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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Hedwig Hassler in Wien, vertreten durch Dr. Alfred Strobl, Rechtsanwalt in Wien XVII, Hernalser Hauptstraße 141, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. Juni 1997, Zl. MD-VfR - B XVI - 13/97, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Dr. Maria D"Aron, 1160 Wien, Wilhelminenstraße 181), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 5. Februar 1997 wurde der mitbeteiligten Bauwerberin über deren am 17. Juli 1995 bei der Baubehörde überreichten und in der Folge modifizierten Antrag gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) in Anwendung des Wiener Garagengesetzes die baubehördliche Bewilligung erteilt, nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen auf der Liegenschaft EZ 1623, KG Ottakring, Wilhelminenstraße 179, "die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:
Im Anschluß an das mit Bescheid vom 19.7.1996,
Zahl: 1975/96 bewilligte Gartentor an der Grundgrenze zur Wilhelminenstraße, soll ein Stellplatz für ein Kraftfahrzeug hergestellt werden."
Plangemäß soll an der Wilhelminenstraße neben dem der Beschwerdeführerin gehörigen Grundstück Nr. 177 beim bereits bestehenden und bewilligten Gartentor ein Pkw-Abstellplatz errichtet werden, welcher an der linken Seite nach 1,50 m in einer Breite von rund 3 m über eine Länge von 6 m schräg Richtung Südwesten in das nach Norden abfallende Grundstück Wilhelminenstraße Nr. 179 derart hineingebaut werden soll, daß die Höhe des Abstellplatzes an der südwestlichsten Seite -2,28 m beträgt (Nullinie ist das Erdgeschoß des auf diesem Grundstück errichteten Gebäudes; die nordöstlichste Ecke dieses Grundstückes ist mit -2,78 m kotiert).
In der am 9. November 1996 durchgeführten mündlichen Verhandlung wendete die Beschwerdeführerin als Nachbarin ein:
"1.) Durch die neue Überfahrt zum gegenständlichen Pkw-Einstellplatz wird die höchstzulässige Überfahrtsbreite von 600 m "(richtig: cm)" überschritten;
2.) Der geplante Pkw-Abstellplatz befindet sich in der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche;
3.) Die notwendigen Abgrabungen zur Errichtung der geplanten Höhe bewirken an der linken und hinteren Seite des Abstellplatzes die Gefahr des Abrutschens des Hanges, sodaß zumindest Stützmauern notwendig werden;
4.) Der Plan wird in der, bei der Verhandlung festgesetzten Höhe von -2,28 m ergänzt."
Diese Einwendungen wurden mit dem vorgenannten Bescheid zurückgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. Juni 1997 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen, der angefochtene Bescheid jedoch mit der Maßgabe bestätigt, daß die unter Punkt 2.) angeführte Einwendung der Beschwerdeführerin nicht zurück-, sondern abgewiesen wurde. Beim gegenständlichen Einstellplatz handle es sich um eine Kleinanlage, die in einem Wohngebiet der Bauklasse I auf der seitlichen Abstandsfläche errichtet werden dürfe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß der Bauwerberin keine Bewilligung für die Errichtung des beantragten Kraftfahrzeugabstellplatzes erteilt werde. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Es sei wohl nur eine Kleinanlage mit einer Bodenfläche unter 50 m2 beantragt und bewilligt worden, auf der gegenständlichen Liegenschaft befänden sich jedoch bereits zwei Stellplätze, nämlich an der rechten Grundgrenze, ebenfalls im Vorgarten und auf der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche. Diese beiden Garagen hätten ein Ausmaß von 6,30 m x 6,35 m, sohin eine Grundfläche von knapp über 40 m2. Durch die weitere Errichtung eines dritten Abstellplatzes werde die Fläche von 50 m2 überschritten. Dies widerspräche § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes. Durch die zurückgewiesene, nicht erhobene Einwendung unter Punkt 4.) könne nunmehr die Bauwerberin einen Stellplatz in einer anderen Höhenlage herstellen. Die belangte Behörde hätte Feststellungen darüber treffen müssen, welche Stellplätze bereits errichtet worden seien und welches Flächenausmaß diese aufwiesen. Auch seien keine Erhebungen darüber durchgeführt worden, welche Abgrabungen notwendig und ob Stützmauern erforderlich seien. Hiefür wäre die Einholung eines Bodengutachtens erforderlich gewesen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Bauwerberin beantragte ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde in ihrer Gegenschrift.
Die Beschwerdeführerin replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid gilt für das zu bebauende Grundstück der mitbeteiligten Bauwerberin die Bauklasse I mit offener Bauweise.
Gemäß § 79 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (BO) muß in der offenen Bauweise der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in der Bauklasse I mindestens 6 m betragen. Die Fläche, die zwischen den Nachbargrenzen und den gedachten Abstandslinien liegt, wird als Abstandsfläche bezeichnet.
Gemäß Abs. 6 dieses Paragraphen sind Vorgärten und Abstandsflächen, soweit auf diesen Flächen zulässige Baulichkeiten, Gebäudeteile oder bauliche Anlagen nicht errichtet werden, gärtnerisch auszugestalten und in gutem Zustand zu erhalten. Befestigte Wege und Zufahrten, Stützmauern, Stufenanlagen, Rampen u.ä. sind nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässig.
Die unmittelbar angrenzenden Nachbarn besitzen im Falle der offenen Bauweise einen Rechtsanspruch auf Freihaltung eines Seitenabstandes (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/05/0187, BauSlg. Nr. 1.232). Dem Nachbarn steht sowohl ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der inneren Baufluchtlinie als auch auf Freihaltung einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche zu (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 7. März 1993, Zl. 93/05/0178; siehe § 134a Abs. 1 lit. a und c BO). Der mit "Städtebauliche Vorschriften" überschriebene § 4 des Wiener Garagengesetzes enthält im Abs. 4 in der hier anzuwendenden Fassung nach der Novelle
LGBl. Nr. 43/1996 folgende Anordnung:
"Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen sind auf gärtnerisch auszugestaltenden Teilen der Liegenschaft grundsätzlich unzulässig; Kleinanlagen mit einer Bodenfläche bis zu 50 m2 sind in der Bauklasse I und II auf seitlichen Abstandsflächen, im Vorgarten jedoch dann zulässig, wenn ihre Errichtung auf seitlichen Abstandsflächen oder auf Teilen der Liegenschaft, die der Bebauung offenstehen, im Hinblick auf die Geländeverhältnisse oder wegen des vorhandenen Baubestandes nicht zumutbar ist."
§ 4 Abs. 4 Wiener Garagengesetz geht somit in Übereinstimmung mit § 79 Abs. 6 BO von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Errichtung von Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen auf gärtnerisch auszugestaltenden Teilen der Liegenschaft aus. Kleinanlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen sind jedoch in der Bauklasse I und II auf seitlichen Abstandsflächen und im Vorgarten unter den im Gesetz näher umschriebenen Voraussetzungen zulässig, wenn von diesen Flächen nicht mehr als 50 m2 mit solchen Kleinanlagen verbaut werden.
Die Beschwerdeführerin hat sich in ihren rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen die Errichtung der hier zu beurteilenden baulichen Anlage u.a. deshalb ausgesprochen, weil sich diese "in der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche" befindet. In ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid hat sie auch darauf hingewiesen, daß bereits Stellplätze vorhanden seien und der nunmehr bewilligte PKW-Abstellplatz kein Pflichtstellplatz sei. Aus dem zu einem integrierenden Bestandteil des Bewilligungsbescheides erklärten Einreichplan ist ersichtlich, daß an der nordwestlichen Seite des Grundstückes Wilhelminenstraße 179 bereits eine bauliche Anlage mit den Ausmaßen 635 cm x 630 cm errichtet ist. Nach den insoweit auch von der mitbeteiligten Partei zugestandenen und durch die vorgelegten Lichtbilder bescheinigten Beschwerdebehauptungen handelt es sich hiebei offensichtlich um eine Doppelgarage. Ausgehend von den aus dem Einreichplan ersichtlichen Maßangaben des beschwerdegegenständlichen PKW-Abstellplatzes wird mit Bewilligung desselben offensichtlich die im § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes festgelegte 50 m2-Grenze für Kleinanlagen überschritten. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann mangels entsprechender Feststellungen der Baubehörden vom Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend beurteilt werden. Die belangte Behörde hat solche Feststellungen deshalb nicht für erforderlich gehalten, weil ihrer Ansicht nach § 4 Abs. 4 Wiener Garagengesetz keinen Anlaß zur Prüfung dafür bietet, ob auf der Liegenschaft noch andere Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen auf Abstandsflächen errichtet wurden (Vorbringen in der Gegenschrift Seite 3). Diese Rechtsansicht wird jedoch vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut der Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 4 zweiter Halbsatz Wiener Garagengesetz ist die Errichtung von Kleinanlagen auf seitlichen Abstandsflächen und im Vorgarten eines Bauplatzes insgesamt mit einer Bodenfläche bis zu 50 m2 beschränkt. Das dem Nachbarn gemäß § 134a Abs. 1 lit. a und c BO eingeräumte subjektiv-öffentliche Recht gewährt ihm einen Rechtsanspruch, daß nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die im § 4 Abs. 4 Wiener Garagengesetz normierte Ausnahme von der Einhaltung des Seitenabstandes gewährt wird (vgl. hiezu das zur Bauordnung für Kärnten ergangene hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 89/05/0121, m.w.N.). Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997050202.X00Im RIS seit
28.08.2001Zuletzt aktualisiert am
26.06.2014