Entscheidungsdatum
14.01.2020Norm
BBG §40Spruch
W133 2225704-1/3E
W133 2225858-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , gegen
1.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 31.10.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten sowie
2.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 12.11.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses
zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden mit der Maßgabe als unbegründet
abgewiesen, dass die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch des erstangefochtenen Bescheides vom 31.10.2019 entfällt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in beiden Fällen
nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte am 15.05.2019 Anträge auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten und auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) und legte ein umfangreiches Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.09.2019 ein. In diesem wurden nach einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB %
1
Rezidivierende depressive Episoden Oberer Rahmensatz, da trotz intensiver Therapie bisher nur vorübergehende Stabilisierung
03.06.01
40
2
Speiseröhre - Gastroösophagealer Reflux Unterer Rahmensatz, inkludiert die beschriebenen Beschwerden, kein Nachweis über höhergradige Veränderungen
07.03.05
10
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass Leiden 1 durch Leiden 2 nicht erhöht werde, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen den beiden Leiden bestehe. Das akute Cervikalsyndrom und die akuten Kniegelenksbeschwerden hätten nicht beurteilt werden können, da eine unzureichende Befundlage vorliege und diese Leiden nicht dauerhaft bestehen würden. Der Reflux habe aufgrund der unzureichenden Befundlage nicht höher bewertet werden können.
Mit Schreiben vom 03.10.2019 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 30.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.
Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme, das eingeholte Gutachten wurde von ihm nicht bestritten.
Mit dem nunmehr erstangefochtenen Bescheid vom 31.10.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) ab und stellte fest, dass der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Dies erfolgte unter Zugrundelegung des oben angeführten ärztlichen Sachverständigengutachtens.
Mit dem nunmehr zweitangefochtenen Bescheid vom 12.11.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde ebenfalls auf das ärztliche Sachverständigengutachten, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage.
Gegen beide Bescheide erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.11.2019 bzw. 22.11.2019, bei der belangten Behörde fristgerecht eingelangt am 18.11.2019 bzw. 25.11.2019, Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht. In den Beschwerden, welche inhaltlich ident sind, führt der Beschwerdeführer aus, dass er seine Kniegelenksbeschwerden an beiden Knien bekanntgegeben habe. Er sei bereits 1999 am linken Knie an einem Knorpelschaden operiert worden, dadurch habe er immer das rechte Knie mehr beansprucht und schließlich einen gravierenden Meniskusschaden bekommen, der bereits operiert worden sei. Die großen Abnützungen der beiden Knie würden ihm sehr große Schmerzen bereiten, längere Strecken könne er nicht zu Fuß zurücklegen. Er habe auch dementsprechende Befunde, Röntgenbilder und MR-Bilder. Mit seiner rechten Schulter sei er auch schon ein Jahr in Behandlung, die Steifheit habe er den ganzen Tag. Diese sei von den Abnützungen und sei nicht reparierbar. Auch diesbezüglich sei ein MR-Befund vorhanden. Er versuche seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen, indem er wieder um Reha angesucht habe.
Am 25.11.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerden und den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte am 15.05.2019 Anträge auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten und auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Er ist österreichischer Staatsbürger, hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und steht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Rezidivierende depressive Episoden, trotz intensiver Therapie bisher nur vorübergehende Stabilisierung;
2. Speiseröhre - Gastroösophagealer Reflux, inkludiert die beschriebenen Beschwerden.
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 40 v. H.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.09.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.
Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung der gegenständlichen Anträge basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus einem vom erkennenden Gericht aktuell eingeholten ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er nicht österreichischer Staatsbürger wäre und seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer aktuell in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis steht, basiert auf einem aktuell eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.09.2019. In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Untersuchung auseinander. Die getroffene Einschätzung, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Der Beschwerdeführer leidet unter rezidivierenden depressiven Episoden, es handelt sich dabei um das führende Leiden. Die von der Sachverständigen getroffene medizinische Zuordnung dieses Leidens zur Positionsnummer 03.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung ist nachvollziehbar und richtig. Diese Positionsnummer betrifft depressive Störungen leichten Grades. Auch die Zuordnung drei Stufen über dem unteren Rahmensatz ist nachvollziehbar und richtig. Beim Beschwerdeführer liegt trotz intensiver Therapie bisher nur eine vorübergehende Stabilisierung vor. Die Zuordnung zur nächst höheren Positionsnummer 03.06.02 (Depressive Störungen mittleren Grades) würde insbesondere bedingen, dass es dem Antragsteller schwerfallen würde, seine Arbeitstätigkeit und seine sozialen Kontakte aufrecht zu erhalten. Dies ist allerdings nicht der Fall, der Beschwerdeführer ist beruflich äußerst aktiv und arbeitet - wie sich aus einem vorgelegten Befund eines näher genannten Rehabilitationszentrums vom 12.07.2017 ergibt - bis zu 80 Wochenstunden. Dass ihm die Aufrechterhaltung seiner sozialen Kontakte schwerfallen würde, wurde vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht und ist nicht belegt.
Auch das Leiden 2 wurde korrekt der Positionsnummer 07.03.05 "Gastroösophagealer Reflux" der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Der Sachverständige begründete die Einstufung im unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer nachvollziehbar mit dem Umstand, dass beim Beschwerdeführer kein Nachweis über höhergradige Veränderungen vorliegt. Die vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner persönlichen Untersuchung am 24.09.2019 beschriebenen Beschwerden sind im Rahmen dieser Einstufung inkludiert. Der Reflux konnte von der beigezogenen Sachverständigen aufgrund der vorliegenden Befundlage nicht höher bewertet werden.
Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde betreffend Kniegelenksbeschwerden und seine rechte Schulter ist festzuhalten, dass diese Leiden nicht beurteilt werden konnten, da der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren keine diesbezüglichen Befunde vorgelegt hat. Weder im Rahmen des Parteiengehörs noch im Rahmen der Beschwerde legte er - trotz der Angabe in der Beschwerde, dass er über entsprechende Befunde verfüge - keine medizinischen Unterlagen vor, die einschätzungsrelevante Funktionseinschränkungen an den Knien oder der rechten Schulter belegen würden. Schließlich ist auszuführen, dass in einem vom Beschwerdeführer im Rahmen der Antragstellung vorgelegten Entlassungsbericht eines näher genannten Therapiezentrums vom 26.05.2018 im Rahmen der Statuserhebung ein völlig unauffälliger Zustand des Bewegungsapparates dokumentiert ist. Dieser Befund deckt sich auch mit den Untersuchungsergebnissen im Rahmen der aktuellen Begutachtung:
"Wirbelsäule, Becken: Die Wirbelsäule ist nicht klopfempfindlich, keine Myogelosen, muskulärer Hartspann Schultergürtel. Der Verlauf ist gerade, keine verstärkte Kyphose der BWS.
HWS: Kinn-Jugulumabstand 1 Querfinger, Retroflexion nicht eingeschränkt. Seitneigung und Rotation endlagig schmerzhaft eingeschränkt.
BWS: Seitneigung bis Fibulaköpfchen, Brustkorb Drehung mit Blick zurück möglich LWS: Fingerbodenabstand 10cm. Schoberindex 10/15. Beckenstand gerade.
Obere Extremität, Schultern: die Schulterbeweglichkeit ist frei, der Nackengriff ist durchführbar, der Schürzengriff ist durchführbar. Die grobe Kraft ist seitengleich und symmetrisch, Ellbogen-, Hand- und Fingergelenke sind frei beweglich. Beidseits fester und vollständiger Faustschluss.
Untere Extremität: Die Haut ist altersentsprechend, keine Varizen, keine Ödeme. Knie rechtsgeschwollen, derzeit Erguss. s:0-0-90°. Knie links frei beweglich. Die Hüft- und Fußgelenke frei beweglich und bandstabil. Beine können im Liegen selbstständig gestreckt von der Unterlage gehoben werden. Grobe Kraft seitengleich, keine sensiblen Ausfälle. Die Fußpulse sind tastbar, Lasegue bds. negativ.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Trägt Konfektionsschuhe, geht frei ohne Hilfsmittel, harmonisches, flottes, flüssiges Gangbild, unbehinderte Abrollbewegung, Aufstehen ohne Abstützen, Zehen- Fersengang durchführbar, Einbeinstand beidseits durchführbar. An- und Entkleiden zügig und selbstständig im Stehen, Oberkleidung über dem Kopf problemlos möglich.
Seiltänzergang mit offenen und geschlossenen Augen problemlos ohne Falltendenz oder Abweichen auf eine Seite möglich"
Die getroffene Einschätzung erweist sich somit auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung anlässlich der Begutachtung und der vorgelegten medizinischen Befunde nachvollziehbar und richtig.
Dass die Gutachterin die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hat, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, das vorliegende Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 30.09.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die beiden zu beurteilenden Verfahren werden gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45.
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
....
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) lauten auszugsweise:
"Begünstigte Behinderte
§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürgern sind folgende Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt:
1. Unionsbürger, Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, Schweizer Bürger und deren Familienangehörige,
2. Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind,
3. Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, soweit diese Drittstaatsangehörigen hinsichtlich der Bedingungen einer Entlassung nach dem Recht der Europäischen Union österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen sind.
4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)
(2) Nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 gelten behinderte Personen, die
a) sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder
b) das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht in Beschäftigung stehen oder
c) nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen oder
d) nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und infolge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) nicht in der Lage sind.
(3) Die Ausschlussbestimmungen des Abs. 2 lit. a gelten nicht für behinderte Personen, die als Lehrlinge in Beschäftigung stehen, eine Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege absolvieren, an einer Hebammenakademie oder einer entsprechenden Fachhochschule ausgebildet werden oder zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulausbildung erfordernden Beruf nach Abschluss dieser Hochschulausbildung beschäftigt werden und die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen.
...
Behinderung
§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
...
Feststellung der Begünstigung
§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ( § 2 ) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Personen angehören zu wollen.
(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit derder Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.
...
§ 19. (1) Die Beschwerdefrist bei Verfahren gemäß §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt bei Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen bei Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
..."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige und widerspruchsfreie allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 30.09.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 40 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende aktuelle Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 40 v.H. beträgt.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Im gegenständlichen Fall sind daher auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG, wonach begünstigte Behinderte österreichische Staatsbürger bzw diesen nach § 2 Abs. 1 Z1 BEinstG gleichgestellte Unionsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. sind, nicht gegeben.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Feststellung der Begünstigteneigenschaft in Betracht kommt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118). Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt auch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.
Was den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde im erstangefochtenen Bescheid vom 31.10.2019 den Grad der Behinderung des Beschwerdeführers mit 40 v. H. festgestellt hat, ist auf den ausdrücklichen Wortlaut des § 14 Abs. 2 1. Satz BEinstG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach dem Gesetz nicht entnommen werden kann, dass im Verfahren zur Feststellung der Begünstigteneigenschaft der Grad der Behinderung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG, also wenn der Grad der Behinderung mit weniger als 50 v.H. eingeschätzt wird, bescheidmäßig festzustellen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.04.2012, Zl. 2010/11/0173), zu verweisen.
Die Beschwerden waren daher spruchgemäß mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass die Feststellung des Grades der Behinderung im Spruch des erstangefochtenen Bescheides entfällt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2225858.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.04.2020