TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/20 W264 2223776-1

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Veröffentlicht am 20.02.2020
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Entscheidungsdatum

20.02.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W264 2223776-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 3.5.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 31.7.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass der Ausspruch über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung entfällt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 17.1.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) mittels Antragsformular 07/2018, worin als Hinweis vermerkt ist: "Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' in den Behindertenpass."

Zugleich stellte sie auch einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mittels Antragsformular 06/2014 beim Sozialministeriumservice.

2. Die belangte Behörde holte ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin ein und stellte der Sachverständige Dr. XXXX infolge persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.2.2019 in seinem Gutachten vom 13.4.2019 folgende als bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen fest:

1. degenerative und posttraumatische Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Zustand nach Kniegelenksersatz

2. Zustand nach biologischem Aortenklappenersatz und erfolgreicher Gefäßplastik im Bereich der Aorta ascendens

3. Reizblase

4. Diabetes insipidus nach stattgehabter Meningeomoperation

5. Schilddrüsenunterfunktion

6. Sicca Syndrom der Bindehäute

7. Zustand nach laparoskopischer Gallenblasenentfernung

Der medizinische Sachverständige stellte nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. fest und attestierte "Dauerzustand".

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung hielt der Sachverständige fest, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht werde, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken bestehe. Die übrigen Leiden seien von zu geringer funktioneller Relevanz

Unter "folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung" führte der Sachverständige aus:

"Zustand nach erfolgreicher Operation eines Grauen Stars ohne dokumentierte Einschränkung der Sehleistung bedingt keinen Grad der Behinderung."

Betreffend die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hielt der medizinische Sachverständige fest:

"Keine, da die anerkannten Gesundheitsschädigungen keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge haben. Im Gutachten wurde festgestellt, dass bei der AW keine höhergradige Funktionsstörung der unteren Extremitäten vorliegt. Es finden sich im klinischen Befund keine signifikanten motorischen Ausfälle. Im rezenten fachärztlichen Befunde der rheumatologischen Abteilung des XXXX vom 11.01.2019 wird keine detaillierte Funktionsstörung beschrieben, die vom hierorts ermittelten klinischen Befund abweicht und sohin die konkludierte hochgradige Mobilitätseinbusse ausreichend begründen lässt. Die AW kann unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe eine kurze Wegstrecke von mehr als 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Aufstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Ein Herzleiden, welches eine hochgradige Einschränkung der Auswurfleistung zur Folge hat und eine signifikante Belastungsstörung verursacht, kann bei der klinischen Untersuchung und aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ermittelt werden. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen vor; die Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum ist gegeben. Ein nachweislich therapierefraktäres schweres Anfallsleiden ist nicht dokumentiert. Von den anerkannten Leiden unter lf. Nr. 1) bis 7) geht keine hochgradige Schwäche mit einer Belastungsstörung aus, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht."

Zur Frage in Bezug auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel, ob eine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliegt, führte der Sachverständige aus:

"Nein, da keine erhebliche Einschränkung des Immunsystems durch objektive medizinische Befunde belegt wird."

3. Mit Schreiben vom 15.4.2019 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens mit und räumte ihr die Möglichkeit ein, binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

4. In ihrem Schreiben vom 25.4.2019 äußerte die Beschwerdeführerin, dass die Funktionsstörungen durch die rheumatoide Polyarthritis und zusätzliche Erkrankungen wesentlich stärker seien als im Gutachten berücksichtigt. Sie erhalte daher seit letzten Jahr Pflegegeld der Stufe 3. Sie werde seit 2010 mit monatlichen Roactemra-Infusionen behandelt und seien seit 9 Monaten wöchentliche Injektionen mit dem Biologikum notwendig. Sie könne lediglich eine Wegstrecke von 50 Metern zurücklegen und verspüre dann starke Schmerzen im linken Knie, bei beiden Sprunggelenken und der Lendenwirbelsäule. Sie müsse mehrere Minuten stehen bleiben, bevor sie wieder eine kurze Wegstrecke zurücklegen könne. Selbst diese kurzen Wegstrecken könne sie nur mit Hilfe eines Gehstockes und gleichzeitiger Stütze durch eine Begleitperson bewältigen. Das Stehen in Verkehrsmitteln sei mit großen Schmerzen und starker Unsicherheit verbunden. Durch die versteiften, schmerzenden Handgelenke sei diese Problematik verstärkt, auch sei ein Faustschluss durch die Polyarthritis nicht mehr möglich, weshalb sie sich nicht festhalten könne. Die Überwindung der hohen Stufen bei älteren Straßenbahngarnituren sei ebenfalls unmöglich. Gleichzeitig leide sie an Atemnot bei geringster körperlicher Belastung.

5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 3.5.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. Diesem Bescheid wurde das von der belangten Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 13.4.2019 (Gutachten Allgemeinmedizin) zugrunde gelegt und der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12.6.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin im Wesentlichen dasselbe aus, wie in ihrer Stellungnahme vom 25.4.2019.

Ihrer Beschwerde legte sie zwei neue medizinische Befunde bei (Arztbrief der rheumatologischen Ambulanz des AKH vom 19.5.2019 und internistischer Arztbrief Dris. XXXX vom 6.6.2019).

7. Der ärztliche Sachverständige Dr. XXXX replizierte konsultiert mit den Einwendungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 30.7.2019 wie folgt:

"Die Beschwerdeführerin ist dem Ermittlungsergebnis nicht einverstanden und legt folgende Befunde vor:

1) Befundbericht der Rheumaambulanz des XXXX vom 01.01.2019 (wurde bereits im Gutachten erfasst und auf ABL 3) angeführt),

2) Gutachten der rheumatologischen Ambulanz des XXXX vom 19.05.2019 erstellt durch Univ. Prof. Dr. XXXX ,

3) internistischer Arztbrief vom 06.06.2019 erstellt durch Dr. XXXX in XXXX ,

In dem neu vorgelegten Befunden werden die Diagnosen aufgelistet, welche sich im Gutachten unter lf. Nr. 1) bis 7) erfassten Gesundheitsschädigungen wiederfinden.

Die neu vorgelegten Dokumente enthalten jedoch keine Beschreibung einer Funktionseinschränkung, die vom amtswegig erhobenen klinischen Befund mit nur geringer Funktionseinschränkung an den Extremitäten abweicht und sohin die konkludierte hochgradige Mobilitätseinbusse nicht ausreichend begründen lässt. Die Greiffunktion an beiden Händen ist erhalten und sohin ist der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu den üblichen Bedingungen nicht maßgeblich eingeschränkt.

Bei der hierorts durchgeführten Untersuchung am 20.02.2019 war die Beschwerdeführerin mit einem Einpunktstock ausreichend mobil und es konnte keine relevante Sturzneigung ermittelt werden.

Die Anwendung einer milden immunsuppressiven Therapie (RoActemra) bedingt jedenfalls nicht, dass Menschenansammlungen per se zu meiden sind.

In der Echokardiographie Dris. XXXX wird eine gute Belastbarkeit mit einer adäquaten Auswurfleistung des Herzens (EF = 60%) beschrieben, sodass die im selben Befund gefolgerte Belastungsstörung nicht dem Kriterienkatalog im Erlass der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel entspricht.

Weder in der durch den internistischen Facharzt Dr. XXXX am 06.06.2019 erstellten rezenten Therapieempfehlung noch im rheumatologischen Befund des XXXX vom 11.01.2019 wird eine ständige analgetische Therapie empfohlen, sodass die im neu übermittelten Gutachten Dris. XXXX vom 19.05.2019 beschriebene schmerzbedingte Gehunterbrechung nicht ausreichend begründet werden kann.

Die Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel wurde im Gutachten auf ABL 8) ausführlich erörtert.

Bei Fehlen abweichender objektiver medizinischer Befunde muss an der Einschätzung der unter lf. Nr. 1) bis 7) erfassten Gesundheitsschädigungen und dem Kalkül, dass bei Nichterfüllung der erforderlichen Kriterien eben keine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, festgehalten werden."

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.7.2019 wies die belangte Behörde die Beschwerde vom 12.6.2019 ab und sprach aus, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. In der Begründung stützte sich die belangte Behörde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, welche sich aus dem Gutachten vom 13.4.2019 und der Stellungnahme vom 30.7.2019 ergeben und in der Beilage zum Bescheid der Beschwerdeführerin übermittelt wurden.

9. Mit Eingabe vom 13.8.2019 beantragte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde gegen den Bescheid vom 3.5.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen. Die im Beschwerdeschreiben genau beschriebenen irreversiblen Funktionseinschränkungen seien erneut nicht ausreichend berücksichtigt worden. Diese Schäden seien mehrfach radiologisch und klinische dokumentiert. Sie habe auch Röntgenbefunde von Knien und Wirbelsäule vorgelegt. Sie müsse nach einer Wegstrecke von 50 Metern schmerzbedingt unterbrechen, ehe sie weitergehen könne. Sie vermeide längere Wegstrecken, weshalb sie wieder ohne Schmerzinfusionen auskomme. Wenn sich aber eine stärkere Belastung nicht vermeiden lasse, müsse sie Parkemed 500 als Analgetikum einnehmen.

10. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Beschwerdevorlageschreiben vom 26.9.2019 den bezughabenden Akt zur Entscheidung vor und langte dieser noch am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in ihren Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war die Beschwerde dahingehend zu prüfen.

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführerin wurde aufgrund ihres gegenständlichen Antrages vom 17.1.2019 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. degenerative und posttraumatische Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Zustand nach Kniegelenksersatz beidseits, chronische Polyarthritis, Zustand nach Synovektomie

2. Zustand nach biologischem Aortenklappenersatz und erfolgreicher Gefäßplastik im Bereich der Aorta ascendens

3. Reizblase

4. Diabetes insipidus nach stattgehabter Meningeomoperation

5. Schilddrüsenunterfunktion

6. Sicca Syndrom der Bindehäute

7. Zustand nach laparoskopischer Gallenblasenentfernung

Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz- und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge. Es liegen keine höhergradigen Funktionsstörungen der unteren und oberen Extremitäten vor.

Das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken von 300 bis 400 Meter ist der Beschwerdeführerin aus eigener Kraft zumutbar. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist der Beschwerdeführerin trotz der Verwendung eines Einpunktstockes möglich.

Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht eingeschränkt.

Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Besitz des Behindertenpasses beruht auf dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin und deren Auswirkungen auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beruhen - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf den vorgelegten und eingeholten Beweismitteln:

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 13.4.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.2.2019, ist in Zusammenschau mit der ergänzenden Stellungnahme vom 30.7.2019, welches die belangte Behörde zur Überprüfung der Einwendungen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde einholte, schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.

Der allgemeinmedizinische Sachverständige stellte bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen 1. degenerative und posttraumatische Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Zustand nach Kniegelenksersatz beidseits, chronische Polyarthritis, Zustand nach Synovektomie, 2. Zustand nach biologischem Aortenklappenersatz und erfolgreicher Gefäßplastik im Bereich der Aorta ascendens, 3. Reizblase, 4. Diabetes insipidus nach stattgehabter Meningeomoperation, 5. Schilddrüsenunterfunktion,

6. Sicca Syndrom der Bindehäute sowie 7. Zustand nach laparoskopischer Gallenblasenentfernung fest und nahm Bezug auf deren Ausmaß und Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. Dazu führte der Sachverständige aus, dass die Gesundheitsschädigungen keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge haben. Damit übereinstimmend ergibt sich aus dem klinischen Befund vom 20.2.2019, dass die unteren Extremitäten frei beweglich sind, das linke Kniegelenk mit einer Flexion von 0/0/100° und das rechte Kniegelenk von 0/0/110° keine erheblichen Einschränkungen bedingen. Trotz endlagiger Einschränkung der Dorsalflexion beider Sprunggelenke war keine erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten festzustellen. Dabei wurden die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Beweismittel, insbesondere die Röntgenbefunde sowie die Befunde der Rheumaambulanz des AKH, vom medizinischen Sachverständigen berücksichtigt. Die Einnahme von Schmerzmedikamenten um weitere Gehstrecken zurücklegen zu können, wie die Beschwerdeführerin dies in ihrem Vorlageantrag beschreibt, ist ihr zumutbar.

Bei der Wirbelsäule der Beschwerdeführerin besteht gemäß dem klinischen Befund vom 20.2.2019 eine endlagige Einschränkung der Rotation der Halswirbelsäule und war der Finger-Boden-Abstand mit 20 cm und der Kinn-Jugulum-Abstand mit 2 cm messbar. Dass die Beschwerdeführerin an einer rechtskonvexen Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule und einer Hyperlordose der Lendenwirbelsäule leidet, wurde vom Sachverständigen im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhoben und auch bei Beurteilung der Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel berücksichtigt.

Betreffend die Herzleistung der Beschwerdeführerin hielt der medizinische Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 30.7.2019 fest, dass aus der Echokardiographie Dris. XXXX eine gute Belastbarkeit mit einer adäquaten Auswurfleistung des Herzens (EF = 60%) hervorgeht, sodass die von ihrem Kardiologen gefolgerte Belastungsstörung die Beschwerdeführerin nicht an der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel hindert. Eine Herzinsuffizienz ist nicht dokumentiert. Damit ist die von ihr in ihrer Beschwere beschriebene Belastungsdyspnoe nicht in einem die Voraussetzungen der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel erfüllenden Ausmaß vorhanden.

Eine erhebliche Einschränkung des Immunsystems der Beschwerdeführerin wird durch die vorgelegten medizinischen Befunde nicht objektiviert. Die Anwendung einer milden immunsuppressiven Therapie (RoActemra) bedingt nicht, dass Menschenansammlungen per se zu meiden sind. Weitere Ausführungen dazu finden sich in der rechtlichen Beurteilung.

Dass die Beschwerdeführerin an Versteifungen in ihren Handgelenken leidet, wurde vom medizinischen Sachverständigen berücksichtigt und führte er dazu aus, dass die Greiffunktion an beiden Händen erhalten ist. Die Arme sind beidseits - bis auf eine endlagige Elevationsstörung - frei beweglich. Der Nacken- und Kreuzgriff ist möglich und die Globalfunktion sowie grobe Kraft beidseits erhalten. Dabei berücksichtigte der Sachverständige auch, dass beide Handgelenke bei einem Zustand nach Synovektomie links eine deutliche Funktionsstörung aufweisen.

Eine Verwendung des zur persönlichen Untersuchung am 20.2.2019 benützten Einpunktstockes ist nicht erforderlich, hindert die Beschwerdeführerin im Fall der Verwendung jedoch nicht bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel in einem Ausmaß, dass die Benützung unzumutbar wäre. Eine Sturzneigung war im Rahmen der persönlichen Untersuchung nicht objektivierbar.

In den eingeholten Sachverständigenbeweisen wurde umfassend und ausreichend auf die Art der Leiden und deren Ausmaß und Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel eingegangen und führte der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass es der Beschwerdeführerin - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Sachverständige berücksichtigte bei Erstellung seines Gutachtens, neben dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Befunde und lies diese in seine Beurteilung miteinfließen.

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist der Beschwerdeführerin mangels erheblicher Einschränkungen der unteren Extremitäten selbständig möglich. Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin ohne fremde Hilfe zumutbar.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Die Beschwerdeführerin ist mit dem Vorbringen in ihrer Beschwerde und in ihrem Vorlageantrag den auf der persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eine Allgemeinmediziners sowie seiner ergänzenden Stellungnahme im Lichte obiger Ausführungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 13.4.2019, beruhend auf persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.2.2019, sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 30.7.2019, und werden diese Sachverständigenbeweise in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG, welcher gemäß § 17 VwGVG vor dem Verwaltungsgericht anzuwenden ist) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist.

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat, und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.9.1978, 1013, 1015/76).

Die Würdigung der Beweise ist zufolge § 45 Abs. 2 AVG keinen gesetzlichen Regeln unterworfen. Davon ist jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht ausgeschlossen. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie ua den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen.

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führt beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.2.1987, 13 Os 17/87, aus:

"Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Richter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungs-methoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 17.2.2004, 2002/06/0151).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte - insbesondere der zitierten Entscheidungen - erfüllen diese beiden Sachverständigenbeweise nach Würdigung des erkennenden Gerichtes die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen: das oben genannte medizinische Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 13.4.2019 sowie die Stellungahme Dris. XXXX vom 30.7.2019 sind jeweils schlüssig und nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde jeweils auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel umfassend Stellung genommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3.5.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 31.7.2019, der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 59/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

[...]

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

-

schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-

selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa drei Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-

vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-

laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-

Kleinwuchs,

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gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

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bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde in den eingeholten Sachverständigengutachten vom 13.4.2019 und vom 30.7.2019, nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der bei der Beschwerdeführerin objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag sie noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit sind im Falle der Beschwerdeführerin, wenn auch bei Vorliegen von degenerativen und posttraumatischen Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, eines Zustandes nach Kniegelenksersatz, chronischer Polyarthritis, eines Zustandes nach Synovektomie, sowie eines Zustandes nach biologischem Aortenklappenersatz und erfolgreicher Gefäßplastik im Bereich der Aorta ascendens eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, gerade nicht gegeben. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine erhebliche Einschränkung des Immunsystems mangels objektiver medizinischer Befunde festgestellt werden.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist, die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist oder die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird (§ 24 Abs. 2 VwGVG).

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art. 6 MRK und Art. 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 18.7.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Aus Art. 47 Abs. 2 GRC kann ein absoluter Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht abgeleitet werden, so der VfGH in seiner Entscheidung vom 9.10.2018, E 3817/2018, worin dieser auf die Judikatur des EGMR verweist und ausspricht, dass dieser folgend laut VfGH-Judikatur eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn die Tatfrage unumstritten oder nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (siehe VfSlg 18994/2010, 19.632/2012).

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof ist sowohl bei der Einschätzung des Grades der Behinderung auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens als auch bei der Beurteilung, ob die gesundheitlichen Einschränkungen des Betroffenen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lassen, "wegen des für die Entscheidungsfindung wesentlichen persönlichen Eindrucks von der Person des Antragstellers" grundsätzlich eine mündliche Verhandlung geboten (VwGH 19.8.2018, Ra 2018/11/0145, VwGH 21.6.2017, Ra 2017/11/0040-5 mit dem Hinweis VwGH 8.7.2015, 2015/11/0036, 21.4.2016, Ra 2016/11/0018, 25.5.2016, Ra 2016/11/0057, und 16.8.2016, Ra 2016/11/0013).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 1 VwGVG lautet aber auch, dass das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn das Verwaltungsgericht eine solche für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (VwGH 18.10.2016, 2015/03/0029 mwH). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird.

Zwar wurde in casu die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde nicht substantiiert bekämpft, jedoch überlasst das Gesetz (kann-Bestimmung im § 24 Abs. 4 VwGVG) die Beurteilung der Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung dem Einzelrichter bzw dem Senat, sodass es dem Gericht obliegt zu beurteilen, ob die Aktenlage für die Entscheidung ausreicht oder es zur weiteren Klärung der Rechtssache einer mündlichen Erörterung bedarf.

Expressis verbis des § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Verhandlung durchzuführen, wenn eine solche beantragt wird. Weder im Beschwerdeschriftsatz, im Vorlageantrag noch in der Beschwerdevorlage wurde die Durchführung einer Verhandlung beantragt.

Soweit nicht in einem Bundes- oder einem Landesgesetz ande

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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