TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/11 G311 2223266-6

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Veröffentlicht am 11.02.2020
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Entscheidungsdatum

11.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G311 2223266-6/11E

Schriftliche Ausfertigung des am 24.01.2020 verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft von XXXX, geboren am XXXX, StA.: Algerien, Zl. XXXX vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die

für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

In dem zur Zahl G308 2223266-5/3E ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2019 bezüglich des betroffenen Fremden namens XXXX (BF) wurde folgender Verfahrensgang festgehalten:

"1. Der im Spruch genannte (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 25.12.2012 in das Bundesgebiet unrechtmäßig ein und stellte am 25.12.2012 einen Antrag auf Asyl.

Dieses Verfahren wurde mit 07.01.2013 aufgrund unbekannten Aufenthaltes eingestellt.

2. Mit insgesamt 5 Urteilen unterschiedlicher LG für Strafsachen wurde der BF zu insgesamt 52 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

3. Am 04.03.2016 stellt der BF im Stande der Festnahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erneut einen Antrag auf internationalem Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 10.03.2016 zur Z. XXXX abgewiesen wurde, die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 24.05.2016 zur GZ. I409 2123874-1/4E rechtskräftig abgewiesen.

4. In einer niederschriftlichen Einvernahme am 17.05.2019 in der Justizanstalt XXXX unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch gab der BF an nach seiner Entlassung aus der Strafhaft Österreich verlassen zu wollen und dann entweder nach Italien und danach nach Algerien oder zu einer Bekannten in Frankreich gehen zu wollen. Er wolle Österreich verlassen, er sei seit 2012 nur im Gefängnis.

5. Mit Bescheid des BFA, RD NÖ Außenstelle St. Pölten vom 17.05.2019, Zl. XXXX wurde die Schubhaft gegen den BF angeordnet, die Anhaltung erfolgte ab XXXX.2019.

6. Das BFA versuchte ein HRZ bei den Botschaften von Algerien, Marokko, Tunesien und Libyen zu erlangen.

7. Am 11.06.2019 wurde der BF der libyschen Botschaft vorgeführt, wobei der Konsul angab, dass es sich um keine libyschen Staatsbürger handle und er vermute das der BF aus Algerien stamme.

8. Am 13.06. 2019 fand eine Vorführung vor der algerischen Botschaft statt. Dabei gab der BF im Gegensatz zu seinen Angaben gegenüber der Behörde an, dass er aus Libyen stamme. Dennoch gab eine Botschaftsmitarbeiterin an, dass der BF vermutlich aus Algerien stamme und seine Daten nach Algier zur Überprüfung gesendet werden.

9. Am 29.11.2019 wurden Unterlagen des BF in arabischer Sprache und eine Telefonnummer mit algerischer Vorwahl gefunden. Diese erbrachten jedoch keinen Hinweis auf die Herkunft des Fremden, die Telefonnummer wurde der algerischen Botschaft übermittelt. Das Ergebnis der Ermittlungen der algerischen Behörde steht noch aus, die letzte Urgenz erfolgte am 09.12.2019.

10. Seitens der Botschaft von Tunesien langte am 16.07.019 eine negative Verbalnote ein, seitens der marokkanischen Behörden läuft das Verfahren noch.

11. Zwischenzeitig erfolgten die gesetzlich vorgesehen Überprüfungen der Schubhaft sowohl durch das BFA als auch das BVwG, die letzte am 03.12.2019 anlässlich einer mündlichem Verhandlung durch das BVwG zur Zahl G309 2223266-4/8E."

Nachfolgend wurden im Erkenntnis G308 2223266-5/3E folgende Feststellungen getroffen:

"1. Feststellungen:

1.1. Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die Identität des BF steht nicht fest, er gibt an algerischer Staatsangehöriger zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit XXXX.2019 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

3.1. Der BF verfügt über keine Meldeadresse in Österreich, er war bisher nur in Justizanstalten gemeldet.

3.2. Mit Erkenntnis des BVwG vom 24.05.2016 zur GZ. I409 2123874-1/4E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA abgewiesen, diese ist in Rechtskraft erwachsen. Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

4.1. Der BF wurde bereits der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Die Angaben werden in Algerien überprüft. Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF ist zu rechnen.

4.2. Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen, da für den BF bereits am 11.06.2019 ein Heimreisezertifikat beantragt wurde, er am 20.06.2019 der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt wurde, und zahlreiche Male bei der Botschaft urgiert hat.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 17.05.2019 hat sich im Verfahren nicht ergeben."

Mit Aktenvorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2019 wurde die Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht neuerlich zur Überprüfung gemäß § 22a BFA-VG vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.01.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung, in deren Anschluss das Erkenntnis verkündet wurde.

An der Verhandlung nahmen der Beschwerdeführer, ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und ein Dolmetscher für die arabische Sprache teil.

Der Verlauf der Verhandlung stellte sich wie folgt dar:

"VR (Vorsitzende Richterin) an BF: Ist es richtig, dass Sie keine gesundheitlichen Probleme haben?

BF: Ich bin gesund. Es geht mir gut.

VR an BF: Sie haben vorhin gesagt, dass Sie schon sehr lange in Haft sind und Ihre Freiheit wiederhaben möchten.

BF: Ich bin seit 8 Monaten und 5 Tagen in Schubhaft. Ich werde nicht flüchten, ich werde dableiben. Ich kann auch einer Meldeverpflichtung bei der Polizei nachkommen. Ich bin am 24.12.2012 nach Österreich gekommen, 2015 war ich zwei Monate in Deutschland. Seither bin ich wieder in Österreich.

VR an BehV(Vertreter der Behörde): Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens betreffend Rückführung des BF?

BehV: Es gibt noch zwei laufende HRZ-Verfahren: mit Algerien und Marokko. Hinsichtlich Algerien wurde am 08.01.2020 die letzte Einzelurgenz durchgeführt. Darauf hingewiesen wird, dass Dokumente beim BF gefunden wurden, die auf seine algerische Herkunft schließen lassen. Diese wurden auch der Botschaft übermittelt. Es kam noch keine Rückmeldung.

BF: Ich höre seit vier Jahren, das gleiche, und zwar, dass man auf eine Antwort der algerischen Botschaft warte.

VR: War der BF schon vorher einmal in Schubhaft bzw. wurden Konsultationsverfahren mit Botschaften geführt?

BehV: Ja, das war 2016.

BF: Damals hat man gesagt, dass ich kein Algerier bin.

VR an BF: Was sind Sie tatsächlich?

BF: Ich habe gesagt, dass ich Algerier bin. Die algerische Botschaft sagt jedoch, dass ich keiner bin.

VR: Werden von den algerischen Behörden überhaupt HRZ ausgestellt? Wenn ja, wieviele pro Monat oder pro Quartal?

BehV: Die algerische Botschaft gibt in jedem Fall eine Rückmeldung. Je nach Angaben, die zur Verfügung stehen, kann es länger - und zwar bis zu 6 Monaten - dauern.

VR: Ist aus der Sicht des BFA eine Rückführung nach Algerien auch tatsächlich möglich oder gab es bei Rückführungen dorthin in letzter Zeit irgendwelche Probleme? Wenn ja, wieviele Rückführungen hat es nach Algerien im letzten Halbjahr gegeben?

BehV: Es finden regelmäßig Rückführungen statt und es werden auch laufend HRZ ausgestellt. Im letzten Jahr waren es 266. Die algerische Botschaft in Wien arbeitet sehr gut mit den österreichischen Behörden zusammen. Es gibt auf jeden Fall eine Rückmeldung der Botschaft.

In Bezug auf Marokko erging die letzte schriftliche Einzelurgenz am 17.01.2020. Die Rückmeldungen dauern ca. 8 bis 9 Monate. Ich kann nicht sagen, wieviele HRZ ausgestellt wurden, aber es werden jedenfalls HRZ ausgestellt. Es wird in Form einer begleiteten Einzelabschiebung die Rückführung durchgeführt.

Am 13.06.2019 wurde der BF der algerischen Botschaft vorgeführt. In einem internen Vermerk hat die Botschaft festgehalten, dass der BF algerischer Staatsangehöriger ist. Aufgrund dessen will das BFA auch die detaillierten Recherchen des algerischen Staates abwarten. Würde es diesen Vermerk nicht geben, würde diese Alternative nicht mehr zur Verfügung stehen.

Aus der Erfahrung des BFA kann ich auch festhalten, dass es in einigen Fällen 2016 von der algerischen Botschaft eine negative Rückmeldung gegeben hat, zwei bis drei Jahre später aber doch ein HRZ augestellt wurde. Auch vor diesem Hintergrund ist der Fall des BF zu sehen und erscheint es dem BFA durchaus naheliegend, dass eine HRZ-Ausstellung erfolgen wird.

Die VR verweist im Hinblick auf die zulässige Höchstdauer der Schubhaft und die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung auf § 80 FPG.

VR an BF: Haben Sie den Dolmetscher im gesamten Verlauf der Verhandlung gut verstanden?

BF: Ja."

Im Verfahren G311 2223266-6 wird ergänzend zu den im Vorfahren G308 2223266-5 getroffenen Feststellungen folgender Sachverhalt festgestellt:

Der BF stellte am 25.12.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde am 07.01.2013 eingestellt. Der BF hält sich durchgehend - abgesehen von zwei Monaten im Jahr 2015, in denen er in Deutschland war - in Österreich auf.

Über den Antrag auf internationalen Schutz des BF wurde am 27.05.2016 rechtskräftig negativ entschieden, unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig ist.

Dies ergibt sich aus dem vom BVwG eingeholten IZR-Auszug vom 17.01.2020, darin ist ebenfalls "kein tunesischer StA." und "kein libyscher StA" vermerkt.

Laut Beschwerdevorlage der belangten Behörde steht die Rückmeldung der algerischen Botschaft aus und wurde zuletzt am 17.01.2020 urgiert.

Laut ZMR-Auszug vom 17.01.2020 liegt lediglich eine Meldung von 25.05.2013 bis 23.08.2013 in der JA XXXX vor.

Gegen den BF liegen fünf strafgerichtliche Verurteilungen vor.

Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2013, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2013, wegen (versuchten) Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (davon 12 Monate bedingt) verurteilt. Eine weitere Verurteilung wegen Einbruchdiebstahls erfolgte am XXXX.2014, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2014, zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2016, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2016, wurde er wegen versuchten Diebstahls und versuchter Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Am XXXX.2016, rechtskräftig am XXXX.2016, wurde er zur Zahl XXXXdurch das Landesgericht für Strafsachen XXXX wegen Urkundenfälschung, Fälschung besonders geschützter Urkunden, Diebstahl und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2017, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2017, wurde er wegen Einbruchdiebstahls und Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten zu einer Zusatzstrafe zur Verurteilung Zahl XXXXverurteilt.

Der BF verfügt über keine finanziellen Mittel, keine Wohnmöglichkeit und keine familiären Beziehungen zum Bundesgebiet.

Rechtliche Beurteilung:

§ 76 FPG lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden

(Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 80 Abs. 1 bis 4 FPG lauten:

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass

die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Die Fluchtgefahr ist in § 76 Abs. 3 FPG gesetzlich definiert.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat durch sein Verhalten seine Abschiebung zumindest erschwert. Gegen den Beschwerdeführer liegt seit 27.05.2016 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor, dieser ist er bis dato nicht nachgekommen. Er verfügt über keine finanziellen Mittel, keine Wohnmöglichkeit und keine familiären Beziehungen zum Bundesgebiet.

Es liegt daher Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG vor.

Zu prüfen war weiters, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens kann die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vorliegt und die Vertretungsbehörde die vom BF angegebenen Daten überprüft.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kam daher weiterhin nicht in Betracht.

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich und nutzte seine sozialen Beziehungen um sich unrechtmäßig und unangemeldet in Österreich aufzuhalten, einer legalen Erwerbstätigkeit geht er in Österreich nicht nach und verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz oder ein existenzsicherndes Vermögen.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 1 und Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit 20.05.2019 bestehenden Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig. Der BF hat selbst durch die Verschweigung seiner wahren Identität verhindert, dass ein HRZ früher ausgestellt werden konnte, und damit die Voraussetzungen des § 80 Abs 4 Z 1 FPG erfüllt.

Die positive Identitätsfeststellung und die anschließende Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) für die Rückführung des BF erscheint aus derzeitiger Sicht jedenfalls nicht als völlig ausgeschlossen oder unwahrscheinlich. Es kann auch angenommen werden, dass im Fall des Vorliegens eines HRZ eine tatsächliche Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat zeitnah möglich ist. Ein Schubhaftverfahren erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung war weiters zu berücksichtigen, dass in Hinblick auf die strafgerichtlichen Verurteilungen, und dass selbst das Verspüren des Haftübels den BF nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten konnte, die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt als verhältnismäßig anzusehen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr und der auch derzeit nicht ausgeschlossenen Möglichkeit einer Abschiebung als verhältnismäßig.

Es ist auch wahrscheinlich, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung des BF letztlich eine Rückführung durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden würde.

Die Überschreitung der höchst zulässigen Schubhaftdauer von 6 Monaten ist vorliegend gerechtfertigt, weil beim BF die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Z 1 und 4 FPG vorliegen, konkret ein für die Einreise nach Algerien erforderliche Bewilligung nicht vorliegt, sowie vom BF unterschiedliche Identitäten und Staatsangehörigkeiten, auch bei den Interviewterminen, angegeben hat.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden. Die Schubhaft kann daher fortgesetzt werden.

Da im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, war die Revision spruchgemäß für nicht zulässig zu erklären.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2223266.6.00

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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