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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des A A alias A, vertreten durch Mag. Stephanie Psick-Göls, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2018, W253 2134625- 1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem, stellte am 9. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, in Afghanistan habe Krieg geherrscht. Sein Heimatdorf sei von den Taliban erobert worden, sein Vater und sein Onkel seien von diesen entführt bzw. getötet worden.
2 Mit Bescheid vom 25. August 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Fluchtgründe des Revisionswerbers seien nicht glaubhaft. Eine Gruppenverfolgung schiitischer Hazara bestehe nicht. Dem Revisionswerber stehe in Herat oder Mazar-e Sharif eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offen.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Gruppenverfolgung der Hazara im Entscheidungszeitpunkt, wie sie sich aus näher angeführten Länderinformationen ergebe, verneint. Auch fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage einer solchen Gruppenverfolgung.
9 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Situation der Hazara und der Frage einer drohenden Verfolgung des Revisionswerbers aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe auseinandergesetzt und ist unter Bezugnahme auf aktuelle Länderinformationen zu dem Schluss gekommen, dass nicht von einer generellen (asylrelevanten) Verfolgung von Angehörigen der Hazara ausgegangen werden könne. Dass sich das Bundesverwaltungsgericht hierbei von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung zur Verneinung einer Gruppenverfolgung der Hazara etwa VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0428, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EGMR; 25.6.2019, Ra 2019/19/0229; 5.12.2019, Ra 2019/01/0461).
10 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit auch damit, das Bundesverwaltungsgericht habe seinen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat nicht hinreichend aktuelle Länderberichte zu Grunde gelegt und sich nicht ausreichend mit der Wohn- und Arbeitssituation in den als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Städten Herat und Mazar-e Sharif auseinandergesetzt. Insbesondere habe das Bundesverwaltungsgericht dabei eine im Verfahren vorgelegte Stellungnahme von Amnesty International nicht berücksichtigt, wonach der Zugang zu Arbeit und Wohnraum nur über Kontakte, Netzwerke und Bestechung möglich sei, worüber der Revisionswerber nicht verfüge.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0644, mwN).
12 Dies gelingt der Revision nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung aktuelle Länderinformationen zu Afghanistan zu Grunde gelegt und ist bei seiner Beurteilung einer innerstaatlichen Fluchtalternative davon ausgegangen, dass es sich beim Revisionswerber um einen jungen, arbeitsfähigen Mann mit mehrjähriger Schulbildung und Berufserfahrung im Bereich der Landwirtschaft handle, der Dari spreche, mit den kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut sei und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dem Revisionswerber stehe jedenfalls in der Stadt Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, fallbezogen mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet wäre (vgl. etwa VwGH 25.9.2019, Ra 2018/19/0643; 25.9.2019, Ra 2019/19/0037; 23.10.2019, Ra 2019/19/0413; jeweils mwN).
13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 13. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190418.L00Im RIS seit
07.04.2020Zuletzt aktualisiert am
07.04.2020