftlos in den Beinen, Kreuzschmerzen, die im Laufe des Tages schlimmer werden
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Aldactone, Amlodipin, Crataegutt, Daflon, Euthyrox, Magnoslov, Pantoloc, Plavix, Simvastatin, Tritace, orthopädische Schuhe, Stützmieder
Sozialanamnese: verheiratet, 1 Tochter, Pensionistin
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
21.06.2019 Röntgen: HWS und LWS: Grobsträhnig rarefizierte Knochenstruktur. Osteochondrosis und Spondylosis deformans mit Achsenabweichungen wie beschrieben. Intervertebraiarthrose der HWS und der LWS. Uncarthrose der HWS. Baastrupzeichen der LWS- soweit vergleichbar, nur mäßiggradige Progredienz im Verglich zu den Voruntersuchungen aus dem Jahr 2016 bzw. 2017. NB; Vasosklerose.
Rechter Fuß: Fehlstellung sowie osteoarthrotische Veränderungen, die Knochenstruktur rarefiziert.
Untersuchungsbefund: (...)
Klinischer Status - Fachstatus:
78-jährige Frau kommt gehend in Begleitung ihrer Tochter in meine Ordination. Caput/Collum: Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Ober- und Unterkiefervollprothese. Thorax symmetrisch, Herzaktion rein rhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar. Abdomen weich eindrückbar, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar. Fußpuise nicht sicher tastbar, Popliteapulse beidseits tastbar, sonst Durchblutung und bis auf Fußheberschwäche rechts grob neurologisch unauffällig.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Extremitäten: Die Gelenke der OE altersentsprechend frei beweglich, Fingergelenksarthrose, Faustschluss beidseits komplett, grobe Kraft beidseits gut, UE: das linke Kniegelenk endlagig beugegehemmt, Streckung frei, Krepitation, Wadenatrophie rechts, Hallux valgus beidseits, Hammerzehen beidseits, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. WS: HWS: Reklination des Kopfes mäßiggradig eingeschränkt, Drehung und Seitneigung des Kopfes nach links und rechts gering- bis mittelgradig eingeschränkt,
Kinn-Jugulum-Abstand: 3cm, BWS/LWS: blande Narbe nach OP, Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts mäßiggradig eingeschränkt, Lasegue beidseits negativ, Finger-Bodenabstand: 20cm. Das Gangbild durch Peronaeusläsion rechts rechtshinkend, aber flüssig und sicher, Einbeinstand links ohne, rechts mit Anhalten möglich, Zehen- und Fersengang beidseits nicht durchführbar.
Status Psychicus:
bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage euthym, Allgemeintempo von normaler
Schnelligkeit, Gedächtnis und Konzentration unauffällig
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr
Gdb%
Aufbraucherscheinungen im Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 vor 30 Jahren und Fußheberschwäche rechts mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades Unterer Rahmensatz, da ohne Gehhilfe mobil
02.02.03
50
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H
Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Einsteigen und Aussteigen sowie den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich und dauerhaft einschränken. Ausreichende Gangsicherheit kann auch ohne Verwendung einer Gehhilfe festgestellt werden. Die Beschwerden vor allem im Bereich der Wirbelsäule führen zwar zu einer gewissen Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können alleine, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne fremde Hilfe und ohne Pause zurückgelegt werden. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein- und Aussteigen möglich ist. Die Gesamtmobilität ist nicht wesentlich eingeschränkt, Kraft und Koordination sind gut. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten ist nicht eingeschränkt, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Es bestehen therapeutische Optionen hinsichtlich Intensivierung der konservativen Therapiemaßnahmen (Physiotherapie, Peronaeusschiene, multimodale Schmerztherapie} zur Behandlung des Stütz- und Bewegungsapparates.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein."
Im gewährten Parteiengehör zum eingeholten Gutachten wurde moniert, dass keine Erhebungen und keine Befunde über die zurücklegbare Strecke gemacht worden wären, sowie, dass die Wegstrecke vom Wohnhaus der Beschwerdeführerin bis zur nächsten Bushaltestelle mehr als 1 km betrage und somit deutlich länger als die Strecke von 300 bis 400 m sei.
Angeschlossen war ein Befundbericht einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie.
Das Sozialministeriumservice holte eine Stellungnahme der befassten Allgemeinmedizinerin ein, die darauf verwies, dass im Gutachten vom 24.09.2019 ausführlich begründet beschrieben sei, dass es der Beschwerdeführerin möglich sei, eine kurze Wegstrecke selbständig zu bewältigen. Es lägen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, die das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich und dauerhaft einschränken würden. Ausreichende Gangsicherheit könne auch ohne Verwendung einer Gehhilfe festgestellt werden. Die Beschwerden, vor allem im Bereich der Wirbelsäule, führten zwar zu einer gewissen Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits könne jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittle nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken von etwa 300 bis 400 m könnten alleine, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne fremde Hilfe und ohne Pause zurückgelegt werden. Niveauunterschiede könnten überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend sei und das sichere Ein- und Aussteigen möglich sei. Die Gesamtmobilität sei nicht wesentlich eingeschränkt, Kraft und Koordination seien gut. Im Bereich der oberen Extremitäten lägen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten sei nicht eingeschränkt, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Es bestünden therapeutische Optionen hinsichtlich Intensivierung der konservativen Therapiemaßnahmen (Physiotherapie, Peronaeusschiene, multimodale Schmerztherapie) zur Behandlung des Stütz- und Bewegungsapparats.
Mit Bescheid des Sozialministeriumsservice vom 08.11.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das ärztliche Begutachtungsverfahren verwiesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde abermals auf die Wohnsituation der Beschwerdeführerin und die Distanz zum öffentlichen Verkehrsmittel verwiesen. Ihr sei bestätigt worden, dass sie nur 300 bis 400 m zurücklegen könne und deshalb sei es ihr nicht möglich, ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.
1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Klinischer Status - Fachstatus:
78-jährige Frau kommt gehend in Begleitung ihrer Tochter in meine Ordination. Fußpulse nicht sicher tastbar, Popliteapulse beidseits tastbar, sonst Durchblutung und bis auf Fußheberschwäche rechts grob neurologisch unauffällig.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Extremitäten: Die Gelenke der OE altersentsprechend frei beweglich, Fingergelenksarthrose, Faustschluss beidseits komplett, grobe Kraft beidseits gut, UE: das linke Kniegelenk endlagig beugegehemmt, Streckung frei, Krepitation, Wadenatrophie rechts, Hallux valgus beidseits, Hammerzehen beidseits, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. WS: HWS: Reklination des Kopfes mäßiggradig eingeschränkt, Drehung und Seitneigung des Kopfes nach links und rechts gering- bis mittelgradig eingeschränkt,
Kinn-Jugulum-Abstand: 3cm, BWS/LWS: blande Narbe nach OP, Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts mäßiggradig eingeschränkt, Lasegue beidseits negativ, Finger-Bodenabstand: 20cm. Das Gangbild durch Peronaeusläsion rechts rechtshinkend, aber flüssig und sicher, Einbeinstand links ohne, rechts mit Anhalten möglich, Zehen- und Fersengang beidseits nicht durchführbar.
Funktionseinschränkungen:
Aufbraucherscheinungen im Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 vor 30 Jahren und Fußheberschwäche rechts mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden. Es liegen auch keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vor.
Die vorliegenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule führen zwar zu einer gewissen Einschränkung der Gehstrecke, die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um sich im öffentlichen Raum selbständig fortzubewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe und ohne Pause, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne Unterbrechung und ohne größere Schmerzen zurückzulegen. Niveauunterschiede können überwunden werden. Die Gesamtmobilität ist nicht wesentlich eingeschränkt, Kraft und Koordination sind gut. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten ist nicht eingeschränkt, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 24.09.2019 samt Stellungnahme vom 07.11.2019 eingeholt worden. Bereits im Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Das festgestellte Leiden führt laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung.
Sie beschrieb nachvollziehbar, dass keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vorlägen, die das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich und dauerhaft einschränken würden. Ausreichende Gangsicherheit könne auch ohne Verwendung einer Gehhilfe festgestellt werden (zumal die Beschwerdeführerin auch keine Gehhilfe im Rahmen der Untersuchung verwendet hat). Die Beschwerden führten zwar zu einer gewissen Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits könne jedoch laut Gutachterin eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittle nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken von etwa 300 bis 400 m könnten alleine, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne fremde Hilfe und ohne Pause zurückgelegt werden. Niveauunterschiede könnten überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend sei und das sichere Ein- und Aussteigen möglich sei. Sie führte schlüssig aus, dass die Gesamtmobilität nicht wesentlich eingeschränkt sei, Kraft und Koordination gut seien. Im Bereich der oberen Extremitäten lägen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor. Insbesondere verwies die Ärztin auch darauf, dass noch therapeutische Optionen hinsichtlich Intensivierung der konservativen Therapiemaßnahmen (Physiotherapie, Peronaeusschiene, multimodale Schmerztherapie) zur Behandlung des Stütz- und Bewegungsapparates bestünden.
Zu den in der Beschwerde vorgebrachten Ausführungen, dass keine Erhebungen und kein Befund über die von der Beschwerdeführerin zurücklegbare Strecke gemacht worden seien und diese auch nicht festgehalten seien, ist hinzuweisen, dass Beurteilungsgegenstand ist, ob jemand eine kurze Wegstrecke (300m - 400m) zurücklegen kann und nicht die Länge der zurücklegbaren Wegstrecke.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Zur Entfernung von der nächsten Bushaltestelle ist auf die Judikatur des VwGH zu verweisen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Bei der Beschwerdeführerin liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten bei der Beschwerdeführerin ausreichend gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es ist bei der Beschwerdeführerin von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Zum Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Leiden und Leistungsfähigkeit nicht in der Lage wäre, eine Haltestelle aus eigener Kraft zu erreichen, wird auf das Erkenntnis des VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0013 verwiesen:
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (Hinweis E vom 22. Oktober 2002, 2001/11/0258).
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten samt Stellungnahme eingeholt worden. In dem vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und schlüssig das Nichtvorliegen der Voraussetzungen - konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen - für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der Beschwerdeführerin mündlich zu erörtern gewesen wäre - wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Auch die Stellungnahme im Parteiengehör war nicht geeignet, eine andere Einschätzung herbeizuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2226065.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.04.2020