Entscheidungsdatum
05.02.2020Norm
AVG §38Spruch
W178 2227754-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Schmidtmayr/Sorgo/Wanke Rechtsanwälte OG gegen den Bescheid der IEF-Service GmbH vom 19.12.2019, Zl. 9/1303/00004-3/18, betreffend Aussetzung eines Verfahrens nach § 38 AVG zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid
behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (Bf) hat mit Antrag vom 30.07.2018 Entgeltansprüche aus seiner Beschäftigung bei der XXXX nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz bei der IEF-Service GmbH geltend gemacht.
Über diesen Antrag wurde bisher nicht mit Bescheid entschieden.
2. Über Antrag des Bf hat die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), früher WGKK, die Pflichtversicherung des Bf aufgrund seiner Tätigkeit bei der XXXX GmbH als Dienstnehmer festgestellt. Dagegen hat der Masseverwalter der XXXX GmbH Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, dieses Verfahren ist anhängig.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.12.2019 wurde das Verfahren nach § 38 AVG ausgesetzt. Zur Begründung wurde angeführt, dass nach § 1 Abs 1 IESG die Arbeitnehmereigenschaft eine Voraussetzung für die Gewährung von Insolvenz-Entgelt sei. Im Hinblick darauf, dass betreffend die Arbeitnehmereigenschaft ein Prüfverfahren bei der WGKK anhängig sei, werde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Vorfrage ausgesetzt, unter Hinweis auf VwGH vom 24.11.1981, 81/11/0059.
4. Dagegen wurde Beschwerde erhoben. Zur Begründung wird angeführt, dass die Aussetzung des Verfahrens der Verfahrensökonomie dienen solle. Im Hinblick auf die Dauer des Beschwerdeverfahrens über die Pflichtversicherung sei die Aussetzung nicht verfahrensökonomisch. § 7 Abs 1 IESG bestimme eine Bindung der belangten Behörde an die über die geltend gemachte Forderung ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, nicht an Entscheidungen der GKK. Das Ergebnis des Verfahrens sei nicht präjudiziell, weil die Arbeitnehmereigenschaft des Bf auch im Sozialversicherungsverfahren Vorfrage für die Pflichtversicherung sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Zuständigkeit des BVwG
Gemäß § 7 IEFG (IEF-Service-GmbH-Gesetz) bestimmt Folgendes:
(1) Soweit die Gesellschaft mit dem hoheitlichen Vollzug von Aufgaben betraut ist (§ 3 Abs. 2), sind die Geschäftsführer gemeinsam zur Genehmigung von Erledigungen befugt. § 6 Abs. 2 und 3 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Es steht den Geschäftsführern jedoch frei, gemeinsam Dienstnehmer der Gesellschaft (§ 16) zur Erledigung bestimmter Angelegenheiten in ihrem Namen zu ermächtigen (Approbationsbefugnis).
(3) Der hoheitliche Vollzug von Aufgaben wird durch die Geschäftsstellen als Zweigniederlassungen der Gesellschaft wahrgenommen. Die Zahl dieser Geschäftsstellen und ihr örtlicher Wirkungsbereich richten sich nach § 5 Abs. 1 und 2 IESG.
(4) Im Falle einer Entscheidung in der Sache richtet sich der Rechtszug gegen Bescheide der Gesellschaft nach § 10 IESG. Verfahrensanordnungen können nicht abgesondert angefochten werden. Gegen verfahrensrechtliche Bescheide der Gesellschaft ist eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.
§ 14 IEFG: Soweit der Gesellschaft hoheitliche Aufgaben übertragen sind, hat sie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit Ausnahme der §§ 76 bis 78 anzuwenden.
2. Feststellungen und Beweiswürdigung
Der Sachverhalt des Verfahrens, der sich aus dem obigen Verfahrensverlauf ergibt, ist nicht strittig, strittig ist nur die Frage, ob der Aussetzungsbescheid bei dieser Sachlage zu Recht ergangen ist.
2. Rechtliche Beurteilung:
Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
§ 10 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG):
Bei Streit über den Anspruch auf Insolvenz-Entgelt sind die Bestimmungen des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes sinngemäß anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des Versicherungsträgers die Geschäftsstelle der IEF-Service GmbH, die den Bescheid erlassen hat oder zu erlassen gehabt hätte. Die Gerichte erster Instanz haben den § 7 Abs. 4 sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 1 Abs 1 IESG haben Anspruch auf Insolvenz-Entgelt Arbeitnehmer, freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, Heimarbeiter und ihre Hinterbliebenen sowie ihre Rechtsnachfolger von Todes wegen (Anspruchsberechtigte) für die nach Abs. 2 gesicherten Ansprüche, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis (freien Dienstverhältnis, Auftragsverhältnis) stehen oder gestanden sind und gemäß § 3 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. a bis d ASVG als im Inland beschäftigt gelten (galten) und über das Vermögen des Arbeitgebers (Auftraggebers) im Inland ein Verfahren nach der Insolvenzordnung (IO), RGBl. Nr. 337/1914 eröffnet wird.
Im konkreten Fall ist im IESG-Verfahren u.a. die Frage der Arbeitnehmerschaft des Bf strittig. Nach der ständigen Judikatur zu diesem Bereich ist der Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechts heranzuziehen; vgl dazu Mayr, Arbeitsrecht § 1 IESG (Stand 1.8.2019, rdb.at, insbesondere E2, E4, E5, E6):
E 2.Der Ausdruck "Arbeitnehmer" ist iS des Arbeitnehmerbegriffs des Arbeitsvertragsrechts zu verstehen (VwGH 20. 5. 1980 VwSlgNF 10.140 = Arb 9876; VwGH 17. 6. 1980 Arb 9879; VwGH 1. 7. 1980 Arb 9885;
VwGH 10. 5. 1985 ZfVB 1986/195; VwGH 23. 10. 1990 ZfVB 1991/1598;
OGH 25. 4. 1996, 8 ObS 44/95, SSV-NF 10/43 = ÖJZ-LSK 1996/259 = DRdA
1996, 427 = RdW 1997, 32 = SVSlg 43.958; OGH 29. 8. 1996 wbl 1996,
495; OGH 23. 10. 2000, 8 ObS 206/00b, Arb 12.054 = ZIK 2001/117 =
DRdA 2001, 366 mit Besprechung von Anzenberger = RdW 2001/462; OGH
4. 7. 2002, 8 ObS 273/01g, Arb 12.248 = ZASB 2002, 45 = SSV-NF 16/77
= SZ 2002/92 = SVSlg 49.707; OGH 29. 4. 2004, 8 ObS 13/03z, Arb
12.439 = ZAS 2005/15, 87 mit Besprechung von C. Graf = SSV-NF 18/40
= SZ 2004/67 = DRdA 2004, 467; OGH 16. 1. 2008, 8 ObS 27/07i, Arb
12.734 = ecolex 2008/207, 565; OGH 13. 11. 2008, 8 ObS 16/08y, Arb
12.777); s hiezu § 1151 ABGB.
E 4.Eine Anwendung des sozialversicherungsrechtlichen Dienstnehmerbegriffs des § 4 Abs 2 ASVG kommt nicht in Betracht (VwGH 10. 5. 1985 ZfVB 1986/195); vgl auch E 74.
E 5.Weder die bloße Abmeldung von der Sozialversicherung noch die bloße Gewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vermag eine Bindungswirkung für die Lösung der arbeitsvertragsrechtlichen Frage, ob in diesem Zeitraum das Dienstverhältnis weiter aufrecht blieb, zu bewirken (VwGH 27. 3. 1987 ZfVB 1987/2393).
E 6: Der Begriff des Arbeitnehmers entspricht auch nicht den von den Abgabenbehörden in wirtschaftlicher Betrachtungsweise festgestellten betriebsbedingt entgoltenen Erbringern von Arbeitsleistungen an den Steuerpflichtigen. Demnach besteht in diesem Zusammenhang Bindung weder an die Entscheidungen der Sozialversicherungsträger noch der Abgabenbehörden (VwGH 2. 7. 1986 ZfVB 1987/642).
Da die Pflichtversicherung nach § 4 Abs 2 ASVG und die in diesem Zusammenhang zu prüfende Dienstnehmereigenschaft nicht als Vorfrage zur Entscheidung über die Insolvenz-Entgeltansprüche anzusehen sind, war die Aussetzung des Verfahrens nicht zulässig und der Aussetzungsbescheid war zu beheben.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitnehmereigenschaft, Aussetzung, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2227754.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.04.2020