TE Bvwg Beschluss 2020/1/16 I421 2000108-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2020
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Entscheidungsdatum

16.01.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I421 2000108-3/7E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2019, Zl. 13-831829500/200033238, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX (alias XXXX) XXXX, geb. XXXX (alias XXXX), StA. Nigeria, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Fremde gab bei der Erstbefragung durch ein Organ der PI Traiskirchen EAST am 14.12.2013 den im Spruch genannten Nachnamen sowie den dort erstgenannten Vornamen an, er sei am XXXX in Nigeria geboren, ledig, christlich, gehöre der Volksgruppe der Ibu an, habe von 1987 bis 1995 die Grundschule sowie von 1995 bis 2002 die Mittelschule besucht, danach von 2007 bis 2010 die Universität, jedoch nicht abgeschlossen. Er habe keine Berufsausbildung absolviert.

Seine Eltern seien verstorben, Geschwister habe er nicht. Seine Mutter sei christlich gewesen, sein Vater Moslem, er habe sich für die Religion seiner Mutter entschieden, nach dem Tod seiner Eltern hätte die Gemeinde seines Vaters gewollt, dass er zu ihrem Glauben übertrete, deshalb habe er um sein Leben gefürchtet.

Im September 2010 habe er Lagos verlassen, sei bis Griechenland gereist, nach eineinhalb Jahren weiter nach Österreich und dort im Juni 2013 angekommen.

Bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 17.12.2013 gab er zum Fluchtgrund über sein Vorbringen in der Erstbefragung hinaus an, nach dem Tod seines Vaters hätte er dessen Platz in der Gemeinde übernehmen sollen. Er sei von Mitgliedern der Gemeinde seines Vaters nach Abuja gebracht worden, man habe "eine Art Flüssigkeit gemischt mit Blut, die ich hätte zubereiten und trinken sollen" gebracht, er habe sich geweigert und Bedenkzeit verlangt. Eine Woche später hätten sie ihn in der Schule aufgesucht, mit Messern bedroht und "gejagt". Die Schulbehörde und die Polizeistation in seinem Schulort Aba hätten ihm geraten, deswegen "wegzugehen". Die Polizei habe auch Geld von ihm gewollt, um seine Verfolger zu töten. Ansonsten habe er keine politischen oder "ähnliche" Gründe.

Auf die Frage nach seinen Gegnern gab der Fremde an, es sei "eigentlich nur mein Onkel" gewesen, der Vater seines Bruders, die ganze Familie seines Onkels seien Moslems und hätten ihn bedroht, dies sei im Jahr 2009 gewesen, das erste Mal am 30.06., das zweite Mal im August. Es habe sich dabei um den Sohn seines Onkels und fünf weitere Personen gehandelt.

Auf die Frage nach weiteren Details gab der Fremde an "Ja.... Jetzt fällt mir noch etwas ein, sie haben auch meine Mutter getötet, unser Haus niedergebrannt,.... Es war 2009 vielleicht im Dezember... Ich war schon in Lagos und habe das gehört". Auf die Frage, wann genau er nach Lagos gegangen sei, gab der Fremde an "August... nein.... September 2009".

Mit Bescheid vom 19.12.2013, Zl. 13 18.295-BAT wies das Bundesasylamt den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 12.12.2013 gemäß den §§ 3 (Spruchpunkt I.) sowie 8 betreffend seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) ab und wies ihn gemäß § 10 Absatz 1 AsylG nach Nigeria aus.

Mit Eingabe vom 20.12.2013 erhob der Fremde gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes Beschwerde und erstattete begründend dazu Ausführungen ausschließlich in englischer Sprache.

In Entsprechung eines Verbesserungsauftrages des Bundesverwaltungsgerichtes brachte der Fremde vor, seine Verwandten väterlicherseits hätten immer Probleme mit seiner Religion gehabt, seine Mutter habe ihn beschützt. Als jedoch Vater und Mutter gestorben seien, habe der Bruder seines Vaters gewollt, dass er zum Islam konvertiere und ihn zu einem Ritual zu seiner Konvertierung eingeladen; da er nicht hingegangen sei, habe sich dieser beleidigt gefühlt und ihn überallhin verfolgt. Er sei von einer bewaffneten Gruppe in seiner Hochschule aufgesucht worden, zu diesem Zeitpunkt habe er sich im Dorf XXXX versteckt, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Er sei zur Polizei gegangen und habe um Schutz gebeten, diese habe jedoch Geld verlangt, er habe jedoch keines gehabt.

Mit handschriftlicher Stellungnahme vom 07.01.2015 gab der Fremde an, sein Vater sei im Alter von 52 Jahren im Jahr 1996 verstorben und Kleinhändler und Imam in Joos, Plateau-State, dem Wohnort der Familie, gewesen, die Mutter, christlichen Glaubens, sei 2006 mit 45 Jahren ebendort gestorben, wo sie auch geboren worden sei; auch sie sei wie sein Vater Kleinhändlerin im Lebensmittelhandel gewesen. Er selbst habe von 1987 bis 1995 in Joos die Grundschule besucht sowie von 1995 bis 2002 die Hauptschule, danach habe er eine Polytechnische Universität, vergleichbar mit einer Fachhochschule in Österreich, in Abia State besucht, dies von 2007-2010, jedoch ohne Abschluss, da er als Kleinhändler gearbeitet habe, sich das Studium zeitlich und finanziell nicht ausgegangen sei, da er nach dem Tod seiner Mutter 2006 das "ganze Geschäft alleine meistern" habe müssen.

Mit Mail vom 14.02.2018 teilte die Rechtsvertretung des Fremden mit, sie könne zu der mit Schreiben vom 08.02.2018 erfolgten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme keine Stellungnahme abgeben, da der Fremde für sie weder telefonisch noch sonst wie erreichbar sei.

Mit Beschluss vom 16.02.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Absatz 2 AsylG ein.

Mit Schreiben vom 27.02.2018 teilte die Rechtsvertretung des Fremden mit, dieser habe während des gesamten Zeitraumes über eine gültige Meldeadresse verfügt und lediglich seine Telefonnummer geändert.

Mit Schreiben vom 01.03.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Fremden unter einem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat zum rechtlichen Gehör sowie einen Fragenkatalog zu seiner persönlichen Situation.

Mit Eingabe vom 06.03.2018 gab der Fremde bekannt, sein richtiger Name laute XXXX, sein richtiges Geburtsdatum laute XXXX, er sei in Imu-State, Nigeria geboren. Dazu übermittelte der Fremde die Kopie eines englischsprachigen Dokumentes "National Population Commission", laut Kopfzeile sowie einem Stempel ausgestellt am 04.12.2017.

Mit Stellungnahme vom 14.03.2018 gab der Fremde bekannt, er sei wegen Bluthochdruck in ärztlicher Behandlung und müsse regelmäßig Medikamente nehmen, dabei handle es sich um Lisinopril-ratiopharm. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen, jedoch lebten seine Ehefrau, eine slowakische Staatsbürgerin, sowie das gemeinsame Kind in der Slowakei. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch den Verkauf eines Magazins auf der Straße. Er wohne in Wien zusammen mit einem engen Freund und habe darüber hinaus viele Freunde in Österreich. Er besuche seit 09.11.2017 Kurse bei XXXX Wien zum Spracherwerb, weiters solche mit Inhalten betreffend Bewerbung sowie EDV und mache eine Ausbildung als Friseur. Er besuche sonntags die Kirche und sei ein regelmäßiges Mitglied der englischsprachigen Gemeinde der XXXX Wien.

Vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe seine Mutter seinen Lebensunterhalt finanziert, sei jedoch wegen ihrer Religion vom Onkel des Fremden getötet worden. Er habe Cousins und Neffen in Nigeria, jedoch keinen Kontakt mit diesen. Der nigerianische Staat könne ihn vor der Bedrohung durch seine Verwandten nicht schützen.

Am 16.04.2018 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Der Fremde gab an, dass ein naher Angehöriger namens XXXX ihn gemeinsam mit anderen Leuten töten habe wollen, da er gewollt habe, dass er das Erbe seines Vaters antrete und Imam werde. Von seiner Mutter sei er allerdings christlich erzogen worden und deswegen habe er nicht zum Islam konvertieren wollen. Schließlich sei er von seinen Onkeln XXXX und XXXX dazu gezwungen worden zu einem Imam zu gehen, damit man danach über die Verwendung der Ressourcen seines Vaters sprechen könnte. Dort hab allerdings eine Art Initiation stattgefunden und die Anwesenden haben Blut in eine Schale tropfen lassen. Er habe sich aber geweigert, da er ja Christ sei und man habe ihn mit dem Umbringen bedroht, da er ja nun dieses Geheimnis preisgeben hätte können. Danach habe man ihn verfolgt, gejagt und sei mit Messern an seiner Schule aufgekreuzt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.05.2018, Zl. I406 2000108-1/27E, wurde die gegen den Bescheid vom 19.12.2013 erhobene Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2018, Zl. 831829500 - 1767920/BMI-BFA_WIEN_RD wurde dem Fremden ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Sie erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.). Zugleich wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ein auf die Dauer von 10 (zehn) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Ferner wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2018, Zl I414 2000108-2/3E, wurde die gegen den Bescheid vom 06.11.2018 erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Am 23.12.2019 stellte der Fremde seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und gab bei der am selben Tag stattfindenden Erstbefragung an, dass sich seine Fluchtgründe bzw. seine Gründe in persönlicher Hinsicht seit seiner letzten Asylantragsstellung nicht geändert haben. 2017 habe er in Italien geheiratet und am XXXX2017 sei sein Sohn in der Slowakei auf die Welt gekommen. Seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle er, damit er mit seiner Frau und seinem Kind in Wien ein gemeinsames Leben führen könne. Die Änderungen seiner Situation seien ihm bereits seit der Geburt seines Sohnes 2017 bekannt.

Am 03.01.2020 wurde der Fremde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er gab an, dass sich seit Abschluss seines Asylverfahrens in Dezember 2018 folgendes geändert habe: Er sei im Gefängnis gewesen und habe ein Deutschzertifikat Niveau A1 erhalten. An seinen Fluchtgründen habe sich jedoch nichts geändert. Die Moslemblutsbrüder haben ihn zu Anschlägen/Angriffen zwingen wollen, er habe dies jedoch abgelehnt. Zudem habe er im Gefängnis eine Operation am Auge gehabt und leide an Bluthochdruck, sei ansonsten aber gesund. Sein Auge sei bei einem Streit in der Justizanstalt verletzt worden und an Bluthochdruck leide er seit 2013.

In einer Stellungnahme vom 07.01.2020 führte der Fremde aus, dass er eine Frau und einen Sohn in der Slowakei habe und sein Bruder in Wien lebe. Nach seiner Entlassung möchte er bei seinem Bruder in Wien leben und sich im sozialen Wien integrieren. Er habe seit 09.03.2018 eine Firma als Zeitungsverkäufer und verdiene im Monat ca. 750-800 Euro. Auch sei er in ärztlicher Behandlung, nehme zweimal pro Tag Tabletten und Augentropfen wegen seiner Operation.

Am 13.01.2020 wurde der Fremde neuerlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er erklärte nochmals, dass er in Nigeria Mitglied eines Kultes gewesen und davongelaufen sei, weswegen er als Verräter betrachtet werde und in Nigeria getötet werden würde. Außerdem sei das medizinische System Nigerias entgegen dem Länderinformationen schlecht, da alles privat sei und man sich ohne Geld eine medizinische Versorgung nicht leisten könne. Er könne seine Augen in Nigeria folglich nicht behandeln lassen und habe dort auch keinen Ort zu wohnen und keine familiären Anknüpfungspunkte.

In weiterer Folge wurde gegenüber dem Fremden am 13.01.2020 mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG iVm § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Der Verwaltungsakt wurde der zuständigen Gerichtsabteilung I421 des Bundesverwaltungsgerichts am 15.01.2020 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Fremde ist ein Staatsangehöriger Nigerias und christlichen Glaubens. Seine Identität steht nicht fest.

Der Fremde leidet nicht an schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstünden. So leidet er bereits seit 2013 an Bluthochdruck und nimmt täglich das Medikament Exforge HCT FTBL 10/160/25 ein, welches auch in Nigeria erhältlich ist. Außerdem leidet er an einer posttraumatischen Mobilitätsstörung nach einer medizinischen Operation einer Orbitawandfraktur mit Rekonstruktion am 12.09.2019, weswegen es noch zu Doppelbildern kommt. Allerdings haben sich die Doppelbilder gebessert und wurden diesbezüglich lediglich Bewegungsübungen verordnet, welche auch in Nigeria durchführbar sind.

Der Fremde verfügt über mehrjährige Schulbildung im Herkunftsstaat, war dort mehrere Jahre im Kleinhandel berufstätig und verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat.

Der Fremde hält sich seit Dezember 2013 in Österreich auf. In Österreich verfügt er über keine familiären Anknüpfungspunkte, jedoch ist er mit einer slowakischen Staatsbürgerin, wohnhaft in der Slowakei, verheiratet und hat mit dieser ein gemeinsames Kind

Der Fremde verkaufte eine Straßenzeitung und verfügt über ein Deutschzertifikat Niveau A1, darüber hinaus weist er keinerlei sprachliche, soziale oder integrative Verfestigung in Österreich auf.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) LG XXXXvom 25.06.2014 RK 30.06.2014

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

§§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG

Datum der (letzten) Tat 27.05.2014

Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 11.10.2015

zu LG XXXX RK 30.06.2014

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 25.07.2014

LG XXXXvom 29.07.2014

zu LG XXXX RK 30.06.2014

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom 28.10.2014

02) LG XXXX vom 28.10.2014 RK 22.12.2014

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

Datum der (letzten) Tat 11.10.2014

Freiheitsstrafe 12 Monate

zu LG XXXX RK 22.12.2014

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 31.10.2015, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 07.09.2015

zu LG XXXX RK 22.12.2014

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 18.04.2016

zu LG XXXX RK 22.12.2014

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen - 5 -

BG XXXXvom 13.09.2017

03) BG XXXX vom 06.04.2017 RK 13.09.2017

§§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall, 27 (2), 27 (1) Z 1 8. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 22.03.2017

Freiheitsstrafe 4 Monate

04) LG XXXX vom 04.06.2018 RK 04.06.2018

§§ 27 (2a), 27 (3), 27 (5) SMG

Datum der (letzten) Tat 08.05.2018

Freiheitsstrafe 11 Monate

Der Fremde befindet sich derzeit in Haft.

Der erste Antrag auf internationalen Schutz des Fremden vom 14.12.2013 wurde rechtskräftig mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.12.2013, Zl. 13 18.295-BAT bzw. mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.05.2018, Zl. I406 2000108-1/27E negativ entschieden. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2018, Zl. 831829500 - 1767920/BMI-BFA_WIEN_RD bzw. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2018, Zl. I414 2000108-2/3E wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt.

Im gegenständlichen Asylverfahren brachte der Fremde keine glaubhaften Fluchtgründe vor, aus welchen sich ein objektiv neuer Sachverhalt ergibt.

Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Nigeria (Sicherheitslage, Gesundheitsversorgung usw.) noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist in den letzten eineinhalb Jahren und damit seit Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidungen eine maßgebliche Änderung eingetreten.

Dem Fremden droht im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria keine Verfolgung. Es droht dem Fremden keine Todesstrafe, keine Folter oder menschenunwürdige Behandlung oder Strafe im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat. Auch eine Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung droht dem Fremden nicht.

Der nunmehrige Folgeantrag wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der festgestellte maßgebliche Sachverhalt gründet sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zur Person des Fremden und seiner Herkunft ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Mangels Vorliegens eines identitätsbezeugenden Dokumentes steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellungen betreffend die Religionszugehörigkeit des Fremden ergeben sich aus den Aussagen des Fremden vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand ergibt sich aus seinen Aussagen und den vorgelegten medizinischen Befunden. Dass das Bluthochdruckmedikament in Nigeria erhältlich ist, ergibt sich aus einer Internetrecherche des Bundesverwaltungsgerichtes (http://rxnigeria.com/items?task=view&id=5191).

Aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Fremden vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gründet sich die Feststellung hinsichtlich seiner familiären Anknüpfungspunkte in Nigeria und seiner Schulausbildung sowie Berufserfahrung.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Fremden in Österreich ergeben sich aus seinen Aussagen und aus einem Auszug aus dem Zentralem Melderegisters vom 13.01.2020.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse, die Lebensumstände und die Integration des Fremden in Österreich beruhen auf den Aussagen des Fremden vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und haben sich seit Abweisung des ersten Antrages des Fremden auf internationalen Schutz auch nicht wesentlich verändert.

Der Fremde gab zwar in seiner Stellungnahme vom 07.01.2020 erstmals an, dass er einen Bruder in Wien habe, allerdings kann dieser Aussage keine Glaubwürdigkeit zugesprochen werden, zumal er weder im Vorverfahren noch in seinen Einvernahmen vom 03.01.2020 und vom 13.01.2020 diesbezüglich etwas erwähnte.

Die Feststellungen betreffend die Ehefrau sowie das Kind des Fremden beruhen auf seinen Angaben sowie den von ihm vorgelegten Unterlagen und wurden bereits in seinem Vorverfahren entsprechend berücksichtigt.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Delinquenz des Fremden beruht auf dem Strafregister der Republik Österreich.

Dass sich der Fremde derzeit in Haft befindet, ergibt sich aus dem Auszug aus dem Zentralen- Melderegister vom 13.01.2020.

Die Feststellungen zu seinem bisherigen Verfahren und dem vorangegangenen Asylverfahren ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister. Bei seiner Erstbefragung am 28.12.2019 gab der Fremde lediglich an, dass sich seine Fluchtgründe nicht verändert haben und er seinen Asylantrag stelle, um mit seiner Frau und seinem Sohn in Wien leben zu könne (AS 9). Auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2020 erklärte der Fremde, dass er seine Gründe bereits im Erstverfahren angegeben habe (AS 189). Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2020 sprach er auch nur neuerlich von der bereits angeführten Verfolgung durch einen Kult (AS 495).

Die Feststellung, dass sein Folgeantrag zurückzuweisen sein wird, ergibt sich aus der Überlegung, dass der Fremde folglich selbst mehrfach anführte, keine neuen Fluchtgründe zu haben.

Ein Abgleich zwischen den Länderfeststellungen des ersten Asylverfahrens und dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Nigeria. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Fremden auch nicht behauptet. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden unter nachstehenden Voraussetzungen aufheben, wenn der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG vorliegt:

1. Gegen den Fremden besteht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG,

2. der Antrag ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für den Fremden als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Als Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag zu qualifizieren. Im gegebenen Fall hat der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt. Als Staatsangehöriger von Nigeria ist der Fremde ein Drittstaatsangehöriger im Sinne der § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG.

Im gegenständlichen Verfahren sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG gegeben:

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.12.2013, Zl. 13 18.295-BAT bzw. mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.05.2018, Zl. I406 2000108-1/27E wurde der Erstantrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Nigeria rechtskräftig negativ entschieden. Dem Fremden droht keine asylrelevante Verfolgung in Nigeria. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2018, Zl. 831829500 - 1767920/BMI-BFA_WIEN_RD bzw. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2018, Zl. I414 2000108-2/3E wurde dem Fremden auch rechtskräftig ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung einschließlich der Feststellung erlassen, dass die Abschiebung des Fremden nach Nigeria zulässig ist sowie ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Diese Entscheidungen erwuchsen in Rechtskraft.

Beim gegenständlichen Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 23.12.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG und liegt auch kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG vor.

Der gegenständliche (insgesamt) zweite Antrag vom 23.12.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine allfällige Sachverhaltsänderung wurde in der Erstbefragung vom 23.12.2019 nicht behauptet. Auch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Fremde an dieselben Fluchtgründe zu haben wie im vorangegangenen Asylverfahren und bestätigte selbst, dass ihm diese Gründe bereits vor seiner Flucht bekannt gewesen seien.

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid eingetreten ist.

Ein auf das AsylG gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG aus:

Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Auch diesbezüglich wurden keine Sachverhaltsänderungen vorgebracht. Dass der Fremde an Bluthochdruck leidet, war bereits im Erstverfahren bekannt. Seine Sehprobleme sind nicht lebensbedrohlich und in Nigeria behandelbar.

Die Abschiebung würde auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen:

Auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und er in die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Der Fremde ist volljährig und erwerbsfähig. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte. Außerdem besteht ganz allgemein in Nigeria derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zu EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremde ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wird vom Fremden nicht vorgebracht. Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Fremde angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines Aufenthalts in Österreich nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden. Seine Ehe mit einer in der Slowakei lebenden Frau und seine Vaterschaft, wurden bereits im Vorverfahren entsprechend berücksichtigt.

Auf Grund der aktuellen Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass dem Fremden als Zivilperson durch die Rückkehr nach Nigeria eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erwachsen würde.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 13.01.2020 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2000108.3.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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