TE Vwgh Beschluss 2020/2/21 Ra 2020/18/0055

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Veröffentlicht am 21.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Z H, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Jänner 2020, W276 2197400-2/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 26. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er zusammengefasst damit, dass er Afghanistan aufgrund der schlechten Sicherheitslage und wiederholter Selbstmordanschläge verlassen habe. Zudem gebe es für ihn als schiitischen Hazara keine Sicherheit.

2 Mit Bescheid vom 11. Juni 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. 4 Begründend führte das BVwG aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt gewesen sei oder bei seiner Rückkehr wäre. Auch das Vorliegen einer Gruppenverfolgung aufgrund der Volksgruppe oder Religion des Revisionswerbers sei zu verneinen. Der Revisionswerber habe keine asylrelevante Verfolgung aufgrund einer "westlichen" Lebenseinstellung glaubhaft machen können.

5 Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes erwog das BVwG, dass sowohl die Provinz Ghazni, in der der Revisionswerber geboren sei, als auch die Stadt Kabul, in welcher er seit seinem fünften Lebensjahr gelebt habe, als Herkunftsorte angesehen werden könnten. Bei Ghazni handle es sich um eine der aktivsten Konfliktgebiete Afghanistans, weshalb eine Rückkehr des Revisionswerbers dorthin nicht möglich sei. Hingegen stehe es dem Revisionswerber offen, nach Kabul zurückzukehren. Zudem verfüge der Revisionswerber über eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat. In diesem Zusammenhang nahm das Verwaltungsgericht eine umfassende Prüfung der relevanten Kriterien am Maßstab des Leitfadens des UNHCR zur Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan vom November 2018 unter Einbeziehung der EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2019 vor, in der es sowohl die allgemeinen Gegebenheiten in den Gebieten, als auch die persönlichen Umstände des Revisionswerbers berücksichtigte. Schließlich kam das BVwG unter näherer Begründung zu dem Ergebnis, dass Mazar-e Sharif und Herat sicher erreichbar seien und es dem Revisionswerber möglich und zumutbar wäre, sich in diesen Gebieten neu anzusiedeln.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in ihrer Zulassungsbegründung einen Verfahrensmangel ins Treffen führt und dazu ausführt, das BVwG habe eine näher umschriebene Studie, die im Verfahren vorgelegt worden sei und sich mit dem Verbleib und Erfahrungen abgeschobener Afghanen beschäftige, nicht berücksichtigt. Dadurch habe das BVwG den Revisionswerber in seinem Recht auf Gewährung von "zumindest subsidiärem Schutz" verletzt.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Die Revision wendet sich zwar gegen das angefochtene Erkenntnis im vollen Umfang, nennt jedoch lediglich die Verletzung des Rechts auf Gewährung subsidiären Schutzes.

12 Sofern die Revision dazu in ihrer Zulässigkeitsbegründung einzig moniert, eine näher genannte Studie aus 2019 zum Verbleib und den Erfahrungen abgeschobener afghanischer Staatsbürger sei zwar im Verfahren vorgelegt, aber in der Prüfung des BVwG nicht berücksichtigt worden, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich das BVwG sehr wohl mit diesem Bericht auseinandersetzte. Fallbezogen begründete das Verwaltungsgericht nachvollziehbar, weshalb es bei seiner Beurteilung, welche Situation der Revisionswerber konkret in seinem Herkunftsstaat zu erwarten habe, anderen Länderberichtsquellen mehr Gewicht beimaß. Dass diese im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0278, mwN).

13 Wenn die Revision weiters in Zusammenhang mit der genannten Studie pauschal in den Raum stellt, es sei im Verwaltungsverfahren nicht üblich, Beweisanträge mit Beweisthemen zu stellen, so ist zunächst nicht ersichtlich, welchem Beweisantrag des Revisionswerbers das Verwaltungsgericht nicht entsprochen hat. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beachtlichkeit eines Beweisantrages die ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, somit jener Punkte und Tatsachen voraussetzt, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen (vgl. 13.12.2019, Ra 2019/02/0004, mwN).

14 Ob das BVwG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass dem Revisionswerber eine Rückkehr nach Kabul möglich sei, kann gegenständlich dahingestellt bleiben, weil schon die vom BVwG hilfsweise herangezogene Begründung, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif und Herat offen, das Ergebnis der Entscheidung trägt.

15 Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 8.1.2020, Ra 2019/18/0329, mwN).

16 Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner Prüfung unter Einbeziehung des Leitfadens des UNHCR zur Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan vom November 2018 sowie der EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2019 sowohl mit der Sicherheits- und Versorgungslage in den genannten Städten, als auch mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Demnach sei der Revisionswerber nunmehr volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er verfüge über eine siebenjährige Schulbildung und habe bereits Arbeitserfahrung. Ausgehend davon ist die Einschätzung des BVwG, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung, am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180055.L00

Im RIS seit

07.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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