TE Vwgh Beschluss 2020/2/21 Ra 2019/18/0073

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Veröffentlicht am 21.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S K, vertreten durch Dr. Christoph Kasper, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 28, dieser vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das am 21. November 2018 mündlich verkündete und am 31. Jänner 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W258 2185127-1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Laghman, stellte am 15. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und führte dazu im Wesentlichen aus, er fürchte die Zwangsrekrutierung durch die Taliban. Der Revisionswerber führte dazu in der Einvernahme am 23. November 2017 aus, die Taliban hätten ihn wegen der Tätigkeit seines Vaters und seines Bruders bei der Polizei anwerben wollen. Die Taliban hätten in der örtlichen Moschee um Mitglieder geworben und ein Mullah bzw. Imam sei zu ihm nach Hause gekommen, um seiner Familie mitzuteilen, dass die Taliban junge Männer wie den Revisionswerber bräuchten. Die Familie sei dagegen gewesen. Zudem hätten bewaffnete Taliban versucht, ihn auf dem Schulweg zu entführen. Dies habe nur durch die Hilfe von Dorfleuten verhindert werden können.

2 Mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.). 3 Die gegen Spruchpunkt I. erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. 4 Das BVwG traf Feststellungen zum Herkunftsland und Herkunftsort des Revisionswerbers, zur Tätigkeit seiner Familienmitglieder, zur persönlichen Mitteilung eines Mullahs an die Eltern des Revisionswerbers, dass die Taliban Leute wie den Revisionswerber suchen würden, zum Entführungsversuch auf dem Schulweg und dessen Vereitelung durch unbewaffnete Dorfälteste sowie dass es keine gezielten Übergriffe auf den Revisionswerber und seine Familie gegeben hätte und die Taliban ihn nicht gezielt suchen würden. Dem Vorbringen des Revisionswerbers zur Zwangsrekrutierung von anderen Jugendlichen aus seinem Heimatdorf sei nicht zu folgen gewesen, da dieses im Widerspruch zu den Länderfeststellungen stehe, der Revisionswerber habe das diesbezügliche Vorbringen auf Rückfrage auch relativiert. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass sich Jugendliche aus dem Dorf freiwillig den Taliban angeschlossen hätten und keine Rekrutierungen durch Zwang vorgelegen wären. Das Alter des Revisionswerbers zu den verschiedenen Aussagezeitpunkten beachtend führt das BVwG aus, dass die Angaben zum Zeitablauf zur Anwerbung durch den Mullah im Rahmen seines Besuchs und der versuchten Entführung widersprüchlich gewesen seien. Auch wenn der Revisionswerber unter eine Risikogruppe falle und es einen Anwerbungsversuch durch einen Mullah sowie einen Übergriff gegeben habe, so könne nicht von einer weiteren Zwangsrekrutierung ausgegangen werden. Die bewaffneten Angreifer hätten den Revisionswerber auf Bitten unbewaffneter Dorfältester gehen lassen. Nach den Länderfeststellungen seien es gerade die Dorfältesten, die entscheiden würden, ob sich jemand den Taliban anschließen müsse und wieviele Kämpfer das Dorf stellen würde. Der Revisionswerber würde demnach unter dem Schutz der Dorfältesten stehen und die Taliban dies auch akzeptieren. Auch sei eine Rekrutierung aus einer talibankritischen Familie zwar denkbar, aber unwahrscheinlich. Außerdem hätten die Taliban im Herkunftsgebiet des Revisionswerbers keine Not bei der Rekrutierung und müssten nicht auf Zwangsmaßnahmen zurückgreifen. Hinsichtlich der weiteren, in der Beschwerde vorgebrachten Fluchtvorbringen hielt das BVwG fest, dass es zur Blutfehde an konkretem Vorbringen mangle, der Vater des Revisionswerbers lebe nach wie vor unbehelligt im Heimatdorf, die Volksgruppe des Revisionswerbers sei auch nicht zur Blutrache verpflichtet. Zum Vorbringen der Verfolgung aufgrund einer Tätigkeit seines Vaters und seiner beiden getöteten Brüder bei Militär und Polizei führte das BVwG aus, dass der Revisionswerber diesbezüglich keiner Verfolgung ausgesetzt sei, zumal keines der verbleibenden Familienmitglieder für die Regierung arbeite und der Rest der Familie unbehelligt im Heimatdorf lebe. Ebenso habe das Verfahren ergeben, dass keine Gefahr der Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Rückkehrer und jener der verlassenen Kinder bestehe, auch bestehe aufgrund des Alters des Revisionswerbers keine Gefahr mehr, als Tanzjunge missbraucht zu werden, zusätzlich stehe er diesbezüglich unter dem Schutz seiner Familie.

5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der asylrelevanten Zwangsrekrutierung von Kindern abgewichen. Eine Verfolgung durch die Taliban sei gegeben, da diese den Revisionswerber aufgrund seiner Weigerung zwangsweise mitnehmen hätten wollen. Der vom BVwG vorgehaltene Schutz der Dorfältesten vor den Taliban sei unbeachtlich, da diese den Taliban unterworfen seien und ihnen gehorchen würden. In diesem Zusammenhang sei auch eine Außerachtlassung von Accord-Berichten erfolgt. Es fänden entgegen der Ansicht des BVwG sehr wohl Zwangsrekrutierungen durch die Taliban statt. Zudem entspreche die freie Beweiswürdigung nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0406, mwN).

10 Die Revision wendet sich in der Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst gegen die Beweiswürdigung und bringt dazu vor, dass bei Beachtung von näher genannten Berichten die Beweiswürdigung des BVwG anders hätte ausfallen müssen und die Gefahr einer Verfolgung des Revisionswerbers durch die Taliban zweifellos vorliege.

11 Die Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründen, wenn sie in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. dazu etwa VwGH 11.1.2019, Ra 2019/18/0001, Rn. 11, mwN).

12 In den beweiswürdigenden Überlegungen legte das BVwG vertretbar und nachvollziehbar dar, dass das Vorbringen des Werbens der Taliban um Mitglieder in der Moschee und bei den Eltern zwar für glaubhaft erachtet werde, jedoch in Zusammenschau des Vorbringens des Revisionswerbers und der getroffenen Länderfeststellungen zur Herkunftsprovinz des Revisionswerbers und zur Rekrutierungsweise der Taliban, die auf zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichten basierten, eine zwanghafte Rekrutierung des Revisionswerbers nicht für glaubhaft erachtet werde und eine solche auch für die Zukunft nicht zu gewärtigen wäre. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass das BVwG die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 1.3.2019, Ra 2018/18/0552, mwN).

13 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019180073.L00

Im RIS seit

07.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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