Entscheidungsdatum
20.02.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W261 2225543-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von mj. XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die obsorgeberechtigte XXXX , diese wiederum vertreten durch feldbacher_barth Rechtsanwälte, gegen Spruchpunkt 3. des Bescheides des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 04.09.2019, betreffend die Höhe des gewährten Antrages auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Beschwerdeführerin eine einmalige Geldleistung in Höhe von € 8.000,-- als Pauschalentschädigung für Schmerzengeld mit der Maßgabe gewährt, dass die bereits geleistete Schmerzengeldzahlung von € 4.000,-- anzurechnen ist.
Die Durchführung obliegt dem Sozialministeriumservice.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die minderjährige Beschwerdeführerin und ihre minderjährige Schwester, vertreten durch ihre Großmutter als Obsorgeberechtigte, diese wiederum vertreten durch Riesemann Rechtsanwalts GmbH, stellten am 13.10.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld und den Ersatz des Unterhaltsentganges. Dabei wurde angegeben, dass ihre Mutter XXXX , in der Nacht von 14.02. auf 15.02.2017 mit hoher Wahrscheinlichkeit durch ihren Ehegatten - den Vater der Beschwerdeführerin und deren Schwester - mittels Verschließen der Atemöffnungen vorsätzlich getötet worden sei. Der Vater der Beschwerdeführerin sei deshalb vom Landesgericht für Strafsachen XXXX mit Urteil vom 26.09.2017 wegen Mordes schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Die Beschwerdeführerin und ihre Schwester würden nunmehr bei ihrer Großmutter leben, der mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 17.05.2017 die Obsorge über die beiden Kinder übertragen worden sei.
Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 14.03.2018 wurde die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 26.09.2017 zurückgewiesen.
Das Oberlandesgericht XXXX gab der Berufung des Angeklagten über die Strafhöhe des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 26.09.2017 Folge und setzte die Freiheitsstrafe auf 20 Jahre herab.
Mit Schriftsatz vom 13.07.2018 gab die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre obsorgeberechtigte Großmutter bekannt, dass sie nunmehr die Kanzlei feldbacher_barth Rechtsanwälte mit ihrer Vertretung betraut habe.
Nach Ersuchen der belangten Behörde übermittelte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung mit E-Mail vom 07.01.2019 eine Bestätigung des Instituts für Familienförderung vom 04.12.2018, in welchem mitgeteilt werde, dass sich die Beschwerdeführerin von Jänner bis September 2018 im genannten Institut in psychotherapeutischer Behandlung befunden habe. Im Fall einer rezidivierenden Belastungssymptomatik werde eine weiterführende Psychotherapie empfohlen.
Mit Schreiben vom 20.02.2019 ersuchte die belangte Behörde das Institut für Familienförderung um Mitteilung, welche Gesundheitsschädigungen zu Behandlungsbeginn bei der Beschwerdeführerin festgestellt worden seien, und welche aktuell noch vorhanden seien. Weiters werde um Bekanntgabe ersucht, ob die Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit auf den Vorfall vom 15.02.2017 zurückzuführen seien, und inwieweit akausale Lebensumstände oder bereits vorher bestehende psychische Erkrankungen bzw. Probleme eine Rolle gespielt hätten.
Mit Schreiben vom 05.03.2019 teilte das Institut für Familienförderung mit, dass bei der Beschwerdeführerin zu Behandlungsbeginn Belastungsdepressionen und eine Anpassungsstörung festgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe seit dem Tod ihrer Mutter zehn Kilogramm an Gewicht zugenommen, worunter sie sehr gelitten habe. Sie habe keine Wut und keinen Zorn zeigen können, es allen recht machen wollen und nicht "nein" sagen können. Sie habe permanent die Verantwortung für ihre jüngere Schwester übernommen und kein altersadäquates Verhalten gezeigt, indem sie sich extrem angepasst und viel zu erwachsen gezeigt habe. Aufgrund des gewalttätigen Todes der Kindesmutter und der daraus folgenden massiven emotionalen Belastung von XXXX sei zu befürchten, dass sie ihre Entwicklungsaufgaben nicht entsprechend wahrnehmen habe können. Im Laufe der Therapie habe der Verlust der Mutter altersangemessen in das Selbstkonzept der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester integriert werden können. Das traumatische Erlebnis werde die Kinder mit sehr großer Wahrscheinlichkeit noch lange begleiten, der weitere Verlauf und der aktuelle Gesundheitszustand der Mädchen seien dem Institut nicht bekannt. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen zeigten sich als posttraumatische Belastungssymptomatik und seien auf den Vorfall in der Nacht auf den 15.02.2017 zurückzuführen. Es hätten keine akausalen Lebensumstände oder bereits vorher bestehende psychische Erkrankungen bzw. Probleme eine Rolle gespielt.
Mit Schriftsatz vom 10.04.2019 übermittelte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein Versäumungsurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen XXXX , mit dem der Vater unter anderem zur Zahlung eines Schmerzengeldbetrages in Höhe von 24.000 Euro an die Beschwerdeführerin verpflichtet worden sei. Die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin teilte mit, dass bis dato keine Zahlungen eingegangen seien.
Zur Überprüfung des Antrages auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Klinischen und Gesundheitspsychologin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.07.2019 erstatteten Gutachten vom 05.08.2019 kommt die Sachverständige zusammenfassend zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des gewaltsamen Todes der Kindesmutter durch den Kindesvater an einer Anpassungsstörung leide, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Straftat in der Nacht auf den 15.02.2017 zurückzuführen sei. Die Straftat mit den entsprechenden Folgen für die weitere Entwicklung der Beschwerdeführerin sei alleinige Ursache des derzeitigen Leidenszustandes. Vor der Straftat seien bei ihr keine Hinweise auf eine Anpassungsstörung vorgelegen. Die Anpassungsstörung stelle eine "angemessene" Folge des Verbrechens dar. Eine Erfahrung wirke dann traumatisierend, wenn sie unsere Bewältigungsfähigkeiten überfordere. Vor allem im Kindesalter verankere sich ein Trauma in der Seele relativ schnell. Schwerwiegende negative Erfahrungen, besonders in spezifisch vulnerablen Phasen (2.-4. Lebensjahr, 8.-10. Lebensjahr und Pubertät) könnten gravierende Langzeitauswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben. Bei der Beschwerdeführerin liege insofern eine schwere Körperverletzung vor, als die Anpassungsstörung durch das gewaltsame Ereignis ausgelöst worden sei und einer sechsmonatigen therapeutischen Behandlung bedurft habe. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde dieses Ereignis der Nacht auf den 15.02.2017 auch in der Zukunft noch Auswirkungen auf die Entwicklung der Beschwerdeführerin haben.
Mit Schriftsatz vom 21.08.2019 teilte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin mit, dass vom Täter bis dato keine Zahlungen geleistet worden seien. Aufgrund seiner Vermögenssituation sei auch zweifelhaft, ob hier in Zukunft namhafte Beträge erstritten werden können.
Mit Bescheid vom 04.09.2019 bewilligte die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ersatz des Unterhaltsentganges gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Z 1 und § 3 VOG (Spruchpunkt 1.). Gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Z 9, § 3a und § 10 Abs. 1 VOG gebühre keine einkommensabhängige Zusatzleistung (Spruchpunkt 2.). Weiters erkannte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Z 10 und § 6a Abs. 1, 2. Halbsatz VOG in der Höhe von € 4.000,-- zu (Spruchpunkt 3.).
Begründend führte die belangte Behörde betreffend Spruchpunkt 3. aus, dass zur Prüfung, ob die Beschwerdeführerin im Zuge der Straftat eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB erlitten habe, ein klinisch-psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, mit welchem festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin durch die Straftat eine Anpassungsstörung von mehr als dreimonatiger Dauer erlitten habe.
Gegen Spruchpunkt 3. dieses Bescheides erhob die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 05.09.2019 fristgerecht Beschwerde. Darin führte sie aus, dass das eingeholte klinisch-psychologische Gutachten weder der Beschwerdeführerin, ihrer obsorgeberechtigten Großmutter noch ihrer Rechtsvertretung zur Äußerung zugestellt worden sei. Wäre das Gutachten vorweg zugestellt worden, hätte sie dieses insbesondere aus dem Grund als unrichtig gerügt, als sie nicht nur an einer Anpassungsstörung von mehr als dreimonatiger Dauer, sondern per definitionem unter schweren Dauerfolgen im Sinne des § 85 StGB leide. Durch die vom Vater verübte Tat hätten die Beschwerdeführerin und ihre Schwester gleichzeitig sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater verloren. Insbesondere aufgrund der zerrütteten Beziehung und dem Charakter ihres Vaters sei ihre Mutter zu Lebzeiten ihre zentrale Bezugsperson gewesen. Sie habe den schwerwiegenden Verlust bis heute trotz des Umstandes, dass seit der Tat beinahe drei Jahre vergangen seien, nach wie vor nicht verwunden. Nach wie vor leide die Beschwerdeführerin unter großen Verlustängsten, schwersten Schlafstörungen und plötzlich auftretenden unkontrollierbaren Weinattacken. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihre Schwester hätten schwerste Probleme damit, sich ohne ihre Mutter zurecht zu finden. Die erlittenen Beschwerden würden jedenfalls die Intensität und den Wert einer psychischen Erkrankung erreichen und seien als schwere Dauerfolge zu betrachten. Die belangte Behörde hätte ihr daher einen Schmerzengeldbetrag in Höhe von zumindest € 8.000,-- zuzuerkennen gehabt.
Die Beschwerde betreffend den gleichlautenden Bescheid bezüglich der minderjährigen Schwester der Beschwerdeführerin ist unter der Geschäftszahl W 264 2225546-1 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
Mit Schreiben vom 18.12.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin das seitens der belangten Behörde eingeholte klinisch-psychologische Sachverständigengutachten und räumte die Möglichkeit ein, im Rahmen des Parteiengehörs eine schriftliche Stellungnahme bis spätestens 15.01.2020 abzugeben.
Das Bundesverwaltungsgericht gab dem seitens der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Fristerstreckung statt und gewährte eine Möglichkeit zu Stellungnahme bis spätestens 29.01.2020.
Mit Schriftsatz vom 29.01.2020 gab die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die psychologische Sachverständige ausgeführt habe: "Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dieses Ereignis in der Nacht auf den 15. Februar 2017 auch in der Zukunft noch Auswirkungen auf die Entwicklung von XXXX haben." Dies decke sich vollinhaltlich mit den tatsächlichen Lebensumständen. Der Zustand der Beschwerdeführerin habe sich auch seit Erstattung des Gutachtens in keiner Weise vorteilhaft entwickelt. Sie leide nach wie vor unter den schon immer bestehenden Schlafstörungen, dem ebenso relevierten Übergewicht, Verlustängsten, plötzlichen Weinattacken, etc. Nachhaltige Zeichen einer Verbesserung des Zustandes seien bedauerlicherweise nicht in Sicht. Es sei zu befürchten, dass die diagnostizierte Anpassungsstörung noch für Jahre, wenn nicht gar für das restliche Leben der Beschwerdeführerin, bestehen werde. Es werde daher beantragt, die bereits befasste Sachverständige mit der Erstellung von Befund und Gutachten zu der Frage zu beauftragen, ob die von der Beschwerdeführerin erlittenen Folgen nicht als schwere Dauerfolge im Sinne des § 85 StGB qualifiziert werden müssten. Der Umstand, dass der Leidenszustand der Beschwerdeführerin nunmehr seit beinahe drei Jahren durchgehend andauere dokumentiere bereits eindrucksvoll die Dauerhaftigkeit des Leidenszustandes. Hinzu komme, dass eine positive Entwicklung nicht ersichtlich sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin.
Sie beantragte am 13.10.2017 beim Sozialministeriumservice eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld und den Ersatz des Unterhaltsentganges nach dem Verbrechensopfergesetz.
Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde in der Nacht von 14.02.2017 auf 15.02.2017 von ihrem Ehemann, dem Vater der Beschwerdeführerin, durch Verschließen der Atemöffnungen vorsätzlich getötet.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 26.09.2017 wurde der Vater der Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig gesprochen. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 08.05.2018 wurde der gegen die Strafhöhe gerichteten Berufung Folge gegeben und die lebenslange Freiheitsstrafe auf 20 Jahre herabgesetzt.
Die Beschwerdeführerin hat mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch die Tat vom 15.02.2017 eine Anpassungsstörung erlitten, welche als schwere Körperverletzung zu qualifizieren ist, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft noch Auswirkungen auf ihre Entwicklung haben wird.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur österreichischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers sowie zum Datum der Einbringung des Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Tat der Nacht vom 14.02.2017 auf 15.02.2017 und der Verurteilung des Vaters der Beschwerdeführerin basieren auf dem Strafakt.
Die Feststellungen zu der durch die Tat erlittene Körperverletzung der Beschwerdeführerin basieren auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten klinisch-psychologischen Sachverständigengutachten vom 05.08.2019, auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.07.2019.
Darin führte die Sachverständige nachvollziehbar aus, dass die erlittene Anpassungsstörung aufgrund des Mordes der Mutter durch den Vater eine adäquate Folge des Verbrechens darstellt. Der im Rahmen der persönlichen Untersuchung erstattete Befund deckt sich mit den Angaben der Psychotherapeutin des Instituts für Familienförderung, wonach die Beschwerdeführerin seit der Tat 10 Kilogramm zugenommen hat, sich extrem angepasst verhalten hat, keine Wut zeigen und nicht "nein" sagen konnte. Ein altersadäquater Entwicklungs- und Reifeprozess war nicht möglich. Die Beschwerdeführerin war zum Tatzeitpunkt acht Jahre alt. In diesem speziell vulnerablen Alter können schwerwiegende negative Erfahrungen - eine solche stellt die Ermordung der Mutter durch den Vater und dessen Inhaftierung zweifellos dar - gravierende Langzeitauswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben. Die Sachverständige hält weiters fest, dass die Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft noch Auswirkungen auf die Entwicklung der Beschwerdeführerin haben wird.
Es kann daher mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die nunmehr drei Jahre zurückliegende Tat bei der Beschwerdeführerin für immer oder für lange Zeit ein schweres Leiden verursacht hat.
Die Beschwerdeführerin widersprach den Ausführungen der klinisch-psychologischen Sachverständigen nicht, sondern brachte selbst vor, dass es sich bei dem durch das Verbrechen erlittenen Leiden als Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen im Sinne des § 85 StGB handle.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 05.08.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes lauten auszugsweise:
"Kreis der Anspruchsberechtigten
§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder
2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder
3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.
(2) Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn
1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,
2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder
3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.
(3) Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn
1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder
2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird.
(4) Hatte die Handlung im Sinne des Abs. 1 den Tod eines Menschen zur Folge, dann ist den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, Hilfe zu leisten, wenn sie österreichische Staatsbürger sind und ihnen durch den Tod der Unterhalt entgangen ist. Die Kostenübernahme gemäß § 4 Abs. 5 erfolgt unabhängig vom Vorliegen eines tatsächlichen Unterhaltsentganges.
(5) Kindern ist Hilfe gemäß Abs. 4 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu leisten. Darüber hinaus ist ihnen auch dann Hilfe zu leisten, wenn sie
1. wegen wissenschaftlicher oder sonstiger regelmäßiger Schul- oder Berufsausbildung sich noch nicht selbst erhalten können, bis zur ordnungsmäßigen Beendigung der Ausbildung, längstens jedoch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, gebührt die Hilfe nur dann, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992, betreiben;
2. infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sofern das Gebrechen vor Vollendung des 18. Lebensjahres oder während des in Z 1 bezeichneten Zeitraumes eingetreten ist und solange dieser Zustand dauert.
(6) Hilfe ist Unionsbürgern sowie Staatsbürgern von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1
1. im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde oder
2. im Ausland begangen wurde, die betroffenen Personen ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben und die Handlung nach dessen Begründung begangen wurde.
(7) Hilfe ist ferner den nicht in den Abs. 1 und 6 genannten Personen zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1 nach dem 30. Juni 2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben. Wurde ein unrechtmäßiger Aufenthalt zum Tatzeitpunkt durch einen erlittenen Menschenhandel bewirkt, ist Personen Hilfe solange zu leisten, als sie dafür über ein Aufenthaltsrecht für besonderen Schutz verfügen oder im Anschluss daran weiterhin aufenthaltsberechtigt sind und sie sich gewöhnlich im Inland aufhalten.
(8) Einer Körperverletzung und einer Gesundheitsschädigung im Sinne des Abs. 1 stehen die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, insbesondere einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich, wenn die zur Beschädigung führende Handlung nach Abs. 1 nach dem 30. Juni 2005 begangen wurde. Der Ersatz und die Reparatur richten sich nach § 5 Abs. 2.
Hilfeleistungen
§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:
1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;
2. Heilfürsorge
a) ärztliche Hilfe,
b) Heilmittel,
c) Heilbehelfe,
d) Anstaltspflege,
e) Zahnbehandlung,
f) Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955);
2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten;
3. orthopädische Versorgung
a) Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung,
b) Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung,
c) Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,
d) Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,
e) notwendige Reise- und Transportkosten;
4. medizinische Rehabilitation
a) Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen,
b) ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe, wenn diese Leistungen unmittelbar im Anschluß oder im Zusammenhang mit der unter lit. a angeführten Maßnahme erforderlich sind,
c) notwendige Reise- und Transportkosten;
5. berufliche Rehabilitation
a) berufliche Ausbildung zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit,
b) Ausbildung für einen neuen Beruf,
c) Zuschüsse oder Darlehen (§ 198 Abs. 3 ASVG 1955);
6. soziale Rehabilitation
a) Zuschuß zu den Kosten für die Erlangung der Lenkerberechtigung, wenn auf Grund der Behinderung die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar ist,
b) Übergangsgeld (§ 306 ASVG 1955);
7. Pflegezulagen, Blindenzulagen;
8. Ersatz der Bestattungskosten;
9. einkommensabhängige Zusatzleistung;
10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.
Pauschalentschädigung für Schmerzengeld
§ 6a (1) Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert.
(2) Zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht."
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) lauten - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"Schwere Körperverletzung
§ 84 (1) Hat die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge oder ist die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 oder Abs. 2) an einem Beamten, Zeugen oder Sachverständigen während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten begeht.
(3) Ebenso ist der Täter zu bestrafen, wenn er mindestens drei selbstständige Taten (§ 83 Abs. 1 oder Abs. 2) ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat.
(4) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (Abs. 1) des anderen herbeiführt.
(5) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 oder Abs. 2) begeht
1. auf eine Weise, mit der Lebensgefahr verbunden ist,
2. mit mindestens zwei Personen in verabredeter Verbindung oder
3. unter Zufügung besonderer Qualen.
Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen
§ 85 (1) Wer einen anderen am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig für immer oder für lange Zeit
1. den Verlust oder eine schwere Schädigung der Sprache, des Sehvermögens, des Gehörs oder der Fortpflanzungsfähigkeit,
2. eine erhebliche Verstümmelung oder eine auffallende Verunstaltung,
2a. eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, oder
3. ein schweres Leiden, Siechtum oder Berufsunfähigkeit des Geschädigten,
herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist zu bestrafen, wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Dauerfolge (Abs. 1) beim Verletzten herbeiführt."
Der Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin. In der Nacht vom 14.02.2017 auf 15.02.2017 wurde ihre Mutter von ihrem Vater durch Verschließen der Atemöffnungen vorsätzlich getötet. Der Vater der Beschwerdeführerin wurde deshalb wegen des Verbrechens des Mordes gemäß § 75 StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt.
Die Beschwerdeführerin erlitt durch die Tat eine Anpassungsstörung.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 VOG liegen die grundsätzlichen Voraussetzungen für Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz damit vor.
Die belangte Behörde bewilligte der Beschwerdeführerin auch die beantragte Hilfeleistung in Form des Ersatzes des Unterhaltsentganges, was von der Beschwerdeführerin nicht angefochten wurde und deshalb nicht den Gegenstand dieses Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht bildet. Außerdem bewilligte die belangte Behörde den Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld in Höhe von € 4.000,-- gemäß § 6a Abs. 1 VOG. Dabei stützte sich die belangte Behörde auf die Ausführungen der klinisch-psychologischen Sachverständigen, wonach die Anpassungsstörung eine schwere Körperverletzung darstellt, die länger als drei Monate andauert.
Die Gutachterin hielt darüber hinaus jedoch außerdem fest, dass das gegenständliche Verbrechen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft noch Auswirkungen auf die Entwicklung der Beschwerdeführerin haben wird, was die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.03.2014, Zl. 2013/09/0181).
Es ist daher mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass das Verbrechen bei der Beschwerdeführerin zu einer Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen gemäß § 85 Abs. 1 Z 3 StGB geführt hat.
Da die klinisch-psychologische Sachverständige einerseits ohnehin bereits ausführte, dass das Verbrechen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft noch Auswirkungen auf die Entwicklung der Beschwerdeführerin haben wird, und es sich bei der Beurteilung, ob die festgestellte Gesundheitsschädigung eine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB oder eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen gemäß § 85 StGB darstellt, um eine Rechtsfrage handelt, war dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Einholung eines weiteren Ergänzungsgutachtens nicht zu folgen.
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.07.2019 beruhende klinisch-psychologische Sachverständigengutachten vom 05.08.2019 zu Grunde gelegt, wonach die durch die Tat erlittene Anpassungsstörung der Beschwerdeführerin für lange Zeit Auswirkungen auf ihre Entwicklung haben wird.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides war daher spruchgemäß mit der Maßgabe stattzugeben, dass die bereits geleistete Schmerzengeldzahlung von € 4.000,-- auf die nunmehr bewilligte Pauschalentschädigung für Schmerzengeld in Höhe von €
8.000,-- anzurechnen ist.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall wurde eine Verhandlung vom Bundesverwaltungsgericht für nicht erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt durch Aktenstudium des vorgelegten Fremdaktes, insbesondere auch der Beschwerde, zu klären war. Alle aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes notwendigen Unterlagen befanden sich im verwaltungsbehördlichen Fremdakt. Ansonsten waren im gegenständlichen Fall rechtliche Fragen zu klären. Damit liegt ein besonderer Grund vor, welcher auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR eine Einschränkung des Grundrechts auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zulässt. Im Fall Faugel (EGMR 20.11.2003, 58647/00 und 58649/00) wurde ein solch besonderer Grund, der von der Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung entbindet, etwa dann angenommen, wenn in einem Verfahren ausschließlich rechtliche oder höchst technische Fragen zur Diskussion stehen. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt auch kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Körperverletzung, Sachverständigengutachten, Schmerzengeld,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2225543.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.04.2020