Entscheidungsdatum
20.02.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W166 2228165-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 17.10.2019, wegen Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in Verbindung mit dem Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 15.01.2020, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses, stellte am 31.07.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 und legte diverse medizinische Beweismittel vor.
Im Antragsformular ist vermerkt, dass dieser Antrag auch als Antrag auf Vornahme der Zu-satzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behin-dertenpass bzw. auf Ausstellung eines Behindertenpasses gilt, sofern der Antragsteller noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses ist bzw. darin noch nicht die eben genannte Zusatz-eintragung angeführt ist.
Zur beantragten Zusatzeintragung wurde im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 11.09.2019, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und auf den Funktionseinschränkungen "Prostatacarzinom" und "Abnützungen der Wirbelsäule bei Zustand nach Bandscheibenprolaps im Lendenwirbelsäulenbereich" im Wesentlichen ausgeführt:
"(...)
Derzeitige Beschwerden:
2014 Parotis TU links, gutartig. Seither habe ich im Wangenbereich auf der linken Seite ein taubes Gefühl. Nach wie vor habe ich auch Gefühlsstörungen im linken Bein, kann keine schweren Sachen haben und bekomme oft Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich. Voriges Jahr war ich diesbezüglich auf Kur, manchmal mache ich auch physikalische Behandlungen. Heuer im Frühling habe ich eine Prostata Krebs Operation gehabt.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend in normalen Straßenschuhen ohne Gehhilfen. Das Gangbild ist gering hinkend links, in altersentsprechend normalem Tempo.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegt ein Zustand nach Prostatakrebsoperation vor, bei jedoch unauffälligem Allgemeinzustand, ohne relevant verminderte, selbstständige Gehfähigkeit. Kurze Gehstrecken sind aus eigener Kraft ohne Hilfsmittel und ohne Unterbrechung möglich, sowie das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport ist ohne erhebliche Erschwernis zu bewältigen. Es besteht zwar eine Einschränkung der Funktionalität der Wirbelsäule, jedoch nicht in dem Ausmaß, als dass die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar wäre. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbstständig möglich, dass Ein- und Aussteigen ist ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein."
Da vom Beschwerdeführer anlässlich ein ihm zum Ermittlungsergebnis gewährten Parteiengehörs ein neuer Befund vorgelegt wurden, wurde seitens der belangten Behörde eine ergänzende ärztliche Stellungnahme vom 16.10.2019 eingeholt, in welcher Nachfolgendes ausgeführt wurde:
"Es liegt ein VGA vom: 10.9.2019 vor. Gegen das Gutachten werden Einwendungen vorgebracht. Der Beschwerdeführer gibt an, dass er wegen „Rückenproblemen" auf sein Auto angewiesen sei, seine Rückenprobleme trotz Heilgymnastik, Physiotherapie und Schmerzmedikation würden ihn stark beeinträchtigen.
Es wird ein neuer Befund nachgereicht.
2019-10 Röntgen LWS: LENDENWIRBELSÄULE A.P. UND SEITLICH
Geringe, linkskonvexe Krümmung. Inzipiente Keilwirbelbildung an TH12 und LI. Geringe Osteochondrose L1-L4 sowie deutliche Osteochondrose L5/S1. Geringe Spondylarthrose L5/S1.
Die vorgebrachten Argumente sind, auch nach Durchsicht des nachgereichten Röntgenbefundes, welcher degenerative Veränderungen beschreibt, nicht geeignet die gegebene Beurteilung zu entkräften, da höhergradige Funktionsstörungen, als nicht schon in Leiden Nr. 2 berücksichtigt, durch diese Untersuchungsbefunde gerade eben nicht belegt sind.
Es besteht zwar eine Einschränkung der Funktionalität der Wirbelsäule, jedoch nicht in dem Ausmaß, welches eine diesbezügliche, erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen geeignet wäre. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbstständig möglich, dass Ein- und Aussteigen ist ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.
Insgesamt ergeben sich daher keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich noch nicht adäquat berücksichtigter, behinderungswirksamer Funktionseinschränkungen und daher auch insbesondere in Hinblick auf die beantragte Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, keine Änderung des Gutachtens."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.10.2019 hat die belangte Behörde die beantragte Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und vorgebracht, es hätte eine genauere Untersuchung stattfinden müssen bzw. man hätte ihm genauere Fragen stellen müssen. Im Bescheid stehe auch, dass es dem Beschwerdeführer möglich sei 300 bis 400 Meter zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zu gehen, es habe ihn aber niemand gefragt, wie weit er es zu den nächsten Verkehrsmitteln habe. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien von ihm viel zu weit weg, diese Strecken könne er auf Grund der Schmerzen nicht zurücklegen. Mit der Beschwerde legte er weitere medizinische Beweismittel bei.
Daraufhin wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 14.01.2020 eingeholt, in welchem Nachfolgendes ausgeführt wurde:
"Anamnese:
Letzte Begutachtung am 10.09.2019
1 Prostatacarzinom 50 %
2 Abnützungen der Wirbelsäule bei Zustand nach Bandscheibenprolaps im Lendenwirbelsäulenbereich 40 %
Gesamtgrad der Behinderung 60 %
Neuerliche Begutachtung im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung
Zwischenanamnese seit 09/2019:
keine Operation, kein stationärer Aufenthalt
ambulante Behandlung XXXX Krankenhaus, Orthopädie
In letzter Zeit 2 bis 3x pro Woche Behandlung bei Facharzt für Orthopädie mit Infiltrationen, eventuell Infusionen geplant
Derzeitige Beschwerden:
"Schmerzen habe ich vor allem in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das rechte Bein, in den rechten Oberschenkel und Unterschenkel vorne, Gefühlsstörung im Bereich des Oberschenkels rechts außen immer wieder unterschiedlich stark auftretend. Derzeit habe ich regelmäßige Behandlungen bei Facharzt für Orthopädie mit Infiltrationen, in einer Schmerzambulanz war ich bisher noch nicht. Beschwerden habe ich beim Benützen öffentlicher Verkehrsmittel wegen der Wegstrecke zu den Öffis, sind zu lang, schaffe höchstens 5 min, dann treten Schmerzen in der Lendenwirbelsäule auf, beginnen in der Hüfte bis zu den Füßen. Hergekommen bin ich mit einem Bekannten mit dem Auto. Stufensteigen ist möglich, bei Schmerzzunahme ist Stufensteigen erschwert. Im Bauch habe ich derzeit keine Beschwerden, in den Kniegelenken habe ich Schmerzen beim Abbiegen, die von der Lendenwirbelsäule aus hinunterstrahlen. Lymphstau habe ich derzeit keinen. Epilepsie habe ich nicht. Habe eine Zahnprothese, sonst habe ich keine Prothese. Eine Harninkontinenz habe ich nicht, Vorlagen trage ich nicht."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Daflon, Candesartan, Seractil
Allergie: 0
Nikotin: 10
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , 1190
Sozialanamnese:
geschieden, 2 erwachsene Kinder, lebt in Einfamilienhaus im Erdgeschoss.
Berufsanamnese: Büroangestellter, Vollzeit
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Ambulanz Orthopädie und Traumatologie XXXX Krankenhaus 15.11.2019 (Rezidiv Prolaps L5/S1 Lumboischialgie re. > li. Metatarsalgie li.
Aktuelle Beschwerden: Seit ca. 3 Wochen Schmerzen LWS Hat einen Bandscheibenvorfall Z.n. Discektomie L5/S1 li. 1980, seit einiger Zeit wieder zunehmende Beschwerden im Sinne einer Lumboischiaglie re. > li., re. eher Dermatom L4 entsprechend, li. eher pseudoradiculär. DS lumbal bds. paravertebral, Reklination deutlich schmerzhaft und eingeschränkt, Beugung bis FKBA 50 cm, im Liegen Lasegue neg., Sensomotorik regelrecht, Hüften frei. Schmerzen auch im Bereich des li. Vorfußes, hier Schmerzen plantar auf Höhe der Mittelfußköpfchen im Sinne einer Metatarsalgie.)
MRT der LWS 12.11.2019 (Flacher breitbasiger Bandscheibenprolaps L5/S1 mit Einengung des Neuroforamens, links mehr als rechts. Rechts intraforaminale Bandscheibenprotrusion L3/4.)
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut, 62a
Ernährungszustand:
gut
Größe: 180,00 cm Gewicht: 95,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist rechts bis 40° dann Schmerzen in der LWS, links bis 80° bei KG 5 möglich.
Kraft proximal und distal KG 5/5
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte
Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Deutlich Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Narbe LWS median 8 cm.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: Kniegelenke werden erreicht, R und F je 20°
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock, das Gangbild hinkfrei, unelastisch, sonst unauffällig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt, Hose und Socken ausziehen im Stehen.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr. Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1 Prostatacarzinom OP 04/2019
2 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit mittelgradigen Funktionseinschränkungen
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
keine Änderung
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Einspruch zur Ablehnung (Ich lege abermals ein Veto gegen den Bescheid vom 17.10.2019 ein.
...Sofort ist mir aufgefallen, dass keine Kontrolle des Abdomens durchgeführt wurde, es wurde mein Tonus in den Extremitäten nicht kontrolliert, meine Knie waren nie Gegenstand der Untersuchung und ich hatte ausgeprägte Ödeme an meinen Beinen, da ich zu dieser Zeit im XXXX -Krankenhaus wegen einem Lymphstau in Behandlung war. Zu der Rubrik der funktionellen Einschränkungen wurde ich nicht befragt, denn ob ich Epileptiker bin oder nicht ist von außen nicht sichtbar. Ich trage eine Zahnprothese und auch darüber wurde ich nicht befragt. Das Thema Gesundheitsschädigungen wurde auch nicht abgefragt...Im Bescheid steht auch, dass mir zugemutet wird 300-400 m zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zu gehen. Es hat mich niemand gefragt, wie weit ich zu den nächsten öffentlichen Verkehrsmitteln habe. Ich kann ihnen jetzt aber mitteilen, dass ich zu einem Bus 600 m habe, der mich aber nicht zu zentralen Verkehrsmitteln bringen kann. Die Straßenbahn, die mich zur U-Bahn bringen kann, ist 1300m von meinem Wohnort entfernt. Diese Strecken sind für mich aufgrund meiner Schmerzen nicht möglich. Derzeit befinde ich mich in physikalischer Behandlung bei der WGKK Mein Orthopäde hat mir nach mehrmaliger Schmerztherapie eine MRT-Untersuchung vorgeschrieben und ich lege ihnen den Befund bei.)
Stellungnahme:
Bei der aktuellen Untersuchung konnte kein Lymphstau festgestellt werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist hinsichtlich Wegstrecke ein Ausmaß von etwa 300-400m, wobei die individuelle Wohnadresse, und damit auch die jeweilige Entfernung vom nächsten öffentl. Verkehrsmittel, nicht Gegenstand der Begutachtung sind. Insgesamt waren jedenfalls anlässlich der ho. Begutachtung, auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, keine relevanten Funktionseinschränkungen zu objektivieren, die geeignet wären, eine erhebliche Erschwernis des Bewältigens der o.a. kurzen Wegstrecke ausreichend zu begründen."
Die belangte Behörde erließ am 15.01.2020 eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage (Sachverständigengutachten vom 14.01.2020) die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.
Der Beschwerdeführer hat mittels Vorlageantrag vom 26.01.2020 die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 15 VwGVG beantragt.
Der Vorlageantrag sowie die Beschwerde wurden samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 30.01.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses und stellte am 31.07.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
Der Beschwerdeführer leidet an den Funktionseinschränkungen:
Prostatakarzinom
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit mittelgradigen Funktionseinschränkungen
Die Kraft in den unteren Extremitäten ist beidseits nicht signifikant vermindert, die Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Im Vordergrund stehen belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Das Gangbild ist unelastisch, sonst unauffällig.
Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Meter aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, ohne Unterbrechung, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne Unterbrechung zurücklegen zu können.
Der Beschwerdeführer kann Niveauunterschieden überwinden, das sichere Ein- und Aussteigen ist möglich.
An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft ist seitengleich und gut. Die Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Die Benutzung von Haltegriffen ist zumutbar und möglich.
Beim Beschwerdeführer liegt ein guter Allgemein- und Ernährungszustand vor. Aktuell konnte kein Lymphstau objektiviert werden.
Eine Harninkontinenz liegt nicht vor.
Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Vorliegen von Schmerzen wurde berücksichtigt, und wirken sich die Schmerzen nicht erheblich auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus. Die Einnahme einer Schmerzmedikation ist zumutbar.
Erhebliche Einschränkungen der unteren und oberen Extremitäten, der Wirbelsäule oder der körperlichen Belastbarkeit liegen nicht vor.
Die sichere Beförderung in sich bewegenden öffentlichen Verkehrsmitteln unter üblichen Transportbedingungen ist möglich, relevante Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt sind nicht gegeben.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur Einbringung des gegenständlichen Antrages ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus den medizinischen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 11.09.2019 und einer Fachärztin für Orthopädie vom 14.01.2020, jeweils basierend auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers, sowie der ärztlichen Stellungnahme vom 16.10.2019.
In den ärztlichen Sachverständigengutachten wurde ausführlich, nachvollziehbar und schlüssig - unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Befunde und nach Durchführung von persönlichen Untersuchungen - auf die Leiden und Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung eingegangen.
Der Beschwerdeführer brachte in der Beschwerde vor, es hätte eine genauere Untersuchung stattfinden müssen bzw. man hätte ihm genauere Fragen stellen müssen. Im Bescheid stehe auch, dass es dem Beschwerdeführer möglich sei 300 bis 400 Meter zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zu gehen, es habe ihn aber niemand gefragt, wie weit er es zu den nächsten Verkehrsmitteln habe. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien von ihm viel zu weit weg, diese Strecken könne er auf Grund der Schmerzen nicht zurücklegen.
Der Beschwerdeführer ist von zwei ärztlichen Sachverständigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht worden, und kamen beide Ärzte - unter ausführlicher Begründung in ihren Gutachten - zu dem Ergebnis, dass keine erheblichen Einschränkungen der unteren und oberen Extremitäten oder der Wirbelsäule vorliegen, welche den Beschwerdeführer bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Die ärztlichen Sachverständigen führten weiters aus, im Vordergrund stehen belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken, das Gangbild ist unelastisch, aber sonst unauffällig. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Meter aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, ohne Unterbrechung, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne Unterbrechung zurücklegen zu können.
Die Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich, daher kann der Beschwerdeführer Niveauunterschieden überwinden, und das sichere Ein- und Aussteigen ist möglich. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich, sodass die Benutzung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist.
Dass beim Beschwerdeführer bei einem Zustand nach einer Prostatakarzinom Operation keine Harninkontinenz vorliegt und er keine Vorlagen trägt, hat der Beschwerdeführer selbst anlässlich der persönlichen Untersuchung am 18.12.2019 vorgebracht, und wurde dies im Gutachten vom 14.01.2020 unter "Derzeitige Beschwerden" festgehalten.
Auch die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Schmerzen wurden von ihm anlässlich der persönlichen Untersuchungen am 10.09.2019 und am 18.12.2019 vorgebracht, von den Sachverständigen in den Gutachten vom 11.09.2019 und vom 14.01.2020 unter "Derzeitige Beschwerden" angeführt und in der gutachterlichen Beurteilung berücksichtigt. Schmerzen die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich machen, konnten nicht objektiviert werden. Die Einnahme einer Schmerzmedikation ist zumutbar.
Betreffend das Vorbringen in der Beschwerde, die öffentlichen Verkehrsmittel seinen mehr als 300 bis 400 Meter vom Wohnort entfernt, und der Beschwerdeführer könne sie daher nicht erreichen, wird auf die "Rechtliche Beurteilung" verwiesen (sie Pkt. 3 Rechtliche Beurteilung, Spruchpunkt A).
Im Rahmen der Beschwerde wurden vom Beschwerdeführer keine Einwendungen erhoben, welche das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften vermochten bzw. wurde dem Ermittlungsergebnis nicht substantiiert entgegengetreten.
Der Beschwerdeführer ist den Ausführungen in den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat kein Sachverständigengutachten oder eine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der gegenständlichen Sachverständigengutachten.
Die ärztlichen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 11.09.2019 und einer Fachärztin für Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.01.2020 sowie die ärztliche Stellungnahme vom 16.10.2019 werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 leg. cit. nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 35 Abs. 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen, der außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und weder der Steuerpflichtige nach sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, ein Freibetrag gemäß Abs. 3 leg. cit. zu.
Gemäß § 35 Abs. 2 EStG bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hierfür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 162/2010, die die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständige Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947)-
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie beim Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Arten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; diese hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung diese Bestimmungen ergangen Bescheid zu erstellen.
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013 idF BGBl. II 263/2016 wird der Behindertenpass als Karte aus Polyvinylchlorid hergestellt. Seine Gesamtabmessungen haben 53,98 mm in der Höhe und 85,60 mm in der Breite zu betragen. Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen hat der Behindertenpass auf der Vorderseite zu enthalten:
1. die Bezeichnung "Behindertenpass" in deutscher, englischer und französischer Sprache;
2. den Familien- oder Nachnamen, den Vorname(n), akademischen Grad oder Standesbezeichnung des Menschen mit Behinderung;
3. das Geburtsdatum;
4. den Verfahrensordnungsbegriff;
5. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;
6. das Antragsdatum;
7. das Ausstellungsdatum;
8. die ausstellende Behörde;
9. eine allfällige Befristung;
10. eine Braillezeile mit dem Ausdruck "Behindertenpass";
11. ein Hologramm in Form des Bundeswappens mit dem Schriftzug "Sozialministeriumservice" im Hintergrund;
12. das Logo des Sozialministeriumservice;
13. einen QR-Code, mit dem auf der Homepage des Sozialministeriumservice nähere Informationen zum Behindertenpass und den einzelnen Zusatzeintragungen abgerufen werden können sowie
14. ein der Bestimmung des § 4 der Passgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 223/2006, entsprechendes Lichtbild.
Gemäß § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
[...]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (nunmehr § 1 Abs. 4 Z 3) wird ausgeführt:
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
[...]
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapiefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
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arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
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Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
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hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
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Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
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COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
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Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
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mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
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Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
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hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
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schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
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nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
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vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
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laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
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Kleinwuchs,
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gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
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bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln,