TE Lvwg Beschluss 2019/2/18 LVwG-602735/9/JS/KGr

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Veröffentlicht am 18.02.2019
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Entscheidungsdatum

18.02.2019

Text

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fasst durch seinen Richter Mag. Steinschnack über 1. die Beschwerde des A P, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. J und Mag. V GesbR, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 25.9.2018, GZ: VerkR96-12305-2018, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes sowie 2. seinen Eventualantrag vom 20.12.2018 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung einer Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis den

BESCHLUSS

I.       Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

II.      Der Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

III.    Gegen diesen Beschluss ist eine Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

1.       Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

1.1.    Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (in der Folge: belangte Behörde) vom 25.9.2018 wurde dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 98a Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 zur Last gelegt. In der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses wurde der Bf auf die Möglichkeit hingewiesen, binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu erheben, welche schriftlich bei der belangten Behörde einzubringen ist.

1.2.    Das Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des Bf am Montag, 8.10.2018, nachweislich zugestellt.

1.3.    Am Donnerstag, 25.10.2018, übermittelte der Rechtsvertreter des Bf die dagegen erhobene (undatierte) Beschwerde direkt an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (in der Folge: Landesverwaltungsgericht). Eine Einbringung der Beschwerde auch bei der belangten Behörde erfolgte hingegen nicht.

1.4.    Am Montag, 29.10.2018, leitete das Landesverwaltungsgericht mit Schreiben vom selben Tag die Beschwerde gemäß § 12 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zuständigkeitshalber an die belangte Behörde weiter. 1.5. Das Schreiben vom 29.10.2018 samt der Beschwerde wurde der belangten Behörde am Dienstag, 6.11.2018, von der amtsinternen Poststelle des Landesdienstleistungszentrums des Landes Oberösterreich („LDZ-Hauspost“) zugestellt.

1.6.    Mit dem am 6.12.2018 beim Landesverwaltungsgericht eingelangten Schreiben vom 27.11.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

1.7.    Mit Schreiben vom 14.12.2018 wurde der Bf vom Landesverwaltungsgericht über das verspätete Einlangen des Rechtsmittels bei der belangten Behörde (Ende der vierwöchigen Beschwerdefrist: Montag, 5.11.2018) informiert. Mit Schriftsatz vom 20.12.2018 gab der rechtsfreundlich vertretene Bf eine Stellungnahme ab, in welcher er zusammengefasst vorbrachte, dass ihm das „Postlaufprivileg“ gemäß § 33 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) zukomme. Da die Postaufgabe des Schreibens des Landesverwaltungsgerichtes am 29.10.2018 und sohin jedenfalls innerhalb des Endes der Beschwerdefrist (5.11.2018) erfolgt sei, sei das Rechtsmittel auch nicht verspätet. Aus rein advokatorischer Vorsicht stellte der Beschwerdeführer mit diesem Schriftsatz auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einbringung der Beschwerde. Die bereits am 29.10.2018 vom Landesverwaltungsgericht zur Post gegebene Beschwerde sei der belangten Behörde erst über eine Woche später am 6.11.2018 zugestellt worden. Die verspätete Zustellung der Beschwerde durch die Post, die für die Fristversäumung kausal gewesen sei, stelle im Sinne der Rechtsprechung ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Außerdem stelle die Adressierung/der Versand einer Beschwerde an eine, wenn auch unzuständige, Behörde fast zwei Wochen vor Ende der Beschwerdefrist in Anbetracht der gesetzlichen Regelung des § 6 AVG nur einen minderen Grad des Versehens dar.

1.8.    Mit Schreiben vom 11.1.2019 teilte das Landesverwaltungsgericht dem Bf mit, dass der belangten Behörde das Schreiben vom 29.10.2018 samt Beschwerde von der LDZ-Hauspost zugestellt worden sei. In seiner dazu ergangenen Stellungnahme vom 29.1.2019 führt der Bf noch aus, dass nach einer Auskunft des Landesdienstleistungszentrums jene Post, die vom Landesverwaltungsgericht komme, noch am selben Tag in ein Sammelkuvert oder einen Sammelkarton gegeben und dann der Post zur weiteren Zustellung übermittelt werde. Nur dann, wenn es schneller per Fahrer gehe, dann gebe man den Brief diesem Fahrer mit. Konkret habe der Fahrer das Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2018 erst am 5.11.2018 erhalten. Dadurch sei es zu einer unüblichen Verzögerung gekommen und sei das Schreiben vom 29.10.2018 so mit der Dienstpost nicht schneller bei der belangten Behörde, als mit normaler Post, sondern deutlich verspätet eingelangt. Gemäß § 6 Abs. 1 AVG habe die Behörde, sohin auch das Dienstleistungszentrum, Eingaben ohne unnötigen Aufschub weiterzuleiten. Nach der herrschenden Rechtsprechung sei eine verspätete Weiterleitung einer Postsendung bzw. das Liegenlassen der Post beim Landesdienstleistungszentrum kein Verschulden der Partei.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie die Durchführung eigener Ermittlungsschritte. Die Feststellung zur Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses an den Rechtsvertreter des Bf ergibt sich aus dem im vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde erliegenden Zustellnachweis (RSb-Rückschein). Die Feststellungen zur Weiterleitung der Beschwerde an die belangte Behörde ergeben sich aus dem hg. Akt, insbesondere aus der dem Landesverwaltungsgericht rückübermittelten Empfangsbestätigung vom 6.11.2018 der belangten Behörde. Dass die Zustellung des Schreibens vom 29.10.2018 samt der Beschwerde des Bf durch die amtsinterne LDZ-Hauspost an die belangte Behörde erfolgte, wurde dem Landesverwaltungsgericht von dieser über Aufforderung nochmals mit Email vom 8.1.2019 bestätigt.

2.2.    Der unter Punkt 1. dargestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt konnte sich aus rechtlichen Überlegungen auf die Darstellung des bisherigen wesentlichen Verfahrensganges beschränken. Da dieser bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt bzw. unstrittig war, die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen war und im Wiedereinsetzungsantrag ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen wurden, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 und 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgesehen werden, zumal dem Bf im Rahmen des hg. Ermittlungsverfahrens auch mehrfach die Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs eingeräumt wurde. Aus ebendiesen Gründen war auch von einer vom Bf beantragten Einvernahme eines Mitarbeiters des Landesdienstleistungszentrums abzusehen und das Ermittlungsverfahren nicht in diesem Umfang zu ergänzen.

3.       Das Landesverwaltungsgericht beurteilt den festgestellten Sachverhalt rechtlich wie folgt:

3.1.    Nach Artikel 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Nach der Bestimmung des § 28  VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichtes gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss. Ab der Vorlage der Beschwerde durch die belangte Behörde hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Verwaltungsgericht gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG mit Beschluss zu entscheiden.

3.2.    Zur Verspätung der Beschwerde (Spruchpunkt I.):

3.2.1.  Nach den §§ 7 Abs. 4, 12 VwGVG ist eine Beschwerde gegen einen Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG binnen vier Wochen bei der belangten Behörde einzubringen. Dabei werden die Tage von der Übergabe der Beschwerde an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes (ZustG) zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) gemäß §§ 17 VwGVG iVm 33 Abs. 3 AVG in die Frist nicht eingerechnet.

3.2.2.  Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des Bf nach den Feststellungen am Montag, 8.10.2018, zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete daher am Montag, 5.11.2018.

3.2.3.  Der Rechtsvertreter des Bf brachte die gegen das Straferkenntnis erhobene (undatierte) Beschwerde entgegen der Bestimmung des § 12 VwGVG und entgegen der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Straferkenntnis nicht bei der belangten Behörde sondern (fälschlich direkt) beim Landesverwaltungsgericht ein. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Einbringen einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht nicht fristwahrend (vgl. VwGH 2.9.2015, Ra 2015/19/0194).

3.2.4.  Gemäß §§ 17 VwGVG iVm 6 Abs. 1 AVG hat das Landesverwaltungsgericht seine sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihm Anbringen ein, zu deren Behandlung das Landesverwaltungsgericht nicht zuständig ist, so hat es diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen. Da das Landesverwaltungsgericht zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde am Donnerstag, 25.10.2018, im Hinblick auf das verwaltungsgerichtliche Vorverfahren der belangten Behörde (noch) nicht zur Entscheidung über diese zuständig war (vgl. § 14 Abs. 1 VwGVG; Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung durch die belangte Behörde binnen zwei Monaten), wurde die Beschwerde am Montag, 29.10.2018, an die zuständige belangte Behörde weitergeleitet, bei welcher sie am Dienstag, 6.11.2018, einlangte.

Wie dargestellt sind Eingaben an die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 1 AVG "auf Gefahr des Einschreiters" weiterzuleiten; das Risiko einer dadurch zu Stande kommenden Fristversäumung trifft nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Partei (vgl. VwGH 22.03.2012, 2011/07/0132; VwGH 20.11.2002, 2002/08/0134). Auch der Bf trug daher das Risiko des Ablaufes der Beschwerdefrist, indem er die Beschwerde an das unzuständige Landesverwaltungsgericht übermittelte.

3.2.5.  Ein bei einer unzuständigen Stelle eingebrachtes, fristgebundenes Anbringen gilt nur dann nicht als verspätet, wenn das Schriftstück noch innerhalb der Rechtsmittelfrist bei der zuständigen Behörde einlangt (in concreto endete die Beschwerdefrist am Montag, 5.11.2018, und damit vor dem Einlangen der Beschwerde bei der belangten Behörde am Dienstag, 6.11.2018) oder iSd § 33 Abs 3 AVG einem Zustelldienst zur Übermittlung an die Behörde übergeben wird. Nach dieser Bestimmung werden die Tage des Postlaufs nicht in die Beschwerdefrist eingerechnet. Jedoch gilt dieses „Postlaufprivileg“ lediglich für eine ganz bestimmte Art der Übermittlung, nämlich für jene im Wege der Übergabe an einen Zustelldienst iSd § 2 Z 7 ZustG. Ein Zustelldienst im Sinne dieser Bestimmung ist ein Universaldienstbetreiber nach dem Postmarktgesetz (PMG), BGBl. I Nr. 123/2009, sowie ein Zustelldienst im Anwendungsbereich des 3. Abschnitts des ZustG (elektronische Zustellung). Ein solcher Universaldienstbetreiber ist etwa die Österreichische Post Aktiengesellschaft (vgl. § 3 Z 4 iVm § 12 PMG).

Wie festgestellt erfolgte die Übermittlung der Beschwerde des Bf vom Landesverwaltungsgericht an die belangte Behörde jedoch – wie im Parteienverkehr mit den Behörden des Landes Oberösterreich üblich - unter Inanspruchnahme der amtsinternen Poststelle des Landesdienstleistungszentrums des Landes Oberösterreich (LDZ-Hauspost). Diese Poststelle ist eine Organisationseinheit des Amtes der Oö. Landesregierung und kein Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 ZustG (kein Universaldienstbetreiber im Sinne des PMG). Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist die Zeit zwischen der Postaufgabe an die unzuständige Stelle und der Weiterleitung an die zuständige Stelle in die Beschwerdefrist einzurechnen und besteht, wenn sich die unzuständige Behörde zur Weiterleitung an die zuständige Stelle nicht der Post bedient, auch kein von der Anrechnung auf die Frist auszuscheidender Postlauf von der unzuständigen an die zuständige Behörde (vgl. VwGH 16.12.2010, 2010/07/0221, mwN). Entgegen der Ansicht des Bf sind daher die Tage des Postlaufs bis zum Einlangen seiner Beschwerde bei der zuständigen belangten Behörde in die Beschwerdefrist einzurechnen, weshalb für die Einhaltung der Frist der Zeitpunkt des Einlangens bei der belangten Behörde, somit der Dienstag, 6.11.2018, maßgeblich ist. Da die vierwöchige Beschwerdefrist jedoch bereits am Montag, 5.11.2018, endete, ist die Beschwerde zu spät bei der belangten Behörde eingelangt. Die Beschwerde ist daher spruchgemäß als verspätet zurückzuweisen.

3.3. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt II.):

3.3.1.  Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist beim Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. VwGH 28.9.2016, Ro 2016/16/0013). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0086):

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine verfahrensrechtliche Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach der Bestimmung des § 33 Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

3.3.2.  Wie festgestellt, wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes vom 14.12.2018 das verspätete Einlangen der Beschwerde bei der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht. Sein Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 20.12.2018 ist daher rechtzeitig.

3.3.3.  Um die Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, muss das Ereignis jedoch für den Wiedereinsetzungswerber entweder unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein. Nach dem Wortlaut des Gesetzes („oder“) genügt das Vorliegen eines der beiden Aspekte, um den Wiedereinsetzungsanspruch zu begründen. Die Partei (der Antragsteller) muss an der zeitgerechten Vornahme einer befristeten Prozesshandlung durch ein Ereignis verhindert gewesen sein, das er nicht vorhergesehen hat oder dessen Eintritt er nicht abwenden konnte. Mit den Begriffen „unvorhergesehen“ und „unabwendbar“ sind damit nicht objektive Eigenschaften des „Ereignisses“ angesprochen, vielmehr umschreiben sie die Relation zum Antragsteller bzw. im Falle einer Vertretung ist das Vorliegen der Voraussetzungen nach den für den Vertreter maßgebenden Verhältnissen zu beurteilen. Das zur Versäumung führende Ereignis muss daher den Vertreter an der rechtzeitigen Vornahme der Handlung gehindert haben und für ihn unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 37 [Stand 1.4.2009, rdb.at]).

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt weiters voraus, dass die Partei an der Versäumung der Frist kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Unter einem minderen Grad des Versehens ist nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen, die dann vorliegt, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt, er darf die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben. Da es auf die persönlichen Fähigkeiten des Antragstellers ankommt, fällt seine Rechtskundigkeit und seine Erfahrung im Umgang mit Behörden besonders ins Gewicht. Bei der Beurteilung, ob auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist daher insbesondere an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an behördlichen (gerichtlichen) Verfahren beteiligte Personen (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO Rz 40).

3.3.4.  Wie festgestellt, brachte der Rechtsvertreter des Bf die Beschwerde gegen das angefochtene Straferkenntnis – entgegen § 12 VwGVG sowie entgegen der Rechtsmittelbelehrung und damit in auffallend vorwerfbarer Sorglosigkeit - nicht bei der belangten Behörde sondern beim unzuständigen Landesverwaltungsgericht ein. Der Bf begründete in seinem Wiedereinsetzungsantrag auch nicht, weshalb sein Rechtsvertreter die Beschwerde nicht bei der zuständigen belangten Behörde eingebracht hatte und sind auch keine Umstände ersichtlich, dass dies seinem Rechtsvertreter nicht zumutbar oder nicht möglich gewesen wäre.

Hat die Partei aus Unkenntnis von Zuständigkeit und Behördenorganisation einen Antrag bei der falschen Behörde eingebracht, ist die Eingabe nach § 6 AVG – wie bereits ausgeführt wurde – „auf Gefahr des Einschreiters“ an die zuständige Behörde weiterzuleiten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung betont, bedeutet die Wendung in § 6 AVG „auf Gefahr des Einschreiters“, dass derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile unter allen Umständen zu tragen hat, wenn auch der unzuständigen Behörde die Pflicht zur Weiterleitung des Anbringens auferlegt ist (vgl. etwa VwGH 13.10.2010, 2009/06/0181). Dabei darf die Weiterleitung nicht beliebig lange hinausgezögert werden, sondern hat ohne unnötigen Aufschub zu erfolgen. Es steht der Behörde nicht zu, das dem Einschreiter auferlegte Risiko durch ihre Untätigkeit schlagend werden zu lassen. Wurde die Partei durch eine grundlose extreme Verzögerung der Weiterleitung ihres irrtümlich bei der unzuständigen Behörde eingebrachten Anbringens gehindert, die Frist einzuhalten, stellt das für die Fristversäumung letztlich kausale Fehlverhalten der Behörde ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Diesfalls trifft den Antragsteller an der Versäumung der Frist kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber nur dann vor, wenn die Partei durch ein im Nachhinein bekannt gewordenes „krasses“ Fehlverhalten der zur Weiterleitung verpflichteten Behörde an der Einhaltung der Frist gehindert wurde (vgl. VwGH 23.10.2014, 2012/07/0209 mHa VwGH 28.5.2014, 2013/12/0209).

Im gegenständlichen Fall leitete das Landesverwaltungsgericht die am Donnerstag, 25.10.2018, eingelangte Beschwerde des Bf am Montag, 29.10.2018, und damit (im Hinblick auf den arbeitsfreien Nationalfeiertag am Freitag, 26.10.2018) bereits am nächsten Arbeitstag an die belangte Behörde weiter. Die Beschwerde des Bf langte dabei am Dienstag, 6.11.2018, und damit (im Hinblick auf den arbeitsfreien Allerheiligen-Feiertag am Donnerstag, 1.11.2018) nach fünf weiteren Arbeitstagen bei der belangten Behörde ein. Die Weiterleitung der Beschwerde des Bf vom unzuständigen Landesverwaltungsgericht an die belangte Behörde dauerte damit sechs Arbeitstage. Damit kann keinesfalls von einem "krassen Fehlverhalten" des zur Weiterleitung verpflichteten Landesverwaltungsgerichtes im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Rede sein. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits festgehalten, dass bei Verzögerungen, die nur wenige Tage betragen, kein Fehlverhalten der Behörde anzunehmen ist (vgl. etwa VwGH 4.8.2015, Ra 2015/06/0034, mwN; 23.10.2014, 2012/07/0209). Wie auch der Bf selbst ausführt, liegt im gegenständlichen Fall jedenfalls kein Fehlverhalten des Landesverwaltungsgerichtes vor.

Damit kann aber auch dahingestellt bleiben, ob – wie der Bf vermeint - die Tätigkeit der Poststelle des Landesdienstleistungszentrums dem Landesverwaltungsgericht im Sinne des § 6 Abs. 1 AVG zuzurechnen sei. Die Weiterleitung der Beschwerde des Bf an die belangten Behörde binnen sechs Arbeitstagen stellt jedenfalls kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGVG (bzw. § 71 Abs. 1 Z 1 AVG) für den Bf dar und trifft den Bf bzw. seinen Rechtsvertreter – nicht zuletzt im Hinblick auf dessen Rechtskundigkeit und die ausdrückliche Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Straferkenntnis – diesfalls ein höhergradig vorwerfbares Verschulden an der Versäumnis der Beschwerdefrist. Wie bereits eingangs ausgeführt wurde, legt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Sorgfaltspflichten eines (beruflichen) rechtskundigen Parteienvertreters einen strengeren Maßstab an. Da somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen, ist der Antrag spruchgemäß abzuweisen.

4.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verspätung von Rechtsmitteln und zur Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Die Rechtslage ist nach den zitierten Bestimmungen des § 33 VwGVG, § 6 Abs. 1  AVG und § 33 Abs. 3 AVG auch eindeutig. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Der Lösung der Rechtsfrage, ob die Beschwerde des Bf rechtzeitig bei der belangten Behörde einlangte, sowie ob die Weiterleitung der Beschwerde des Bf an die zuständige belangte Behörde vom Landesverwaltungsgericht grundlos lange verzögert wurde, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Schlagworte

Beschwerdeeinbringung, unmittelbar bei LVwG; Weiterleitung; amtsinterne Poststelle; Fristeinrechnung, keine; Wiedereinsetzung; Fehlverhalten; Postlauf

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2019:LVwG.602735.9.JS.KGr

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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