TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/27 W115 2217846-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W115 2217846-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie den fachkundigen Laienrichter Thomas SCHAUFLINGER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX , vom XXXX , OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin hat am XXXX beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) gestellt, welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gilt, sofern die antragstellende Partei nicht bereits im Besitz eines solchen ist.

1.1. Zur Überprüfung der Anträge wurde von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten von DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am XXXX , mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 30 vH bewertet wurde.

1.2. Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs hat die Beschwerdeführerin unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel zusammengefasst vorgebracht, dass sie höchstens 30 bis 40 Meter gehen könne und sich dann sofort hinsetzen müsse, da sie sehr starke Schmerzen in der Wirbelsäule, den Hüften und den Gelenken habe. Auch das Tragen von Gegenständen - außer sie seien sehr leicht - sei ihr ebenfalls nicht mehr möglich. Aufgrund ihrer starken Gehbehinderung sei ihr auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr möglich. Sie habe in den letzten vier Jahren zwei schwere Stürze gehabt, welche durch Schwäche und Schmerzen aufgrund ihrer Behinderung hervorgerufen worden seien. Aufgrund des zweiten Sturzes habe sie eine noch immer andauernde Bewegungseinschränkung der Schulter erlitten. Sie ersuche daher um Neueinschätzung des Grades ihrer Behinderung.

1.3. Zur Überprüfung der Einwendungen und der neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurde von der belangten Behörde von der bereits befassten Sachverständigen DDr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, eine mit XXXX datierte medizinische Stellungnahme mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 30 vH vorliegen würde. Die erhobenen Einwendungen seien einer abermaligen Überprüfung durch die befasste ärztliche Sachverständige unterzogen worden. Diese habe festgestellt, dass durch die Einwendungen keine Änderung der getroffenen Einschätzung bewirkt habe werden können. Da somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

Ergänzend wurde angemerkt, dass aufgrund des Nichtvorliegens eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 abzusprechen gewesen sei.

Als Beilage zum Bescheid wurden von der belangten Behörde das eingeholte Sachverständigengutachten DDris. XXXX und die ergänzende medizinische Stellungnahme übermittelt.

3. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin unter Berufung auf die erteilte Vollmacht fristgerecht Beschwerde erhoben.

Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass die vorgelegten Befunde unrichtig gewertet und von der Sachverständigen unzureichend berücksichtigt worden seien. Tatsächlich liege eine Behinderung von 50% vor, weshalb dem Antrag stattzugeben und ein Behindertenpass auszustellen sei. So könne die Beschwerdeführerin höchsten 30 bis 40 Meter gehen, habe massive Schmerzen in der Wirbelsäule, der Hüfte und einem Großteil ihrer Gelenke und könne aufgrund ihrer Bewegungseinschränkungen öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen. Es sei bereits zu zwei schweren Stürzen gekommen. Im vorgelegten Attest des behandelnden Facharztes werde dargelegt, dass der Grad der Behinderung des amtlichen Gutachtens unrichtig sei und zumindest 50% betragen müsse. Da somit zwei sich widersprechende Gutachten vorliegen würden, hätte die Behörde ein drittes Gutachten einholen müssen, um die tatsächliche Höhe des Grades der Behinderung zu klären. Dies sei jedoch von der belangten Behörde unterlassen worden. Als Beweis wurden die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens genannt.

4. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4.1. Mit Schriftsatz vom XXXX wurden vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin ein neurologischer Befund vom XXXX sowie ein elektroneurodiagnostischer Befund vom XXXX in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Guter Allgemeinzustand. Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen.

Thorax: symmetrisch, elastisch. Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Integument: unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänderin. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive

Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen ist sicher möglich. Zehenballen- und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar. Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 1/3 möglich. Die Beinachse zeigt eine Valgusstellung rechts mit Innenknöchelabstand von 10 cm. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen. Die Sensibilität im Bereich der Fußsohlen beidseits wird als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Hüftgelenk beidseits:

unauffällig. Kniegelenk rechts: mäßige Umfangsvermehrung und Konturvergröberung, keine Überwärmung, kein wesentlicher Erguss, stabil, Bewegungsschmerzen. Valgusstellung. Kniegelenk links: mäßige Umfangsvermehrung und Konturvergröberung, keine Überwärmung, kein Erguss, stabil, endlagige Bewegungsschmerzen. Senkspreizfuß mit mäßig Hallux valgus beidseits. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften S 0/100, IR/AR 10/0/30, Kniegelenk rechts 0/10/120, links 0/0/120, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule. Druckschmerz untere LWS median und paramedian rechts.

ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Aktive Beweglichkeit: HWS:

in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 25 cm, Rotation und Seitneigen jeweils 20°, Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild: Die Beschwerdeführerin kommt selbstständig gehend mit Stiefeletten ohne Gehhilfe zur Untersuchung. Das Gangbild ist leicht vorgeneigt, geringgradig breitspurig, etwas kleinschrittig und konzentriert, insgesamt raumgewinnend, Richtungswechsel ohne Anhalten sicher durchführbar. Das Aus- und Ankleiden wird selbstständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus: allseits orientiert. Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig. Stimmungslage ausgeglichen.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Valgusgonarthrose rechts, Kniegelenksarthrose links Oberer Rahmensatz, da rechts mäßige Achsenabweichung mit Streckdefizit, beidseits geringgradig eingeschränkte Beugefähigkeit.

02.05.19

30 vH

02

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule geringen Grades Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden bei geringgradig eingeschränkter Beweglichkeit und mäßigen radiologischen Veränderungen ohne Hinweis für radikuläres Defizit.

02.01.01

20 vH

03

Bluthochdruck Fixposition. Wahl dieser Position, da Kombinationstherapie erforderlich.

05.01.02

20 vH

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

 

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH, da das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 nicht weiter erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am XXXX bei der belangten Behörde eingelangt.

1.4. Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am XXXX im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

1.5. Die mit Schriftsatz vom XXXX nachgereichten Beweismittel sind nach dem XXXX im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten DDris. XXXX , basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, dessen auf der Aktenlage basierenden Ergänzung durch die befasste Sachverständige sowie auf die von der Beschwerdeführerin bis XXXX vorgelegten medizinischen Beweismittel.

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten sowie die ergänzende medizinische Stellungnahme sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entspricht unter Berücksichtigung der bis XXXX vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die bis XXXX vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und die befasste Sachverständige hat sich im Rahmen der Gutachtenserstellung eingehend damit auseinandergesetzt. Diese Beweismittel sind nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden im eingeholten Sachverständigengutachten DDris. XXXX (in Zusammenschau mit ihrer ergänzenden medizinischen Stellungnahme) dem befunddokumentierten Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und im Einklang mit den bis XXXX vorgelegten Befunden und dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Status unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt.

Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin wurden sämtliche bis XXXX vorgelegten Befunde durch die befasste Sachverständige einer umfassenden inhaltlichen Prüfung unterzogen und der Beurteilung zugrunde gelegt.

Zur Erörterung der Rechtsfrage, dass die nach dem XXXX vorgelegten Beweismittel unberücksichtigt bleiben, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.1.

Zum Vorbringen im Rahmen der Beschwerde, dass im vorgelegten fachärztlichen Attest Dris. XXXX vom XXXX dargelegt werde, dass der Grad der Behinderung des amtlichen Gutachtens unrichtig sei und zumindest 50 vH betragen müsse, ist auszuführen, dass dieses Beweismittel nicht geeignet ist, eine geänderte Beurteilung oder Erweiterung des Ermittlungsverfahrens zu rechtfertigen. In dem vorgelegten Attest wird lediglich aus einem von der Beschwerdeführerin bereits vorgelegten MRT-Befund vom XXXX zitiert und anamnestische Angaben der Beschwerdeführerin wiedergegeben sowie Diagnosen angeführt, welche ohne weitere Begründung unter die Positionsnummer 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 40 vH eingeschätzt werden. Schlussfolgernd wird von Dr. XXXX schließlich ausgeführt, dass der Gesamtgrad der Behinderung aufgrund einer negativen wechselseitigen Leidensbeeinflussung von Leiden 1 und Leiden 2 daher 50 vH betragen müsse. In diesem Attest finden sich aber weder Befund noch Gutachten im engeren Sinn. Lässt ein ärztliches Attest nicht erkennen, auf welchem Weg sein Aussteller zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist, ist es mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel nicht geeignet. Eine Vermutung, dass das in einem "befundlosen" Attest abgegebene Fachurteil nach den Regeln der Wissenschaft erstellt worden sei, besteht nicht (VwGH vom 06.11.2001, 94/09/0060). Diesem Beweismittel kommt daher keine Aussagekraft zu.

Zum ins Treffen geführten MRT-Befund vom XXXX ist festzuhalten, dass dieser einerseits bei der Beurteilung durch DDr. XXXX Berücksichtigung gefunden hat und andererseits dieser keinen Aufschluss über das Ausmaß der Funktionseinschränkungen gibt, da für die Beurteilung von Gesundheitsschädigungen im Rahmen der Einschätzungsverordnung bei radiologischen Befunden die Korrelation mit der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant ist. Da im Rahmen der umfassenden klinischen Untersuchung durch die befasste Sachverständige nur eine geringgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule objektiviert werden konnte, ist das vorliegende Wirbelsäulenleiden dem befunddokumentierten Ausmaß der Funktionseinschränkung entsprechend unter die Positionsnummer 02.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 vH korrekt eingeschätzt worden. Durch die Heranziehung des oberen Rahmensatzes ist den Beschwerden der Beschwerdeführerin ausreichend Rechnung getragen worden. So konnten im Rahmen der klinischen Untersuchung regelrechte Krümmungsverhältnisse und eine symmetrisch ausgebildete Rückenmuskulatur objektiviert werden, wobei ein nur mäßiger Hartspann festgestellt werden konnte. Darüber hinaus konnte von der befassten Sachverständigen eine freie Beweglichkeit der Halswirbelsäule in allen Ebenen sowie hinsichtlich der Brust- und Lendenwirbelsäule ein Finger-Boden-Abstand von 25 cm sowie eine Rotation und Seitneigung von 20° objektiviert werden. Zudem wurde im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch DDr. XXXX festgestellt, dass das ISG-Gelenk und die Ischiadicusdruckpunkte frei sind. Diesen von der befassten Sachverständigen festgestellten Bewegungsumfängen der Wirbelsäule ist in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten worden.

Ebenso wurde Leiden 1 dem befunddokumentierten Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und im Einklang mit den bis XXXX vorgelegten Befunden und dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Status unter die Positionsnummer 02.05.19 der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt. So ist nach der Anlage zur Einschätzungsverordnung Positionsnummer 02.05.19 mit einem Rahmensatz von 20 vH bis 30 vH bei Vorliegen beidseitiger Funktionseinschränkungen der Kniegelenke geringen Grades heranzuziehen, wobei Knorpelschäden bei der Einschätzung mitzuberücksichtigen sind. Da bei der Beschwerdeführerin beidseits nur eine geringgradig eingeschränkte Beugefähigkeit der Kniegelenke objektiviert werden konnte, war einer höheren Einschätzung dieses Leidens die Grundlage entzogen. Mit der Heranziehung des oberen Rahmensatzes wurde der mäßigen Umfangsvermehrung und Konturvergröberung beidseits (ohne Überwärmung und wesentlichem Erguss) sowie der mäßigen Achsenabweichung mit Streckdefizit im rechten Kniegelenk ausreichend Rechnung getragen.

Hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwandes, dass die Schmerzsituation an Wirbelsäule, Hüfte und Gelenken nicht ausreichend gewürdigt wurde, wird festgehalten, dass aus vorliegenden Funktionseinschränkungen resultierende Schmerzzustände aus gutachterlicher Sicht immer in der Diagnoseerstellung inkludiert sind und somit im Rahmen der Beurteilung des Grades der Behinderung mitberücksichtigt wurden. Hinzuzufügen ist gegenständlich, dass aus der im Rahmen der persönlichen Untersuchung objektivierten Gesamtmobilität - selbstständig gehend ohne Gehhilfe, Gangbild leicht vorgeneigt, geringgradig breitspurig, etwas kleinschrittig und konzentriert aber insgesamt raumgewinnend, Richtungswechsel ohne Anhalten sicher durchführbar - und aufgrund der anamnestischen Angaben der Beschwerdeführerin als Schmerzmedikation bei Bedarf Novalgin einzunehmen, nicht auf ein maßgeblich erhöhtes Ausmaß an Schmerzzuständen geschlossen werden kann.

Soweit sich die Einwendungen auf Mobilitätseinschränkungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beziehen, ist anzumerken, dass dies nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides - welcher lediglich über den Grad der Behinderung abspricht - gewesen ist (siehe diesbezüglich auch die Ausführungen unter Punkt II.3.1.).

Die dokumentierten Gesundheitsschädigungen sind in Zusammenschau mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Status somit vollumfänglich - soweit ein einschätzungsrelevantes Leiden vorliegt - berücksichtigt worden. Aufgrund des festgestellten Ausmaßes der Funktionseinschränkungen war einer höheren Einschätzung des Grades der Behinderung somit die Grundlage entzogen.

Das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten DDris. XXXX und die dazu eingeholte ergänzende medizinische Stellungnahme stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorliegenden Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Beschwerdeführerin ist dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten (inkl. der ergänzenden medizinischen Stellungnahme) nicht substantiiert entgegengetreten. Medizinische Beweismittel, durch die das Beschwerdevorbringen fundiert belegt bzw. dem eingeholten Sachverständigenbeweis substantiiert entgegengetreten wird, sind von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde nicht vorgelegt worden. Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegengetreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Das Beschwerdevorbringen ist - wie bereits vorhin ausgeführt - jedoch nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliegt, zu entkräften. Es ist von der Beschwerdeführerin somit kein Vorbringen erstattet worden bzw. sind keine Beweismittel vorgelegt worden, wodurch eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens angezeigt gewesen wäre.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Das Sachverständigengutachten DDris. XXXX und deren ergänzende medizinische Stellungnahme werden in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Zu 1.3.) Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum XXXX auf.

Zu 1.4.) Das Schreiben, mit welchem die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgt ist, weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das Datum XXXX auf.

Zu 1.5.) Die Feststellungen zum Zeitpunkt der vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin nachgereichten medizinischen Beweismittel ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 54 Abs. 12 BBG treten § 1 sowie § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft.

Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am XXXX gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

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zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 der Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. VwGH 01.06.1999, 94/08/0088 mit Hinweis auf E 19.11.1997, 95/09/0232, 0233).

Die Anhebung des aus Leiden 1 resultierenden Grades der Behinderung ist nicht gerechtfertigt, weil Leiden 2 und 3 auch im Zusammenwirken mit Leiden 1 keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachen, und das Gesamtbild der Behinderung dadurch nicht maßgebend ungünstig beeinflusst wird (siehe diesbezüglich die Ausführungen unter Punkt II.2.). Von einer besonders nachteiligen Auswirkung - im Sinne des § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung - kann aufgrund des vorliegenden Ausmaßes der festgestellten Gesundheitsschädigungen nicht ausgegangen werden.

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind weder das Beschwerdevorbringen noch die bis XXXX vorgelegten Beweismittel geeignet darzutun, dass der in Höhe von 30 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche.

Da ein Grad der Behinderung von 30 vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 46 BBG idF des BGBl. I Nr. 57/2015 dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 57/2015 wurde für Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Neuerungsbeschränkung geschaffen. In den Erläuterungen zu dieser Novelle (GP XXV RV 527, Seite 4) wurde dazu ausgeführt, dass sich in der Praxis gezeigt hat, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Sozialministeriumservice bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Sozialministeriumservice ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden.

Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am XXXX vorgelegt worden ist, waren die nach diesem Zeitpunkt vorgelegten Beweismittel nicht zu berücksichtigen.

Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht (vgl. dazu etwa VwGH 20.11.2012, 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens in Zusammenhang mit der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist festzuhalten, dass die entsprechende Zusatzeintragung nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides - welcher lediglich über den Grad der Behinderung abspricht - gewesen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG für die Berufungsbehörde die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat und nicht das, was der Berufungswerber zum Inhalt der Berufungsschrift gemacht hat (VwGH 11.11.1991, 90/19/0505).

Diese Judikatur ist auf die Begrenzung des Beschwerdegegenstandes der Verwaltungsgerichte übertragbar. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder aufgrund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Ein im Beschwerdeverfahren vorgebrachtes Begehren, welches den Gegenstand des angefochtenen Verfahrens überschreitet, kann den zulässigen Beschwerdegegenstand nicht darüber hinaus erweitern.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im erstinstanzlichen Verfahren ein ärztliches Sachverständigengutachten sowie eine ergänzende medizinische Stellungnahme der befassten Sachverständigen eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass das eingeholte Sachverständigengutachten und die ergänzende medizinische Stellungnahme schlüssig und frei von Widersprüchen sind, angeschlossen. Die Beschwerdeführerin hat von diesem Sachverständigenbeweis vollinhaltlich Kenntnis erlangt. Das Beschwerdevorbringen war allerdings - wie im Rahmen der Beweiswürdigung bereits ausgeführt - nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Schlussfolgerungen hervorzurufen. Im Rahmen der Beschwerde wurden auch keine Beweismittel vorgelegt, welche das Vorbringen fundiert erhärten bzw. die sachverständige Beurteilung überzeugend in Zweifel ziehen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter (VfGH 09.06.2017, E 1162/2017-5).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W115.2217846.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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