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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §57Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Revisionssachen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 24. September 2019, 1. W237 2147063-3/10E, 2. W237 2147064-3/10E,
3. W237 2147061-3/10E, 4. W237 2147057-3/10E, 5. W237 2147056-3/9E und 6. W237 2191867-2/8E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Parteien: 1. A B, 2. C D, 3. E F, 4. G H, 5. I J und 6. K L, alle in X), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Mitbeteiligten - eine Familie und Staatsangehörige der Russischen Föderation - stellten am 7. Februar 2019 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, die die belangte Behörde mit Bescheiden vom 21. Juni 2019 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (jeweils Spruchpunkt I.) als auch jenen des subsidiär Schutzberechtigten (jeweils Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückwies. Zugleich erteilte sie ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (jeweils Spruchpunkt III.), erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen (jeweils Spruchpunkt IV.), stellte die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Russische Föderation fest (jeweils Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (jeweils Spruchpunkt VI.).
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der Mitbeteiligten, soweit sie sich jeweils gegen die Spruchpunkte I. bis III. wendeten, als unbegründet ab. Hingegen hob es die Spruchpunkte IV. bis VI. (Rückkehrentscheidungen und davon abhängige Aussprüche) der angefochtenen Bescheide ersatzlos auf. Es begründete die Aufhebung der Rückkehrentscheidungen damit, dass gegen die Mitbeteiligten bereits mit Einreiseverboten verbundene rechtskräftigte Rückkehrentscheidungen bestünden, sodass nach § 59 Abs. 5 AsylG 2005 und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es mangels Änderung des relevanten Sachverhaltes keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedürfe. 3 Hingegen seien die Aussprüche über die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 - als Ergebnis einer amtswegigen Prüfung nach § 58 Abs. 1 AsylG 2005 - zu bestätigen. Zwar nenne § 58 Abs. 1 AsylG 2005 abschließend jene Fälle, in denen eine solche amtswegige Prüfung zu erfolgen habe, und der Fall der Zurückweisung von Anträgen nach § 68 Abs. 1 AVG befinde sich nicht ausdrücklich darunter. Jedoch habe der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Bestimmung des § 10 Abs. 1 AsylG 2005 (Erlassung einer aufhaltsbeendenden Maßnahme) bereits ausgesprochen, dass diese auch die Fälle der Zurückweisung von Anträgen nach § 68 Abs. 1 AVG umfasse.
4 Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob eine amtswegige Prüfung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Abs. 1 AsylG 2005 auch dann zu erfolgen hat, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werde und keine neuerliche Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Dazu führte es mit näherer Begründung aus, dass es entgegen der im Erkenntnis vorgenommenen Auslegung des § 58 Abs. 1 AsylG 2005 auch denkbar sei, dass eine solche amtswegige Prüfung nur dann vorzunehmen sei, wenn zugleich eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis - soweit damit die Beschwerden gegen die Spruchpunkte III. der Bescheide vom 21. Juni 2019 abgewiesen wurden - richtet sich die Amtsrevision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, in der die Aufhebung des Erkenntnisses im angefochtenem Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt wird.
6 Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem erwähnten Gesichtspunkt maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (VwGH 11.5.2017, Ro 2016/21/0010, mwN).
9 Die vorliegende ordentliche Revision wiederholt die vom Verwaltungsgericht zur Begründung der Zulässigkeit der Revision als grundsätzlich aufgezeigte Rechtsfrage und ergänzt, dass die Revision von dieser Rechtsfrage abhänge, weil das Bundesverwaltungsgericht, wenn in der vorliegenden Konstellation nicht über die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels abzusprechen wäre, auch die Spruchpunkte III. der Bescheide hätte ersatzlos beheben müssen. Dies sei nach Ansicht des Revisionswerbers auch der Fall.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zu einer abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit berufen. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann (VwGH 8.7.2019, Ra 2019/20/0081, mwN). Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben. Diese Rechtsprechung hat auch für eine Amtsrevision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG Gültigkeit (VwGH 19.11.2019, Ra 2019/09/0016, mwN). 11 Weder im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts noch in der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird dargestellt, inwiefern es einen Unterschied macht, ob der von der Revision betroffene (amtswegig getroffene, jedoch negative) Ausspruch dem Rechtsbestand weiter angehört oder aus diesem eliminiert wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass die Frage, ob eine amtswegige Prüfung der Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erfolgen hat oder nicht, dann eine fallbezogen irrelevante (bloß abstrakte) Rechtsfrage darstellt, wenn nicht einmal vorgebracht wird, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels vorlägen (vgl. VwGH 14.12.2016, Ro 2016/19/0004).
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 19. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019140010.J00Im RIS seit
07.04.2020Zuletzt aktualisiert am
07.04.2020