TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 W240 2226185-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W240 2226185-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Marokko, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2019, Zl. 1249997808-191077461, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Marokko, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 22.10.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer. Die Beschwerdeführerin verfügte laut VIS-Abfrage über ein von 16.09.2019 bis 30.10.2019 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt von der spanischen Botschaft in Tangier.

Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.10.2019 gab die Beschwerdeführerin insbesondere an, sie habe ihren Wohnort in Marokko am 05.10.2019 legal mit einem Boot verlassen. Sie sei rund drei Tage in Spanien gewesen und danach zwölf Tage in Deutschland, bevor sie nach Österreich gelangt sei. Sie habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht. Sie habe ein spanisches Visum, gültig ab 16.09.2019 bis zum 30.10.2019, erhalten. Ihr Zielland sei Österreich gewesen. Sie habe ihren Herkunftsstaat verlassen, weil ihr ein Arzt gedroht habe, sie zu vergewaltigen und zu töten, wenn sie diesen nicht heirate. Die Familie des Arztes habe die Beschwerdeführerin auch unter Druck gesetzt und gesagt, dass die Beschwerdeführerin, wenn sie ihn nicht heirate, sterben müsse.

In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 25.10.2019 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Spanien, dem die spanische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 05.11.2019 ausdrücklich gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zustimmte.

Am 21.11.2019 erfolgte nach Durchführung der Rechtsberatung und im Beisein eines Rechtsberaters die Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA. Dabei gab die Beschwerdeführerin insbesondere an:

"(...)

LA: Haben Sie sich einer Rechtsberatung unterzogen? Wann?

VP: Ja. Heute

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

VP: Ja.

(...)

LA: Haben Sie bis jetzt im Verfahren zur Ihrer Person und den Fluchtgründen die Wahrheit gesagt.

VP: Ja.

LA: Haben Sie noch Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

VP: Ich habe meinen Reisepass im Zimmer.

Anmerkung: Wurde von der Polizei bereits im IFA eingespielt.

LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

VP: Im Zimmer.

LA: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

VP: Nein.

LA: Sind Sie derzeit in ärztlicher Betreuung und/ oder Behandlung bzw. Therapie?

VP: Ich gehe zur psychologischen Betreuung hier im Lager. Sie kommt immer zu mir hier in die Unterkunft. Wir führen Gespräche. Ich glaube, Sie heißt Nicole, aber ich bin nicht sicher. Ich gesundheitliche Probleme im Mutterleib, Gebärmutter. Ich nehme Antibiotikum und eine Creme und Gel zur Reinigung des Mutterleibes. Ich habe Probleme beim Eisprung. Der funktioniert nicht und wenn sich die Eier sammeln und es nicht abgeleitet wird, dann besteht die Gefahr von Krebs. Ich habe eine Zyste an den Eierstöcken.

Anm: AW wird darauf hingewiesen, dass er hier in Ö. jederzeit zu einem Arzt gehen kann.

LA: Gibt es Befunde?

VP: Ich hatte medizinische Befunde in Marokko. Hier nicht. Ich habe meine Krankheit erzählt und ich habe in 2 Monaten einen Termin beim Gynäkologen in Traiskirchen.

LA: Nehmen Sie zurzeit Medikamente? Wenn ja welche?

VP: Ich nehme Antibiotikum und eine Creme und Gel zur Reinigung des Mutterleibes. Die Tabletten hatte ich aus Marokko noch mit und die bekomme ich dann hier auch.

Anmerkung: Es wurde während der Einvernahme Rücksprache mit der Krankenabteilung und der Psychologin Nicole vom ORS gehalten. Nicole gab an, dass sie mit der Dame Gespräche führt im Zuge der Betreuung der AW durch ORS. Es handelt sich hier um eine normale Gesprächstherapie im Zuge der Betreuung. Von der Krankenstation wurde mitgeteilt, dass Genannte bei Ihrer Erstuntersuchung am 23.10.2019 angab, dass sie marokk. Antidepressive genommen hatte, wegen Schlafproblemen, diese aber selbstständig abgesetzt hat. Am 06.11.2019 wurde Sie wegen Schmierblutungen, Magenbrennen und gripp. Infekt vorstellig. Am 18.11.2019 wegen vaginalem Juckreiz, und Unterbauchschmerzen. Ein Harntest ergab einen Harnwegsinfekt. Es wurde Ihr folgende Medikation verabreicht: Selixid 3x1 für 6 Tage, Tantum Rosa (Vaginalspülung), Dölderlein Med (vag. Kapseln), Pevisone Creme.

LA: Die Ärztin hier hat mir eine Überweisung zur Frauenärztin gegeben, da Sie nur Ärztin für Allgemeinmedizin. Ich war bereits einmal bei der Fachärztin, da war der Harn auffällig. Sie konnte aber keine genaue Untersuchung machen, da ich so starke Blutungen hatte. Die Ärztin glaubte ich hätte meine Periode, aber es waren wohl Schmierblutungen. Meine normale Periode bekam ich dann aber eine Woche später. Wir haben daher einen neuerlichen Termin in 2 Monaten vereinbart. Ich habe damals Schmerztabletten von ihr erhalten. Diese nehme ich wenn ich wieder Unterleibsschmerzen habe.

LA: Bestand diese Krankheit bereits in Marokko?

VP: Ja. Ich bekomme die Behandlung bereits seit 8 Monaten in Marokko.

LA: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen, CH, Lichtenstein oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

VP: Ich habe in Spanien, Frankreich, Belgien, Niederlanden und in Frankfurt in Deutschland, aber vor denen bin ich auf der Flucht. Ich bin nur mit meinen Eltern und Geschwistern in Marokko in Kontakt. Es sind Tanten, Onkeln und Cousinen. Sie wollten, dass ich den Jungen, der mich vergewaltigt hat traditionell heiraten muss oder ich werde getötet. Ich bin nur 2 Tage in Spanien geblieben.

LA: Warum haben Sie Marokko dann überhaupt verlassen, und vor allem in ein Land (Spanien), wenn Sie doch wissen, dass dort Personen sein sollen die Sie töten wollen?

VP: In Marokko gibt es 2 Gefahren für mich. 1. Von meiner Familie und 2. Von der Person die mich vergewaltigt hat. Nach der Vergewaltigung hab ich eine Beschwerde beim Bezirksgericht gemacht. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Eltern keine Ahnung davon haben. Nur meine Schwester und eine Verwandte meines Vaters wissen Bescheid.

LA: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

VP: Nein

LA: Haben Sie anderen Verwandte in Österreich?

VP: Nein

LA: Leben Sie mit einer Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.

VP: Nein, ich bin alleine

LA: Haben Sie irgendwo um Asyl angesucht?

VP: Nein nirgendwo

LA: Haben Sie irgendwo ein Visum beantragt?

VP: Ja für Spanien

Vorhalt: In Ihrem Reisepass befindet sich ein Visum für Spanien

LA: Sie sind mit Ihrem Original Reisepass und Visum in die EU eingereist?

VP: Ja

LA: Haben Sie sich jemals in Spanien aufgehalten? Falls ja, wie lange?

VP: Ich war 2 Tage in Spanien. Ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich habe eine Bestätigung von der Fähre. Ich bin von Marokko nach Spanien mit der Fähre. Von dort dann mit dem Flugzeug nach Berlin und von dort mit dem Bus nach Österreich. Die Tickets wurden alle von einem Freund meines Vaters gebucht. Meine Familie glaubt, dass ich zum Studieren nach Europa gegangen bin. Am 05.10.2019 bin ich mit der Fähre von Marokko nach Spanien gefahren. Du von dort am 08.10.2019 nach Berlin geflogen.

LA: Wann sind Sie von Berlin nach Österreich gefahren?

VP: Ich bin am 21.10.2019 nach Österreich gekommen. Habe 1 Nacht im Hotel geschlafen und dann am 22.10.2019 habe ich Asyl beantragt. Ich war ca. 12 Tage mit einer Freundin in Berlin.

LA: Wurden Sie in Spanien versorgt und untergebracht?

VP: Nein ich war nur 2 Tage in Spanien. Am 3 Tag bin ich nach Berlin geflogen.

LA: Wie und wann sind Sie in Österreich eingereist?

VP: Am 21.10.2019 mit dem Bus.

Vorhalt:

LA: Ihnen wurde eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG 2005 zu eigenen Handen zugestellt. Anhand dieser Verfahrensanordnung wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass im gegenständlichen Fall Konsultationsverfahren mit Spanien geführt werden. Aus diesem Grund fand auch am 21.11.2019 ein Rechtsberatungsgespräch statt.

LA: Der Staat Spanien stimmte in Ihrem Fall gem. Art. 12.2 der Dublin III-Verordnung zu. Es war eine ausdrückliche Zustimmung und keine Verfristung.

Seitens des BFA ist nunmehr geplant, gegenständlichen Antrag auf int. Schutz gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen und Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Spanien auszuweisen.

LA: Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

VP: Ich bin in Spanien gefährdet.

LA: Haben Sie Beweise, dass Sie von Personen in Spanien bedroht werden?

VP: Nein.

LA: Die Dublin III VO ist Ihnen bekannt?

VP: Ja

LA: Sie haben im Zuge der Ausfolgung der Ladung auch die Informationsblätter zu Spanien erhalten. Möchten Sie dazu etwas angeben??

VP: Ich kenne alles über Spanien.

LA: Der Rechtsberatung wird die Möglichkeit gegeben, Fragen und/ oder Anträge zu stellen.

RB: Keine.

LA: Wollen Sie noch etwas angeben was Ihnen wichtig erscheint? Wollen Sie noch etwas vorbringen oder ergänzen?

VP: Ich werde sicher nicht nach Spanien gehen!!! Ich wusste, dass ich in Spanien Asyl bekommen hätte. Es ist leicht, dass die Person die mich verfolgt von Marokko nach Spanien kommt um mich zu töten nachdem das Urteil gegen Ihn wegen der Vergewaltigung gesprochen ist.

LA: Konnten Sie meinen Fragen folgen?

VP: Ja.

LA: Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?

VP: Ja.

(...)"

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.11.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß

§ 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Spanien gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Spanien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Spanien wurden folgende Feststellungen getroffen [unkorrigiert, gekürzt]:

Kurzinformationen

KI vom 13.3.2019, Unterbringung von Dublin-Rückkehrern (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer)

Das Oberste Gericht (Tribunal Superior de Justicia) von Madrid hat im Dezember 2018 die spanischen Behörden aufgefordert, sicherzustellen, dass Asylbewerber, die aus anderen europäischen Ländern nach der Dublin-Verordnung nach Spanien zurückkehren, nicht vom Zugang zum Aufnahmesystem ausgeschlossen werden. Der Anlass waren zwei Beschwerdeführer, deren Unterbringung im Aufnahmesystem für Asylbewerber nach der Rückkehr abgelehnt worden war, weil diese auf das Recht auf Aufnahme durch ihre Ausreise verzichtet hätten. Mindestens 20 Personen, die im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Spanien zurückgekehrt waren, waren aufgrund dieser Praxis in Madrid von der Unterbringung ausgeschlossen worden. Um dem Urteil zu entsprechen, hat das Ministerium für Arbeit, Migration und soziale Sicherheit Anweisungen erlassen, die das Recht der wiedereingeführten Asylbewerber auf Wiedereintritt in das Aufnahmesystem und einen angemessenen Lebensstandard gewährleisten. Im Unterbringungshandbuch wurde klargestellt, dass das Recht auf Unterbringung von Dublin-Rückkehrern nicht aufzuheben ist, weil zuvor der Wohnsitz aufgegeben wurde (ECRE 25.1.2019).

Quellen: - ECRE - European Council on Refugees and Exiles (25.1.2019): ECRE Weekly Bulletin, per E-Mail

Allgemeines zum Asylverfahren

Spanien verfügt über ein rechtsstaatliches Asylsystem mit administrativen und gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. In erster Instanz ist das Oficina de Asilo y Refugio (OAR) zuständig für die Bearbeitung von Asylanträgen. Es untersteht dem Innenministerium:

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Die Wartezeit, bis ein Antragsteller seinen Asylantrag formell einbringen kann, beträgt durchschnittlich sechs Monate. Die Verfahren dauerten 2017 durchschnittlich 14,4 Monate (9,2 Monate für Syrer, 16,8 Monate für Afghanen und 20 Monate für Iraker) (AIDA 15.3.2018; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018

1. Dublin-Rückkehrer

Spanien erhält wesentlich mehr Dublin-In-Anfragen als es Dublin-Out-Anfragen stellt. 2016 erhielt Spanien 5.854 Anfragen. 2017 waren es 5.953, wobei es letztlich zu 425 Transfers kam. Spanien gibt vor Transfer keine Garantien an Mitgliedsstaaten ab; bei Ankunft der Rückkehrer koordiniert OAR sich aber mit dem Sozialministerium, das für die Unterbringung zuständig ist. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten von Problemen bei der Identifizierung von zurückkehrenden Opfern von Menschenhandel (hauptsächlich aus Frankreich), die nicht effektiv als solche erkannt wurden. Dublin-Rückkehrer haben keine Probleme beim neuerlichen Zugang zum Asylsystem. Ihre Interviews werden priorisiert, falls sie einen Asylantrag stellen wollen. Wenn ihr voriges Verfahren abgebrochen wurde ("discontinued"), müssen sie einen neuerlichen Asylantrag einbringen, der jedoch nicht als Folgeantrag gilt (AIDA 15.3.2018).

Das spanische Innenministerium hat auf Anfrage bestätigt, dass Dublin-Rückkehrer ein eventuelles Asylverfahren in Spanien fortsetzen bzw. einen neuen Asylantrag stellen können. Außerdem ist der Zugang zu Versorgung, wie für andere Asylwerber auch, garantiert (ÖB 31.8.2016).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Madrid (31.8.2016): Auskunft des spanischen Innenministeriums, per E-Mail

2. Non-Refoulement

2016 und 2017 hat das OAR vermehrt die sichere Drittstaatenklausel in Bezug auf Marokko angewendet. Dies wurde mehrfach gerichtlich bestätigt (AIDA 15.3.2018).

An der Grenze von Marokko zu den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla kam es Berichten zufolge 2017 zu zahlreichen Fällen von Push-backs und Refoulement nach Marokko (AIDA 15.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Migranten sehen sich großen Hürden bei der Ausreise aus Marokko und dem Zugang zu den asylum points an der spanischen Grenze gegenüber. Im März 2015 wurde die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, Drittstaatsangehörige, die bei der illegalen Einreise betreten werden, direkt an der Grenze zurückzuweisen. Dies wird als Verstoß gegen internationale rechtliche Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen kritisiert. UNHCR ist in den Enklaven präsent (AIDA 15.3.2018).

Die langen Wartezeiten, bis ein Antragsteller seinen Antrag formell einbringen kann, sind ein Problem, da die Betroffenen vorher kein Ausweisdokument erhalten und somit einem Risiko der Ausweisung und des Refoulements ausgesetzt sind (AIDA 15.3.2018).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430309.html, Zugriff 3.7.2018

3. Versorgung

Das spanische Unterbringungssystem besteht aus:

1. Vier Unterbringungszentren (Centros de acogida de refugiados, CAR) mit gesamt 420 Plätzen Kapazität.

2. Temporären Migrationszentren (Centros de estancia temporal para inmigrantes, CETI) in den Enklaven Ceuta (Kapazität: 512 Plätze) und Melilla (Kapazität: 700 Plätze).

CAR und CETI werden vom Arbeits- und Sozialministerium betrieben.

3. Weiters gibt es eine Unterbringungs- und Betreuungskomponente, die vom og. Ministerium an NGOs ausgelagert ist.

Wegen der zum Teil langen Wartezeiten bis zum Einbringen eines Antrags wurde auch eine Art Erstaufnahme geschaffen, während der Antragsteller bis zur Zuweisung eines Unterbringungsplatzes in Hotels untergebracht werden können (Assessment and referral phase). Die Größe der og. Zentren hängt vom Betreiber ab. Manche sind größer, andere wiederum in Appartments eingerichtet, einige in urbaner Umgebung, andere wiederum in ländlicher Gegend gelegen. Insgesamt verfügt Spanien (Stand Dezember 2016) über 4.104 Unterbringungsplätze. Seit 2017 sind 20 NGOs mit Finanzierung durch den spanischen Staat in der Unterbringung von Asylwerbern und Flüchtlingen tätig. Eine genaue Statistik der NGO-Unterbringungsplätze in Spanien ist nicht verfügbar. Versorgungsmaßnahmen werden niemals wegen hoher Antragszahlen reduziert, sondern es werden Notmaßnahmen eingeleitet und Antragsteller untergebracht, wo es möglich ist. Der Anstieg der illegalen Einreisen im Zuge des Jahres 2017 hat zu Schwierigkeiten bei der Unterbringung geführt, die Bedingungen haben sich aber nicht verschlechtert, da zusätzliche Plätze geschaffen wurden (AIDA 15.3.2018).

Personen, die ihren Asylantrag in den Enklaven Ceuta oder Melilla stellen, müssen die Zulässigkeitsentscheidung über ihren Antrag dort abwarten und werden erst dann aufs spanische Festland überstellt. Es gibt aber Berichte über Fälle, die trotz positiver Zulässigkeitsentscheidung nicht transferiert wurden. Spanische Gerichte haben ein solches Vorgehen mehrmals verurteilt. In den letzten Jahren wurden die Transfers nach Festland-Spanien beschleunigt, der Ablauf wird aber weiterhin als intransparent kritisiert (AIDA 15.3.2018). Die CETI in Ceuta und Melilla werden in Zusammenhang mit Überbelegung kritisiert (USDOS 20.4.2018). 2017 haben 3.218 Migranten die CETI in den Enklaven durchlaufen und sich dort im Schnitt 2,1 Monate aufgehalten. 2010 waren es noch 11,4 Monate gewesen (ep 1.2.2018).

Im spanischen Unterbringungssystem werden die Antragsteller in Absprache zwischen der Asylbehörde und der NGO, welche das Unterbringungszentrum führt, untergebracht. Man ist bemüht, die am besten geeignete Unterkunft für den Einzelfall zu finden. Asylwerber, die über keine finanziellen Mittel verfügen, haben das Recht auf Unterbringung und Versorgung zur Deckung ihrer grundlegenden Bedürfnisse. Die materiellen Bedingungen sind für alle Antragsteller dieselben, egal in welcher Art von Verfahren sie sich befinden. Dieses System hat stark integrativen Charakter und unterstützt Nutznießer von der Antragstellung bis zum Abschluss des Integrationsprozesses, aber maximal für 18 Monate (verlängerbar auf 24 Monate für Vulnerable). Wenn Antragsteller sich für eine private Unterkunft außerhalb des Systems entscheiden, haben sie keinen garantierten Zugang zu finanzieller Unterstützung und Leistungen wie in den Zentren. Die Versorgung geschieht in drei Phasen zu je sechs Monaten Dauer bei jeweils abnehmender Unterstützungsintensität, um in der letzten Phase Selbständigkeit und soziale Integration der Betreffenden zu erreichen (AIDA 15.3.2018).

1. Während der 1. Versorgungsphase werden Antragsteller in Unterbringungszentren (Centro de acogida de refugiados, CAR) bzw. in Wohnungen im ganzen Land untergebracht. Während dieser Phase erhalten die AW grundlegende Schulungen mit dem Ziel, ihre Integration in die spanische Gesellschaft zu ermöglichen. Die Phase muss daher in einem CAR absolviert werden. In der ersten Versorgungsphase erhalten Asylwerber ein Taschengeld in Höhe von €51,60 im Monat, plus €19,06 für jeden abhängigen Minderjährigen. Zusätzlich werden andere persönliche Ausgaben (Transport, Kleidung, pädagogische Aktivitäten, Verwaltungsangelegenheiten, Übersetzerkosten) gegen Vorlage von Rechnungen abgedeckt.

2. In der zweiten Versorgungsphase, der sogenannten Integrationsphase, haben die Asylwerber Anspruch auf finanzielle Unterstützung und Übernahme grundlegender Ausgaben für den Aufbau eines normalen Lebens. In der 2. Phase der Versorgung erhalten Asylwerber kein Taschengeld mehr und werden in Wohnungen und Privathäusern untergebracht. Die Mieten werden übernommen.

3. In der dritten Versorgungsphase, der sogenannten Autonomiephase, ist das Erreichen finanzieller Unabhängigkeit des Antragstellers vorgesehen. In dieser Phase erhalten die Asylwerber punktuell finanzielle Unterstützung zur Deckung bestimmter Ausgaben.

Kritisiert wird, dass nach der ersten Unterbringungsphase ein Maß an Autonomie, Selbsterhaltungsfähigkeit und Spracherwerb vorausgesetzt wird, das in sechs Monaten kaum zu erreichen sei. Gerade mangelnde Sprachkenntnisse sind ein erhebliches Hindernis beim Zugang zu Beschäftigung (AIDA 15.3.2018).

Gemäß Gesetz haben alle Migranten Zugang zu grundlegender Versorgung, unabhängig vom rechtlichen Status (USDOS 20.4.2018).

Negativ beschiedene Antragsteller dürfen in der Unterbringung bleiben, bis die maximale Unterbringungsdauer erreicht ist. Asylwerber haben nach sechs Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt, aber mangelnde Sprachkenntnisse, administrative Schwierigkeiten und Diskriminierung schmälern diesen Zugang in der Praxis (AIDA 15.3.2018).

Abgesehen von den Unterbringungskapazitäten für Asylwerber verfügt Spanien über neun Haftzentren (zusammen 1.589 Plätze) für fremdenrechtliche Haft (Centros de Internamiento de Extranjeros, CIE) (AIDA 15.3.2018).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018

-

ep - europapess (1.2.2018): Un total de 3.218 migrantes pasaron por los CETI de Ceuta y Melilla en 2017, donde estuvieron de media 2,1 meses,

http://www.europapress.es/sociedad/noticia-total-3218-migrantes-pasaron-ceti-ceuta-melilla-2017-donde-estuvieron-media-21-meses-20180201153420.html, Zugriff 5.7.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430309.html, Zugriff 3.7.2018

3.1. Medizinische Versorgung

Das spanische Recht sieht für alle Asylwerber den vollen Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem wie für spanische Bürger vor, einschließlich Zugang zu spezialisierterer Behandlung für Personen, die Folter, schwere körperliche oder seelische Misshandlungen oder Traumatisierung erlitten haben. Obwohl in Spanien Zugang zu spezieller Behandlung durch Psychologen und Psychiater frei und garantiert ist, gibt es keine Institutionen, die auf die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge spezialisiert sind. Gegenwärtig gibt es drei NGOs, die für Asylbewerber mit psychischen Bedürfnissen zuständig sind. Die NGO Accem betreibt in Zusammenarbeit mit der Firma Arbeyal das Hevia Accem-Arbeyal - Zentrum, das auf Behinderung und psychische Gesundheit spezialisiert ist und Plätze für Asylsuchende reserviert, aber nicht ausschließlich auf diese Zielgruppe fokussiert. Die NGO CEAR (Comisión Española de Ayuda al Refugiado) betreibt auch Einrichtungen, die auf Asylsuchende mit psychischen Erkrankungen spezialisiert sind. Die Stiftung La Merced bietet Aufnahmeplätze für junge erwachsene Asylsuchende, die spezielle Unterstützung aufgrund psychischer Erkrankungen benötigen. Wenn die Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder gestrichen wird, bleibt der Zugang zu medizinischer Versorgung weiterhin bestehen (AIDA 15.3.2018).

Spanien hat 2015 einen strategischen Plan zur Eliminierung der Hepatitis C angenommen und seither etwa 100.000 Erkrankten Zugang zu einer Behandlung mit antiviralen Medikamenten der jüngsten Generation ermöglicht. Die Heilungsrate von etwa 95% ist eine der höchsten der Welt (AEHVE 29.5.2018). Mitte 2017 hat die spanische Gesundheitsministerin durchgesetzt, dass die Behandlung von Hepatitis C auf alle Stadien der Erkrankung ausgedehnt werden soll, nicht nur auf spätere Stadien. Die Kommunen Madrid und Valencia wendeten dies damals bereits an. Eine Unterstützung für die Kommunen bei der Finanzierung dieser Vorgehensweise, ist nicht vorgesehen (El País 21.6.2017). Um den Jahreswechsel 2017/2018 forderten Interessengruppen weiterhin die Umsetzung dieses Plans (AEHVE 9.1.2018).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018

-

AEHVE - Alianza para la Eliminación de las Hepatitis Víricas en España (9.1.2018):Manifiesto de Asociaciones vinculadas a la Hepatitis C,

http://aehve.org/manifiesto-asociaciones-vinculadas-la-hepatitis-c/, Zugriff 5.7.2018

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AEHVE - Alianza para la Eliminación de las Hepatitis Víricas en España (29.5.2018): Llamamiento conjunto al Gobierno y a las Comunidades Autónomas para que faciliten el cribado universal de la hepatitis C, Zugriff 5.7.2018

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El País (21.6.2017): Sanidad acuerda con las comunidades ampliar el tratamiento de la hepatitis C, https://politica.elpais.com/politica/2017/06/21/actualidad/1498060903_372716.html, Zugriff 5.7.2018

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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

4. Schutzberechtigte

Sowohl Flüchtlinge als auch Personen mit subsidiärem Schutzstatus erhalten vorerst eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre. Diese ist verlängerbar. Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen werden für jeweils ein Jahr ausgestellt. Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte können, wenn sie gewisse Parameter erfüllen, nach fünf Jahren die Ausstellung eines langfristigen Aufenthaltstitels beantragen. Die spanische Staatsbürgerschaft können anerkannte Flüchtlinge frühestens nach fünf Jahren und subsidiär Schutzberechtigte frühestens nach zehn Jahren beantragen. Es besteht die Möglichkeit der Ausweitung des Schutzes auf die Familie. Personen, die internationalen Schutz genießen, haben in ganz Spanien Freizügigkeit. In der Praxis befinden sie sich in der Regel in dem Gebiet, in dem das Verfahren durchgeführt wurde, es sei denn, sie haben Familienmitglieder oder Netzwerke in anderen Städten. Wie bei Asylsuchenden ist die Mehrheit der Flüchtlinge in Andalusien, Madrid oder Katalonien untergebracht. Alle Antragsteller haben Zugang zu dem 18-monatigen dreiphasigen Unterbringungs-/Integrationsprozess (siehe oben unter "Unterbringung", Anm.). Selbst wenn sie innerhalb dieses Zeitraums Asyl oder subsidiären Schutz erhalten, dürfen bzw. müssen sie diesen Prozess fortsetzen, in denselben Unterbringungen wie Asylwerber mit laufendem Verfahren. Es gibt hier keine Ausnahmen und die Vollendung der verschiedenen Phasen ist Voraussetzung für den Eintritt in die nächste Phase. Auch bei Schutzberechtigen würde eine private Unterbringung außerhalb des offiziellen Systems den Verzicht auf die darin vorgesehene Unterstützung bedeuten. Der Mangel an verfügbaren Sozialwohnungen, zu niedrige Mietzinsbeihilfen, hohe Anforderungen bei Mietverträgen und Diskriminierung sind für viele Schutzberechtigte ein Problem und können zu wirtschaftlichen Problemen und Armut führen. Zwar versuchen viele NGOs zwischen wohnungssuchenden Flüchtlingen und Hausbesitzern zu vermitteln, jedoch gibt es keine eigene Behörde, die dafür zuständig wäre. Schutzberechtigte haben denselben Zugang zum Arbeitsmarkt wie spanische Bürger. Alle Personen im 18-monatigen Integrationsprozess erhalten individuelle Unterstützungsprogramme für Ausbildung, Anerkennung von Qualifikationen usw. Nach Abschluss des dreiphasigen Prozesses können die Begünstigten Arbeitsintegrations- und Orientierungsdienste von NGOs in Anspruch nehmen, die mit EU-Mitteln vom Ministerium für Beschäftigung finanziert werden und auch personalisierte Programme, Beschäftigungsorientierung, Schulungen usw. umfassen. Viele Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben beim Zugang zum Arbeitsmarkt in der Praxis Probleme aufgrund von Sprache, Qualifikation und Diskriminierung. Diese Situation wird durch die hohe Arbeitslosigkeit in Spanien noch verschlimmert. Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben gleichermaßen und unter denselben Bedingungen Zugang zu Sozialhilfe wie Spanier. Das Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit ist für die Bereitstellung von Sozialhilfe zuständig und in der Praxis besteht dieser Zugang ohne besondere Hindernisse. Sozialhilfe ist nicht an den Wohnsitz an einem bestimmten Ort gebunden, da sie auf nationaler Ebene verteilt wird, sie kann aber gegebenenfalls durch kommunale und regionale Angebote ergänzt werden. Beim Zugang zu medizinischer Versorgung gelten für Schutzberechtigte dieselben Bedingungen wie für Asylwerber (AIDA 15.3.2018).

Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte haben ein Recht auf Bildung, medizinische Versorgung, Wohnraum, Sozialleistungen, usw. wie spanische Bürger. Wenn die Umstände es erfordern, können sie nach Anerkennung weiter von Programmen oder Unterstützung profitieren, die sie vor der Anerkennung genossen haben (MdI o.D.).

UNHCR ist der Meinung, dass das spanische System zur Integration von Flüchtlingen, speziell Vulnerabler, verbessert werden muss (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018

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MdI - Ministerio del Interior (o.D.a): Efectos de la resolución de asilo o de protección subsidiaria, http://www.interior.gob.es/es/web/servicios-al-ciudadano/extranjeria/derecho-de-asilo/efectos-de-la-resolucion-de-asilo-o-de-proteccion, Zugriff 5.7.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430309.html, Zugriff 3.7.2018

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO Spanien für die Prüfung des Antrages zuständig sei.

Die Beschwerdeführerin verfüge über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass die Beschwerdeführerin an einer derart schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leidet, welche einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Spanien entgegenstehen würde. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren somit nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben.

3. Gegen den Bescheid des BFA erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Vertretung rechtzeitig das Rechtmittel der Beschwerde und hielt fest, dass der Bescheid zur Gänze angefochten werde. In der Beschwerde wurde insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in Marokko vergewaltigt und mit dem Tod bedroht worden sei. Sie habe gegen den Vergewaltiger eine Anzeige erstattet und es sei gegen diesen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Nach der Vergewaltigung hätten bei der Beschwerdeführerin psychische Probleme begonnen, sodass sie ständig Antidepressiva eingenommen habe. Weiters habe sie gynäkologische Probleme und sei wegen Zysten in Österreich behandelt worden. Die Beschwerdeführerin benötige regelmäßige Untersuchungen und Behandlungen, die sie ihrer Meinung nach in Spanien nicht bekomme. Die Beschwerdeführerin sei der Meinung, dass das BFA ihren Gesundheitszustand nicht ausreichend berücksichtigt habe und wurde darauf verwiesen, dass sich aus den Länderberichten ergebe, in Spanien seien drei NGOs zuständig für Asylwerber mit psychischen Bedürfnissen, es würden Plätze für Asylsuchende reserviert werden, jedoch nicht ausschließlich für diese Gruppe. In der Beschwerde wurde unter Verweis auf die Festzustellungen zur medizinischen Versorgung in Spanien ausgeführt, es sei nicht gesichert, dass die Beschwerdeführerin eine entsprechende Behandlung erhalten werde.

Zusammen mit der Beschwerde wurde eine Bestätigung über das Ermittlungsverfahren gegen die Person, von welcher die Beschwerdeführerin behaupteter Maßen Bedrohungen befürchtet, sowie eine ärztliche Bestätigung, datiert mit 16.02.2017 aus Marokko, übermittelt.

4. In der am 06.12.2019 eingelangten Beschwerdeergänzung wurde ausgeführt, dass die Hauptsorge im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Spanien nicht die medizinische Versorgung darstellen, sondern die Angst vor Verfolgung sei. In Marokko würden sowohl die Familie der Beschwerdeführerin aufgrund der entstandenen Schande als auch die Familie des Vergewaltigers den Tod der Beschwerdeführerin wünschen. Für Marokkaner sei es ein leichtes nach Spanien zu gelangen und könnte die Beschwerdeführerin der spanische Staat nicht schützen. Weiters habe die Beschwerdeführerin bei der Einvernahme am 21.11.2019 angegeben, medizinische, gynäkologische Probleme die Gebärmutter betreffend zu haben. Die behandelnde Ärztin habe die Beschwerdeführerin zu einem Spezialisten überwiesen. Da weder die Beschwerdeführerin noch die behandelnde Ärztin eine genaue Diagnose stellen könnten, fuße die Feststellung des BFA zum gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin auf einer Fehlannahme.

Zusammen mit der Beschwerdeergänzung wurde ein Deutschzertifikat auf dem BF1 Niveau vom April 2019 für die Beschwerdeführerin vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige aus Marokko, stellte am 22.10.2019 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war sie im Besitz eines gültigen, von der spanischen Botschaft ausgestellten Visums (Gültigkeitsdauer von 16.09.2019 bis 30.10.2019). Sie war nach ihrem Aufenthalt in Spanien, wo sie lediglich zwei bis drei Tage aufhältig war, weiter über Deutschland, wo sie rund zwölf Tage war, nach Österreich gelangt.

Das BFA richtete am 25.10.2019 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Spanien, welchem Spanien mit Schreiben vom 05.11.2019 ausdrücklich gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zustimmte.

Besondere, in der Person der Beschwerdeführerin gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Spanien sprechen, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Spanien an.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das spanische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Spanien den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan. Der pauschale Hinweis in der Beschwerde, sie könnte in Spanien als vulnerable Person Probleme beim Zugang zu Versorgung haben, gestaltet sich als bei Weitem zu vage, als dass darin eine Verletzung von Art. 3 EMRK erkannt werden könnte.

Die Beschwerdeführerin leidet laut eigenen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA an gesundheitlichen Problemen mit der Gebärmutter und psychischen Problemen, diese gesundheitlichen Beschwerden wurden bereits in Marokko behandelt.

Vor dem Hintergrund der Länderberichte zu Spanien hat sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die gesundheitlichen Beschwerden der Beschwerdeführerin nicht in Spanien behandelbar sind und es ist bei Inanspruchnahme dieser Möglichkeiten nicht davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin im Falle einer Überstellung nach Spanien verschlechtert. Die Überstellbarkeit der Beschwerdeführerin, im Sinne der Reisefähigkeit, ist gegeben.

Besonders ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Demgegenüber leben laut Ausführungen der Beschwerdeführerin drei Cousinen von ihr in Spanien, zu denen jedoch der Kontakt verneint wird.

2. Beweiswürdigung:

Auf Grund des vorliegenden Treffers in der VIS-Datenbank steht fest, dass die Beschwerdeführerin über ein von 16.09.2019 bis 30.10.2019 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt von der spanischen Botschaft in Tangier, verfügte. Ihren glaubhaften Angaben lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerin unter Verwendung dieses Visums über Spanien in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreiste.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin seitens Spaniens ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der spanischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Spanien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das spanische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Spanien den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat die Beschwerdeführerin sohin nicht dargetan.

Die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihren eigenen Angaben. Befunde wurden keine vorgelegt. Eine Pflegebedürftigkeit im Sinne einer Abhängigkeit von Dritten aufgrund der Erkrankung wurde nicht vorgebracht und konnte auch sonst nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführerin führte aus, sie nehme wegen Problemen in der Gebärmutter Antibiotikum und ein Gel zur Reinigung des Mutterleibes, sie habe Probleme mit dem Eisprung und habe eine Zyste an den Eierstöcken. Über ihre Beschwerden legte die Beschwerdeführerin einzig eine mit Februar 2017 datierte ärztliche Bestätigung aus Marokko vor. Die Beschwerdeführerin gab auf Nachfrage an, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme bereits seit acht Monaten in Marokko behandelt werde.

Das BFA hielt im Rahmen der Einvernahme Rücksprache mit der Krankenabteilung und der Psychologin vom ORS gehalten. Die Psychologin teilte mit, dass mit der Beschwerdeführerin eine "normale Gesprächstherapie" im Zuge der Betreuung geführt wird. Von der Krankenstation wurde mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin bei der Erstuntersuchung am 23.10.2019 angab, sie ahbe marokkanische Antidepressive genommen wegen Schlafproblemen, diese habe sie aber selbstständig abgesetzt. Am 06.11.2019 wurde die Beschwerdeführerin wegen Schmierblutungen, Magenbrennen und eines grippalen Infektes in der Krankenstation vorstellig. Am 18.11.2019 wurde ein Harnwegsinfekt festgestellt. Es wurden der Beschwerdeführerin die Medikamente Selixid (Antibiotikum) 3 x 1 für 6 Tage, Tantum Rosa (Vaginalspülung), Dölderlein Med (vag. Kapseln) und Pevisone Creme (gegen Pilzerkrankung) verabreicht.

In der Beschwerdeergänzung wurde zunächst behauptet, dass die Hauptsorge im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Spanien nicht die medizinische Versorgung darstelle, sondern die Angst vor Verfolgung. Weiters wurde behauptet, die Beschwerdeführerin habe medizinische gynäkologische Probleme die Gebärmutter betreffend geschildert. Die behandelnde Ärztin habe die Beschwerdeführerin zu einem Spezialisten überwiesen und es liege daher noch keine genaue Diagnose die Beschwerdeführerin betreffend vor und es werde befürchtet, die Beschwerdeführerin würde in Spanien keine hinreichende medizinische Versorgung erhalten. In der Beschwerde wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin benötige regelmäßige Untersuchungen und Behandlungen, die sie ihrer Meinung nach in Spanien nicht bekomme. Die Beschwerdeführerin sei der Meinung, dass das BFA ihren Gesundheitszustand nicht ausreichend berücksichtigt habe und wurde darauf verwiesen, dass sich aus den Länderberichten ergebe, in Spanien seien drei NGOs zuständig für Asylwerber mit psychischen Bedürfnissen, es würden Plätze für Asylsuchende reserviert werden, jedoch nicht ausschließlich für diese Gruppe. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass sich keine Anhaltspunkte unter Zugrundelegung der Länderberichte zu Spanien ergeben haben, dass die Beschwerdeführerin, welche bereits in Marokko an gynäkologischen Beschwerden und psychischen Problemen litt und behandelt wurde, nicht auch in Spanien entsprechende Medikamente und Behandlungen sowie Therapien für ihre gesundheitlichen Beschwerden erhalten sollte.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass die Beschwerden nicht hinreichend abgeklärt sind und die Behandlung der Beschwerdeführerin in Spanien nicht gesichert erscheint, ist dem entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin einzig eine ärztliche Bestätigung vom Februar 2017 aus Marokko vorgelegt hat, das BFA jedoch Rücksprache mit der Psychologin und der Krankenstation, wo die Beschwerdeführerin in Österreich behandelt wird, gehalten hat, weshalb der entscheidungsrelevante Sachverhalt hinreichend geklärt ist unter Berücksichtigung der Länderberichte zu Spanien. Es wurde insgesamt kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen zu in Österreich nicht vorhandenen familiären und sozialen Anknüpfungspunkten beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin sowie auf Abfragen des Zentralen Melderegisters und des Betreuungsinformationssystems.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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