TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/19 98/05/0027

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Veröffentlicht am 19.05.1998
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Index

L85004 Straßen Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1460;
ABGB §1488;
AVG §55;
LStG OÖ 1991 §10 Abs2;
LStG OÖ 1991 §10;
LStG OÖ 1991 §25;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Mag. Franz Ecker in Mitterkirchen, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer, Dr. Helmuth Hackl und Mag. Johannes Mühllechner, Rechtsanwälte in Linz, Hauptplatz 23/II, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Dezember 1997, Zl. BauR - 012003/2 - 1997/SEE/Vi, betreffend ein straßenrechtliches Verfahren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Mitterkirchen im Machland, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 88/2 und Nr. 92 je KG Mitterkirchen.

Mit Eingabe vom 29. März 1995 beantragten die in mehreren, an diesen Antrag angehefteten Blättern näher bezeichneten und unterfertigten Personen die Feststellung des Gemeingebrauches eines näher bezeichneten Verbindungsweges zwischen der Gemeindestraße Wagra und der Gemeindestraße Gassl-Weg in Mitterkirchen gemäß § 10 des O.Ö. Straßengesetzes 1991 mit der Begründung, dieser Weg könne von jedermann seit Urgedenken allgemein benützt werden; seine Bedeutung läge darin, daß damit ermöglicht werde, der - insbesondere für Fußgeher und Radfahrer - gefährlichen Kreuzung der Machlandstraße zwischen den Häusern Haberl Mitterkirchen 18 und Häuserer Mitterkirchen 10 auszuweichen. (Bezüglich des weiteren Verfahrensganges wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/05/0023, verwiesen.)

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. Juni 1997 wurde den Berufungen des Beschwerdeführers und der zu hg. Zl. 98/05/0023 beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 7. September 1995 keine Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid jedoch insoweit abgeändert, daß der Spruch zu lauten hat:

"Gemäß § 10 O.ö. Straßengesetz 1991, LGBl. 84/1991, iVm §§ 3, 4 und 8 (2) Z. 4 O.ö. Straßengesetz wird über den über die Grundstücke 91/1 und 92, KG Mitterkirchen, führenden und im Lageplan des Dipl.Ing. Wahl vom 11.6.1997, Zl. 94/08/C3, eingezeichneten Weg der Gemeingebrauch in der Breite von 1,5 m mit der Benützung als Fußgänger- und Radfahrweg zum Gehen und Fahren mit Fahrrädern festgestellt. Dieser 1,5 m breite Weg beginnt im östlichen Bereich beim sogenannten "Gassl-Weg", Parz. 2341/2 und endet im westlichen Bereich bei der Wagra-Gemeindestraße, Parz. 2340 - beide KG Mitterkirchen."

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde ging hiebei in seinen Feststellungen davon aus, daß der festgestellte Weg bereits während des zweiten Weltkrieges existiert hat und aufgrund der sich ändernden Gegebenheiten im Laufe der Zeit in unterschiedlicher Intensität genutzt worden ist. Länger als 30 Jahre ist jedenfalls eine Benützung zu Fuß und mit dem Fahrrad erfolgt. Der Weg ist seit den 40er-Jahren bis zum 12. Juli 1992 benutzt worden. Der Weg wurde nicht von einer bestimmten, abgegrenzten Personengruppe benutzt, vielmehr war die Benutzung durch jedermann möglich. Die Benützung des Weges wurde erstmals durch die Errichtung eines Holzstoßes im Bereich der Grenze der Grundstücke Nr. 92 und Nr. 91/2 durch den zu Zl. 98/05/0023 ausgewiesenen Beschwerdeführer am 12. Juli 1992 verhindert. Die Nutzung des Weges durch die Allgemeinheit erfolgte unabhängig vom Willen der Eigentümer der beschwerdegegenständlichen Grundstücke.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der O.Ö. Landesregierung vom 29. Dezember 1997 mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt wird.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß "für einen über seine Grundstücke 91/1 und 92 KG Mitterkirchen führenden Weg in der Breite von 1,5 m der Gemeingebrauch festgestellt wurde". Er macht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Berufungsbehörde erblickt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in dem Umstand, daß die Berufungsbehörde, obwohl sämtliche Voraussetzungen für die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz bestanden hätten, selbst das gesamte Verfahren neu aufgerollt und Beweisaufnahmen in einem äußerst aufwendigen und langwierigen Verfahren wiederholt habe. Die belangte Behörde als Vorstellungsbehörde erscheine "deshalb materiell unzuständig, weil gegen den Bescheid des Bürgermeisters eine volle Berufung an den Gemeinderat verwehrt" worden sei.

Die Vorgangsweise des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde als Berufungsbehörde hat der Anordnung des § 66 AVG entsprochen. Gemäß Abs. 1 dieser Gesetzesstelle hat nämlich die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Behörde erster Instanz durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG zutreffen, ist die Berufungsbehörde nicht verpflichtet, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zu verweisen. Vielmehr kann die Berufungsbehörde gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen die mündliche Verhandlung und die unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist. Daß diese Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Das durch den vorliegenden Verwaltungsakt dokumentierte Verfahrensgeschehen bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer Rechtswidrigkeit der von der Berufungsbehörde gewählten Vorgangsweise.

Der Beschwerdeführer behauptet einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 10 Abs. 2 des

O.Ö. Straßengesetzes 1991 durch die belangte Behörde (gemeint offensichtlich: die Berufungsbehörde). Die Zeugen seien am 14. Jänner 1997 einvernommen, der Ortsaugenschein jedoch erst am 22. April 1997 durchgeführt worden.

Gemäß § 10 Abs. 2 des O.Ö. Straßengesetzes 1991 hat der Feststellung des Gemeingebrauchs für Verkehrszwecke eine mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbindende mündliche Verhandlung vorauszugehen; diese Verhandlung ist öffentlich zugänglich. Zur Verhandlung sind die betroffenen Grundeigentümer und dinglich Berechtigten als Parteien zu laden. Jene der Behörde bekannten Personen, die an der Feststellung des Gemeingebrauchs ein berechtigtes Interesse besitzen, sind davon in geeigneter Weise zu verständigen.

Am 14. Jänner 1997 wurde in der der Beschwerde zugrunde liegenden Angelegenheit ein Ortsaugenschein durchgeführt und es wurden in der Folge die Zeugen einvernommen. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 22. April 1997 wurde das Ermittlungsverfahren ergänzt.

Durch § 10 Abs. 2 O.Ö. Straßengesetz 1991 wird keine Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme angeordnet (vgl. hiezu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/05/0023, mit weiteren Nachweisen). Im übrigen wird vom Beschwerdeführer nicht ausgeführt, aus welchen Gründen die Berufungsbehörde zu welchem anderen Ergebnis hätte kommen sollen, wenn auch bei der Verhandlung am 22. April 1997 ein Ortsaugenschein durchgeführt worden wäre.

Der Beschwerdeführer trägt in der Beschwerde vor, die im § 10 Abs. 1 des O.Ö. Straßengesetzes 1991 geforderte 30-jährige Benützung der beschwerdegegenständlichen Grundstücke im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke sei "verjährt". Die Fortsetzung des Gemeingebrauchs sei im Juli 1992 von den Grundeigentümern verhindert worden. Die Unterbrechung der dreijährigen Widersetzungsfrist sei verabsäumt worden. Die Berufungsbehörde habe die diesbezüglichen Feststellungen nicht getroffen.

Im hg. Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 93/05/0210, hat der Verwaltungsgerichtshof zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des NÖ Landesstraßengesetzes, LGBl. 8500-0 in der Fassung der Novelle LGBl. 8500-3 (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/05/0192), bezüglich der in Rede stehenden Freiheitsersitzung näher begründet ausgeführt, daß es für die Unterbrechung der im § 10 Abs. 1

O.Ö. Straßengesetz 1991 normierten 30-Jahresfrist einer analogen Heranziehung der Bestimmung des § 1488 ABGB bedarf. Die Einleitung des Feststellungsverfahrens nach § 10 O.Ö. Straßengesetz 1991 läßt sich mit der Geltendmachung des Rechtes durch den Berechtigten vergleichen. Die Widersetzungshandlungen, die innerhalb von drei Jahren vor Verfahrenseinleitung gesetzt wurden, haben außer Betracht zu bleiben, soweit vor Beginn der Widersetzungshandlungen die 30-jährige Frist verstrichen ist. Es kommt also darauf an, ob und inwieweit schon drei Jahre vor der Einleitung des Feststellungsverfahrens die Wegbenützung nachhaltig behindert worden ist. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, wann der Beschwerdeführer von der Einleitung des Verfahrens nach § 10 O.Ö. Straßengesetz 1991 erstmals Kenntnis erlangt hat, sondern wann die Behörde eine Einleitungshandlung vorgenommen hat (vgl. hiezu § 1497 ABGB sowie das hg. Erkenntnis vom 24. März 1998, Zl. 97/05/0258). Im vorliegenden Fall hat die Behörde aufgrund des Schreibens vom 29. März 1995 erstmals mit Kundmachung der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 1995 eine das Verfahren einleitende Verfahrenshandlung vorgenommen. Die hier maßgebliche, eine Unterbrechung der 30-Jahresfrist allenfalls bewirkende Hinderungshandlung ist jedoch nach den insoweit auch unbekämpft gebliebenen Feststellungen in der Beschwerde am 12. Juli 1992 vorgenommen worden. Die behauptete Freiheitsersitzung liegt daher nicht vor. Weiterer Feststellungen hiezu bedurfte es nicht.

Eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen der mitbeteiligten Marktgemeinde einerseits und der zu

Zl. 98/05/0023 beschwerdeführenden Partei andererseits, in welcher sich die mitbeteiligte Partei verpflichtet haben soll, das Begehen und Befahren der verfahrensgegenständlichen Grundstücke zu verhindern, ist für die Feststellung des Gemeingebrauchs nach § 10 O.Ö. Straßengesetz 1991 ohne Bedeutung, da es allein darauf ankommt, ob diese Grundstücke seit mindestens 30 Jahren unabhängig vom Willen der Grundeigentümer und dritter Personen im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke benützt worden sind, ohne daß hiefür eine ausdrückliche Widmung vorliegt. Dies wurde aber von den Straßenbehörden festgestellt.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, der "Antrag vom 29. März 1995" sei nichtig, weil keine Interessentengemeinschaft nach § 25 O.Ö. Straßengesetz 1991 vorliege, ist nicht entscheidungserheblich.

Gemäß § 10 Abs. 1 O.Ö. Straßengesetz 1991 ist ein Verfahren auf Feststellung des Gemeingebrauchs entweder über Antrag des Grundeigentümers oder von Amts wegen einzuleiten. Ein amtswegiges Verfahren ist jedenfalls einzuleiten, wenn dies von mehr als zwei Verkehrsinteressenten verlangt wird.

Die Bildung einer Interessentengemeinschaft nach § 25 O.Ö. Straßengesetz 1991 bezieht sich auf den dritten Abschnitt des O.Ö. Straßengesetzes 1991, welcher mit "Güterwege" überschrieben ist. Die Bestimmungen über die Interessentengemeinschaft nach § 25 O.Ö. Straßengesetz 1991 sind also auf die im § 10 Abs. 1 leg. cit. erwähnten Verkehrsinteressenten nicht anwendbar. Im übrigen kann die Behörde von Amts wegen jederzeit ein Verfahren nach § 10 O.Ö. Straßengesetz 1991 einleiten.

Bezüglich des übrigen Beschwerdevorbringens wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/05/0023, verwiesen, in welchem der Verwaltungsgerichtshof näher begründet ausgeführt hat, daß die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum davon ausgehen konnte, daß aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse die vom Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde gezogenen Schlußfolgerungen nicht unschlüssig sind. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 42 Abs. 3 VwGG verwiesen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1 Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998050027.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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