TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/20 96/09/0359

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Veröffentlicht am 20.05.1998
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §92;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs3;
BDG 1979 §96;
BDG 1979 §97;
StGB §127;
StGB §130;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Irene Pfeifer, Rechtsanwalt in Wien I, Riemergasse 10, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 11. September 1996, Zl. 39/7-DOK/96, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand als Oberamtswart in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war der Zustelldienst bei der Staatsanwaltschaft Wien.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Dezember 1995 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 erster Fall StGB sowie wegen des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt; die Vollziehung dieser Freiheitsstrafe wurde vom Strafgericht unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen.

Dem Schuldspruch dieses strafgerichtlichen Urteils zufolge hat der Beschwerdeführer

1.) zwischen September 1992 und März 1995 gewerbsmäßig die im einzelnen in diesem Urteil aufgeführten Diebstähle von Essensmarken, geringfügigen Geldbeträgen und sonstigen Gegenständen mit einer Gesamtschadenssumme von S 7.812,-- aus Amtsräumen, zu denen er als Zusteller Zutritt hatte, begangen und

2.) ein Gut, das ihm anvertraut worden war, nämlich ihm von Versicherungsunternehmen für die Herstellung von Kopien übermittelte Bargeldbeträge von insgesamt S 262,50 sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern und zwar

a) im Jänner, Februar und April 1995 in insgesamt vier Angriffen von der A-Versicherung übermittelte Bargeldbeträge von insgesamt S 185,-- und

b) im April 1995 einen ihm von der E-Versicherungsgesellschaft AG übermittelten Bargeldbetrag von

S 77,50.

Im sich daran anschließenden, sachgleichen Disziplinarverfahren wurden diese, seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Tathandlungen des Beschwerdeführers als Dienstpflichtverletzungen im Sinne von § 43 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 91 BDG 1979 qualifiziert.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 11. September 1996 wurde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge gegeben und damit das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 6. März 1996, mit dem gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wurden war, bestätigt.

Zur Begründung der über den Beschwerdeführer verhängten Disziplinarstrafe der Entlassung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe als Beamter des Zustelldienstes der Staatsanwaltschaft Wien jahrelang die ihm eingeräumte Möglichkeit des unkontrollierten Zugangs zu den Amtsräumen der Staatsanwaltschaft Wien zu zahlreichen Diebstählen von Eigentum der Bediensteten der Staatsanwaltschaft ausgenutzt. Zusätzlich habe der Beschwerdeführer auch ihm anvertraute Geldbeträge veruntreut und versucht, diese Veruntreuungen durch unrichtige Eintragungen in interne amtliche Unterlagen zu verschleiern. Der jahrelange Mißbrauch der eingeräumten Vertrauensstellung durch gewerbsmäßige Begehung von Diebstählen und Veruntreuungen der von Parteien eingezahlten Geldbeträgen würden derart schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen darstellen, daß der Beschwerdeführer für den öffentlichen Dienst untragbar sei. Es sei zusätzlich zur strafrechtlichen Verurteilung die Verhängung die Disziplinarstrafe der Entlassung erforderlich. Die weitere Tragbarkeit des Beschwerdeführers für den öffentlichen Dienst sei nicht im Strafverfahren zu prüfen gewesen. Ein Beamter, der jahrelang Bedienstete seiner Dienststelle unter Ausnützung seiner Vertrauensstellung bestehle und auch ihm anvertraute Parteiengelder veruntreue, sei nicht mehr würdig, dem Beamtenstand anzugehören und für den öffentlichen Dienst nicht mehr verwendbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß über ihn nicht die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt werde. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Strafbemessung. Er macht im wesentlichen geltend, daß die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung auf Grund der in der Beschwerde näher dargelegten Überlegungen nicht gerechtfertigt sei und in seinem Fall ein Schuldspruch ohne Strafe (vgl. § 115 BDG 1979) oder seine Versetzung zu einer anderen Dienststelle ausreichend gewesen wären, um ihn von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 93 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung das Maß für die Höhe der Strafe. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstplichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Disziplinarstrafen sind zufolge § 92 Abs. 1 BDG 1979 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Kinderzulage, 3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Kinderzulage, 4. die Entlassung.

Insoweit der Beschwerdeführer die strafgerichtliche Strafbemessung bzw. die im gerichtlichen Strafverfahren erfolgte Verhängung einer Strafe unter der Grenze des § 27 StGB für sich ins Treffen zu führen sucht, ist zu erwidern, daß dem gerichtlichen Strafurteil in dieser Hinsicht keine Bindungswirkung und auch sonst kein Einfluß auf die Bemessung der Disziplinarstrafe zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 1997, Zl. 97/09/0183, vom 18. Oktober 1996, Zl. 96/09/0292, und vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0174, und die jeweils darin angegebene Vorjudikatur). Der Beschwerdeführer verkennt des weiteren, daß auch dem öffentlichen Bekanntwerden eines disziplinären Vorfalls in der Öffentlichkeit bei der Strafzumessung nach § 93 BDG 1979 weder bei der objektiven Betrachtung der Schwere der Dienstpflichtverletzung noch im Rahmen der Milderungs- und Erschwerungsgründe entscheidende Bedeutung zukommt, weil dieser Umstand von Zufälligkeiten abhängt, die sich der Objektivierung bzw. der persönlichen Einflußnahme des Beamten entziehen (vgl. in dieser Hinsicht etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0017, und vom 7. März 1996, Zl. 96/09/0038). Der Beschwerdeführer zeigt demnach mit dem genannten Vorbringen nicht auf, daß die erfolgte Verhängung der Disziplianrstrafe der Entlassung nicht gerechtfertigt wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0025, und vom 11. April 1996, Zl. 95/09/0050) dargelegt hat, ist die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter erfordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltungs zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatz" das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191 mit zahlreichen Beispielen aus der Vorjudikatur).

In diesem Sinne erweist sich die im Beschwerdefall verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung als gesetzmäßig. Ein Beamter, der unter Ausnutzung seiner dienstlichen Möglichkeiten (und während des Dienstes) gewerbsmäßig andere Bedienstete seiner Dienststelle bestiehlt bzw. sich an fremden Geldern und sonstigen Gegenständen vergreift, ist grundsätzlich nicht mehr tragbar, weil durch eine derartige Straftat nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit zerstört wird.

Der entscheidende Gesichtspunkt ist hiebei, daß sich die Verwaltung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen muß, weil eine lückenlose Kontrolle nicht möglich ist.

Die in der Beschwerde dargelegten "Milderungsgründe" und die "persönlichen Verhältnisse" des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, die aus der Sicht des Beschwerdefalles entscheidende Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu widerlegen. Insoweit der Beschwerdeführer auf die "Geringfügigkeit seiner Taten" und die ihm durch den Zugang zu allen Räumlichkeiten eröffnete Möglichkeit, Diebstähle "in beträchtlichem Umfang zu begehen", verweist, ist nicht zu erkennen, daß bzw. aus welchem Grund dieser Umstand dem Standpunkt dem Beschwerdeführer dienlich sein könnte. Daß der Beschwerdeführer weitere und/oder gravierendere Straftaten unterließ, ist ihm - entgegen dem Beschwerdevorbringen - weder als Vertrauenswürdigkeit noch als "mildernd" anzurechnen. Insgesamt werden in der Beschwerde jedenfalls keine Umstände aufgezeigt, die eine Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers im öffentlichen Dienst rechtfertigen könnten bzw. dazu führen, daß der Beschwerdeführer das Vertrauen seines Dienstgebers beanspruchen könnte.

Der belangten Behörde kann somit eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung nicht vorgeworfen werden, wenn sie nach den Umständen des Beschwerdefalles zu dem Ergebnis gelangte, daß nach Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Dienstpflichtverletzungen eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht in Betracht kam.

Dem Argument der Verwendung des Beschwerdeführers in einer anderen Dienststelle ist zu erwidern, daß nach der Bestimmung des § 92 BDG 1979 eine derartige Disziplinarstrafe nicht vorgesehen ist und die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Disziplinarbehörden im Rahmen der ihnen gemäß § 97 leg. cit. zukommenden Zuständigkeit nicht befugt sind, derartige Maßnahmen über den Beschwerdeführer zu verhängen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090359.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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