Entscheidungsdatum
27.02.2020Norm
AWG 2002 §69Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerden des 1. A und der 2. C GmbH, beide vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 26. August 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. August 2019,
Zl. ***, legte die Bezirkshauptmannschaft Baden dem handelsrechtlichen Geschäftsführer der C GmbH zur Last, er habe es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ zu verantworten, dass diese Gesellschaft entgegen § 69 AWG 2002 Abfälle, die ohne die erforderliche Bewilligung oder ohne die sonstigen erforderlichen Zustimmungen gemäß der EG-VerbringungsVO verbracht wurden, am 19. November 2018 übernommen habe. Die gegenständlichen notifizierungspflichtigen Abfälle (Verbringungen Nr. *** bis *** der Notifizierung Nr. SI 005821) wären ohne Notifizierung und ohne die erforderliche Bewilligung der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus gemäß § 69 AWG 2002 und ohne die erforderliche Zustimmung der zuständigen slowenischen Behörde grenzüberschreitend am 19. November 2018 aus Slowenien nach Österreich verbracht und von der C GmbH übernommen worden.
Konkret wäre die mit Bescheid des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus vom 14. Februar 2018, GZ. ***, genehmigte Verbringung von Abfällen gemäß der Notifizierung Nr. SI 005821 um 862,88 t überschritten worden.
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 in Verbindung mit dem Bescheid des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus vom
14. Februar 2018, GZ. *** verletzt. Unter Anwendung von § 79 Abs. 1 AWG 2002 verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von € 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und verpflichtete ihn zum Tragen der Verfahrenskosten.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf die Selbstanzeige der C GmbH vom 20. November 2018, in welcher diese der Behörde zur Kenntnis gebracht habe, dass diese für die thermische Verwertung im Werk *** der D GmbH über die Notifizierung Nr. SI 005821 Ersatzbrennstoffe importiert habe. Seitens des Ministeriums sei daraufhin hingewiesen worden, dass die Menge überschritten worden wäre. Bei der Prüfung der internen Aufzeichnungen hätte die C GmbH feststellen müssen, dass sie in ihrer internen Liste die genehmigte Menge fälschlicher Weise mit 10.000 t geführt habe, korrekt seien aber 5.000 t. Sie hätte somit mit Stichtag 19. November 2018 insgesamt 868,96 t über die notifizierte Menge importiert. Die verwendeten Mengen seien auch immer korrekt und umgehend gemeldet worden. Es hätte sich tatsächlich um ein Versehen gehandelt.
Die Strafbehörde ging davon aus, dass aufgrund eines Versehens in den internen Listen der C GmbH mit Stichtag 19. November 2018 diese ohne Notifizierung, ohne die erforderliche Bewilligung des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus gemäß § 69 AWG 2002 und ohne die erforderliche Zustimmung der zuständigen slowenischen Behörde grenzüberschreitend aus Slowenien nach Österreich verbracht habe und von der C GmbH übernommen worden wären.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In der rechtzeitig durch die rechtsfreundliche Vertretung erhobenen Beschwerde bekämpfte der Beschwerdeführer sowie die C GmbH als Zweitbeschwerdeführerin dieses Straferkenntnis und beantragte eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, sofern der angefochtene Bescheid nicht schon aufgrund der Aktenlage gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG aufgehoben werde.
Begründet wurde wie folgt:
„4.1 Kein Verschulden des Erstbeschwerdeführers
4.1.1 Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die gegen den Erstbeschwerdeführer als handelsrechtlichen Geschäftsführer gerichteten Tatvorwürfe der belangten Behörde zutreffend wären, kann allein deshalb schon keine Verwaltungsübertretung vorliegen, da der Erstbeschwerdeführer nicht schuldhaft gehandelt hat.
4.1.2 Dem Beschwerdeführer werden die Verwaltungsübertretungen als handelsrechtlichen Geschäftsführer vorgeworfen. Als solcher ist er für eine Verwaltungsübertretung nur verantwortlich, wenn ihm ein Organisationsversehulden in Form eines fehlenden Regel- und Kontrollsystem vorgeworfen werden kann. Demnach liegt kein Verschulden und in weiterer Folge auch keine Verwaltungsübertretung vor, wenn der Erstbeschwerdeführer ein strafbefreiendes Regel- und Kontrollsystem eingerichtet hat (stRsp zB VwGH 13.10.1993, 93/02/0181; Lewisch, in: Lewisch/Fister/Wcilguni (Hrsg.), VStG², § 9 Rz 42).
4.1.3 Ein entsprechendes Regel- und Kontrollsystem liegt im gegenständlichen Fall jedenfalls vor. Dabei werden in einem entsprechend aufbereiteten Dokument die Lieferfirmen, die Notifizierungen und die tatsächlich bisher angelieferten Mengen von zwei Mitarbeitern eingetragen und kontrolliert. Um eine Überschreitung der noti?zierten Mengen zu vermeiden, wird ebenso die genehmigte notifizierte Menge angeführt. All diese Eintragungen und Aufzeichnung werden vom Beschwerdeführer auch regelmäßig im Abstand von circa drei Wochen kontrolliert. Der Fehler hinsichtlich der notifizierten Menge ergab sich daraus, dass seit mehreren Jahren die aus Slowenien notifizierte Menge jeweils 10.000 t betrug. Dies wurde auch im Jahr 2018 so übernommen, obwohl hier als Abweichung von der 10.000 t-Menge ausnahmsweise nur 5.000 t notifiziert wurden. Dabei handelte es sich um einen einmaligen Übertragungsfehler durch Unterlassen der Änderung der genehmigten von 10.000 t auf 5.000 t, der bei den regelmäßigen Kontrollen auch nicht mehr aufgefallen ist, da die Eintragung der Menge nur zu einem Zeitpunkt erfolgt.
4.1.4 Dabei beurteilt sich die Effizienz eines solchen Regel- und Kontrollsystems nach einem „objektiven Maßstab“ (VwGH 27.2.1996, 94/04/0215; 9.12.1997, 97/04/0107; 2.6.1999, 98/04/0099). Diese ist im gegenständlichen Fall jedenfalls gegeben, da das implementierte System seit zehn Jahren reibungslos funktioniert. Ebenso gab es vor zwei Jahren eine Überprüfung des BMNT, in der die Aufbereitung der Unterlagen nicht beanstandet wurde. Hat ein Vertretungsorgan, respektive der verantwortliche Beauftragte, ein solches nach objektiven Maßstäben hinreichendes und taugliches Regel- und Kontrollsystem eingerichtet (und damit. seine diesbezüglichen Sorgfaltsanforderungen erfüllt), dann begründet das Versagen dieses Kontrollsystems im Einzelfall keinen zur Strafbarkeit führenden Fehler (vgl. Lewisch, in: Lewisch/Fister/Weilguni (Hrsg.), VStG², § 9 Rz 42; VwGH 23.4.1996, 95/11/0411). Ein solches Kontrollsystem ist im vorliegenden Fall jedenfalls gegeben, sodass es zu keiner Strafbarkeit kommt.
Beweis:
? Einvernahme des Beschwerdeführers, p.A. der B Rechtsanwälte GmbH
? Niederschrift über die Überprüfung des BMLFUW vom 28.4.2016 (Beilage ./1)
? Auszüge aus den geführten Listen (Beilage ./2)
4.1.5 Dadurch, dass die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer bestraft hat, obwohl ihn kein Verschulden trifft, belastet sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Soweit die belangte Behörde durch die Verkennung der Rechtlage Ermittlungsschritte unterlassen hat, wird dies gleichzeitig als wesentlicher Verfahrensmangel geltend gemacht. Die Wesentlichkeit liegt darin, dass die Behörde den Strafbescheid nicht erlassen hätte, wenn sie die erforderlichen. Ermittlungsschritte gesetzt hätte.
4.2 Einstellung wegen Geringfügigkeit gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG
4.2.1 Sollte die Behörde trotz der obigen Ausführungen dennoch davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer ein Verschulden trifft, so verweist der Beschwerdeführer auf § 45 Abs. 1 Z 4 VStG. Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen dem früheren § 21 Abs. 1 VStG (RV 2009 BlgNR XXIV GP, 19; VWGH 18.11.2014, Ra 2014/05/0008)‚ weshalb auf die zu § 21 Abs. 1 VStG ergangene Judikatur und Literatur zurückgegriffen werden kann.
4.2.2 Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortsetzung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes sowie die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Diese Kriterien sind im gegenständlichen Fall zweifelsfrei gegeben.
4.2.3 Die Voraussetzung des geringfügigen Verschuldens erfüllt der Beschwerdeführer zweifellos, da ihm aufgrund der Einrichtung des beschriebenen Regel- und Kontrollsystems überhaupt kein Verschulden vorgeworfen werden kann. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ihn ein Verschulden trifft, muss es sich um das niedrigste Maß von Verschulden handeln. Nach der Lehre und Rechtsprechung kann § 21 Abs. 1 VStG aber nicht nur bei leichter Fahrlässigkeit angewendet werden (Sander, in: Raschauer/Wessely (Hrsg.)‚ VStG, § 21, 323). Daraus folgt, dass die Bestimmung hier jedenfalls zur Anwendung gelangen muss, da ja - wenn man überhaupt vom Vorliegen eines subjektiven Sorgfaltsverstoßes ausgehen würde - die leichteste Form von Fahrlässigkeit vorliegt. Die erste Voraussetzung der Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist, somit, erfüllt. Dies wird auch von der belangten Behörde in ihrem Straferkenntnis festgestellt.
4.2.4 Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung ist im vorliegenden Fall ebenfalls als gering einzustufen. Wie aus den Erwägungsgründen der EG-VerbringungsV zu entnehmen ist, ist Zweck dieser Verordnung die Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfallen so zu organisieren und zu regeln, dass der Notwendigkeit, die Qualität der Umwelt. und der menschlichen Gesundheit zu erhalten, zu schützen und zu verbessern, Rechnung getragen und eine gemeinschaftsweit einheitliche Anwendung der Verordnung gefördert wird. Dieser Zweck wurde durch die gegenständliche Verwaltungsübertretung lediglich gering beeinträchtigt. lm gegenständlichen Fall handelte es sich bloß um einen Aufzeichnungsfehler. Es wurden über Jahre 10.000 t aus Slowenien importiert, wobei es hinsichtlich der Notifizierung dieser Menge zu keinerlei Problemen kam. Da im Jahr 2018 die Menge an importierten brennbaren Abfällen aus Italien erhöht wurde, wurde die Menge aus Slowenien reduziert. ln einer Gesamtbetrachtung veränderte sich die importierte Menge an brennbaren Materialien jedoch nicht. Die importierten Abfälle wurden ordnungsgemäß verwertet, sowie jeweils rechtzeitig an das BMNT (nur mit der falschen Nummer) gemeldet, wodurch der Zweck der Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfallen vollends verwirklicht wurde. Wenn die Überschreitung der notifizierten Menge aus Slowenien zeitgerecht aufgefallen wäre, wären entweder die Transporte aus Slowenien nicht. durchgeführt, sondern die Brennstoffe aus Italien bezogen werden, bei denen eine Notifizierung vorliegt oder es wäre eine neue Noti?zierung für weitere Brennstoffe aus Slowenien beantragt werden. Konkret handelt es sich bei gegenständlicher Verwaltungsübertretung um die Verletzung einer bloßen Ordnungsvorschrift. Diese verursacht auch keine Schadenswirkung, zumal die nicht verwaltungsrechtlich konforme Verbringung keinerlei Auswirkungen auf die im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 normierten Schutzgüter hat. Wie sich aus der Rechtsprechung des LVwG OÖ ergibt (13.9.2017, LVwG-500322/2/Kü/JHO), steht die Verletzung abfallrechtlicher Verp?ichtungen einem Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht entgegen. Es kann daher von einer, wenn überhaupt, nur geringen Rechtsgutbeeinträchtigung durch die vorgeworfene Verwaltungsübertretung gesprochen werden. Ein Vorgehen der Behörde gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG wäre jedenfalls geboten gewesen.
4.2.5 Dadurch, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer bestraft hat, obwohl sie das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hätte einstellen müssen, belastet sie den gegenständlichen Strafbescheid mit Rechtswidrigkeit. Sofern die belangte Behörde durch. Die Verkennung der Rechtslage Ermittlungsschritte unterlassen hat, wird dies gleichzeitig als wesentlicher Verfahrensmangel geltend gemacht. Die Wesentlichkeit liegt darin, dass die Behörde den Strafbescheid nicht erlassen hätte, wenn sie die erforderlichen Ermittlungsschritte gesetzt hätte.“
Mit Stellungnahme vom 10. Februar 2020 brachte die Beschwerdeführervertreterin ergänzend Folgendes vor:
„Bezugnehmend auf die umseits näher bezeichnete Angelegenheit erlaubt sich der Beschwerdeführer zusätzlich zu den in der Beschwerde vom 24.9.2019 vorgetragenen Beschwerdegründen noch folgende Stellungnahme zu übermitteln:
1. Verjährung eingetreten
1.1 Vorwurf: Illegaler Abfallimport am 19.11.2018
Mit Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom 30.7.2019,***, wurde dem Erstbeschwerdeführer vorgeworfen, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener, zu verantworten, dass die Zweitbeschwerdeführerin die gegenständlichen noti?zierungspflichtigen Abfälle ohne Notifizierung grenzüberschreitend verbracht habe, wobei als Tatzeitpunkt der 19.11.2018 angegeben wurde.
Der Erstbeschwerdeführer nahm zu der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung durch Erscheinen zur Vernehmung bei der BH Baden am 9.8.2019 Stellung. In der Niederschrift hinsichtlich der Vernehmung des Erstbeschwerdeführers wurde ebenso der 19.11.2018 als Tatzeit genannt.
Mit Straferkenntnis der BH Baden vom 26.8.2019, ***, wurde über den Beschwerdeführer in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer und
somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener aufgrund der oben angeführten Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in Höhe von € 3.300,00 verhängt. Auch hier wurde der Tatzeitpunkt mit 19.11.2018 angegeben.
1.2 Kein Abfallimport am 19.11.2018
Am 19.11.2018 erfolgte nachweislich kein Abfallimport mehr. Tatsächlich erfolgte der letzte Transport am 16.11.2018, wie dem Akteninhalt (siehe Schreiben der BMNT vom 19.3.2019 und Transportdokument Nr. ***) zu entnehmen ist.
1.3 Keine taugliche Verfolgungshandlung für Tatzeitpunkt 16.11.2018
Der Eintritt der Verjährung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (VWGH 29.5.1974, 1795/73; 18.3.1998, 96/09/0079; 17.5.1990, 89/06/0138). Der Behörde fehlt nach Eintritt der Verjährung die Zuständigkeit zur Verhängung der Strafe. Eine dennoch verhängte Strafe würde das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzen (Art 83 Abs. 2 B-VG; vgl. VfSlg 8804/1980 mwN).
Im gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer niemals die Verbringung von Abfällen vor dem 19.11.2018 vorgeworfen, sondern immer nur am 19.11.2018 (siehe Punkt 1.1).
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG 1991 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine taugliche Verfolgungshandlung vorgenommen wurde (Verfolgungsverjährung). Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Bei Begehungsdelikten beginnt die Frist mit dem Abschluss des verpönten aktiven Tuns (VWGH 25.6.2013, 2012/08/0300). Im gegenständlichen Fall liegt ein Begehungsdelikt vor, da ein bestimmtes aktives Tun mit Strafe bedroht ist, nämlich die Verbringung von notiflzierungsp?ichtigen Abfällen, ohne Notifizierung oder Bewilligung (VWGH 15.12.2006, 2006/04/0100). Das AWG 2002 trifft keine abweichende Reglung zu § 31 Abs. 1 VStG 1991 (vgl. § 81 Abs. 1 AWG 2002). Folglich beträgt die Verfolgungsverjährung ein Jahr.
Die einjährige Frist zur Setzung einer Verfolgungshandlung in Bezug auf den 16.11.2018 (bzw. davor) ist somit bereits abgelaufen und kann auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeholt werden. Eine Auswechslung der Tatzeit durch das Verwaltungsgericht ist dabei nicht zulässig (VWGH 16.12.2015, Ro 2015/10/0013; 5.11.2014, Ra 2014/09/0018). Zwar darf das VWG Tatort und Tatzeit, die im Straferkenntnis unrichtig wiedergegeben sind, im Zuge des Beschwerdeverfahrens berichtigen, dies jedoch nur wenn das Versehen für die Partei ohne weiteres erkennbar war und der richtige Tatort und die richtige Tatzeit innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Beschuldigten vorgehalten wurde (VWGH 31.1.1990, 89/03/0073; 24.10.1990, 89/03/0268; 6.10.1982, 82/03/0184). Da die richtige Tatzeit, nämlich der 16.11.2018, in keiner der Verfolgungshandlungen auch nur erwähnt wird, kann diese somit vom VwG auch nicht mehr berichtigt werden, sondern hat dieses den Bescheid aufgrund von Rechtswidrigkeit. ersatzlos aufzuheben.
2. Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes
Zudem ist anzuführen, dass der gegenständliche Vorwurf bereits von der Staatsanwaltschaft *** geprüft wurde und nach dem im Akt vorliegenden Benachrichtigung vom 28.5.2019, ***, gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde. Folglich liegt eine Entscheidung in der Sache vor, die bereits Gegenstand eines strafrechtlichen Verfahrens war. Da der Vorwurf des § 181e Abs. 3 StGB alle Fakten des hier vorgeworfenen § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 umfasst (LVwG NÖ 18.6.2019, LVwG-S-1714/001-2018), liegt auch eine Identität der Strafnormen vor. Anders als in der zitierten Entscheidung vom 18.6.2019 wurde mit der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft *** eine inhaltliche Entscheidung getroffen, sodass eine Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens eine unzulässige Doppelbestrafung darstellen würde.“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde zur
Zl. ***, darin inneliegend der Bescheid der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus vom 14. Februar 2018, Zl. ***, die Selbstanzeige der C GmbH vom 20. November 2018 sowie die Kopien sämtlicher Begleitformulare zur Notifizierung SI 005821, insbesondere jenes mit der Nr. *** und ***.
4. Feststellungen:
Mit Bescheid der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus vom 14. Februar 2018, ***, wurde der E d.o.o., die Zustimmung zur Verbringung von 5.000 t nicht gefährlicher Abfälle der Schlüsselnummer 91107 (heizwertreiche Fraktion aus aufbereiteten Siedlungs- und Gewerbeabfällen und aufbereiteten Baustellenabfällen, nicht qualitätsgesichert) zur grenzüberschreitenden Verbringung von Slowenien nach Österreich zur C GmbH zur Verwertung bei der D GmbH im Rahmen der Notifizierung Nr. SI 005821 erteilt. Tatsächlich wurden 868,96 t verbracht.
Die letzte verfahrensinkriminierte Verbringung mit Begleitschein Nr. *** fand am
16. November 2018 statt und langte der Transport am 17. November 2018 am Bestimmungsort ein.
5. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt des Verwaltungsaktes der belangten Behörde. Die Feststellung, dass die Verbringung des letzten verfahrensgegenständlichen Transportes mit der Nr. *** am 16. November 2018 stattgefunden hat, ergibt sich aus dem entsprechenden Begleitschein, an dessen Richtigkeit das erkennende Gericht keine Zweifel hegt.
6. Rechtslage:
§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 31
(1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
[…]
§ 32
(1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.
(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
[…]
§ 44a
Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift zu beinhalten, die durch die Tat verletzt worden ist;
[…]
§ 45
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
[…]
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;“
7. Erwägungen:
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Aus diesem Grund ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass
1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat
verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und
2. die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.
Im Hinblick auf das unverwechselbare Feststehen der Identität der Tat muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Wiederaufnahmeverfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Überdies muss der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH 21.10.1992, 92/02/0140 uva).
Der Spruch eines Straferkenntnisses hat die Anführung des Zeitpunktes der Begehung der Tat in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen (vgl. VwGH 22.02.2006, 2005/17/0195). Wenn der Spruch des Straferkenntnisses keine oder unrichtige Angaben über den Zeitpunkt der Tat enthält, belastet dies das Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. VwGH 09.11.1988, 88/03/0043).
Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall dem Beschwerdeführer eine unrichtige Tatzeit angelastet. Wie festgestellt fand der letzte verfahrensrelevante Verbringungstransport mit der Nr. *** nicht am 19. November 2018, sondern am
16. November 2018 statt und langte am 17. November 2018 bei der Zweitbeschwerdeführerin ein.
Das Verwaltungsgericht ist berechtigt, Tatort und Tatzeit, die im Straferkenntnis unrichtig wiedergegeben sind, im Zuge des Beschwerdeverfahrens zu berichtigen, wenn das Versehen für die Partei ohne weiteres erkennbar war und der richtige Tatort und die richtige Tatzeit innerhalb der Verfolgungsverjährung dem Beschuldigten vorgehalten worden sind (vgl. VwGH 31.05.2012, 2012/02/0051).
Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Wesentlich ist, dass die Verfolgungshandlung den Tatvorwurf in zeitlicher und räumlicher Hinsicht konkretisiert (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2013) § 32 Rz 18).
Nach § 31 Abs. 1 VStG beginnt die Frist der Verfolgungsverjährung mit dem Zeitpunkt zu laufen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2013) § 31 Rz 10). Die strafbare Tätigkeit war somit spätestens mit Ende der Verbringung des Transportes Nr. ***, also Ankunft am Bestimmungsort am
17. November 2018, abgeschlossen.
Die belangte Behörde hat sich wie festgestellt auf eine falsche Tatzeit gestützt und dementsprechende Verfolgungshandlungen daran orientiert. Von der Strafbehörde wurde nämlich irrtümlich das Datum der Selbstanzeige als Tatzeitpunkt herangezogen, obwohl an diesem Tag wie festgestellt keine Verbringung erfolgte. Dadurch hat sie jedoch im Ergebnis keine taugliche Verfolgungshandlung im Hinblick auf den 16. November 2018 gesetzt, weil der Konkretisierungsmangel der Tatzeit im Spruch des Straferkenntnisses und auch der im verwaltungsbehördlichen Verfahren ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung anhaftet.
Da es dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich verwehrt ist, Änderungen im Spruch eines Straferkenntnisses vorzunehmen, wenn diese nicht durch eine taugliche Verfolgungshandlung innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 VStG gedeckt sind, ist im Gegenstand Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb das Straferkenntnis daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen ist.
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Entscheidung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde gelegt wurde, welche auch nicht als uneinheitlich zu werten ist.
Schlagworte
Aufhebung und Einstellung Nein Umweltrecht; Notifizierung; Verfahrensrecht; Tatvorwurf; Tatzeit; Verfolgungsverjährung; JaEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.2164.001.2019Zuletzt aktualisiert am
08.09.2020