TE Bvwg Beschluss 2020/1/31 W165 2193211-1

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Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W165 2193211-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 26.03.2018, GZ: Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0007/2018, aufgrund des Vorlageantrages von XXXX , geb. XXXX , StA Somalia, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 11.01.2018, GZ: ET-ADD-OB-SP01_000121_2017, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Somalias, brachte am 31.08.2017 bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (im Folgenden: ÖB Addis Abeba), einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ein.

Als Bezugsperson wurde der angebliche Ehegatte der BF genannt, welcher nach Antragstellung am 18.07.2015, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) vom 08.06.2017, W159 2147240-1/5E, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Dem Antrag und Befragungsformular der BF waren in Kopie die relevanten Seiten der Reisepässe der BF und der Bezugsperson, die Geburtsurkunde der BF, das Asylerkenntnis der Bezugsperson, ein Sozialversicherungsdatenauszug der Bezugsperson, ein ZMR-Auszug der Bezugsperson und eine in Originalsprache und englischer Sprache abgefasste, am 12.04.2014 ausgestellte Bestätigung eines somalischen Gerichtes über eine am 20.03.2014 in XXXX erfolgte Eheschließung der BF mit der Bezugsperson ("Marriage Certificate") angeschlossen.

Die BF gab im Befragungsprotokoll zum Einreiseantrag das Hochzeitsdatum mit der Bezugsperson mit 20.03.2014 und den Ort der Eheschließung mit XXXX an.

Die Bezugsperson hatte in ihrer Erstbefragung im Asylverfahren am 19.07.2015 unter namentlicher Nennung ihrer angeblichen Ehefrau und deren Alters angegeben, traditionell verheiratet zu sein. Eine Einvernahme der Bezugsperson im Asylverfahren vor dem BFA ist infolge Säumnis des BFA unterblieben. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 23.05.2017 (Säumnisbeschwerdeverfahren) nannte die Bezugsperson ihren Hochzeitstag mit der BF insofern, als sie, nach persönlichen Diskriminierungen wegen ihrer Clanzugehörigkeit befragt, angab, dass es am Hochzeitstag mit der BF, und zwar am 20.03.2014, zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Familien und dabei auch zu Verletzungen mit einer Holzstange gekommen sei, nachdem die Familie ihrer Frau von der Hochzeit erfahren habe. Normalerweise dürfte sie eine Frau dieses Clans gar nicht heiraten. Sie hätten geheim geheiratet, aber nachher den Eltern Bescheid sagen müssen. Diese seien aber nicht einverstanden gewesen. Weitere Probleme mit der Familie ihrer Frau habe es nicht gegeben. Das sei nur ein einziges Mal gewesen.

Nachdem die Antragsunterlagen dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), übermittelt worden waren, teilte dieses der ÖB Addis Abeba mit Schreiben vom 12.12.2017 mit, dass die Gewährung des Status eines Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da der Antragsteller die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht nachweisen habe können und die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine. Die Volljährigkeit der Bezugsperson sei bereits gegeben, sodass die Einreise des antragstellenden Elternteiles mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern sei und die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen.

In der der Mitteilung des BFA vom 12.12.2017 angeschlossenen Stellungnahme vom 11.12.2017 wird näher ausgeführt, dass sich aus dem Ermittlungsverfahren bzw. den niederschriftlichen Angaben ergebe, dass die Eigenschaft als Familienangehöriger im Sinne von § 35 AsylG 2005 nicht bestehe. Die behauptete Gültigkeit der Ehe liege nicht vor, da diese gegen den ordre public-Grundsatz verstoße (Kinderehe, ab 16 Jahren ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters). Aufgrund der ha. aufliegenden Erkenntnisse über bedenkliche Urkunden aus dem Herkunftsstaat der Verfahrenspartei, wonach es möglich sei, jegliches Dokument mit jedem nur erdenklichen Inhalt, auch entgegen der wahren Tatsachen auch widerrechtlich zu erlangen, könne aus Sicht der Behörde keineswegs davon ausgegangen werden, dass das behauptete Familienverhältnis als erwiesen (im Sinne eines vollen Beweises) anzunehmen sei. Aus den niederschriftlichen Einvernahmen, dem Akteninhalt bzw. den Äußerungen der ÖB hätten sich zudem massive Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunden ergeben. Die Antragstellerin habe eine Geburtsurkunde vorgelegt, die in dieser Form der Botschaft noch nie vorgelegt worden und deswegen unbekannt sei. Zudem sei deutlich erkennbar gewesen, dass die beiden Unterschriften elektronisch hineinkopiert worden seien. Weiters seien somalische Reisepässe generell nicht anerkannt. Heiratsurkunden in Somali würden normalerweise mit einer "Arbeitsübersetzung" vorgelegt werden. Die gegenständlich vorgelegte Heiratsurkunde sie jedoch in Somali und Englisch gewesen. Ein Dokument dieser Art sei der Botschaft noch nie vorgelegt worden. Es habe augenscheinlich Schreibfehler bei Standardwörtern auf der Heiratsurkunde gegeben. Die Antragstellerin sei zum Zeitpunkt der Eheschließung 17 Jahre und 11 Monate und somit minderjährig gewesen. Eine Zustimmung der Eltern liege nicht vor. Die Bezugsperson habe in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG angegeben, dass er sie ihre Frau wegen deren Clanangehörigkeit gar nicht heiraten hätte dürfen. Nachdem die Familie ihrer Frau von der Hochzeit erfahren habe, sei es am Hochzeitstag (20.03.2014) zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Familien gekommen, bei der es auch zu Verletzungen mit einer Holzstange gekommen sei. Auch das Datum der Hochzeit stimme nicht mit der vorgelegten Heiratsurkunde überein. Im Zuge der Prüfung des bestehenden Familienverhältnisses hätten sich bei einer Gegenüberstellung der Angaben (Antrag, Zeugeneinvernahme, Angaben im Bezugsakt der Bezugsperson, etc.) gravierende Widersprüche ergeben. Aufgrund der angeführten Widersprüche und mangels vorgelegter relevanter und unbedenklicher Beweismittel (trotz Aufforderung dazu) sei keineswegs vom Nachweis im Sinne eines vollen Beweises des Familienverhältnisses auszugehen.

Mit Schreiben der ÖB Addis Abeba vom 12.12.2017, übernommen am 18.12.2017, wurde der BF unter Wiedergabe der Ausführungen des BFA der Mitteilung vom 12.12.2017 und unter Anschluss der Stellungnahme des BFA vom 11.12.2017 die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Mit Schreiben vom 21.12.2017 erstattete die BF durch ihre Rechtsvertreterin eine Stellungnahme:

Die BF und die Bezugsperson hätten zunächst heimlich und ohne Wissen der Eltern der BF an einem anderen Ort als ihrer Heimatstadt ( XXXX), geheiratet, da der Vater der BF die Eheschließung aufgrund der Clanzugehörigkeit der Bezugsperson abgelehnt habe. Derartige Eheschließungen ohne Zustimmung der Eltern seien in Somalia jedoch nicht gültig. Nach dieser heimlichen Hochzeit sei das Paar in seine Heimatstadt zurückgekehrt und hätte die Familie der BF von der Hochzeit informiert. Der Vater der BF sei zunächst mit der Heirat nicht einverstanden gewesen, habe jedoch nach einigen Tagen eingelenkt und auch einer gültigen Eheschließung im Beisein der Eltern zugestimmt. Diese nun offizielle Eheschließung vor einem Mullah mit Zustimmung der Eltern sei am 20.03.2014 in XXXX im Beisein der Familien und auch der Eltern der Eheleute erfolgt. Wenige Wochen nach der Heirat habe das Ehepaar die Ausstellung einer offiziellen Heiratsurkunde bei einem Gericht in XXXX beantragt, welche am 12.04.2014 ausgefertigt worden sei. Am Hochzeitstag sei es zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Familien gekommen, in die jedoch nicht die Eltern der Eheleute verwickelt gewesen seien. Die Auseinandersetzung habe zwischen den Brüdern und Cousins der Eheleute aufgrund der unterschiedlichen Clanzugehörigkeit der Eheleute stattgefunden. In der Folge sei es zu keinen weiteren Auseinandersetzungen der Familien mehr gekommen. Da auch die Eltern beider Eheleute der Hochzeit zugestimmt und auch die gültige Heirat veranlasst hätten, sei es dem Ehepaar möglich gewesen, nach der Hochzeit gemeinsam im Haus des Ehemannes zusammenzuleben. Dies wäre ohne die Zustimmung der Eltern der BF nicht möglich gewesen.

Die Aufforderung zur Stellungnahme enthalte keine näheren Konkretisierungen, worin die Widersprüche zwischen den Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft und den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben bestehen würden bzw. weshalb an der Angehörigeneigenschaft gezweifelt werde. Es sei dem Antragsteller somit nicht möglich, zu den Vorwürfen entsprechend Stellung zu nehmen.

Es handle sich um eine gültige Eheschließung einer 17-Jährigen, da diese (nachträglich) mit Zustimmung der Eltern erfolgt sei. Eine solche Eheschließung widerspreche nicht dem Grundsatz des ordre public und sei auch in Österreich gültig. Das BFA habe lediglich aus den allgemeinen Schilderungen eines Vorfalles am Tag der Hochzeit unzulässiger Weise auf die nicht vorliegende Zustimmung der Eltern der BF zur Eheschließung mit der Bezugsperson geschlossen. Den Angaben der Bezugsperson vor dem BVwG, wonach es lediglich am Tag der Hochzeit einen einzigen Vorfall gegeben habe und es in der Folge zu keinen weiteren Auseinandersetzungen mehr gekommen sei, sei nicht Rechnung getragen worden. Weshalb die vorgelegten Dokumente von der Botschaft als unbekannt qualifiziert würden, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, da es sich hier um gängige Formen von Geburts- und Heiratsurkunden aus den Regionen handle. Zweifel an der Echtheit der eingereichten Dokumente alleine könnten nicht Grund für eine Ablehnung des Antrages sein. Die Behörde müsse, sollte ein Antragsteller nicht in der Lage sein, seine familiären Bindungen mit amtlichen Unterlagen zu belegen, andere Nachweise für das Bestehen dieser Bindungen prüfen. Im vorliegenden Fall könnten sämtliche Einvernahmeprotokolle der Bezugsperson als weitere Beweismittel herangezogen werden, da diese ihre Ehefrau stets erwähnt habe. Die Familieneigenschaft sei gegeben.

Nach Erhalt der Stellungnahme der BF vom 21.12.2017 hielt das BFA mit Schreiben an die ÖB Addis Abeba vom 10.01.2018 seine negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht.

Mit Bescheid vom 11.01.2018, zugestellt am 01.02.2018, wies die ÖB Addis Abeba den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab. Begründend wurde ausgeführt, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass durch das Vorbringen der BF nicht unter Beweis gestellt habe werden können, dass die Stattgebung des Antrages auf internationalen Schutz wahrscheinlich sei. Der Antragsteller habe die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht nachweisen können und die Einreise des Antragstellers erscheine zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten. Die Volljährigkeit der Bezugsperson sei bereits gegeben, sodass die Einreise des antragstellenden Elternteiles mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern sei. Die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen.

Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 28.02.2018, worin im Wesentlichen das Vorbringen der Stellungnahme vom 21.12.2017 wiederholt wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG vom 26.03.2018 wies die ÖB Addis Abeba die Beschwerde als unbegründet ab. Im gegenständlichen Fall sei davon auszugehen, dass eine rechtskonforme Ehe nicht bestehe. Die angegebene, in Somalia geschlossene Kinderehe, widerspreche eindeutig den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung. Der Beweiswürdigung des BFA sei auch nicht entgegenzutreten, wenn dieses angesichts des Umstandes, dass es bei der Hochzeit eine Auseinandersetzung zwischen beiden Familien gegeben habe, bei der es auch zu Verletzungen mit einer Holzstange gekommen sei, davon ausgegangen sei, dass die Eltern der BF mit der Eheschließung nicht einverstanden gewesen seien; also - anders als in der Beschwerde behauptet - von einer Zustimmung der Eltern, wie diese das somalische Recht in einem, wie dem vorliegenden Fall, fordere, nicht auszugehen sei. Selbst aus der Behauptung der BF, die Eltern hätten sich an der Auseinandersetzung nicht beteiligt, lasse sich noch nicht der Schluss auf eine Zustimmung zur Eheschließung ziehen. Dem BFA ist auch nicht entgegenzutreten, wenn es vom Mangel relevanter unbedenklicher Beweismittel ausgegangen sei. Den Ausführungen des BFA zufolge sei der Antrag nicht nur wegen der bloßen allgemeinen Möglichkeit, gefälschte Dokumente zu erlangen, abgelehnt worden, sondern seien auch Bedenken in Bezug auf die konkret vorgelegten Unterlagen geäußert worden.

Am 05.04.2018 brachte die BF einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG bei der ÖB Addis Abeba ein.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 18.04.2018, eingelangt am 23.04.2018, wurde dem BVwG der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt werden zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.

Im Befragungsformular zum Einreiseantrag der BF wurde das Eheschließungsdatum mit der Bezugsperson mit 20.03.2014 (in XXXX ) angegeben. Die Bezugsperson gab in ihrer Erstbefragung zum Asylverfahren unter namentlicher Nennung ihrer Ehegattin und deren Alters an, traditionell verheiratet zu sein. Eine Einvernahme der Bezugsperson vor dem BFA ist infolge Säumnis des BFA unterblieben. In ihrer Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (Säumnisbeschwerdeverfahren) gab die Bezugsperson ihren Hochzeitstag dadurch datumsmäßig an, als sie bekanntgab, dass es am Hochzeitstag "und zwar am 20.03.2014", aufgrund der Clanzugehörigkeit ihrer Ehefrau zu einer Auseinandersetzung zwischen den Familien der Eheleute gekommen sei.

Laut einer in Kopie vorgelegten Heiratsurkunde eines somalischen Gerichtes vom 12.04.2014 sollen die zum damaligen Zeitpunkt minderjährige, 17 Jahre alte BF und die Bezugsperson am 20.03.2014 in Somalia, XXXX , geheiratet haben.

Die BF gab in ihrem Einreiseverfahren an, dass ihre Eltern der Hochzeit mit der Bezugsperson, die aufgrund der unterschiedlichen Clanzugehörigkeit zunächst heimlich und ohne deren Wissen erfolgt sei, nachträglich zugestimmt hätten. Die offizielle Eheschließung soll sodann vor einem Mullah mit Zustimmung ihrer Eltern und auf deren Veranlassung, im Beisein der Familien und auch der Eltern der Eheleute am 20.03.2014 in XXXX erfolgt sein.

Die Bezugsperson gab in ihrer Einvernahme im Asylverfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ebenso an, dass die Hochzeit mit der BF aufgrund deren Clanzugehörigkeit geheim und ohne Wissen der Eltern erfolgt sei. Sie hätten nachher den Eltern Bescheid sagen müssen, diese seien aber nicht einverstanden gewesen.

Aus der Einvernahme der Bezugsperson in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG geht nicht hervor, dass die Eltern der BF, wie von der BF vorgebracht, der geheim erfolgten Eheschließung nachträglich zugestimmt hätten und es danach zu einer (weiteren) offiziellen Hochzeit vor einem Mullah im Beisein der Eltern der BF und der Bezugsperson gekommen wäre. Die Bezugsperson spricht allein von einer am 20.03.2014 stattgefundenen Hochzeit und davon, dass es an ihrem - mit diesem Datum bezeichneten - Hochzeitstag zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Familien bis zu Verletzungen mit einer Holzstange gekommen sei, nachdem die Familie seiner Frau von der Hochzeit erfahren habe.

2. Beweiswürdigung:

Der vorstehend getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der ÖB Addis Abeba, den einliegenden Urkunden und den amtswegig beigeschafften Erstbefragungs- und Verhandlungsprotokollen im Asylverfahren der Bezugsperson.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragsteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet:

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das

Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Die Regelung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und kommt dieser diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des BFA steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Das BFA geht in seiner Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 und der angeschlossenen Stellungnahme davon aus, dass die Familienangehörigeneigenschaft der BF nicht vorliege. Es handle sich um eine mangels Zustimmung der Eltern der BF nicht gültige Kinderehe. Die Angaben der BF zur Angehörigeneigenschaft würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Aufgrund der Erkenntnisse über bedenkliche Urkunden aus dem Herkunftsstaat, wonach es möglich sei, jegliches Dokument mit jedem nur erdenklichen Inhalt auch entgegen der wahren Tatsachen auch widerrechtlich zu erlangen, könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass das behauptete Familienverhältnis als erwiesen im Sinne eines vollen Beweises anzunehmen sei und hätten sich zudem massive Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunden ergeben.

Der Antragsteller habe die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht nachweisen können und erscheine die Einreise zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten. Die Volljährigkeit der Bezugsperson sei bereits gegeben, sodass die Einreise des antragstellenden Elternteiles mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern sei.

Zu den im abweisenden Bescheid in Bindung an die Prognose des BFA herangezogenen Ablehnungsgründen ist zunächst Folgendes zu bemerken:

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass der Einreiseantrag der BF innerhalb von drei Monaten ab Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an die Bezugsperson gestellt wurde, sodass der Vorwurf, dass die BF die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht nachweisen habe können, ins Leere geht, da die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 gemäß § 35 Abs. 1 letzter Satz diesfalls nicht erfüllt werden müssen.

Ebenso ist die Begründung, dass die Volljährigkeit der Bezugsperson bereits gegeben sei, verfehlt, da gegenständlich allein die Ehegatteneigenschaft von BF und Bezugsperson zu beurteilen ist, wobei eine Volljährigkeit der Bezugsperson grundsätzlich ohne Relevanz ist.

Es verbleibt sohin, den weiters herangezogenen Ablehnungsgrund, wonach die Angaben der BF zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden, zu betrachten:

Vorweg ist anzumerken, dass der Vorhalt des BFA, wonach das Datum der Hochzeit nicht mit der vorgelegten Heiratsurkunde übereinstimmen würde, nicht nachvollziehbar ist. Entgegen der Auffassung des BFA stimmt das in der mit 12.04.2014 datierten somalischen Heiratsurkunde vermerkte Hochzeitsdatum (20.03.2014) mit dem von BF und Bezugsperson genannten Hochzeitsdatum (20.03.2014), grundsätzlich überein (siehe hiezu auch die Ausführungen unten).

Das BFA erblickt in seiner der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose vom 12.12.2017 und der dieser angeschlossenen Stellungnahme vom 11.12.2017 bei Gegenüberstellung der Angaben der BF und der Bezugsperson (Antrag, Zeugeneinvernahme, Angaben im Bezugsakt der Bezugsperson, etc.) gravierende Widersprüche zwischen deren Angaben zur Angehörigeneigenschaft. Seitens des BFA geortete Widersprüche wurden jedoch der BF gegenüber nicht weiter artikuliert. Konkrete Widersprüche sind der Aufforderung der Botschaft zur Stellungnahme zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA nicht zu entnehmen. Auch das erkennende Gericht kann diesbezüglich nur Mutmaßungen anstellen. Aktenmäßig dokumentiert finden sich lediglich die Schlussfolgerung des BFA in seiner negativen Wahrscheinlichkeitsprognose - wie auch der Botschaft in der Beschwerdevorentscheidung - dass aufgrund einer Auseinandersetzung der beiden Familien am Hochzeitstag eine Zustimmung der Eltern der minderjährigen BF zur Eheschließung ihrer Tochter mit der Bezugsperson nicht angenommen werden könne.

Die Behörde dürfte offenkundig, insbesondere auch was die von der BF behauptete nachträglich erteilte Zustimmung ihrer Eltern zur Eheschließung betrifft, erhebliche Widersprüche zwischen den Angaben der BF und der Bezugsperson angenommen haben. Solche sind wohl, wie sich die Aktenlage einschließlich der vorstehend wiedergegebenen Aussagen der Bezugsperson zur Eheschließung präsentiert, auch nicht von vornherein von der Hand zu weisen. So geht aus den Ausführungen der Bezugsperson in ihrer Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht hervor, dass es nach der geheim und ohne Wissen der Eltern erfolgten Hochzeit noch eine weitere, offizielle gültige Heirat gegeben haben soll, die laut BF nicht nur mit Zustimmung ihrer Eltern, sondern sogar auf deren Veranlassung erfolgt sein soll. Die Bezugsperson spricht allein von einer - geheim erfolgten - Heirat mit der BF und führt in deren Zusammenhang und mit dem Hochzeitsdatum (20.03.2014) zusammenfallend, eine die Heirat missbilligende familiären Auseinandersetzung am Hochzeitstag an. Von einer weiteren, nunmehr mit Zustimmung der Eltern der BF und auf deren Betreiben erfolgten Eheschließung - die ebenso am 20.03.2014 stattgefunden haben soll - wird hingegen nicht berichtet.

Dessen ungeachtet wären jedoch die von der Behörde zur Ablehnung des Einreiseantrages herangezogenen Widersprüche, die zur Verneinung der Angehörigeneigenschaft der BF geführt haben, der BF konkret vorzuhalten gewesen.

Gemäß § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG darf eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, erst dann ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

Im Sinne der Rechtsprechung des VwGH sind mögliche Widersprüche, die sich aus den Einvernahmen der Bezugsperson und den Angaben des Antragstellers ergeben können, konkret bekannt zu geben, um einem Antragsteller eine entsprechende Stellungnahme dazu zu ermöglichen (VwGH, 09.11.2010, 2007/21/0323). Im vorliegenden Verwaltungsakt finden sich keine Hinweise darauf, dass solche Widersprüche der BF überhaupt zur Kenntnis gebracht worden wären, sodass es der BF auch nicht möglich war, hiezu ein konkretes und zielgerichtetes Vorbringen zu erstatten, welches geeignet gewesen wäre, die Zweifel der Behörde am tatsächlichen Bestehen des Familienverhältnisses zu zerstreuen. In der der BF von der Botschaft zur Stellungnahme übermittelten negativen Mitteilung samt Stellungnahme des BFA ist unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Einvernahmen, Angaben im Bezugsakt etc. nur allgemein von nicht näher bezeichneten Widersprüchen die Rede.

Die BF hat in Kopie eine am 12.04.2017 ausgestellte Heiratsurkunde vorgelegt, worin eine Eheschließung der BF mit der Bezugsperson am 20.03.2014 in XXXX bestätigt wird. Das BFA hat die Familienangehörigeneigenschaft der BF auch aufgrund von Zweifeln an der vorgelegten Urkunde verneint.

Im Hinblick auf die seitens der Behörde an der Beweiskraft somalischer Urkunden sowohl generell als auch hinsichtlich der vorgelegten Heiratsurkunde konkret geäußerten Bedenken ist festzuhalten, dass allgemeine Zweifel nach höchstgerichtlicher Judikatur nicht ausreichend sind, eingereichten Dokumenten generell die Beweiskraft zu versagen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12; Erkenntnis des VwGH vom 25.04.2014, Zl. 2013/21/0236 bis 0239). Das Bestehen der Familienangehörigeneigenschaft kann somit nicht vorweg mit dieser Begründung verneint werden. Es wäre vielmehr auf andere geeignete Beweismittel, etwa Einvernahmen der BF und der Bezugsperson zu den konkreten Umständen ihrer Eheschließung unter anschließender Gegenüberstellung und entsprechender Würdigung ihrer Aussagen, zurückzugreifen. Dass Einvernahmen der BF und der Bezugsperson zur Eheschließung und den näheren Umständen der Eheschließung einschließlich der in Rede stehenden nachträglichen Zustimmung der Brauteltern zur Eheschließung erfolgt wären, kann der Aktenlage nicht entnommen werden.

Was schließlich die Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Eheschließung Drittstaatsangehöriger im Ausland betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (vgl. VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 19.03.2009, 2007/01/0633).

Die BF war, wie weder diese selbst noch die Bezugsperson bestritten haben, im Zeitpunkt der behaupteten Eheschließung 17 Jahre alt. Desgleichen gaben sowohl die BF wie auch die Bezugsperson übereinstimmend an, dass diese ohne Zustimmung der Eltern der BF geheiratet hätten, jedoch laut Darstellung der BF die erforderliche Zustimmung ihrer Eltern zur Eheschließung nachträglich erteilt worden sein soll. Eine Auseinandersetzung mit den rechtlichen Voraussetzungen bzw. Gepflogenheiten, unter denen eine gültige Eheschließung einer Minderjährigen in Somalia möglich ist (insbesondere dem Erfordernis der elterlichen Zustimmung und ob diese auch nachträglich rechtswirksam und in welcher Form diese erteilt werden kann), im Allgemeinen, und ob es sich im Falle der Eheschließung durch die minderjährige BF im Besonderen, sohin um eine gültige Eheschließung handle, sind unterblieben. Das BFA stützt seine Annahme der fehlenden nachträglichen Zustimmung der Eltern der BF zur Eheschließung offenbar darauf, dass es am Hochzeitstag zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Familien gekommen sein soll. Weitere Ermittlungen wurden laut Aktenlage nicht veranlasst.

Im gegenständlichen Fall liegen somit zur Kassation der angefochtenen Entscheidung berechtigende Ermittlungslücken im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Behörde daher zunächst unter Wahrung des Parteiengehörs Ermittlungen zu den konkreten Umständen der behaupteten gültigen Eheschließung der BF mit der Bezugsperson, etwa durch deren Einvernahmen und anschließender Gegenüberstellung der Aussagen, anzustellen haben.

Je nach Ermittlungsergebnis könnten sich in weiterer Folge Erhebungen und Feststellungen zur Rechtsgültigkeit geschlossener Ehen nach somalischem Recht, etwa durch Zugriff auf Informationen der Staatendokumentation, erforderlich erweisen. In deren Lichte wäre dann die Rechtsgültigkeit der Eheschließung und damit die Familienangehörigeneigenschaft der BF im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005, einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen.

Aufgrund der Besonderheiten der verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens kann die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zum behaupteten Angehörigenverhältnis der BF mit der Bezugsperson in Österreich nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Aufgrund der Besonderheiten der verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens kann die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zum behaupteten Angehörigenverhältnis der BF mit der Bezugsperson in Österreich nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden. Es war daher war mit der ersatzlosen Behebung des gegenständlichen Bescheids vorzugehen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W165.2193211.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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