TE Vwgh Beschluss 2020/2/13 Ra 2019/19/0351

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Veröffentlicht am 13.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/19/0352Ra 2019/19/0353Ra 2019/19/0354

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache 1.) der S H, 2.) des S Z S, 3.) des S H, und 4.) der H S, alle vertreten durch Mag. Taner Önal, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B, 1. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Jänner 2019,

1.) W242 2175232-1/14E, 2.) W242 2175234-1/14E, 3.) W242 2175196- 1/16E und 4.) W242 2204397-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Afghanistans. Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind ein Ehepaar und die Eltern der Viertrevisionswerberin. Der Drittrevisionswerber ist ein Bruder der Erstrevisionswerberin. Die Erst- bis Drittrevisionswerber stellten am 15. September 2015 Anträge auf internationalen Schutz. Begründend brachten sie vor, die Erstrevisionswerberin habe als Hebamme in einem Krankenhaus in Kabul gearbeitet und sei von den Taliban aufgefordert worden, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Im Laufe des Verfahrens brachte die Erstrevisionswerberin auch vor, sie lehne das konservative Frauen- und Wertebild in Afghanistan ab. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan bestünde deshalb für sie eine erhöhte Gefährdung. Sie müsste die Freiheit, die sie in Österreich habe, wieder aufgeben, da Frauen in Afghanistan keine Rechte hätten.

2 Mit Bescheiden vom 6. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Erst- bis Drittrevisionswerber ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die in Österreich geborene Viertrevisionswerberin stellte am 17. Juli 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. 4 Mit Bescheid vom 1. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Viertrevisionswerberin ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die Bescheide vom 6. Oktober 2017 und den Bescheid vom 1. August 2018 erhobenen Beschwerden der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Mit Erkenntnis vom 26. Juni 2019, E 472-475/2019-13, hob der Verfassungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerden der Revisionswerber gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln sowie gegen die erlassenen Rückkehrentscheidungen und gegen die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurden, wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auf. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Revision, die sich nur gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, das BVwG sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es die von der Erstrevisionswerberin glaubhaft zum Ausdruck gebrachte, verinnerlichte westliche Orientierung nicht als asylrelevante Verfolgung gewertet habe.

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat - aufgrund deshalb drohender Verfolgung - nicht gelebt werden könnte (vgl. VwGH 2.8.2019, Ra 2019/19/0150, mwN).

12 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. wiederum VwGH Ra 2019/19/0150, mwN). 13 Das BVwG hat sich im vorliegenden Fall - ausgehend von den Aussagen der Erstrevisionswerberin in der mündlichen Verhandlung - mit der Lebensweise der Erstrevisionswerberin in Afghanistan und in Österreich auseinandergesetzt und ist auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangt, dass sie keine Lebensweise angenommen habe, bei deren Rückkehr ihr in Afghanistan Verfolgung drohe. Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Beurteilung fallbezogen unvertretbar wäre.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190351.L00

Im RIS seit

07.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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