Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/22/0006Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache 1. der F N und 2. des Y A F, beide vertreten durch Mag. Julian Alen Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 30. August 2019, 1. VGW- 151/044/3888/2019-4 und 2. VGW-151/044/3889/2019-6, jeweils betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Die revisionswerbenden Parteien sind iranische Staatsangehörige und miteinander verheiratet. Sie erhielten erstmals 2015 Aufenthaltstitel als Student (Zweitrevisionswerber) beziehungsweise "Familiengemeinschaft" (Erstrevisionswerberin), die bis Juli 2017 verlängert wurden. Am 2. Jänner 2017 stellten die revisionswerbenden Parteien jeweils einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 44 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Die beantragten Aufenthaltstitel wurden ihnen erteilt und antragsgemäß bis 1. März 2019 verlängert. 5 Der Landeshauptmann von Wien (Behörde) nahm mit Bescheid vom 30. Jänner 2019 die Verfahren betreffend die Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" sowie die Verlängerung des Aufenthaltstitels "Familiengemeinschaft" beziehungsweise "Student" gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § 69 Abs. 3 AVG wieder auf und wies die Anträge ab.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien - mit einer hier nicht relevanten Maßgabe - ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.
Nach Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen der Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG aufgrund der Vorlage von gefälschten Bankauszügen stellte das VwG zur Abweisung der Anträge zusammengefasst beweiswürdigend fest, die revisionswerbenden Parteien hätten nur ihr Guthaben bei inländischen Bankinstituten ausreichend aktuell nachgewiesen. Hinsichtlich der Mieteinkünfte für Wohnungen in Teheran sei nicht nachgewiesen worden, dass daraus aktuell Mieteinnahmen lukriert würden. Für Bankkonten bei näher genannten iranischen Banken seien Auszüge vom September 2018 vorgelegt worden; damit könne aufgrund des inzwischen vergangenen Zeitraumes nicht nachgewiesen werden, dass die dort ausgewiesenen Beträge aktuell vorhanden und verfügbar seien, zumal der Zweitrevisionswerber eigenen Angaben zufolge im Iran Kreditraten in Höhe von monatlich 30.000.000,-- Iranische Rial zu bedienen habe. Es seien auch keine Kontoauszüge oder Belege vorgelegt worden, aus denen sich ergebe, dass dem Zweitrevisionswerber regelmäßig iranische Pensionsbezüge ausbezahlt würden. Das Barvermögen von etwa EUR 4.000,-- bis EUR 5.000,--, das angeblich in der Wohnung aufbewahrt werde, sei ebenfalls nicht belegt worden. Der Zweitrevisionswerber habe in der Verhandlung darauf hingewiesen, dass unmittelbare Transaktionen von iranischen auf österreichische Bankkonten aufgrund der bestehenden Sanktionen nicht möglich beziehungsweise sehr aufwendig und mit Kosten verbunden seien, weshalb die revisionswerbenden Parteien bei ihren Reisen jeweils Barmittel in Höhe von je EUR 10.000,-- einführten.
Rechtlich schloss das VwG daraus, die revisionswerbenden Parteien hätten gegenüber dem VwG lediglich ein verfügbares Kontoguthaben in Höhe von insgesamt EUR 32.843,43 nachgewiesen; erforderlich wäre (auf Basis des doppelten Haushaltsrichtsatzes gemäß § 293 ASVG, unter Berücksichtigung der Mietkosten abzüglich der "freien Station", der Sozialversicherungskosten und des Beitrages des im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohnes) ein monatliches verfügbares Einkommen von EUR 3.301,22. Damit sei die besondere Erteilungsvoraussetzung des § 44 Abs. 1 Z 3 NAG nicht erfüllt.
7 Zur Wiederaufnahme der Verfahren bringt die Revision nichts vor.
Sie wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die Beweiswürdigung des VwG betreffend die Unterhaltsmittel. Der Verwaltungsgerichtshof hielt bereits wiederholt fest, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG im Zusammenhang mit der Überprüfung der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das VwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vornahm. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber um die konkrete Richtigkeit handelt, sowie wenn es darum geht, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/22/0119, Rn. 9, mwN).
Eine derartige, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit vermögen die revisionswerbenden Parteien nicht aufzuzeigen. So wendet sich die Revision nicht gegen die Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis, dem VwG sei nicht nachgewiesen worden, dass aus der Vermietung von Wohnungen in Teheran aktuell Mieteinnahmen lukriert würden, dass die bei iranischen Banken ausgewiesenen Beträge aktuell vorhanden und verfügbar seien, dass dem Zweitrevisionswerber regelmäßig iranische Pensionsbezüge ausbezahlt würden und das angeblich in der Wohnung aufbewahrte Barvermögen tatsächlich vorhanden sei. Dem VwG lag zwar der "Bescheid über die Erhöhung des Gehaltes des Pensionierten" vom 5. August 2018 und ein Gehaltszettel für August 2018 vor, den Feststellungen, wonach keine aktuellen Nachweise über Pensionszahlungen vorgelegt worden seien, tritt die Revision jedoch nicht entgegen. Dass das VwG einen "'aktuellen' Bescheid über den Bezug einer Pensionszahlung" als erforderlich erachtet hätte, ist dem angefochtenen Erkenntnis - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - nicht zu entnehmen. Aufgrund des Umstandes, dass - laut Aussage des Zweitrevisionswerbers in der Verhandlung - unmittelbare Transaktionen von iranischen auf österreichische Bankkonten aufgrund der bestehenden Sanktionen nicht möglich beziehungsweise sehr aufwendig und mit Kosten verbunden seien, legte das VwG seiner Entscheidung zugrunde, dass - mangels gegenteiliger Nachweise - allenfalls im Iran erzielte Mieteinnahmen, Pensionsbezüge oder vorhandene Bankguthaben nicht ohne weiteres zur Finanzierung des Lebensunterhaltes in Österreich zur Verfügung stehen. Diese Ansicht kann jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.
Im Übrigen stellt das Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, das Bankguthaben der revisionswerbenden Parteien bei iranischen Banken sei wesentlich höher als zum Zeitpunkt der Ausstellung der letzten Bestätigung (im September 2018), - unabhängig davon, dass es ebenfalls nicht belegt wurde - eine unbeachtliche Neuerung (§ 41 VwGG) dar.
8 Die Revision bringt weiter vor, es fehle an höchstgerichtlicher Judikatur zum Freundschafts- und Niederlassungsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran vom 14.04.1966. Art. 3 dieses Vertrages beinhalte ein Niederlassungsrecht und eine Meistbegünstigungsklausel, wonach Angehörige des Kaiserreiches Iran in Österreich keine ungünstigere Behandlung als die Angehörigen der meistbegünstigten Nation - fallbezogen der europäischen Union und des EWR - erfahren dürften. Für EWR-Bürger sei es ausreichend, Unterhaltsmittel in Höhe des (einfachen) Ausgleichszulagenrichtsatzes nachzuweisen; dies müsse auch für iranische Staatsbürger gelten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits aussprach (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2019/22/0069, Rn. 8) ergibt sich aus Art. 14 lit. a des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran eindeutig, dass die Meistbegünstigungsklausel nicht auf Begünstigungen anwendbar ist, die eine Vertragspartei dritten Staaten aufgrund einer multilateralen Vereinbarung gewährt oder in Zukunft gewähren sollte. Somit können sich die revisionswerbenden Parteien nicht auf Begünstigungen berufen, die EWR-Bürgern und deren Angehörigen aufgrund von Unionsrecht umsetzenden Bestimmungen (§§ 51f NAG) eingeräumt werden.
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220005.L00Im RIS seit
07.04.2020Zuletzt aktualisiert am
07.04.2020