TE Vwgh Beschluss 2020/2/19 Ra 2020/14/0047

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Veröffentlicht am 19.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/14/0048Ra 2020/14/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Revisionssachen 1. der A B, 2. des C D, und 3. des E F, alle vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 20. Dezember 2019, 1. W136 2186977-1/15E, 2. W136 2187003-1/14E und 3. W136 2187008-1/10E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind miteinander verheiratet und die Eltern des (im Jahr 2016 im Bundesgebiet geborenen) Drittrevisionswerbers. Sie sind Staatsangehörige von Afghanistan und stellten am 17. November 2015 (Erstrevisionswerberin und Zweitrevisionswerber) sowie am 5. Jänner 2017 (Drittrevisionswerber) Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Mit den Bescheiden je vom 16. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Anträge ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig sei. 4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die revisionswerbenden Parteien bringen vor, die Erstrevisionswerberin sei im Fall der Rückkehr nach Afghanistan als "westlich orientierte" Frau mit hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffen von erheblicher Intensität ausgesetzt und wenden sich gegen die in diesem Zusammenhang ergangene Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Weiters wird geltend gemacht, es sei den revisionswerbenden Parteien im Hinblick auf die Minderjährigkeit des Drittrevisionswerbers die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht zumutbar. Bei minderjährigen Kindern bestünden, auch wenn diese im Familienverband zurückkehrten, grundsätzlich Bedenken dagegen, sie auf ein Leben in Kabul zu verweisen.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0461, mwN). Der Revision gelingt es nicht, eine den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts anhaftende und vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit aufzuzeigen. Das Verwaltungsgericht hat eine Verhandlung durchgeführt, in der es sich einen persönlichen Eindruck von der Erstrevisionswerberin verschaffen konnte, und sich umfassend mit dem Vorbringen - in Bezug auf die Beweiswürdigung in nicht unschlüssiger Weise - auseinandergesetzt. Wenn die Revision - ohne nähere Konkretisierung - geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe vorgelegte Urkunden zur "westlichen Orientierung" und zur Integration der Erstrevisionswerberin nicht berücksichtigt, macht sie unsubstantiiert Verfahrensmängel geltend, ohne darzutun, weshalb bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel ein anderes, für die revisionswerbenden Parteien günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.

9 Soweit die revisionswerbenden Parteien vorbringen, sie dürften nicht auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul verwiesen werden, übersehen sie, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Möglichkeit der (Wieder-)Ansiedlung in der Stadt Herat, wo die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber seit ihrer Geburt bis zu ihrer Ausreise gelebt haben, ausgegangen ist. Das Verwaltungsgericht befasste sich zudem anhand der fallbezogen gegebenen Umstände auch mit der für den minderjährigen Drittrevisionswerber (und einem weiteren Kind der Erstrevisionswerberin und des Zweitrevisionswerbers, dessen Asylverfahren nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts bereits im Jänner 2019 in erster Instanz rechtskräftig beendet worden war) zu erwartenden Situation im Fall der Rückführung der Familie in deren Herkunftsland; im Besonderen auch unter dem Aspekt einer möglichen Gefährdung der Kinder durch die im Herkunftsland gegebene Lage sowie mit der Existenz eines sozialen Netzwerks und der möglichen Unterstützung durch weitere Familienmitglieder.

10 Von den revisionswerbenden Parteien werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 19. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140047.L00

Im RIS seit

07.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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