TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/27 W200 2210321-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W200 2210321-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Verein ChronischKrank, gegen die Beschwerdevorentscheidung des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 24.10.2018, OB:

86981384200011, mit dem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe abgewiesen als der Spruch zu lauten hat:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 25.01.2018 wird abgewiesen. Der Grad der Behinderung beträgt 40%.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 25.01.2018 unter Vorlage von medizinischen Unterlagen den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. In Bezug auf ihre Gesundheitsschädigungen gab sie an, an einer Rückenmarksentzündung sowie Bandscheibenentfernung und Wirbelsäulenversteifung zu leiden.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte orthopädische Gutachten vom 05.05.2018, basierend auf einer Untersuchung am 13.04.2018, ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH und gestaltete sich in Auszügen wie folgt:

"Anamnese:

Vorgutachten 2014

Inkomplettes Querschnittsyndrom nach Myelitis C5-TH1 30 v.H.

Anamnese:

2017 Versteifung L4/5 Orthopädisches Spital Speising

Sonst keine Unfälle und Operationen am Bewegungsapparat.

Derzeitige Beschwerden

Gürtelförmige Schmerzen nach der Operation hauptsächlich rechts ausstrahlend bis ins Bein reichend. Bei der Operation vermutlich eine Verletzung des Duralsackes. Gefühlstörungen werden auch im linken Fuß angegeben. Diese reichen bis zur mittleren Wade. Seit der Rückenmarkentzündung ergibt sich eine eingeschränkte Kälte-Hitzeempfindung. Gehstrecke ist sehr eingeschränkt, alle 10-20 Meter muss sich Frau XXXX nach eigenen Angaben hinsetzen. Sie spürt den Schuh nicht. Walking Stöcke werden verwendet.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Letzte phys. Therapie

Laufend.

Schmerzstillende Medikamente:

Durogesic 75µg 3-Tagespflaster, Morapid 10mg bei Bedarf. Mefenam 2x1 und Sirdalud 4mg.

Weitere Medikation: Seroxad, Gabatal 300mg 3x1 und Pantoprazol.

Hilfsmittel:

Keine.

Sozialanamnese:

Seit 2015 in Pension.

Einfamilienhaus.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Im Akt:

12.6.2017 Patientenbrief Neurologische Abteilung KH Rosenhügel: über einen Aufenthalt vom 27.5.-12.6.2017.

Diagnose Entlassung: Spondylolisthese L4/5 mit dorsomedialer Diskusherniation und absolute Vertebrostenose L5.

Neuroforamenstenose mit Tangierung der Nervenwurzel L4 beidseits. Diskusprotrusion S1 links.

Überführung und Transferierung an das Orthopädische Spital Speising zur operativen Sanierung.

19.10.2017 Facharztbefund Dr. XXXX in Wien.

Diagnose: Z. n. C5-Th1 Myelitis mit Paraparese UE, sensibler Querschnitt unterhalb C5 mit vegetativen Ausfällen, Dranginkontinenz und chronischer Obstipation. Z. n. TLIF L4/5. Neuropathisches Schmerzsyndrom.

Im Neurostatus wird eine Ulnarisirritation links angegeben sonst unauffällige Verhältnisse. Sensibles Niveau ab C5, eine gebückte Schonhaltung der BWS und LWS mit diffusen Hyponparästhesien linksbetont.

Eine eingeschränkte Belastbarkeit wird attestiert.

6.6.2017 Ambulanzbefund Orthopädisches Spital Speising.

Diagnose: Spondylolisthese und Vertebrostenose L4/5, Diskusprotrusion L5/S1.

Patientin wird aus dem KH Rosenhügel vorgestellt. Es besteht rechts proximal betonte Paraparese der unteren Extremität mit Abschwächung der Muskulatur und Einschränkung der Mobilität.

Eine operative Sanierung wird empfohlen.

1.6.2017 Orthopädisches Spital Speising. Ident mit dem Vorbefund.

26.6.2017 Patientenbrief Orthopädisches Spital Speising über einen Aufenthalt von 12.6.-26.6.2017.

Diagnose: Vertebrostenose und Listhese L4/5, Sacrumfraktur. Operation 14.6.2017. TLIF L4/5 zementaugmentiert.

Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Der operative Eingriff wird am 14.6.2017 vorgenommen. Deutlich gebesserte Schmerzen (VAS 0-1 nach dem Eingriff).

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: Kommt alleine, aufrecht gehend, normale Straßenkleidung, normaler Konfektionsschuh.

An- und Auskleiden selbständig, rasch, ohne Fremdhilfe.

Guter AZ und EZ. Rechtshänderin.

Caput, Thorax, Abdomen unauffällig.

Die Haut ist rosig, normal durchblutet. Reizlose OP-Narben im Bereich L4-S1.

Ernährungszustand: gut, schlank.

Größe: 170,00 cm Gewicht: 60,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Wirbelsäule gesamt

Im Lot, Streckhaltung der LWS, seitengleiche Muskulatur, keine Atrophien, symmetrische Taillendreiecke.

HWS:

S 30/0/20, R je 50, F je 30.

BWS:

R je 30, Ott normal.

LWS:

FBA nicht prüfbar. Seitneigen je 10, Reklination 0. Endlagige Schmerzhaftigkeit L5/S1.

Peripher neurol.:

Hirnnerven frei, vermehrtes dissoziertes Hautgefühl im Sinn von Hyp- und Dysästhesien im Bereich der oberen Extremität und der unteren Extremität beidseits. Die Veränderungen sind diffus ausgebildet und erlauben keine Zuordnung zu einem Nervenwurzeldermatom. Die Muskeleigenreflexe sind mittellebhaft, zum Teil klonisch.

Obere Extremität

Allgemein

Rechtshänderin, normale Achse, normale Gelenkkonturen, kräftige seitengleiche Muskulatur, keine Atrophien, Handgelenkspulse gut tastbar, seitengleiche Gebrauchsspuren.

Schulter-, Ellbogen-, Hand-, Langfingergelenke:

Frei beweglich.

Schürzen- Nackengriff:

Sehr gut.

Kraft- Faustschluss, Fingerfertigkeit:

Sehr gut.

Untere Extremität

Allgemein:

Keine Beinlängendifferenz, normale Achse, normale Gelenkkonturen, kräftige seitengleiche Muskulatur, keine Atrophien, Fußpulse gut tastbar, seitengleiche Gebrauchspuren.

Hüfte beidseits: Frei beweglich.

Knie beidseits: Frei beweglich.

Füße: Unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Normalschrittig, Zehen- Fersenstand, Einbeinstand und Hocke leicht unsicher.

Transfer auf die Untersuchungsliege gelingt selbständig, Wendebewegungen auf der Untersuchungsliege selbständig.

Status Psychicus:

Orientiert, freundlich, kooperativ.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Inkomplettes Querschnittsyndrom nach Myelitis C5-Th1. Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer, da leichtgradige Paresen mit chronischem Schmerzsyndrom.

04.03.01

30

2

Fusion L4/5 (TLIF). Unterer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da segmentale Funktion mit gering belastungsabhängigen Schmerzen jedoch ohne neurologisches Defizit

02.01.02

30

Gesamtgrad der Behinderung: 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Es besteht zwischen Leiden 1 und 2 eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung, da der Lendenwirbelsäulenabschnitt dazu gekommen ist. Dies führt für die Gesamtregion zu einer Verschlimmerung und ist gutachterlich zu werten. (...)

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Vergleich zum Vorgutachten ist durch den Bandscheibenvorfall und dessen operative Sanierung mit segmentaler Versteifung eine Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens festzustellen und auch gutachterlich zu werten

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung ergibt sich durch das neu aufgetretene Leiden laufender Punkt 2.

(...) Dauerzustand. (...)"

Die Beschwerdeführerin übermittelte im zum Gutachten gewährten Parteiengehör eine Stellungnahme, wonach sie mit der Einstufung des Grades der Behinderung nicht einverstanden sei und legte weitere medizinische Unterlagen vor. Sie gab im Wesentlichen an, dass sie keine 300-400m gehen könne, nur max. 5kg heben dürfe und keine Drehbewegung machen dürfe. Sie leide überdies an Dranginkontinenz, die im Gutachten nicht berücksichtigt worden sei. Ihr HWS-Problem sei ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Zudem sei die Dosierung ihres Schmerzmedikamentes im Gutachten falsch festgehalten worden.

Die aufgrund dieser Ausführungen der Beschwerdeführerin vom SMS eingeholte Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie vom 03.07.2018 ergab keine Änderung der Beurteilung.

Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 03.07.2018 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte Beweisverfahren einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH ergeben habe. Das eingeholte Gutachten samt Stellungnahme wurde dem Bescheid als Bescheidbestandteil angeschlossen. Die vorgebrachten Einwendungen zum Parteiengehör hätten keine Änderung des Gutachtens bewirkt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und gab im Wesentlichen an, dass bei der Untersuchung und im Gutachten nicht berücksichtigt worden sei, dass sie bereits seit 2010 sehr beeinträchtigende und schmerzhafte Probleme mit der Halswirbelsäule und dem linken Arm habe. Zudem würden eine Anpassungsstörung und Panikattacken vorliegen. Hinsichtlich der Einstufung unter Pos.Nr. 02.01.02 gab sie an, dass sehr wohl maßgebliche Einschränkungen im Alltag bestehen würden und sich keine Besserung ihres Zustandes ergeben habe, wodurch sich eine höhere Einstufung ergebe.

Das Sozialministeriumservice holte in weiterer Folge eine Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie vom 17.09.2018 ein.

Dieses gestaltete sich wie folgt:

"Frage(n), Antwort(en):

Zu Beschwerdeschreiben vom 14.August 2018.

Beeinsprucht wird, dass die Beurteilung des Querschnittssyndroms mit 30 v. H. zu gering sei. Die im Jahr 2010, also vor acht Jahren, vorgelegene Problematik durch die Querschnittsymptomatik, ist aktenkundig und wurde in einem amtswegigen Sachverständigengutachten vom Jahr 2014 durch einen Facharzt für Neurologie mit 30 v. H. beurteilt. Aus den aktuellen Befundvorlagen ist zu entnehmen, dass im Jahr 2017 ein operativer Eingriff, eine Versteifung L4/5 im Orthopädischen Spital Speising notwendig war. Die Befundvorlage im laufenden Verfahren ist vollständig und dokumentiert die Notwendigkeit des operativen Eingriffes. Bei der aktuellen Untersuchung stellt sich die Querschnittssymptomatik unter Berücksichtigung des Vorgutachtens als über die Jahre unverändert dar. Auch die beigelegten Befunde, die schon im Rahmen der aktuellen Untersuchung vom 13.4.2018 zugänglich waren, ergeben die Beurteilung der Querschnittsymptomatik betreffend, keine Änderung zum Vorgutachten.

Die neu aufgetretene Funktionsbehinderung im Bereich der LWS durch die vorgenommene einsegmentale Versteifung ist neu in der Diagnosenliste aufgenommen und gesamt beurteilt.

Änderungen können aus der aktuellen Befundlage nicht abgeleitet werden.

Neue Befunde die eine Änderung erfordern, wurden nicht vorgelegt."

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 24.10.2018 wies das Sozialministeriumservice die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung ab und stellte einen Grad der Behinderung von 40 vH fest. Begründend wurde auf das eingeholte Sachverständigengutachten verwiesen.

In der (zu spät eingelangten) Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Parteiengehör wurde die Einstufung des Leiden 1 gerügt, da laut Neurologin ein multikausales Schmerzsyndrom mit sensomotorischen Funktionsausfällen und Funktionseinschränkungen sowie Paraspastik und eine Überlaufblase vorliegen würden. Hinsichtlich Leiden 2 führte sie aus, dass eine erhebliche Alltagsbeeinträchtigung bestehe. Sie leide seit Jahren an schmerzhaften Muskelspasmen und sei trotz hochdosierter Opiattherapie nicht schmerzfrei. Die Voraussetzungen für Pos.Nr. 02.01.03 seien erfüllt. Zudem leide sie an ausgeprägten Knochenmarködemen. Angeschlossen war ein Konvolut von medizinischen Unterlagen.

Gegen den Bescheid vom 24.10.2018 stellte die Beschwerdeführerin rechtzeitig einen Vorlageantrag und wiederholte unter neuerlichem Anschluss der medizinischen Unterlagen ihre Ausführungen der (beim SMS verspätet eingelangten) Stellungnahme.

In weiterer Folge holte das BVwG ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 10.09.2019 ein, welches im Wesentlichen Folgendes ergab:

"Allgemeinmedzinisches Gutachten (...)

Das Gangbild der BF stellt sich bei Verwendung eines Gehstockes links geführt in Konfektionsschuhen gering verlangsamt, flüssig und sicher dar.

Auf die Neuerungsbeschränkung wird geachtet. Unterlagen, welche zur Untersuchung mitgebracht werden, werden dem Akt angeschlossen, jedoch in der gutachterlichen Beurteilung nicht berücksichtigt.

Vorgutachten:

Nervenärztliches Vorgutachten von Herrn Dr. XXXX vom 20. Mai 2014:

festgestellt wird ein inkomplettes Querschnittssyndrom nach Myelitis C5 bis Th1 mit einem Behinderungsgrad von 30 %.

Vorliegend ist ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 8. Mai 2018, in welchem ein inkomplettes Querschnittssyndrom nach Myelitis C5 bis Th1 mit 30 % sowie eine Fusion L4/5 mit einem Behinderungsgrad von 30 % festgestellt werden. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 40 % festgesetzt. Im Vergleich zum nervenärztlichen Vorgutachten erfolgte eine Neuaufnahme des Leidens "Fusion L4/5".

Weiters vorliegend ist eine Stellungnahme von Herrn Dr. XXXX vom 3. Juli 2018: es erfolgte keine Änderung der Beurteilung.

Vorliegend ist eine weitere Stellungnahme des Orthopäden Dr. XXXX von 20. September 2018: die Querschnittsymptomatik stellte sich in der von orthopädischer Seite durchgeführten Untersuchung als über die Jahre unverändert dar. Neu aufgenommen wurde die Funktionsbehinderung im Bereich der Lendenwirbelsäule. Eine angegebene Anpassungsstörung und die Panikattacken seien nicht befunddokumentiert laut vorliegendem Befundbericht aus der Ordination Dr. XXXX vom 19. Oktober 2017. Insgesamt erfolgte keine Änderung der Einschätzung.

Laut Antrag mit Eingangsstempel des Sozialministeriumservice am 25. Jänner 2018 wurden folgende Gesundheitsschädigungen von der BF angeführt: Rückenmarksentzündung, Bandscheibenentfernung sowie Wirbelsäulenversteifung.

Sozialanamnese:

ledig, seit Juni 2015 in Pension.

Relevante Befunde (die Neuerungsbeschränkung wird berücksichtigt):

Neurologisch- psychiatrisches Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 24. März 2014: Diagnosen: inkomplette, rein sensible Querschnittsymptomatik rechts sub C6 submammär ohne motorisch-neurologische Ausfälle, postentzündliche myelopathische Spasmen, Anpassungsstörung, Panikattacken aus der Anamnese, Osteochondrose der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenprolaps L4/5 und L5/S1 mit deutlicher Tangierung der nervalen Strukturen. Status:

Extremitäten und Gangbild: symmetrisch und frei gehend, beide Arme werden symmetrisch mitbewegt. Neurologischer Status: obere

Extremitäten: Kraft seitengleich und regelrecht, Tonus beidseits normal, sensibles Niveau sub TH 6 mit Hyperpathie, Hyperästhesie und Dysästhesien bis zu den unteren Extremitäten, wobei die motorischen Eigenreflexe beidseits oben unauffällig mittellebhaft sind, an den unteren Extremitäten rechts vor links gesteigerte Vibration, links abgeschwächt, rechts gut wahrnehmbar, Zehenstand nicht möglich wegen einschießender Krämpfe in der Wadenmuskulatur, Gehen, Stehen selbstständig ohne Fremdhilfe, Positionsmanöver selbstständig. Bei der Tonusprüfung beginnend milde Spastik rechts, ansonsten unauffälliger Tonus. Im neurologischen Status findet sich bis auf eine rechtsbetonte inkomplette, aber rein sensible Querschnittsymptomatik keine Auffälligkeit, zusätzlich aggraviertes Reflexbild, angepasstes situatives Bild, kognitiv völlig unbeeinträchtigt, Schmerztherapie gut ausgeschöpft.

Psychopathologisch: weitgehend unauffällig, anamnestisch Panikattacken seit 1994 (seit 1994 auch Seroxat, damit besser). Ein Leistungskalkül liegt vor: u.a. sind ständig leichte und mittelschwere Hebe- und Trageleistungen möglich, schwere sind nicht möglich.

Ärztliches Sachverständigengutachten zur Leistungsfeststellung Dr. XXXX vom 27. März 2014: sensible Ausfälle unter der Brust rechts und Muskelkrämpfe nach Entzündung am Rückenmark, inkomplette Querschnittsymptomatik rechts C6, postentzündlich myelopathische Spasmen, Anpassungsstörung und berichtete Panikattacken, degenerative Wirbelsäulenveränderungen und Bandscheibenschäden, Bandscheibenvorfall im unteren Lendenwirbelabschnitt L4/5 und L5/S1.

1. Neurologische Abteilung Krankenhaus Hietzing vom 12. Juni 2017:

Spondyloisthese L4/5 mit breiter Diskusherniation, konsekutive absolute Vertebrostenose, Neuroforamenstenose L4/5 mit Tangierung der Nervenwurzeln L4 beidseits, Diskusprotrusion L5/S1 links, Insuffizienzfraktur, Zustand nach Myelitis C5/Th1 (am ehesten viral) mit inkompletter Querschnittsymptomatik- sub TH 1 (8/2011), Zustand nach Hallux valgus Operation links, Zustand nach 6-maliger Operation rechte Oberschenkelrückseite nach Hundebiss 1991, Zustand nach Karpaltunneloperation rechts, Z.n. Blinddarmentfernung und Mandelentfernung, Zustand nach Schiel-Operation. Miktion:

unauffällig, jedoch Überlaufblase mit Dranginkontinenz, Stuhl:

obstipiert, einmal pro Woche Stuhl. Gewicht konstant. Transferierung ins orthopädische Spital Speising.

Orthopädisches Spital Speising vom 1. Juni 2017, Ambulanzbrief:

Status: im Liegen können die Beine gestreckt von der Unterlage wechselweise angehoben werden. Hüftbeuger rechts schmerzhaft, eingeschränkt mit KG 4, links unauffällig. Kniestrecker ebenso, rechts KG 4 (schmerzbedingt). Die übrige Motorik im Bereich der unteren Extremitäten ungestört. Hyposensibilität rechts lateraler Oberschenkel sowie hinterer Oberschenkel und lateral am Unterschenkel, schon länger bestehend. Überlaufblase.

Orthopädisches Spital Speising vom 6. Juni 2017, Ambulanzbrief:

Spondylolisthese und Vertebrostenose L4/5, Diskusprotrusionen L5/S1 links, Lumboischialgie rechts, proximal betonte Paraparese der UE, Zustand nach Myelitis L5-Th1 mit inkompletten Querschnittsymptomatik 2011, Zustand nach 6-maliger Operation rechte Oberschenkel-Rückseite nach Hundebiss 1991. Patientin ist für kurze Gehstrecken am Rollator mobil, diese Paresesymptomatik ist etwa seit 1,5-2 Wochen vorhanden. Schmerzsymptomatik hauptsächlich am rechten hinteren Ober- und Unterschenkel bis zur Ferse. Eine operative Therapie ist kurzfristig indiziert.

Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie orthopädisches Spital Speising vom 26. Juni 2017: TLIF L4/5 am 14. Juni 2016. Aufgrund eines intraoperativ entstandenen Duraleaks erfolgte die Mobilisierung der Patientin am 2. postoperativen Tag unter physiotherapeutischer Anleitung. Ein postoperativ durchgeführtes Kontrollröntgen zeigte eine regelrechte Lage des Spondylodesematerials. Bei den Verbandwechseln lagen blande WundverhäItnisse vor. Bei Entlassung bestanden eine intakte Motorik der unteren Extremität sowie weiterhin die verminderte Sensibilität wie präoperativ, die Schmerzen wurden mit VAS 0-1 angegeben.

Nervenärztlicher Befund Dr. XXXX vom 19. Oktober 2017: Z.n. C5 bis Th1 Myelitis 2011 - Paraparese UE, sensibler Querschnitt unterhalb C5 mit vegetativen Ausfällen (Dranginkontinenz, chronische Obstipation), Zustand nach TLIF L4/5 2017, Spondylolisthese, neuropathisches Schmerzsyndrom/ Mixed pain Syndrom. Patientin benötigt eine konsequente regelmäßige Fortführung der Physiotherapie. Die Patientin kann keine Lasten über 5 Kilo heben,

Drehbewegungen seien zu vermeiden. Neurostatus: Kraft und sonstiger Sensibilitätsstatus seitengleich, sensibles Niveau ab C5. Diffuse Hyp-/Parästhesien links betont L5/S1.

III. Orthopädische Abteilungskrankenhaus Speising vom 8. Juni 2011:

Cervikalsyndrom rechts, Osteochondrose C5/6 und C6/7. Multimodale konservative Schmerztherapie.

Neurologisches Rehabilitationszentrum Rosenhügel vom 24. Dezember 2012: Zustand nach Myelitis C5 bis C6 vermutlich viraler Genese 8/2012, Cervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, neuropathischer Schmerz, Z.n. Harnwegsinfekt. Status:

Stand und Gang: freies Stehen sicher möglich, Zehenspitzenstand nur mit Anhalten, Fersenstand frei, Romberg gering unsicher, Gangbild breitbasig, sicher.

Röntgen der gesamten Wirbelsäule vom 8. Juni 2018: Spondylosis deformans ins cervico- thoraco-lumbalis mittleren bis höheren Grades. Osteochondrosen C4 bis Th1 sowie im mittleren Drittel der Brustwirbelsäule und L4 bis S1. Verplattung und Verschreibung L4/L5, im Bereich der Schrauben keine resorptiven Veränderungen. Arthrose der kleinen Wirbelgelenke, Zustand nach anamnestisch Stressfrakturen im Bereich S1 bis S3 mit zarten Sklerosezonen, eine frische posttraumatische Läsion nicht nachweisbar. Ventralknickung des Steißbeins.

MRT der Lendenwirbelsäule vom 27. Juli 2018: Vergleichsbild vom 12. Juni 2015 liegt vor. Zwischenzeitlich Zustand nach TLIF L4/5 mit Laminektomie L4 sowie Cage im dazwischenliegenden Bandscheibenfach, nun Korrektur der vorbestehenden Anterolisthesis L3/4 und deutlich entlasteter Spinalkanal, soweit beurteilbar regelrechte Implantatlage, keine relevante Vertebrostenose bei L4/5. Zunehmende Spondylarthrose L3/4 mit Ergussbildung beidseits, gut vereinbar mit einer beginnenden Anschlussdegeneration. Flaches Bulging der Bandscheibe L3/4 mit geringer Tangierung beider Radices L4. Ausgeprägte Osteochondrose L5/S1 ähnlich zur Voruntersuchung. Begleitende Bandscheibenprotrusion mit Dorsalverlagerung der linken Radix S1 sowie beidseitigen Rezessusstenosen. Übrige

Bandscheibenfächer regelrecht. MRT Iliosakralgelenk beidseits:

ausgeprägtes Knochenmarksödem der linken Darmbeinschaufel ISG-nah, im caudalen Abschnitt zeigt sich eine horizontale Frakturlinie, neu aufgetretene ca. 2 x 1 cm große landkartenartige Läsion in der linken Massa ossis lateralis sacri kranial, gut vereinbar mit Knocheninfarkt, diesbezüglich Korrelation mit CT empfohlen. Ungeschriebenes Knochenmarksödem auch im Ramus ossis pubis superior beidseits angrenzend an die flüssigkeitsgefüllte Symphyse, begleitende degenerative Veränderungen, vereinbar mit einer Osteitis pubis.

Beckenübersicht mit Hüften vom 9. August 2018: beschriebene Frakturlinie im Bereich der linken Darmbeinschaufel weitgehend knöchern durchwachsen. Weitere fraktursuspekte Formationen nicht nachweisbar. Arthrose der ISG, Coxarthrosis beidseits, degenerative Veränderungen im Bereich der Symphyse, Verplattung und Verschraubung L4/L5 ohne resorptive Veränderungen.

Nervenärztlicher Befund Dr. XXXX vom 22. Oktober 2018: Mixed pain Syndrom, Zustand nach C5 bis Th1 Myelitis 2011 - Paraspastik UE, nächtliche Dranginkontinenz/Überlaufblase, Zustand nach TLIF bei absoluter Vertebrostenose L4/5 Juni 2017, Fraktur ISG/Darmbein links 7/2018. Medikation: Seroxat, Voltaren, Gabadal, Osteo Calvit, Fentanyl und Morapid bei Bedarf. Bei der Patientin besteht ein komplexes multikausales Schmerzsyndrom mit sensomotorischen Funktionsausfällen und Funktionseinschränkungen in den unteren Extremitäten, einerseits als Restdefizit eines sensiblen Querschnittssyndroms mit Paraspastik und Überlaufblase nach Myelitis C5 bis Th1, andererseits nach der TLIF L4/5 2017 aufgetretenen Missempfindungen wie bei Caudasyndrom vorliegend mit Dranginkontinenz und Schmerzen linksbetont L5. Hinzu kommt eine Anschlussdegeneration L3/4 und Schmerzen im Bereich der darüberliegenden Brustwirbelsäulensegmente sowie posttraumatisch bei Ostoporose und Darmbeinfraktur 7/2018. Bei Zustand nach Myelitis seit Jahren schmerzhafte Muskelspasmen in der unteren Extremität, die eine multimodale mehrfach adaptierte Schmerztherapie notwendig macht. Trotz hochdosierter Opiattherapie ist die Patientin nicht schmerzfrei, sodass von Seiten der Schmerzambulanz Wilhelminenspital die Versorgung mit einem SCS-System angedacht ist. Aufgrund des langen Krankheitsverlaufs ist keine wesentliche Funktionsverbesserung mehr zu erwarten, Ziel ist der Erhalt der Selbständigkeit und Mobilität, es besteht insgesamt eine erhebliche Alltagsbeeinträchtigung.

Folgende Stellungnahmen der BF liegen vor:

Stellungnahme vom 24. 5. 2018: die BF sei mit dem Ergebnis eines Behinderungsgrades von 40 % für zwei derartig schwere Erkrankungen bzw. Operationen nicht einverstanden. Neue Unterlagen und Beweismittel werden vorgelegt, aus denen ersichtlich ist, dass seit mindestens 2010 enorme, sehr beeinträchtigende und schmerzhafte Probleme mit der Halswirbelsäule und dem linken Arm bestehen. Diese Beschwerden seien in die Beurteilung einzubeziehen. Zu den Beilagen sei anzumerken, dass diese alle älter als 2 Jahre sind, aus diesen gehe jedoch unmissverständlich hervor, dass die Probleme der Halswirbelsäule und der linken Hand schon seit langem bestehen und immer wieder therapiert wurden. Jüngere Arztbriefe und Unterlagen betreffend die Halswirbelsäule würden bereits vorliegen. Die BF gibt weiters an, dass gürtelförmige Schmerzen hauptsächlich rechts ausstrahlend bis ins Bein reichend bestehen. Die Gehstrecke sei sehr eingeschränkt, laut BF auf 10-20 m, dann müsse sie den linken Fuß entlasten, da sie fast kein Gefühl habe und den linken Schuh fast nicht spüre. Auf einer Gehstrecke von 300-400 m müsste sie daher ständig stehen bleiben und das linke Bein entlasten. Sie dürfe nur maximal 5 Kilo heben und keine Drehbewegungen durchführen. Es bestehe eine Dranginkontinenz, sie würde ausschließlich mit ihrem Auto fahren bzw. sich ein Taxi rufen. Ein zusätzliches Problem stelle die Halswirbelsäule dar, welche nicht berücksichtigt wurde. Eine Nervenwurzelinfiltration in der Halswirbelsäule wurde im Juli 2011 durchgeführt, diese habe keine Besserung gebracht. Einige Wochen nach dieser Infiltration habe sie eine Rückenmarksentzündung 2011 bekommen. Sie könne aus all diesen Gründen keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen, zumal sie mit dem eigenen Kfz zu allen Destinationen wesentlich schneller komme, als mit öffentlichen Verkehrsmitteln. An schmerzstillender Medikation sei ein Durogesic Pflaster in einer Dosierung von 75mcg im orthopädischen Sachverständigengutachten angeführt, sie habe jedoch eine Dosierung von 100mcg. Zudem sei sie Linkshänderin.

Weiters vorliegend ist ein Schreiben des Vereins Chronisch Krank vom 14. August 2018: im orthopädischen Sachverständigengutachten sei nicht berücksichtigt worden, dass die Diagnose "Anpassungsstörung und Panikattacken" vorliegen würden. Es bestehe eine maßgebliche Einschränkung im Alltag deswegen. Es ergibt sich damit ein Behinderungsgrad von 50 %.

Zudem vorliegend ist ein Schreiben des Vereins Chronisch Krank vom 29. Oktober 2018: ein multikausales Schmerzsyndrom mit sensomotorischen Funktionsausfällen und Funktionseinschränkungen in den unteren Extremitäten sowie Paraspastik und eine Überlaufblase würden laut Dr. XXXX vorliegen. Trotz begleitender Physiotherapie sei eine wesentliche Funktionsverbesserung nicht zu erwarten und es besteht insgesamt eine erhebliche Alltagsbeeinträchtigung. Außerdem leide die BF jahrelang an schmerzhaften Muskelspasmen und sie sei trotz hochdosierter Opiattherapie nicht schmerzfrei Eine höhere Einstufung sei heranzuziehen.

Subjektive Beschwerden:

Seit der Myelitis bestehen sensible Störungen mit Schmerzspitzen am gesamten Körper, besonders an den Beinen von den Knien bis zu den Zehen. Seit 9 Jahren (seit der Myelitis), bestehe ein Kältegefühl in den Zehen. Seit der Wirbelsäulenoperation 2017 labe sie das Gefühl, dass jemand das Sprunggelenk rechts stark halten würde. Sie würde nicht spüren, wenn sie einen Hausschuh verlieren würde. Weiters bestehen Schmerzen in der Halswirbelsäule, im Juni 2011 sei eine CT-gezielte Wurzelinfiltration durchgeführt worden, diese habe jedoch nicht funktioniert und eine Woche nach der Infiltration habe sie eine Myelitis bekommen. Die Neurologin würde die Medikation kontrollieren. Im Bereich der Brustwirbelsäule bestehen Beschwerden, diese haben sich verschlechtert. Es werden derzeit Rotlichttherapien sowie physikalischen Maßnahmen durchgeführt. Es bestehen Schmerzen im rechten Iliosakralgelenk mit Ausstrahlung in die rechte Leiste und die Rückseite des rechten Oberschenkels. Akupunktur und traditionelle chinesische Medizin werden absolviert. Die Knochendichte sei reduziert. Im Juli 2018 sei sie gestürzt und habe sich eine knöcherne Verletzung des Beckenknochens und einen Knocheninfarkt im Schambeinbereich zugezogen. Nach dem Sturz sei sie zum Hausarzt gegangen, am nächsten Tag habe sie ein Röntgeninstitut aufgesucht. Sie habe damals mit dem Arzt telefoniert, dieser habe zu einer konservativen Behandlung geraten. ‚Die Verletzung müsse von selber zusammenwachsen, wenn sie neurologische Ausfälle habe, solle sie sofort kommen' sei ihr gesagt worden. Eine unfallchirurgische Abteilung habe sie damals nicht aufgesucht. Bei einer radiologischen Kontrolle Anfang 2019 sei der Knocheninfarkt immer noch zu sehen gewesen Es bestehen Abnützungen in der unteren Brustwirbelsäule. Sie sei sehr wetterfühlig. Vormittags nehme sie noch keine Tabletten, damit sie noch etwas tun könne, ab Mittag nehme sie die Tabletten. Ein rehabilitativer Aufenthalt sei nicht geplant. 2011 sei sie am Rosenhügel gewesen, 2 Jahre später ambulant wiederum am Rosenhügel ohne Besserung der Beschwerden. Nach der 1. Rehabilitation sei sie entkräftet gewesen, die Behandlungen seien zu viel gewesen und sie habe eine Virusinfektion gehabt. Heilgymnastik werde betrieben. Orthopädische Kontrollen werden keine durchgeführt. Sie habe schlechte Erfahrungen mit Orthopäden gemacht. Die behandelnde Neurologin Dr. XXXX würde auch die orthopädischen Leiden behandeln. Vor 14 Tagen sei sie gestürzt, sie sei damals nicht ins Spital gegangen. Das Autofahren mit dem eigenen PKW sei gut möglich. Sie fahre einen PKW mit Schaltgetriebe. Wegen einer bestehenden Gangunsicherheit würde sie eine Gehstrecke von 150m bis zur Bushaltestelle nicht zurücklegen können. Der Zugang zu ihrem Haus sei sehr steil. Die BF wohne in einem Haus mit Obergeschoss, welches über eine Treppe erreichbar ist. Sie passe beim Stiegensteigen auf. Die Anreise zum heutigen Termin erfolgte in Begleitung der Nachbarin. Hinsichtlich Stuhl sei sie verstopft, sie spüre den Stuhlgang erst, wenn sich dieser im Enddarm befinde. Abführende Medikamente würden nicht helfen. Bezüglich der Harnentleerung bestehe eine Überlaufblase, wenn sie die volle Blase spüre, müsse sie rasch die Toilette aufsuchen, sonst würde es zu einem Harnverlust kommen. Wenn sie zu Hause sei, würde sie eine Vorlage verwenden, wenn sie unterwegs sei, sei es sinnlos mehrere Vorlagen zu verwenden, da es ‚sowieso rinnen würde'. Vor dem Weggehen trinke sie weniger. Sie könne nicht gut am Rücken liegen. Wenn sie am Rücken liege, habe sie 2 Tage danach noch Schmerzen. Sie rauche eine Packung Zigaretten täglich.

Bisherige Operationen:

Zustand nach Schiel-Operation linkes Auge mit 2 Jahren, Blinddarmentfernung, Mandelentfernung, Zustand nach Karpaltunneloperation rechts 2007 und 2008. Versorgung eines Hundebisses 1987 an der Rückseite des rechten Oberschenkels (bis 1991 sei sie sechsmal operativ versorgt worden), Zustand nach Hallux-Operation links 2003, Zustand nach Operation in der Lendenwirbelsäule (TLIF) 6/2017. Zustand nach Operation an beiden Händen/Erbsenbein 2008.

Medikamentöse Therapie:

Diclostad bei Bedarf (zuletzt gestern genommen, auch in den letzten Tagen täglich eingenommen), Seroxat, Pantoprazol, Gabadal bei Bedarf, Controchol, Voltaren rapid bei Bedarf, zu dem Gewacalm, Morapid und Hydal bei Bedarf.

Status Präsens:

Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: unauffällig, schlanker

Habitus, Größe: 170 cm, Gewicht: 60 kg,

Auf Wunsch der BF wird sie bei der klinischen Untersuchung auf der Untersuchungsliege nicht in vollständiger Rückenlage liegend, sondern in geringer Seitenlage liegend untersucht (als sie das letzte Mal hierorts untersucht worden sei, sei sie am Rücken gelegen und habe dann einige Tage lang Schmerzen gehabt. Deshalb wolle sie nunmehr nicht auf der Untersuchungsliege am Rücken liegen).

Caput/Hals: unauffällig, keine Lippenzyanose,

keine Halsvenenstauung, Schilddrüse schluckverschieblich,

Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion, Blutdruck 140/70,

Pulmo: V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe, keine Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer,

Abdomen: unauffällig, weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager bds. frei,

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links endlagig eingeschränkt, Inkl. und Rekl. endlagig eingeschränkt,

BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung- und -Seitneigung: wird von der BF nicht durchgeführt, da sie sonst Schmerzen bekomme. Ein Hinunterbeugen des Oberkörpers in sitzender Position zu der am Boden stehenden Handtasche zur Bereitstellung des Ausweises ist unauffällig und gut möglich. Beim Anziehen werden erforderliche Drehbewegung n in der Lendenwirbelsäule insgesamt gut durchgeführt.

Extremitäten:

obere Extremitäten: Linkshänderin

Schultergelenk rechts: Armvorheben und Armseitheben 150°, Nackengriff frei, Schürzengriff frei durchführbar, Schultergelenk links: Armvorheben und Armseitheben 150°, Nackengriff durchführbar,

Schürzengriff durchführbar, Ellenbogengelenke: Beugung und Streckung frei, Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei Faustschluss bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig erhalten, Kraft der oberen Extremitäten seitengleich unauffällig und normal,

UE:

Hüftgelenk rechts: Beweglichkeit frei, blande Narbe rechter Oberschenkel,

Hüftgelenk links: Beweglichkeit frei,

Kniegelenk rechts: Beugung und Streckung frei, bandstabil,

Kniegelenk links: Beugung und Streckung frei, bandstabil, Sprunggelenke bds. frei, Zehenbeweglichkeit unauffällig, Fußheben und -senken bds. frei durchführbar,

beide UE können in leichter Seitenlage gut von der Unterlage abgehoben werden Kraft beider oberen Extremitäten seitengleich unauffällig und normal. Hocke mit Anhalten durchführbar- die Hände erreichen das mittlere Unterschenkeldrittel. Muskulatur an beiden unteren Extremitäten seitengleich unauffällig ausgeprägt. Beinpulse beidseits tastbar, Fußpulse beidseits tastbar,

Venen: verstärkte Venenzeichnung beidseits, keine maßgeblichen trophischen Störungen, Ödeme: keine.

Sensibilität an beiden Oberschenkeln reduziert, Missempfindungen werden an beiden Unterschenkeln und Füßen angegeben.

Psych: Anamneseerhebung und Kommunikation unauffällig und gut möglich. Klar, wach, in allen Qualitäten orientiert. Stimmung ausgeglichen. Denkziel wird erreicht.

Gang: mit einem Gehstock links geführt gering verlangsamtes, sicheres und flüssiges Gangbild. Freies Stehen sicher und gut möglich. Drehen des Körpers im Stehen ohne Anhalten gut und sicher möglich. Gehen einiger Schritte im Untersuchungszimmer ohne Hilfsmittel sicher möglich. Eine Gangunsicherheit bzw. eine maßgebliche Sturzgefahr lässt sich aktuell nicht erheben. Konfektionsschuhe der Fa. Ara werden getragen.

Einschätzung und Beurteilung:

1) Festgestellte Gesundheitsschädigungen:

1

Inkomplettes Querschnittssyndrom nach Myelitis C5 bis Th1 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da insgesamt leichtgradige Defizite objektivierbar bei Vorliegen eines chronischen Schmerzsyndroms.

04.03.01

30

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bei Zustand nach Versteifungsoperation L4/5 Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerdesymptomatik bei insgesamt gering- bis mäßiggradigen funktionellen Einschränkungen und Fehlen maßgeblicher motorischer Defizite.

02.01.02

30

3

Harnentleerungsstörung Unterer Rahmensatz dieser Position, da beschriebene nächtliche Harninkontinenz sowie Überlaufblase bei jedoch Fehlen einer maßgeblichen Restharnbildung sowie Fehlen von Komplikationen mit Behandlungsreserven bei Fehlen einer dokumentierten urologischen Betreuung.

08.01.06

10

2) Gesamtgrad der Behinderung: 40 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Leiden 2 wirkt mit dem führenden Leiden 1 wechselseitig negativ zusammen und erhöht das führende Leiden 1 um eine Stufe. Die befundmäßig dokumentierte Harnentleerungsstörung (Leiden 3) ohne relevante Komplikationen erreicht kein Ausmaß, welches zu einer weiteren Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führt.

Nachsatz: Eine Anpassungsstörung sowie Panikattacken sind in den vorliegenden rezenten nervenärztlichen Befunden von Frau Dr. XXXX nicht befundmäßig dokumentiert und erreichen keinen Behinderungsgrad.

3) Zwischenzeitlich seit dem nervenärztlichen Vorgutachten von Hern Dr. XXXX vom 20. Mai 2014 erfolgte eine Versteifungsoperation im Bereich der Lendenwirbelsäule (L4/5), somit Neuaufnahme von Position Nummer 2. Zudem erfolgt eine Neuaufnahme von aktuellem Leiden Nummer

3.

Im orthopädischen Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 8. Mai 2018 wurde das Wirbelsäulenleiden bei Zustand nach Versteifungsoperation L4/5 sowie die objektivierbaren funktionellen Einschränkungen bereits berücksichtigt und unter Position 2 adäquat eingeschätzt. Die befundmäßig dokumentierten Veränderungen im Iliosakralgelenk bzw. im Darmbein bei dokumentiertem Knochenmarksödem und Zustand nach Knocheninfarkt führen zu keiner Änderung der Einschätzung, da die insgesamt objektivierbaren funktionellen Einschränkungen unter Position Nummer 2 adäquat berücksichtigt werden.

Im Vergleich zum orthopädischen Sachverständigengutachten erfolgt aus allgemeinärztlicher Sicht eine Neuaufnahme von aktuellem Leiden Nummer 3. Eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung ergibt sich dadurch nicht (siehe Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung).

4) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich. Es besteht ein Dauerzustand."

Im der Beschwerdeführerin zu dem Gutachten gewährten Parteiengehör gab diese keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

1.2. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

beschwerderelevanter Status:

Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: unauffällig, schlanker

Habitus, Größe: 170 cm, Gewicht: 60 kg.

Caput/Hals: unauffällig, keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung, Schilddrüse schluckverschieblich.

Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion, Blutdruck 140/70.

Pulmo: V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe, keine Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung.

Abdomen: unauffällig, weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager bds. frei.

Wirbelsäule:

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links endlagig eingeschränkt, Inkl. und Rekl. endlagig eingeschränkt.

BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung- und -Seitneigung: wird von der BF nicht durchgeführt, da sie sonst Schmerzen bekomme. Ein Hinunterbeugen des Oberkörpers in sitzender Position zu der am Boden stehenden Handtasche zur Bereitstellung des Ausweises ist unauffällig und gut möglich. Beim Anziehen werden erforderliche Drehbewegungen in der Lendenwirbelsäule insgesamt gut durchgeführt.

Obere Extremitäten:

Linkshänderin. Schultergelenk rechts: Armvorheben und Armseitheben 150°, Nackengriff frei, Schürzengriff frei durchführbar.

Schultergelenk links: Armvorheben und Armseitheben 150°, Nackengriff durchführbar, Schürzengriff durchführbar, Ellenbogengelenke: Beugung und Streckung frei, Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei Faustschluss bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig erhalten, Kraft der oberen Extremitäten seitengleich unauffällig und normal.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenk rechts: Beweglichkeit frei, blande Narbe rechter Oberschenkel.

Hüftgelenk links: Beweglichkeit frei.

Kniegelenk rechts: Beugung und Streckung frei, bandstabil.

Kniegelenk links: Beugung und Streckung frei, bandstabil, Sprunggelenke bds. frei, Zehenbeweglichkeit unauffällig, Fuß heben und senken bds. frei durchführbar.

Beide unteren Extremitäten können in leichter Seitenlage gut von der Unterlage abgehoben werden Kraft beider oberen Extremitäten seitengleich unauffällig und normal. Hocke mit Anhalten durchführbar- die Hände erreichen das mittlere Unterschenkeldrittel. Muskulatur an beiden unteren Extremitäten seitengleich unauffällig ausgeprägt. Beinpulse beidseits tastbar, Fußpulse beidseits tastbar.

Venen: verstärkte Venenzeichnung beidseits, keine maßgeblichen trophischen Störungen. Ödeme: keine.

Sensibilität an beiden Oberschenkeln reduziert, Missempfindungen werden an beiden Unterschenkeln und Füßen angegeben.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Mit einem Gehstock links geführt gering verlangsamtes, sicheres und flüssiges Gangbild. Freies Stehen sicher und gut möglich. Drehen des Körpers im Stehen ohne anhalten gut und sicher möglich. Gehen einiger Schritte im Untersuchungszimmer ohne Hilfsmittel sicher möglich. Eine Gangunsicherheit bzw. eine maßgebliche Sturzgefahr lässt sich aktuell nicht erheben. Konfektionsschuhe der Fa. Ara werden getragen.

Status psychicus: Anamneseerhebung und Kommunikation unauffällig und gut möglich. Klar, wach, in allen Qualitäten orientiert. Stimmung ausgeglichen. Denkziel wird erreicht.

1.3. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Inkomplettes Querschnittssyndrom nach Myelitis C5 bis Th1 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da insgesamt leichtgradige Defizite objektivierbar bei Vorliegen eines chronischen Schmerzsyndroms.

04.03.01

30

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bei Zustand nach Versteifungsoperation L4/5 Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerdesymptomatik bei insgesamt gering- bis mäßiggradigen funktionellen Einschränkungen und Fehlen maßgeblicher motorischer Defizite.

02.01.02

30

3

Harnentleerungsstörung Unterer Rahmensatz dieser Position, da beschriebene nächtliche Harninkontinenz sowie Überlaufblase bei jedoch Fehlen einer maßgeblichen Restharnbildung sowie Fehlen von Komplikationen mit Behandlungsreserven bei Fehlen einer dokumentierten urologischen Betreuung.

08.01.06

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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