TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/23 I406 1422896-3

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Veröffentlicht am 23.08.2019
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Entscheidungsdatum

23.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 1422896-3/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Marokko, vertreten durch RA Mag. Timo GERERSDORFER, Ettenreichgasse 9, 1100 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsbürger, stellte am 21.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.11.2011, Zl. XXXX, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen.

2. Eine dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.09.2014, GZ I405 1422896-1/9E, als unbegründet abgewiesen. Gemäß §75 Abs. 20 Asylgesetz wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

3. Mit Bescheid des BFA vom 18.12.2014, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 Asylgesetz erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 Asylgesetz in Verbindung mit § 9 BFA - Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 Fremdenpolizeigesetz nach Marokko zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betragen würde.

4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2015, GZ I403 1422896-2/2E, wurde in Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das BFA einerseits kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör zu den Ermittlungsergebnissen gewährt habe.

5. Am 12.12.2016 wurde der Beschwerdeführer durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Er erklärte, eine in Österreich lebende rumänische Freundin zu haben, mit der er zusammenlebe und die er heiraten wolle.

6. Am 08.11.2016 stellte das zuständige Standesamt aufgrund der beabsichtigten Eheschließung des Beschwerdeführers eine Anfrage an die belangte Behörde und übermittelte im Zuge dessen sämtliche ihr zur Person des Beschwerdeführers vorliegenden Unterlagen, darunter einen marokkanischen Personalausweis, eine Geburtsurkunde und eine Ledigkeitsbescheinigung, jeweils samt beglaubigter Übersetzung.

7. Am 06.02.2017 ehelichte der Beschwerdeführer vor dem Standesamt

XXXX eine rumänische Staatsangehörige.

8. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 23.02.2017, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt I.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt II.).

9. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 24.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.

10. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine damalige Rechtsvertretung am 10.03.2017 vollinhaltlich Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der Beschwerdeführer lebe seit bereits fünfeinhalb Jahren in Österreich und sei sehr um seine Integration bemüht. Seit dem 06.02.2017 sei er standesamtlich mit einer rumänischen Staatsangehörigen verheiratet, welche mittlerweile auch im vierten Monat vom Beschwerdeführer schwanger sei, es bestehe ein schützenswertes Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK. Aufgrund dieser Ehe sei der Beschwerdeführer begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 1 Z 20c AsylG bzw. § 2 Abs. 2 Z 11 FPG, weil seine Ehefrau durch ihre Arbeit als Pflegekraft in Österreich von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe.

11. Beschwerde und Bezug habender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 16.03.2017 vorgelegt und der Gerichtsabteilung I403 zugewiesen.

12. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung I403 abgenommen und der Gerichtsabteilung I406 neu zugewiesen, wo der Beschwerdeakt am 20.03.2017 einlangte.

13. Mit Schreiben vom 05.10.2017 übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht eine Reisepasskopie sowie eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz betreffend den am XXXX2017 geborenen Sohn des Beschwerdeführers.

14. Am 28.11.2017 stellte der Beschwerdeführer bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für Familienangehörige. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 06.12.2017 teilte die Bezirksverwaltungsbehörde dem Beschwerdeführer mit, dass ein Aufenthaltstitel derzeit nicht erteilt werden könne, weil der Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des Asylgesetzes zum Aufenthalt im Bundesgebiet aufhältig sei.

15. Mit Schriftsatz vom 13.12.2017 gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers seine Vollmacht bekannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ehelichte am 06.02.2017 eine rumänische Staatsangehörige, die von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat und in Österreich aufenthaltsberechtigt ist. Er hat mit dieser ein im August 2017 geborenes Kind. Er ist begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20c AsylG 2005.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, sowie in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister, dem Schengener Informationssystem und dem AJ-Web wurden ergänzend eingeholt.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen und unbestritten gebliebenen Feststellungen, sowie auf der dem Akt inneliegenden Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen betreffend seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine Heirat und seine Vaterschaft beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und im Beschwerdeschriftsatz sowie auf den vorgelegten Dokumenten (Heiratsurkunde, Geburtsurkunde seines Sohnes, ZMR-Auszüge).

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf dem Strafregister der Republik Österreich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Prüfungsumfang:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2 Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Angesichts der Tatsache, dass der maßgebende Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen sowie eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war, ist der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Auch stand bereits auf Grund der Aktenlage fest, dass der bekämpfte Bescheid zu beheben ist.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte somit gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt A)

3.3 Zur Behebung des angefochtenen Bescheides:

Eine Rückkehrentscheidung setzt voraus, dass der Asylwerber nicht auf Grund sonstiger Rechtsvorschriften zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist. Ein solches Aufenthaltsrecht kann sich auch aus unionsrechtlichen Vorschriften (unmittelbar) oder aus den (insbesondere zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften erlassenen) Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts ergeben. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde (das Gericht) diese Vorschriften "in die Prüfung der Ausweisungsentscheidung" einzubeziehen (VfSlg. 18.985/2010, VfGH 30.11.2010, U 833/10, VfGH 18.06.2012, U 1553/11, VfGH 05.06.2014, U 2238/2013 sowie zum Gebot der unmittelbaren Anwendung der ein Aufenthaltsrecht vermittelnden Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG VfSlg. 18.970/2009, 18.984/2010, VfGH 26.04.2010, U 2309/09).

Der Beschwerdeführer heiratete am 06.02.2017 eine rumänische Staatsangehörige, welche in Ausübung ihres unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts in Österreich lebt und erwerbstätig ist.

Daher ist der Beschwerdeführer unionsrechtlich zum Aufenthalt als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 20c AsylG berechtigt. Daran kann auch der Umstand, dass ihm aufgrund des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (noch) keinen NAG- Aufenthaltstitel für Familienangehörige erteilt hat, nichts ändern.

Die belangte Behörde hat die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung war der Beschwerdeführer bereits verheiratet, sodass die Erlassung einer auf § 52 Abs. 2 FPG gestützten Rückkehrentscheidung nicht zulässig war. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Abschiebung, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung,
berücksichtigungswürdige Gründe, Ehe, ersatzlose Behebung,
Kassation, Privat- und Familienleben, Rückkehrentscheidung,
Schwangerschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I406.1422896.3.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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