TE Vwgh Beschluss 2020/2/25 Ra 2020/03/0003

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/08 Volksanwaltschaft
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art148a Abs3
B-VG Art148h Abs3
VolksanwaltschaftsG 1982 §12 Abs4
VolksanwaltschaftsG 1982 §5
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Kollegiums der Volksanwaltschaft, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2019, Zl. W195 2147839- 1/19E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Volksanwaltschaftsgesetz 1982 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kollegium der Volksanwaltschaft; mitbeteiligte Partei: Mag.a S K in G, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2019, Ro 2018/03/0009, verwiesen, mit dem ein in dieser Rechtssache ergangener Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 31. März 2017 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Zusammengefasst hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Schreiben der revisionswerbenden Partei vom 8. Juli 2016, mit dem die mitbeteiligte Partei gemäß § 12 Abs. 4 Z 3 Volksanwaltschaftsgesetz 1982 iVm § 19 Abs. 5 und § 20 der Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft, ihrer Kommissionen und des Menschenrechtsbeirates als Kommissionsmitglied abberufen worden war, als Bescheid eines in unmittelbarer Bundesverwaltung tätigen Bundesorgans zu werten und das BVwG daher für die dagegen erhobene Beschwerde zuständig ist.

2 Mit dem nun in Revision gezogenen Beschluss hob das BVwG den Bescheid vom 8. Juli 2016 gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde, die nunmehrige Revisionswerberin, zurück; die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt. 3 Begründend führte das BVwG - nach Darlegung des Verfahrensganges und Wiedergabe der für maßgeblich erachteten Rechtslage - zusammengefasst aus, der angefochtene Bescheid erweise sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt als gravierend mangelhaft. Die belangte Behörde stütze sich in ihrer Entscheidung auf mehrere Vorfälle; den Verfahrensakten und Unterlagen könne jedoch nicht entnommen werden, dass der mitbeteiligten Partei die Gelegenheit zur Äußerung zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen gegeben worden sei. Hinzu komme, dass sich der behördlichen Entscheidung keine näheren Informationen entnehmen ließen, die Aufschlüsse über die der mitbeteiligten Partei konkret zur Last gelegten Pflichtverletzungen geben könnten. Die Verletzung des Parteiengehörs könne im vorliegenden Fall auch nicht als saniert angesehen werden, weil der gegenständliche Bescheid keine ausreichende Darstellung der Beweisergebnisse beinhalte, sondern die belangte Behörde ihre Entscheidung lediglich auf allgemein gehaltene Ausführungen bzw. vage Vermutungen stütze, die ihrer Ansicht nach geeignet wären, Zweifel an der Unabhängigkeit der mitbeteiligten Partei zu wecken. Die dieser Vermutung zugrunde liegenden Umstände würden jedoch nicht näher dargelegt, sodass es der mitbeteiligten Partei nicht möglich gewesen sei, sich hiergegen in ihrer Beschwerde zu äußern. Zudem habe die belangte Behörde ihr Schreiben selbst nicht als Bescheid gewertet und sich geweigert, die Beschwerde dem zuständigen Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Die belangte Behörde habe den entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt nach dem Gesagten bloß ansatzweise ermittelt bzw. wesentliche Ermittlungen unterlassen, weshalb der Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen sei.

4 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die vorliegende Entscheidung der einschlägigen (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folge.

5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte (außerordentliche) Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend, der angefochtene Beschluss weiche von der (näher bezeichneten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG ab.

10 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

11 § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, lautet (auszugsweise) wie folgt:

"Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.

der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

..."

12 Die maßgeblichen Bestimmungen des Volksanwaltschaftsgesetzes 1982 (VolksanwG), BGBl. Nr. 433/1982 idF BGBl. I Nr. 61/2018, lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Verfahren vor der Volksanwaltschaft

§ 5. Auf das Verfahren vor der Volksanwaltschaft sind die §§ 6, 7, 10, 12, 13, 14, 16, 18 Abs. 1, 3 und 4, 21, 22, 32, 33, 39a, 45 Abs. 1 und 2, 46 bis 51, 52, 53, 54 und 55 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, und das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, sinngemäß anzuwenden.

...

Schutz und Förderung der Menschenrechte

...

§ 12. (1) Die Volksanwaltschaft hat mindestens sechs Kommissionen einzusetzen, die nach regionalen oder sachlichen Gesichtspunkten zu gliedern sind. Jede Kommission besteht aus der erforderlichen Zahl von Mitgliedern, wobei die Zahl der Mitglieder aller Kommissionen mindestens 42 zu betragen hat. Jede Kommission wird von einer auf dem Gebiet der Menschenrechte anerkannten Persönlichkeit geleitet.

(2) Die Mitglieder werden mit ihrer Zustimmung nach Anhörung des Menschenrechtsbeirats von der Volksanwaltschaft bestellt. Zu Mitgliedern dürfen nur Personen bestellt werden, die über die erforderlichen Fähigkeiten und Fachkenntnisse verfügen. Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung ihrer Funktion als Mitglied der Kommission hervorrufen könnte, sind von der Bestellung ausgeschlossen. Die Volksanwaltschaft hat sich um eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter und eine angemessene Vertretung ethnischer Gruppen und Minderheiten in den Kommissionen sowie um eine unabhängige, interdisziplinäre und pluralistische Zusammensetzung unter Bedachtnahme auf die Aufgabenstellung der Kommissionen zu bemühen.

(3) Die Bestellung der Mitglieder erfolgt für sechs Jahre, alle drei Jahre hat eine Neubestellung der Hälfte der Mitglieder aller Kommissionen zu erfolgen. Eine Wiederbestellung ist zulässig.

(4) Die Volksanwaltschaft kann ein Mitglied schriftlich und begründet vorzeitig abberufen,

1.

auf dessen Wunsch,

2.

wenn es auf Grund seiner gesundheitlichen Verfassung die

mit seiner Funktion verbundenen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann oder

         3.       wenn es die mit seiner Funktion verbundenen Pflichten grob verletzt hat oder dauernd vernachlässigt oder eine Tätigkeit ausübt, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung seiner Funktion hervorrufen könnte.

..."

13 Die für den vorliegenden Fall einschlägigen Regelungen der Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft, ihrer Kommissionen und des Menschenrechtsbeirates (GeO der VA 2012), BGBl. II Nr. 249/2012, lauteten (auszugsweise) wie folgt:

"Bestellung und Funktionsdauer der Kommissionsmitglieder

§ 19. (...)

(5) Die Volksanwaltschaft kann ein Mitglied nach vorheriger Anhörung des Menschenrechtsbeirates schriftlich und begründet vorzeitig auf dessen Wunsch, wenn es auf Grund seiner gesundheitlichen Verfassung die mit seiner Funktion verbundenen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, wenn es die mit seiner Funktion verbundenen Pflichten grob verletzt oder dauernd vernachlässigt hat oder eine Tätigkeit ausübt, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung seiner Funktion hervorrufen könnte, abberufen.

...

Befangenheit

§ 20. Die Leiterinnen/Leiter und die übrigen Mitglieder einer Kommission der Volksanwaltschaft haben sich der Ausübung ihrer Funktion zu enthalten, wenn hinsichtlich ihrer Aufgabe einer der in § 7 Abs. 1 Z 1 bis 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 199

1 - AVG genannten Gründe vorliegt. In Zweifelsfällen ist eine

Entscheidung der/des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, bei Gefahr im Verzug der/des Leiterin/Leiters der Kommission, der das Mitglied angehört, darüber einzuholen."

14 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). 15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, sowie aus der Folgejudikatur etwa VwGH 31.1.2017, Ra 2016/03/0063, VwGH 20.11.2018, Ra 2018/12/0012).

16 Im vorliegenden Fall wurde die mitbeteiligte Partei durch ein - als Bescheid zu qualifizierendes (vgl. erneut VwGH 26.6.2019, Ro 2018/03/0009) - Schreiben der belangten Behörde vom 8. Juli 2016 gemäß § 12 Abs. 4 Z 3 VolksanwG iVm § 19 Abs. 5 und § 20 GeO der VA 2012 mit sofortiger Wirksamkeit als Kommissionsmitglied abberufen.

17 Ausgehend davon ist das von der mitbeteiligten Partei erhobene Rechtsmittel gegen ihre vorzeitige Abberufung als Kommissionsmitglied als Bescheidbeschwerde iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG zu qualifizieren, auf die die Bestimmungen des § 28 Abs. 2 bis 4 VwGVG Anwendung finden. Das BVwG hatte sich bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer kassatorischen Entscheidung daher auch im vorliegenden Fall an den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG entwickelten Leitlinien (vgl. grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) zu orientieren. 18 Die fallbezogene Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung berührt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann keine grundsätzliche Rechtsfrage, wenn das vom Verwaltungsgericht erzielte Ergebnis den danach gegebenen Leitlinien entspricht (vgl. VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0232, mwN).

19 Eine Abweichung von diesen Grundsätzen wird von der Revision nicht aufgezeigt:

20 Da Kommissionsmitglieder über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügen, nur bei Vorliegen der in § 12 Abs. 4 VolksanwG gesetzlich normierten Voraussetzungen abberufen zu werden, muss eine von einer Abberufung rechtlich betroffene Partei - im Sinne eines Mindestmaßes an faktischer Effektivität des Rechtsschutzes - die Möglichkeit haben, über die Frage der Abberufung eine letztlich von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts überprüfbare Entscheidung zu erwirken. Wenn auch die belangte Behörde in ihrem Verfahren zur Abberufung der mitbeteiligten Partei von deren Funktion als Kommissionsmitglied nicht die §§ 56 ff AVG betreffend Bescheide und deren Gestaltung anzuwenden hatte (vgl. § 5 VolksanwG), bedeutet dies nicht, dass von der Volksanwaltschaft etwa auch jene allgemeinen Grundsätze, die sich schon aus dem Wesen des Rechtsstaates ergeben, nicht zu beachten gewesen wären. Zu diesen, für jedes rechtsstaatliche Verfahren wichtigen Rechtsgrundsätzen zählt insbesondere die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts in einem Ermittlungsverfahren, die Pflicht zur Entscheidungsbegründung sowie die Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. neuerlich VwGH 26.6.2019, Ro 2018/03/0009, mwN). 21 Gegenständlich wurde die Abberufung der mitbeteiligten Partei als Kommissionsmitglied von der belangten Behörde auf § 12 Abs. 4 Z 3 VolksanwG iVm § 19 Abs. 5 und § 20 GeO der VA 2012, und damit auf die Tatbestände der groben Pflichtverletzung und der Ausübung einer Tätigkeit, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung ihrer Funktion als Kommissionsmitglied hervorrufen könnte, gestützt. Diese Tatbestände seien - so die Begründung - "insbesondere wegen der mangelnden Distanz zu Polizeieinsätzen gegeben", wobei auf ein Schreiben des Stadtpolizeikommandos Graz vom 7. März 2016 zu Polizeieinsätzen am 17. Jänner, 23. Jänner und 1. Februar 2016 und die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei dazu verwiesen wird. Nach Ausführungen zur Zuordnung der Kommissionen als Hilfsorgane der Volksanwaltschaft und dem deshalb anzulegenden strengen Maßstab (auch) bei Beurteilung einer Befangenheit von Kommissionsmitgliedern heißt es - fallbezogen - in der Begründung weiter:

"Die Spannungslage der Häufung der Teilnahme bzw. des zufällig in der Nähe einer Versammlung tätig sein am 17.1.2016 und 1.2.2016 in Graz und der zeitliche Konnex mit der tatsächlichen Funktionsausübung als Kommissionsmitglied am 23.1.2016 bei einem

polizeilichen Einsatz in Graz ist geeignet, ... Zweifel an der

unabhängigen Ausübung der Funktion als Kommissionsmitglied - zumindest - hervorrufen zu können. ....

Jedes einzelne Kommissionsmitglied hat Zugriff auf alle Daten, Protokolle, sonstige Unterlagen, interne Informationen, Polizeieinsatzpläne usw. und damit ein umfassendes Wissen über besonders schutzwürdige Daten. Gemäß § 20 Geo der VA 2012 haben sich Kommissionsmitglieder der Ausübung ihrer Funktion zu enthalten, wenn hinsichtlich ihrer Aufgabe einer der in § 7 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AVG genannten Gründe vorliegt. Im konkreten Fall ist auf die Z. 3 hinzuweisen, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Im Zweifelsfall der vollen Unbefangenheit hätten Sie gemäß § 29 Geo der VA 2012 eine Entscheidung des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft bzw. bei Gefahr im Verzug der Kommissionsleitung einholen müssen. Das haben Sie nicht getan, und damit eine Pflichtverletzung begangen. Als Absolventin einer juridischen Fakultät und Rechtsanwaltsanwärterin ist Ihnen das als grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen."

22 Nähere Feststellungen zu dem der mitbeteiligten Partei konkret zur Last gelegten Verhalten, das eine grobe Pflichtverletzung begründe, bzw. zu der von ihr ausgeübten Tätigkeit, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung ihrer Funktion hervorrufen könnte (§ 12 Abs. 4 Z 3 VolksanwG), wurden von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde - wohl auch aufgrund der von ihr zunächst vertretenen (unzutreffenden) Ansicht, eine vorzeitige Abberufung habe nicht in Form eines Bescheids zu ergehen - nicht getroffen. Ausgehend davon ist aber nicht ersichtlich, aufgrund welchen von der belangten Behörde zugrunde gelegten Sachverhalts diese vom Vorliegen der Voraussetzungen iSd § 12 Abs. 4 Z 3 VolksanwG (nur bei Vorliegen der in § 12 Abs. 4 VolksanwG gesetzlich normierten Voraussetzungen darf ein Kommissionsmitglied vorzeitig abberufen werden) ausgegangen ist. 23 Vor diesem Hintergrund in Verbindung mit der Aktenlage erweist es sich fallbezogen den Leitlinien der Rechtsprechung konform, wenn das BVwG angesichts des "bloß ansatzweise" ermittelten Sachverhalts davon ausging, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung des verwaltungsbehördlichen Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG am Maßstab der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen.

24 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2020

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030003.L00

Im RIS seit

06.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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