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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der m B. E Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Walter Fleissner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 11. Juni 1997, Zl. 100764/IV-JD/97, betreffend Widerruf der Zulassung zum Postzeitungsversand, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit "Bescheid der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, Direktion Wien als Postbehörde I. Instanz vom 13. Dezember 1996" wurde die Zulassung der von der Beschwerdeführerin herausgegebenen und verlegten Druckschrift "Preis-Reisser" als Anzeigenblatt zum Postversand widerrufen. Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1998 wurden die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 41 Abs. 1 VwGG aufgefordert, zu folgender vorläufigen Rechtsansicht des Gerichtshofes Stellung zu nehmen:
"Für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides könnten folgende, einer Partei bisher nicht bekanntgegebene Gründe maßgebend sein:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den "Bescheid der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, Direktion Wien als Postbehörde I. Instanz vom 13. Dezember 1996" keine Folge gegeben. Letztere Erledigung erging "auf Grundlage des § 22 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Aufgaben der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (Poststrukturgesetz - PTSG), BGBl. Nr. 201/1996 in Verbindung mit Artikel II Abs. 2 lit. A Z. 26 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 - EGVG, BGBl. Nr. 50/1991 (Wiederverlautbarung) in der geltenden Fassung".
§ 22 Abs. 2 PTSG lautet:
"Soweit in anderen Bundesgesetzen von der Post- und Telegraphenverwaltung die Rede ist, tritt die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft an deren Stelle."
Gemäß Art. II Abs. 2 Z. 26 EGVG (in der Fassung vor der Änderung durch Art. II Z. 1 BGBl. Nr. 765/1996) sind das AVG und das VStG auf das behördliche Verfahren "der Post- und Telegraphendirektionen als Postbehörden" anzuwenden.
Schon der Wortlaut der genannten Bestimmungen schließt es aus, die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (PTA) unter die angeführte Bestimmung des EGVG zu subsumieren, bezeichnet doch der Begriff der "Post- und Telegraphenverwaltung" einen Tätigkeitsbereich, nicht aber die diesen besorgenden Organe. Daß durch § 22 Abs. 2 - in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z. 1 - PTSG nicht hoheitsrechtliche Agenden der "Post" auf die PTA übertragen werden sollten, geht klar aus den Materialien zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201,
(72 BlgNR 20. GP 323) hervor. Dort heißt es zu dem die Änderung des Fernmeldegesetzes 1993 betreffenden Art. 92 Z. 6 (richtig: Art. 96 Z. 6):
"Der Entwurf des Poststrukturgesetzes sieht in § 22 Abs. 2 vor, daß in anderen Bundesgesetzen grundsätzlich die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft an die Stelle der Post- und Telegraphenverwaltung tritt. Dies gilt auch für das Fernmeldegesetz 1993 und bereitet keinerlei Probleme. Lediglich im Art. 2 Abs. 1 des Fernmeldegesetzes 1993, wo die Besorgung fernmeldebehördlicher, also hoheitsrechtlicher Agenden der Post übertragen war, ist dies mit dem Status der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft nicht vereinbar. Art. 2 Abs. 1 des Fernmeldegesetzes 1993 entfällt daher ersatzlos. Damit wird sichergestellt, daß alle hoheitsrechtlichen Agenden von der Fernmeldebehörde besorgt werden und damit ist auch die endgültige Trennung von Betreiber und Regulierungsbehörde vollzogen (EU-Konformität)."
Die angesprochene Unvereinbarkeit der Besorgung hoheitsrechtlicher Agenden mit dem Status der PTA gilt nicht nur für das Fernmelde-, sondern in gleicher Weise auch für das Postwesen.
Wurde der PTA aber die Besorgung hoheitsrechtlicher Agenden des Postwesens nicht übertragen, kann Erledigungen dieser Aktiengesellschaft mangels deren Behördeneigenschaft Bescheidcharakter nicht zukommen. Eine gegen eine derartige Erledigung erhobene Berufung wäre daher nach vorläufiger Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen gewesen, ihre meritorische Behandlung könnte den Berufungsbescheid mit Rechtswidrigkeit belasten."
Dieser vorläufigen Rechtsansicht schloß sich die Beschwerdeführerin - dem wesentlichen Inhalt nach - in ihrer dazu abgegebenen Stellungnahme an.
Die belangte Behörde teilte mit, daß zur vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes keine gesonderte Stellungnahme abgegeben werde.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von der im Beschluß vom 18. Februar 1998 vertretenen Rechtsansicht abzugehen. Demnach mangelt der von der Beschwerdeführerin mit Berufung bekämpften Erledigung der Post- und Telekom Austria Aktiengesellschaft vom 13. Dezember 1996 die Bescheidqualität, weshalb die Berufung nicht meritorisch zu behandeln, sondern als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1991, Zl. 88/18/0012).
Ob - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vorbringt - aufgrund der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Änderung des Postgesetzes (BGBl. Nr. 765/1996) "für die als hoheitlicher Verwaltungsakt (Bescheid) auf der Rechtslage bis 31. Dezember 1996 basierende Zulassung der Druckschrift "Preis-Reisser" als Anzeigenblatt zum Postversand seit 1. Jänner 1997 keine Rechtsgrundlage mehr vorhanden" ist, kann dahingestellt bleiben. Sollte dies zutreffen, hätte die belangte Behörde mit der meritorischen Entscheidung einer nicht mehr dem Verwaltungsrecht zugehörenden Angelegenheit ebenfalls die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten. Entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung könnte der Beschwerdeführerin in diesem Fall das rechtliche Interesse an der Beseitigung einer solchen Entscheidung nicht abgesprochen werden, weil dem mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Widerruf allenfalls auch dann, wenn die in der Gegenschrift dargestellte Prämisse zuträfe, Rechtswirkungen beigemessen werden könnten (z.B. als zivilrechtsgestaltender Verwaltungsakt) und daher entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht von vornherein gesagt werden kann, er sei ins Leere gegangen.
Die Kostententscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da die Vorlage von Beilagen - mit Ausnahme des angefochtenen Bescheides - nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, konnte hiefür kein Stempelgebührenersatz zugesprochen werden. Für die vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG verlangte Stellungnahme gebührt kein zusätzlicher Ersatz des Schriftsatzaufwandes (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 686, angeführte Rechtsprechung).
Schlagworte
Behördenorganisation Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1 Verhältnis zu anderen Materien und NormenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997030191.X00Im RIS seit
11.07.2001