Entscheidungsdatum
23.12.2019Index
25/04 Sonstiges StrafprozessrechtNorm
TilG 1972 §7 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Frank über die Beschwerde des Herrn Dr. A. B. gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres, vom 19.03.2018, Zl. ...,
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Das Eventualbegehren auf Neufestsetzung der Frist zur Beschränkung der Auskunft und zur Tilgung der gegenständlichen Verurteilung in Österreich auf Basis einer Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten wird als unzulässig zurückgewiesen.
III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Mit angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers – im Folgenden: Bf – auf Tilgung seiner im österreichischen Strafregister aufscheinenden Verurteilung durch das Gericht in Prag (Tschechien) ... vom 12.6.2015, rechtskräftig mit 3.7.2015, gemäß § 8 Abs. 2 Strafregistergesetz ab.
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Bescheid sage aus, dass nur die Richtigkeit und Zulässigkeit der Aufnahme von Verurteilungen ins Österreichische Strafregister Gegenstand nach dem Strafregistergesetz sein könne, dass es für Betroffene aber keine innerstaatliche Möglichkeit gebe, diese Eintragung materiell zu überprüfen.
Gegenständlich liege eine Verurteilung für einen Tatbestand vor, der in Österreich mit einer maximalen Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedroht wäre, in Tschechien sei jedoch eine bedingte Freiheitsstrafe von 6 Monaten erfolgt, weshalb für den Bf eine längere Tilgungsfrist und eine längere Frist zur Auskunftsbeschränkung im Österreichischen Strafregister festgesetzt worden sei. Sachlich richtig hätte jedenfalls die in Österreich höchstmögliche Strafbemessung für dieses Delikt angewendet werden müssen.
Das Verfahren in Tschechien sei ohne Anhörung des Bf als Angeklagten nur auf Basis der Anklage durch eine Staatsanwältin und ohne Verhandlung verhängt worden. Eine Beschreitung des Instanzenweges in Tschechien sei nur mit unzumutbarem Aufwand und Kosten verbunden. In Österreich wäre ein solches Verfahren rechts- und verfassungswidrig, weshalb die Verurteilung nicht ins ECRIS-System und nicht unreflektiert ins inländische Strafregister hätte übernommen werden dürfen.
Beantragt wurde die Löschung der aus Tschechien stammenden Eintragung der Verurteilung des Bf im Österreichischen Strafregister, in eventu die Neufestsetzung der Frist zur Beschränkung der Auskunft und zur Tilgung der gegenständlichen Verurteilung in Österreich auf Basis einer Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten.
Beweis wurde genommen durch Einsichtnahme in den Gesamtakt, Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.10.2018 sowie Einsichtnahme in vom Bf übermittelte Unterlagen betreffend das Strafverfahren in Tschechien zur Zahl ....
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I.
Aufgrund der aufgenommenen Beweise wird folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt:
Der Bf ist österreichischer Staatsangehöriger. Er wurde von einem Tschechischen Gericht in Prag wegen des Deliktes der fahrlässigen Körperverletzung mit Strafbefehl vom 12.6.2015 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten, Probezeit 24 Monate, verurteilt. Im Verfahren war er von einer in Wien ansässigen Rechtsanwältin mit tschechischer Zulassung vertreten. Im Zuge des Verfahrens fuhr der Bf zweimal nach Tschechien zur Einvernahme, einmal nach Prag zur Einvernahme durch die Polizei. Der Bf hatte vor Ort Akteneinsicht. Seine Rechtsanwältin informierte den Bf schriftlich über die Einspruchsmöglichkeit gegen den Strafbefehl, nach der in einem solchen Fall eine Hauptverhandlung angeordnet werden muss. Der Bf wurde darüber informiert, dass auch rechtskräftige Verurteilungen durch ausländische Gerichte in das Strafregister in Österreich aufgenommen werden. Der Bf legte keinen Einspruch gegen den Strafbefehl ein, weshalb dieser in Rechtskraft erwuchs und die Eintragung der Strafe im Strafregister in Österreich erfolgte. Im Strafregister wurde die österreichische Tilgungsfrist - nach §§ 3 Abs. 1 Z 2, 7 Abs. 2 Tilgungsgesetz berechnet - eingetragen.
Rechtlich folgt:
Die in diesem Verfahren relevanten gesetzlichen Bestimmungen lauten:
Tilgungsgesetz, BGBl. Nr. 68/1968 idgF
§ 3
(1) Ist jemand nur einmal verurteilt worden, so beträgt die Tilgungsfrist
1.
drei Jahre,
wenn er wegen Jugendstraftaten nach den §§ 12 oder 13 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 verurteilt worden ist, endet im Fall des § 13 jedoch nicht, bevor das Gericht ausgesprochen hat, daß von der Verhängung einer Strafe endgültig abgesehen wird;
2.
fünf Jahre,
wenn er zu einer höchstens einjährigen Freiheitsstrafe oder nur zu einer Geldstrafe oder weder zu einer Freiheitsstrafe noch zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist oder wenn er außer im Falle der Z 1 nur wegen Jugendstraftaten verurteilt worden ist;
3.
zehn Jahre,
wenn er zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr und höchstens drei Jahren verurteilt worden ist;
4.
fünfzehn Jahre,
wenn er zu einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt oder seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist.
(2) Sind eine Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe nebeneinander verhängt worden, so ist zur Berechnung der Tilgungsfrist die Ersatzfreiheitsstrafe zur Freiheitsstrafe hinzuzurechnen.
(3) Bei Strafen die nicht auf ganze Monate lauten, ist der Monat mit dreißig Tagen zu berechnen.
(4) Andere Strafen als Freiheits- oder Geldstrafen und vorbeugende Maßnahmen haben unbeschadet der Z 3 des Abs. 1 auf das Ausmaß der Tilgungsfristen keinen Einfluß.
§ 7
(1) Ausländische Verurteilungen stehen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen sind.
(2) Die Tilgungsfrist ausländischer Verurteilungen beginnt mit dem Tag, der sich ergibt, wenn man dem Tag ihrer Rechtskraft die Dauer der mit ihr ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder der Summe dieser Strafen hinzurechnet. Ist keine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden, so beginnt die Tilgungsfrist mit Rechtskraft der Verurteilung.
(3) Ausländische Verurteilungen gelten aber auch dann als getilgt, wenn sie nach dem Recht des Staates, in dem sie erfolgt sind, getilgt sind, sobald dies durch eine öffentliche Urkunde bescheinigt wird.
(4) §§ 4a und 5 Abs. 2 gelten für ausländische Verurteilungen wegen solcher Taten sinngemäß. Abs. 3 gilt hingegen für derartige Verurteilungen nicht.
(5) Die gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 Strafregistergesetz gespeicherten Verurteilungen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union und die damit zusammenhängenden Informationen sind über Mitteilung des Urteilsstaates zu löschen.
§ 8. Strafregistergesetz, BGBl. Nr. 277/1968 in der Fassung BGBl. I Nr. 107/2014
(1) Die Rechte gemäß Art. 16, 17 und 18 Datenschutz-Grundverordnung können nur derart ausgeübt werden, dass jede Person, hinsichtlich der eine Verurteilung, eine sich darauf beziehende Entschließung des Bundespräsidenten oder eine sonstige sich darauf beziehende Entscheidung, Verfügung oder Mitteilung in das Strafregister aufgenommen oder nicht aufgenommen worden ist, die Feststellung beantragen kann, dass die Aufnahme in das Strafregister unrichtig erfolgte oder unzulässig war und daher mit einem anderen Inhalt zu erfolgen hat oder rückgängig zu machen ist, dass sie hätte erfolgen müssen oder dass die Verurteilung getilgt ist. Dies gilt nicht für Einträge gemäß § 2 Abs. 1 Z 9.
(2) Der Antrag gemäß Abs. 1 ist bei der Landespolizeidirektion Wien einzubringen, die hierüber zu entscheiden hat.
Art. 6 EMRK, BGBl. Nr. 210/1958
(1) Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muß öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.
(2) Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.
(3) Jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) die folgenden Rechte:
a)
in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden;
b)
über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen;
c)
sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d)
Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken;
e)
die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann.
Die Annahme, eine Aufnahme der tschechischen Verurteilung in das österreichische Strafregister hätte nicht erfolgen dürfen, kann nicht nachvollzogen werden, zumal ausländische Verurteilungen inländischen gleichzusetzen sind. Dass die tatsächliche Verurteilung – 6 Monate – höher ist als die österreichische Höchststrafe für dasselbe Delikt – drei Monate – ist dabei irrelevant.
Dass das in Tschechien gegen den Bf geführte Verfahren nicht Art. 6 EMRK entsprochen hätte, war nicht feststellbar, zudem hat Tschechien die EMRK ratifiziert. Der abgegebene Vorbehalt zu Art. 6 bezieht sich ausschließlich auf Disziplinarstrafen von Soldaten.
Dass das Gericht in Prag nicht unparteiisch und unabhängig sowie nicht auf Gesetz beruhend gewesen wäre, wurde nicht dargetan. Der Bf hatte in dem Verfahren ein Recht auf ein Gericht und Zugang zu diesem. Der Bf hatte im Verfahren Recht auf Gehör. Eine Verletzung des Rechts auf Waffengleichheit im Verfahren kann nicht festgestellt werden. Der Bf hatte einen Anspruch auf ein Rechtsmittel sowie eine mündliche Verhandlung.
Ein Verfahren in Abwesenheit eines Angeklagten ist nicht konventionswidrig, wenn die Möglichkeit besteht, dass ein Gericht in einem Verfahren nach Art. 6 EMRK nach Anhörung des Bestraften über die Anklage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht neu entscheiden kann. Dies war gegenständlich mit der Möglichkeit eines Einspruchs und der darauffolgenden mündlichen Verhandlung gewährleistet. Der Bf war von einer Rechtsanwältin vertreten, die über eine tschechische Zulassung verfügte.
Die Eintragung der Tilgungsfrist in das österreichische Strafregister war weder unrichtig noch unzulässig, da auch in Österreich fahrlässige Körperverletzung strafbar ist und das Verfahren in Tschechien den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprochen hat. Des Weiteren wurde die Tilgungsfrist korrekt gemäß § 7 Abs. 2 Tilgungsgesetz berechnet und im österreichischen Strafregister eingetragen.
Es lag daher kein Tatbestand zur Berichtigung vor, aufgrund dessen das Strafregister wie beantragt durch Löschung der Eintragung hätte berichtigt werden können.
Zu Spruchpunkt II. ist anzumerken, dass gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht „in der Sache“ zu entscheiden hat. Sache des Beschwerdeverfahrens ist somit jene Angelegenheit, über die die Behörde mit Bescheid abgesprochen hat. Dies war im vorliegenden Fall der Antrag auf Löschung einer Verurteilung aus dem Strafregister.
Das Eventualbegehren auf Neufestsetzung der Frist zur Beschränkung der Auskunft und zur Tilgung der gegenständlichen Verurteilung lag damit außerhalb der Sache des Beschwerdeverfahrens und war somit unzulässig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Strafregister; Eintragung; Tilgungsfrist; BerechnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.101.073.5075.2018Zuletzt aktualisiert am
06.04.2020