TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/2 I401 2212195-1

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Veröffentlicht am 02.09.2019
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Entscheidungsdatum

02.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I401 2212195-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. ALGERIEN alias Marokko, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, vom 10.12.2018, Zl. 1205107403 - 180840780/BMI-BFA_WIEN_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste zwei Tage vor seiner am 30.08.2018 erfolgten Verhaftung in das Bundesgebiet ein. Am 04.12. sowie am 10.12.2018 wurde er niederschriftlich einvernommen.

2. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 05.11.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen mehrerer Vergehen nach dem StGB zu einer teilweise bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 10.12.2018 erließ die belangte Behörde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.), erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 0 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 0 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde.

Er begründete sie im Wesentlichen damit, dass er sein Heimatland im Kindesalter verlassen habe und sich seit rund 25 Jahren nicht mehr dort aufhalte. Er verfüge in Marokko über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte, keinerlei Berufsausbildung oder -erfahrung, spreche seit 25 Jahren ausschließlich französisch (und nicht arabisch) und würde im Falle einer Rückkehr in eine prekäre und ausweglose Lage geraten. Richtig sei, dass er rechtskräftig verurteilt worden sei. Er sei sich seiner Fehler und strafrechtlichen Verstöße bewusst und bereue diese sehr. Aufgrund des verspürten Haftübels sei auch nicht anzunehmen, dass er weitere Straftaten begehen werde.

Er stellte unter anderem den Antrag, ihm Verfahrenshilfe im Umfang der Gebührenbefreiung für die Eingabegebühr zu gewähren.

Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 07.08.2019, binnen der eingeräumten Frist ein wahrheitsgemäß und vollständig ausgefülltes Vermögensbekenntnis und Unterlagen zum Nachweis der Angaben vorzulegen, übermittelte der Beschwerdeführer mit dem Schreiben vom 26.08.2019 den Beleg über die Entrichtung der Eingabegebühr von € 30,--.

5. Mit (Berichtigungs-) Bescheid vom 04.01.2019 wurde der Bescheid vom 10.12.2018 gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen (nur) dahingehend berichtigt, "als das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gestützt wird".

5.1. Eine amtswegige Berichtigung des Spruchpunktes IV. betreffend die auf "§ 18 Abs. 2 Z 0 BFA-VG" gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 66 Abs. 2 AVG erfolgte nicht.

6. Die belangte Behörde sprach über die (auch) von Amts wegen zu erteilende Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG mit einem (gesondert anfechtbaren) Spruchpunkt nicht ab.

7. Am 03.04.2019 wurde der Beschwerdeführer nach Algerien abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang, der sich aus dem erstinstanzlichen Akt, insbesondere dem bekämpften Bescheid ergibt, wird als Sachverhalt festgestellt.

Dem Informationsverbundsystem Zentrales Melderegister vom 30.08.2019 ist zum einen zu entnehmen, dass das algerische Konsulat in Wien am 02.04.2019 ein Heimreisezertifikat ausgestellt hat, zum anderen, dass am 03.04.2019 die Abschiebung des Beschwerdeführers (durch einen begleiteten Flug) nach Algerien erfolgt ist.

Die Feststellung hinsichtlich der strafgerichtlichen Verurteilung fußt auf dem Auszug aus dem Strafregister vom selben Tag.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet allein der Spruch eines Bescheides oder Erkenntnisses normative Wirkung, welche ein Ausdruck der Rechtskraft der Entscheidung ist.

Die Begründung eines Bescheides ist nicht der Rechtskraft fähig und entfaltet damit keine Bindungswirkung. Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. VwGH vom 28.02.2012, Zl. 2010/15/0169; vom 30.06.2017, Zl. 2013/07/0262; vom 01.03.2018, Ra 2017/16/0102, mwN).

§ 10 Abs. 2 AsylG (in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017) lautet:

"Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden."

Nach dieser Bestimmung hat vor der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG eine Prüfung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu erfolgen (arg.:

"..., ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung ... zu

verbinden."). Die belangte Behörde hat über die Erteilung eines Aufenthaltstitels von Amts wegen gemäß § 57 AsylG mit einem eigenen (vom Beschwerdeführer gesondert anfechtbaren) Spruchpunkt nicht abgesprochen. Durch die darauf Bezug nehmenden Ausführungen in der Begründung ("zu Spruchpunkt I.:"; AS 98) kann ein fehlender Spruchpunkt nicht ersetzt werden; die Begründung eines Bescheides kann keine normative, die Behörden und die beteiligten Parteien bindende Wirkung erlangen.

Da die belangte Behörde über die Erteilung eines Aufenthaltstitels von Amts wegen gemäß § 57 AsylG zuvor nicht abgesprochen hat, war die Erlassung der damit verbundenen Rückkehrentscheidung und der übrigen darauf aufbauenden Aussprüche (wobei in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinzuweisen ist, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers auf Grund des vom algerischen Konsulat am 02.04.2019 ausgestellten Heimreisezertifikats nach Algerien erfolgt ist) nicht zulässig.

Der bekämpfte Bescheid war daher zu beheben.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zum § 67d AVG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 24 VwGVG dem aufgehobenen § 67d AVG entspricht). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291). Was das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein Tatsachenvorbringen, welches zu einem anderen Verfahrensausgang führen könnte. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer näher zu erörtern.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, Einreiseverbot, Einreiseverbot aufgehoben, ersatzlose
Behebung, Kassation, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I401.2212195.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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